Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 TaBV 15/14

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. Mai 2014, Az. 1 BV 76/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle für eine Innendienstsekretärin im Bezirk Rhein-Nahe-Hunsrück (RNH) mit der Bewerberin K., um die Auslegung einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Mitbestimmung.

2

Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der Betriebsrat des Landesbezirks Rheinland-Pfalz-Saarland (RPS) der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Beteiligter zu 2) des vorliegenden Verfahrens ist. Ver.di entstand im Jahr 2001 durch Verschmelzung mehrerer Gewerkschaften. In einer zuvor von den betroffenen Einzelgewerkschaften mit ihren Gesamtbetriebsräten sowie der Gründungsorganisation von ver.di im April 2001 abgeschlossenen „Vereinbarung zur Erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte in ver.di“ (GBV-EM) heißt es ua.:

3

„Präambel

4

5

Unter Beachtung dieser Grundsätze arbeiten die einzelnen Betriebsräte … mit ver.di als Arbeitgeberin … vertrauensvoll und gleichberechtigt auf der Grundlage der ver.di-Satzung zusammen. Die Mitbestimmung der Betriebsräte wird dabei durch den betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutz nicht berührt und insbesondere im personellen wie im sozialen Bereich über die gesetzlichen Regelungen hinaus erweitert.

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§ 1 Geltungsbereich

7

Diese Vereinbarung gilt für alle Beschäftigten von ver.di mit Ausnahme der Wahlangestellten sowie der Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG.

...

8

§ 4 Mitbestimmung in personellen und sozialen Angelegenheiten

9

(1) Der Betriebsrat hat, soweit in den folgenden Absätzen keine Ausnahmen geregelt sind, in allen personellen und sozialen Angelegenheiten über das Betriebsverfassungsgesetz hinaus erweitert mitzubestimmen. Dies gilt auch in Betrieben mit weniger als 21 Beschäftigten.

10

(2) Ausnahmen von der erweiterten Mitbestimmung begründen sich aus dem Vorrang der Ausübung satzungsgemäßer Rechte der zuständigen Gremien von ver.di, wie zB. Gestaltung der innergewerkschaftlichen Strukturen sowie Haushalts- und Budgetfragen. Hierher gehören auch Entscheidungen über Betriebsänderungen iSd. § 111 BetrVG.

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(3) Eine Erweiterung der Mitbestimmung gemäß Absatz 1 gilt nicht bei folgenden Gegenständen:

12

a) in personellen Angelegenheiten

13

- Personalplanung einschließlich Personalkostenplanung,
- die Aufstellung des Stellenplans einschließlich der Verteilung der Stellen und der Stellenbewirtschaftung,
- Inhalten von Stellenanforderungen und Qualifikationsprofilen einschließlich Stellenausschreibungen,
- die Beurteilung und Entscheidung über die Geeignetheit eines Stellenbewerbers,
- Stellenbeschreibungen einschließlich der Aufgabenzuweisungen und -zuordnungen sowie Arbeitsanweisungen im Rahmen des Direktionsrechts,
- die vorübergehende Abordnung für andere Arbeitsaufgaben und/oder an einen anderen Arbeitsort bis zur Höchstdauer von drei Monaten,
- die Erteilung von Ermahnungen und Abmahnungen ,
- Zeugnisse einschließlich Zwischenzeugnisse,
- außerordentliche, nicht betriebsbedingte Kündigungen aus wichtigem Grund; < Protokollnotiz 3) >

14

b) in sozialen Angelegenheiten

c) bei Fragen der Geschäftsverteilung und Organisation

15

(4) Im Übrigen hat der Betriebsrat mitzubestimmen nach Maßgabe des jeweils gültigen Betriebsverfassungsgesetzes, soweit nicht eine gesetzliche oder gültige tarifersetzende Regelung besteht.

16

§ 5 Einigungsstelle

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(1) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach §§ 3 (3), 4 (1) oder § 7 (1) nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle. Diese wird nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmung eingesetzt:

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19

§ 7 Vorläufige Maßnahmen

20

(1) Will ver.di eine unter § 4 Abs. 1 dieser Vereinbarung fallende personelle Maßnahme vorläufig durchführen, weil sie dies aus sachlichen Gründen für dringend erforderlich hält, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn dieser seine Zustimmung verweigert hat, so hat ver.di den Betriebsrat von dieser Absicht unverzüglich zu unterrichten. Bestreitet sodann der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, wovon ver.di ebenfalls unverzüglich zu unterrichten ist, darf ver.di die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrecht erhalten, wenn innerhalb von drei Tagen die Einigungsstelle angerufen wird. Die Einigungsstelle ist berechtigt, auch vor der Entscheidung über die Maßnahme selbst über die Dringlichkeit der jeweiligen Maßnahme vorab verbindlich zu entscheiden.

21

(2) Eilbedürftige Maßnahmen im Sinne des vorstehenden Absatzes sind insbesondere solche, die zur Erhaltung der gewerkschaftlichen Handlungs- und Arbeitsfähigkeit von ver.di keinen Aufschub dulden.

22

23

§ 9 Schlussbestimmungen

24

(1) Soweit in dieser Vereinbarung keine gesonderten Regelungen getroffen werden, gilt im Übrigen das Betriebsverfassungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung, das auch ansonsten unberührt bleibt.

25

…“

26

In einer Konzernbetriebsvereinbarung zum konzernweiten Stellenmarkt vom 09.02.2011 sind die Rahmenbedingungen der Veröffentlichung von Stellenausschreibungen geregelt. Danach sind die Stellen intern in einem Drei-Schritte-Verfahren auszuschreiben:

27

1. Schritt: Betriebliche Ausschreibung - Interner Stellenmarkt
2. Schritt: Unternehmensweite Ausschreibung - bundesweiter Stellenmarkt
3. Schritt: Konzernweite Ausschreibung

28

Am 07.12.2012 schrieb der Landesbezirksleiter die Stelle für eine Innendienstsekretärin im Bezirk RNH mit einer Frist bis zum 21.12.2012 intern aus. Es bewarben sich die Arbeitnehmerinnen F. und H.-Sch.. Der Landesbezirksleiter entschied im Anschluss an Gespräche mit beiden Bewerberinnen, das interne Besetzungsverfahren abzuschließen und die Stelle bundesweit auszuschreiben. Er unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 25.01.2013 über die Gründe für die Nichtberücksichtigung der Bewerberinnen und teilte ihm mit, dass er die Stelle nun bundesweit ausschreiben wolle. Den beiden Bewerberinnen sagte er am 26.02.2013 ab.

29

Am 08.03.2013 schrieb der Landesbezirksleiter die Stelle im bundesweiten Stellenmarkt aus. Auf diese Ausschreibung bewarben sich aus dem eigenen Landesbezirk Herr T. und aus dem Landesbezirk Baden-Württemberg (BW) Frau K.. Mit Schreiben vom 22.03.2013 teilte der Landesbezirksleiter dem Betriebsrat mit, er beabsichtige, die Stelle mit der Bewerberin K. zu besetzen. Er beantragte auf einem Formblatt die Zustimmung zur Versetzung von Frau K. vom Landesbezirk BW zum Landesbezirk RPS gem. § 99 BetrVG. Dem Formblatt fügte er die Bewerbungsunterlagen beider Bewerber und die Stellenausschreibung bei. In seiner Sitzung vom 28.03.2013 beschloss der Betriebsrat, vom Landesbezirksleiter weitere Informationen zu fordern. Mit E-Mail vom 04.04.2013 antwortet der Leiter auf die Anforderung und führte ua. aus:

30

"… zu eurem Beschluss Nr. 48/11 aus der BR-Sitzung vom 28.03. gebe ich euch auch im formalen Sinne die gewünschten weiteren Angaben/Informationen:
…."

31

Der Betriebsrat antwortete nicht. Mit E-Mail vom 11.04.2013 wies der Landesbezirksleiter den Betriebsrat darauf hin, dass die Frist zur Anhörung des Betriebsrats aus seiner Sicht am 12.04.2013 ablaufe. Auch hierauf reagierte der Betriebsrat nicht. Daraufhin teilte ihm der Landesbezirksleiter am 16.04.2013 mit, dass er die Versetzung der Arbeitnehmerin K. vom Landesbezirk BW in den Landesbezirk RPS zum 01.05.2013 vornehmen werde. Zur Begründung führte er aus, er habe am 04.04.2013 die noch offenen Fragen zur Versetzung beantwortet. Da keine weiteren Rückfragen bzw. Einwände des Betriebsrats erfolgt seien, gelte im Rahmen der Wochenfrist des § 99 BetrVG die Zustimmung zur Versetzung als erteilt.

32

Der Betriebsrat antwortete mit E-Mail vom 16.04.2013 zunächst, dass die Wochenfrist bei ver.di keine Anwendung finde, korrigierte sich jedoch 10 Minuten später mit einer weiteren E-Mail wie folgt:

33

"… bitte betrachte meine E-Mail als gegenstandslos. Es gibt tatsächlich eine Wochenfrist auch in ver.di. Allerdings haben wir zu prüfen, ob wir entsprechend umfassend informiert sind. Dazu können wir uns aber erst nach der Sitzung äußern."

34

In seiner Sitzung vom 19.04.2013 kam der Betriebsrat zu dem Ergebnis, dass er nur unvollständig unterrichtet worden sei. Er forderte den Landesbezirksleiter zur Vervollständigung seiner Informationen auf. In dem Beschluss heißt es ua.:

35

"Der Betriebsrat beschließt:

36

Der E-Mail der Personalabteilung vom 16.04.2013 ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber mit seiner E-Mail vom 04.04.2013 der Auffassung ist, den Betriebsrat ausreichend angehört zu haben und wegen Verstreichens der Wochenfrist von einer Zustimmung zur Maßnahme auszugehen ist.

37

Hierzu stellt der Betriebsrat fest, dass es im Rahmen der bisherigen Zusammenarbeit noch nie der Fall war, dass der Arbeitgeber sich auf die Wochenfrist des § 99 BetrVG berufen hat.

38

Dessen ungeachtet stellt der Betriebsrat fest, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unvollständig informiert hat und die Bewerbungsunterlagen nicht vollständig vorgelegt hat:

39


Die Anhörung ist damit unvollständig, so dass damit auch die Wochenfrist nicht begonnen hat.
…"

40

Der Landesbezirk RPS beschäftigt Frau K. seit 01.05.2013 als Innendienstsekretärin im Bezirk RNH.

41

Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen in analoger Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.05.2014 (dort S. 2-20).

42

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

43

1. dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zu unterlassen,

44

2. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 1),
die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. aufzuheben,

45

3. dem Arbeitgeber aufzugeben, die Beschäftigung von Frau K. auf der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH zu unterlassen,

46

4. festzustellen, dass für die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zwischen den Beteiligten keine Frist galt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

47

5. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 4),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

48

6. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 5),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

49

7. festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bezüglich der personellen Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG galt,

50

8. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 7),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt,

51

9. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 8),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt,

52

10. festzustellen, dass er bei seiner Zustimmungsverweigerung bezüglich der personellen Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt war,

53

11. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 10),
festzustellen, dass er hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt ist,

54

12. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 11),
festzustellen, dass er hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt ist.

55

Der Arbeitgeber hat beantragt,

56

die Anträge zurückzuweisen.

57

Das Arbeitsgericht hat die zwölf Anträge zurückgewiesen. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts wird auf den begründeten Teil des Beschlusses vom 02.05.2014 (dort S. 21-31) Bezug genommen.

58

Gegen diesen ihm am 21.07.2014 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat mit am 14.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am 16.09.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

59

Der Betriebsrat trägt vor, in einer Broschüre "Mitbestimmung bei ver.di", die auf Bundesebene erstellt worden sei, werde zur Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (dort S. 33-34) folgendes ausgeführt:

60

"Personelle Einzelmaßnahmen:

61

Was bedeutet nun die Erweiterung der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen, die in § 99 (Einstellung, Versetzung und Eingruppierung) oder in § 102 BetrVG (ordentliche Kündigung) geregelt sind?

62

Handelt es sich in allen Fällen tatsächlich um eine echte Mitbestimmung, wie das BetrVG sie definiert (siehe Teil I 1)?

63

Zustimmungserfordernis:

64

Die Zustimmung des Betriebsrates zu einer solchen Maßnahme ist jedenfalls unstreitig Wirksamkeitsvoraussetzung derselben.

65

Nicht endgültig geklärt ist die Frage, ob der Betriebsrat an eine Frist oder bestimmte Gründe für eine evtl. Zustimmungsverweigerung gebunden ist (wie bei § 99 BetrVG).

66

Die Vereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung enthält keine ausdrückliche Regelung einer Fristverlängerung.

67

Ebenso fehlt eine Regelung dazu, wie der Arbeitgeber reagieren kann, wenn auch nach längerer Zeit keine Rückäußerung des Betriebsrats erfolgt oder wenn er lediglich widerspricht, ohne eine Begründung abzugeben.

68

Bitte beachten:

69

Da zur Frage einer Frist für die Rückäußerung des BR und der Bindung an bestimmte Gründe unterschiedliche juristische Auslegungen der GBV-EM möglich sind, empfiehlt sich zur Klarstellung eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die Fristen, deren Rechtsfolgen und Begründungspflichten regelt. (Beispiel Bundesverwaltung)

70

Verfahren bei Zustimmungsverweigerung:

71

Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, muss der Arbeitgeber anders als nach dem BetrVG gem. § 5 GBV-EM die Einigungsstelle anrufen.

72

Eine Zustimmungsfiktion bei Fristversäumnis wie nach § 99 Abs. 3 Satz 3 BetrVG kann man nach der GBV-EM nicht annehmen.

73

Die Anrufung der Einigungsstelle gemäß § 5 GBV-EM ersetzt das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG.
…"

74

In der ver.di-Bundesverwaltung sowie im Landesbezirk NRW seien auf dieser Basis jeweils Betriebsvereinbarungen abgeschlossen worden.

75

Das Arbeitsgericht sei aufgrund fehlerhafter Auslegung der GBV-EM davon ausgegangen, dass die Fristen und Zustimmungsverweigerungsgründe nach §§ 99 ff. BetrVG auch im Rahmen der Mitbestimmung gem. der GBV-EM Anwendung finden. Vor diesem Hintergrund habe das Arbeitsgericht seine Anträge rechtsfehlerhaft abgewiesen. Im Rahmen der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM gebe es weder eine Frist noch sei der Betriebsrat verpflichtet, bei einer Zustimmungsverweigerung Gründe iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG anzugeben.

76

Wegen weiterer Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 16.09.2014 Bezug genommen.

77

Der Betriebsrat beantragt zweitinstanzlich,

78

den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.05.2014, Az. 1 BV 76/13, abzuändern und

79

1. dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zu unterlassen,

80

2. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 1),
die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. aufzuheben,

81

3. dem Arbeitgeber aufzugeben, die Beschäftigung von Frau K. auf der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH zu unterlassen,

82

4. festzustellen, dass für die personelle Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zwischen den Beteiligten keine Frist galt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

83

5. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 4),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

84

6. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 5),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG,

85

7. festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bezüglich der personellen Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG galt,

86

8. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 7),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt,

87

9. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 8),
festzustellen, dass für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt,

88

10. festzustellen, dass er bei seiner Zustimmungsverweigerung bezüglich der personellen Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt war,

89

11. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 10),
festzustellen, dass er hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt ist,

90

12. hilfsweise für den Fall einer Ablehnung des Antrags zu 11),
festzustellen, dass er hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt ist.

91

Der Arbeitgeber beantragt,

92

die Beschwerde zurückzuweisen.

93

Er verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 10.12.2014, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

94

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

B.

95

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz ist nur teilweise zulässig. Soweit der Betriebsrat zweitinstanzlich die Anträge zu 1) sowie die Anträge zu 11) und 12) weiterverfolgt, ist seine Beschwerde mangels hinreichender Begründung unzulässig.

I.

96

Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Beschwerdebegründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Auch darf sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (vgl. BAG 30.10.2012 - 1 ABR 64/11 - Rn. 11 mwN, NZA 2013, 287).

97

Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem der Streitgegenstände, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (vgl. BAG 27.07.2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13 mwN, NZA 2010, 1446).

II.

98

Danach ist die Beschwerde des Betriebsrats im genannten Umfang unzulässig.

99

1) Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 1) als unbegründet abgewiesen, weil der Landesbezirk RPS die streitgegenständliche Stellenbesetzung zum 01.05.2013 - unstreitig - bereits umgesetzt habe. Die GBV-EM sehe keinen Unterlassungsanspruch vor, die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG habe der Betriebsrat nicht dargelegt. In Bezug auf diesen Streitgegenstand ist die Beschwerde unzulässig, weil sie sich mit diesen Ausführungen mit keinem Wort auseinandersetzt.

100

2) Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu 11) und 12) als unzulässig zurückgewiesen. Mit diesen Hilfsanträgen will der Betriebsrat auch zweitinstanzlich festgestellt haben, dass er im Falle der Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen, insb. bei Einstellungen, gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt ist.

101

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die Anträge seien unzulässig, weil sie nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet seien. Der Betriebsrat begehre mit diesen Anträgen die Klärung abstrakter Rechtsfragen und damit letztlich die Erstellung eines Rechtsgutachtens. Dies reiche für das Rechtsschutzinteresse nicht aus. Die Beschwerde setzt sich mit diesen Ausführungen ebenfalls nicht ansatzweise auseinander. Sie ist auch insoweit unzulässig.

C.

102

Im Übrigen ist die Beschwerde des Betriebsrats unbegründet.

I.

103

Die Anträge sind teilweise unzulässig. Das Arbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Anträge zu 5) bis 9) zulässig sind und sie als unbegründet abgewiesen. Diese Anträge des Betriebsrats sind bereits unzulässig. Dasselbe gilt für den Antrag zu 4) und den Antrag zu 10).

104

1) Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann nach § 256 Abs. 1 ZPO die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden baldigen richterlichen Entscheidung hat. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Die Klärung solcher Fragen liefe darauf hinaus, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Das ist den Gerichten verwehrt (vgl. BAG 18.01.2012 - 7 ABR 73/10 - Rn. 35 mwN, NZA 2012, 813).

105

2) Vorliegend sind die Fragen, ob für die Besetzung der Stelle der Innendienstsekretärin im Bezirk RNH mit Frau K. zwischen den Beteiligten keine Frist galt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (Antrag zu 4), ob für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (Antrag zu 5), ob für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Frist gilt, insb. nicht § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (Antrag zu 6), ob für die Zustimmungsverweigerung bezüglich der Besetzung der Stelle der Innendienstsekretärin im Bezirk RNH durch Frau K. zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG galt, (Antrag zu 7), ob für die Zustimmungsverweigerung bei personellen Maßnahmen gem. § 4 Abs. 1 GBV-EM, die nicht in § 4 Abs. 3a GBV-EM ausgenommen sind, zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt (Antrag zu 8), ob für die Zustimmungsverweigerung bei Einstellungen iSv. § 99 BetrVG zwischen den Beteiligten keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt (Antrag zu 9), ob der Betriebsrat bei seiner Zustimmungsverweigerung bzgl. der personellen Einzelmaßnahme Stellenbesetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH durch Frau K. nicht auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG benannten Zustimmungsverweigerungsgründe begrenzt war (Antrag zu 10), Vorfragen bzw. abstrakte Rechtsfragen.

106

Dem Betriebsrat geht es mit diesen Anträgen nicht um die Klärung, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Besetzung der Stelle der Innendienstsekretärin im Bezirk RNH mit der Bewerberin K. aufzuheben bzw. deren Beschäftigung zu unterlassen (so die Anträge zu 2) und 3)), sondern um die Erstattung eines Rechtsgutachtens. Die Beschwerdekammer schließt sich dem LAG München an, das in seinem Beschluss vom 16.01.2014 (4 TaBV 85/13) zum ver.di-Landesbezirk Bayern, der den Beteiligten bekannt ist, ausgeführt hat, dass der Betriebsrat eine grundsätzliche gutachterliche Stellungnahme des Gerichts anstrebt, ob die GBV-EM (inzident) überhaupt rechtswirksam ist und vor allem, ob - deren Rechtswirksamkeit unterstellt - das Zustimmungsverweigerungsrecht bei allen personellen Maßnahmen keiner Frist unterliegt und damit auch keine Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eintritt, und ob der Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG nicht gilt.

107

Den Feststellungsanträgen zu 4) bis 10) fehlt - wie den Anträgen zu 11) und 12) - das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse. Allein der Umstand, dass die im vorliegenden Verfahren erbetenen Entscheidungen Richtschnur für das Verhalten der Beteiligten in gleichgelagerten künftigen Fällen sein kann oder ein Allgemeininteresse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage bestehen mag, reicht für das Rechtsschutzinteresse nicht hin. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass seine Rechtsauffassung zutrifft, oder eine alle Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (vgl. BAG 27.01.2004 - 1 ABR 5/03 - Rn. 43 mwN, Juris).

II.

108

Der Antrag zu 2) ist zulässig, aber unbegründet.

109

1) Mit diesem Antrag soll dem Landesbezirk aufgegeben werden, die Besetzung der Stelle der Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH mit Frau K. aufzuheben. Dieser Antrag ist in § 101 Satz 1 BetrVG vorgesehen. Danach kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn dieser die Maßnahme ohne seine - des Betriebsrats - Zustimmung durchgeführt hat. Der Antrag bezeichnet die durchgeführten personellen Maßnahmen und die betroffene Beschäftigte. Er ist damit hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

110

2) Der Antrag zu 2) ist unbegründet. Der Landesbezirksleiter ist nicht verpflichtet, die Besetzung der Stelle für eine Innendienstsekretärin im Bezirk RNH mit Frau K. aufzuheben. Der Betriebsrat hat keinen Beseitigungsanspruch nach § 101 Satz 1 BetrVG, denn seine Zustimmung zur Versetzung von Frau K., die auf ihren Wunsch vom Landesbezirk BW zum Landesbezirk RPS gewechselt ist, gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.

111

a) Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die gesetzliche Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG sei eingetreten, weil der Betriebsrat des aufnehmenden Landesbezirks RPS seine Zustimmung zur Versetzung der Bewerberin K. nicht bis zum Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verweigert hat.

112

Der Landesbezirksleiter hat das Zustimmungsverfahren in Bezug auf die Versetzung der Bewerberin K. nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit Schreiben vom 22.03.2013 wirksam eingeleitet.

113

aa) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu unterrichten. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist (vgl. BAG 30.09.2014 - 1 ABR 5/13 - Rn. 21 mwN, Juris). Ist die Unterrichtung offenkundig unvollständig, wird die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht ausgelöst. Durfte der Arbeitgeber dagegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der aus seiner Sicht unvollständigen Auskünfte zu bitten (vgl. BAG 13.03.2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 34, Juris).

114

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Landesbezirksleiter das Zustimmungsverfahren wirksam eingeleitet. Er hat den Betriebsrat am 22.03.2013 auf einem Formblatt um Zustimmung zur Versetzung der Bewerberin K. vom Landesbezirk BW zum Landesbezirk RPS gebeten und die personelle Maßnahme im Einzelnen damit begründet, dass sich auf die bundesweit ausgeschriebene Stelle einer Innendienstsekretärin für den Bezirk RNH Frau K. und Herr T. beworben haben. Frau K. habe durch ihre langjährige Beschäftigung bei ver.di sowie der ehemaligen DAG die weitaus besseren fachlichen Voraussetzungen zur Besetzung dieser Stelle. Sie sei bisher im Ebenenbereich als Landesjugendsekretärin wie auch im Fachbereich 08 beschäftigt gewesen. Sie kenne die Organisation und Arbeitsstrukturen von ver.di bestens, habe gute Erfahrungen im Umgang mit Mitgliederanfragen und bringe durch ihre langjährige Beschäftigung als Gewerkschaftssekretärin - zurzeit als Landesfachbereichsleiterin - die bessere fachliche Qualifikation für diese Stelle mit. Herr T. sei seit dem 01.01.2013 als Krankheitsvertretung für Frau J. im Bereich Rechtsschutz beschäftigt. Er habe bisher nur Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit im Rahmen einer befristeten Beschäftigung beim DGB Rechtsschutz gesammelt. Er verfüge über eine gute juristische Vorbildung, habe aber aufgrund seines kurzen Einsatzes noch keine für diese Stelle erforderlichen Erfahrungen mit ver.di als Organisation sowie deren Arbeitsstrukturen sammeln können. Herr T. habe sich bisher im Bereich Rechtsschutz gut bewährt, so dass man sich eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle durchaus vorstellen könne. Diesem Anschreiben fügte der Landesbezirksleiter als Anlagen die Bewerbungsunterlagen beider Bewerber sowie die Stellenausschreibung bei.

115

Der Landesbezirksleiter durfte davon ausgehen, dem Betriebsrat alle für die Versetzung von Frau K. erforderlichen Umstände vollständig mitgeteilt zu haben. Der Landesbezirksleiter war insb. nicht verpflichtet, dem Betriebsrat erneut die Bewerbungsunterlagen der Arbeitnehmerinnen F. und H.-Sch. vorzulegen.

116

cc) Selbst wenn man aber annähme, der Betriebsrat habe vom Landesbezirksleiter am 28.03.2013 zu Recht weitere Informationen verlangt, wofür wenig spricht, ist dieser der Aufforderung mit E-Mail vom 04.04.2013 nachgekommen. Er hat dem Betriebsrat geantwortet, dass er sich nicht für verpflichtet halte, die beiden internen Bewerbungen erneut vorzulegen, weil durch die Mitteilung über seine Einschätzung zu den beiden Bewerberinnen (vom 25.01.2013) die Anhörung des Betriebsrats erfolgt sei. Der Betriebsrat hätte sich damals innerhalb der Fristen äußern können. Das Anforderungsprofil für die Stelle der Innendienstsekretärin entspreche der bundesweiten Ausschreibung. Es sei nicht höher als bei der betrieblichen Ausschreibung (siehe Eingruppierung). Er habe nicht behauptet, dass die Bewerberinnen F. und H.-Sch. nicht hätten eingearbeitet werden können, sondern den damit verbundenen Zeitaufwand (zB. für das Aneignen von Kenntnissen zu mehreren Tarifverträgen) als zu umfangreich bewertet. Nach seiner Meinung fehlten dem Bewerber T., bei aller Qualität im Juristischen, Kenntnisse über die betriebliche Qualifikation der Mitglieder.

117

dd) Spätestens am 04.04.2013 verfügte der Betriebsrat über alle Informationen, die er benötigte, um sein Recht zur Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG sachgerecht ausüben zu können. Da der Betriebsrat auf die E-Mail vom 04.04.2013 nicht mehr reagierte, durfte der Landesbezirksleiter davon ausgehen, dass er seine Unterrichtungspflichten vollständig erfüllt hat. Damit lief die in § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geregelte Wochenfrist spätestens am 12.04.2013 ab. Hierauf hat der Landesbezirksleiter den Betriebsrat mit E-Mail vom 11.04.2013 aufmerksam gemacht.

118

Da die gesetzliche Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG mit Ablauf des 12.04.2013 eingetreten ist, konnte der Landesbezirksleiter die ausgeschriebene Stelle am 01.05.2013 mit Frau K. besetzen. Ob das Verhalten des Betriebsrats nach Eintritt der Zustimmungsfiktion unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens als unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB zu bewerten ist, kommt es nicht an.

119

b) Das Arbeitsgericht hat rechtfehlerfrei angenommen, dass der Betriebsrat verpflichtet war, die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einzuhalten. Die gesetzlich geregelte Wochenfrist zur Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats und der Eintritt der Zustimmungsfiktion nach Fristablauf gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung "zur Erweiterten Mitbestimmung für Betriebsräte in ver.di" (GBV-EM) nicht abbedungen worden. Dies folgt aus der Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung.

120

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Beschlusses und stellt dies entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG hiermit fest. Das Beschwerdevorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

121

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 18.11.2014 - 1 ABR 18/13 - Rn. 16 mwN, Juris).

122

bb) Schon der Wortlaut der GBV-EM spricht gegen die Ansicht des Betriebsrats. Dem Betriebsrat steht zwar aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung ein erweitertes Mitbestimmungsrecht bei personellen Maßnahmen zu. Die Vertragsschließenden haben jedoch hinsichtlich der in § 99 BetrVG geregelten Unterrichtungspflichten, der Durchführung des Anhörungsverfahrens, der Äußerungsfristen für den Betriebsrat und der Zustimmungsfiktion ebenso wie hinsichtlich des Katalogs der Zustimmungsverweigerungsgründe es bei der gesetzlichen Regelung in § 99 BetrVG belassen. Die Vorschriften der §§ 99 bis 101 BetrVG finden - wie das Arbeitsgericht bereits sorgfältig begründet hat - uneingeschränkt Anwendung. Ausschließlich für den Fall, dass der Betriebsrat einer der erweiterten Mitbestimmung unterliegenden personellen Maßnahme die Zustimmung form- und fristgerecht verweigert, ist in der GBV-EM vorgesehen, dass die Einigungsstelle die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.

123

Weder dem Wortlaut noch dem dadurch vermittelten Wortsinn des § 4 Abs. 1 GBV-EM ist zu entnehmen, dass die Erweiterung der Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten mit der gänzlichen Abbedingung der Regelungen in § 99 BetrVG einhergeht, was wohl rechtlich nicht zulässig sein dürfte.

124

Die GBV-EM übernimmt in den §§ 4 und 6 mit den Begriffen „personelle und soziale sowie wirtschaftliche“ Angelegenheiten die Terminologie des Betriebsverfassungsgesetzes. Auch im Übrigen wird auf die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mehrfach Bezug genommen. So werden Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG in § 1 GBV-EM aus dem Geltungsbereich ausgenommen. In § 4 Abs. 2 GBV-EM wird § 111 BetrVG, in § 6 GBV-EM werden §§ 111, 112, § 112a Abs. 2 Satz 1 sowie §§ 106 bis 109 BetrVG in Bezug genommen. Soweit in § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV-EM ausdrücklich bestimmt ist, dass das erweiterte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch in Betrieben mit weniger als 21 Beschäftigten gilt, wird konkret § 99 Abs. 1 BetrVG angesprochen, der ein Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen nur in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern vorsieht. Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass die Ausnahme einer der Tatbestandsvoraussetzungen einer gesetzlichen Regelung, die keine Anwendung finden soll, überflüssig wäre.

125

Hinzu kommt, dass in § 4 Abs. 4 GBV-EM als Auffangtatbestand ausdrücklich auf die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verwiesen wird. Es heißt dort wörtlich: „Im Übrigen hat der Betriebsrat mitzubestimmen nach Maßgabe des jeweils gültigen Betriebsverfassungsgesetzes." Auch die Schlussbestimmungen in § 9 Abs. 1 GBV-EM nimmt als weitere Auffangverweisung auf die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes Bezug. Dort heißt es: „Soweit in dieser Vereinbarung keine gesonderten Regelungen getroffen werden, gilt im Übrigen das Betriebsverfassungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung, das auch ansonsten unberührt bleibt." Die Vertragsparteien haben somit - gleich zweimal - mit nicht zu überbietender Deutlichkeit klargestellt, dass Abweichungen von den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes grundsätzlich "nur" anzunehmen sind, wenn in der GBV-EM eine gesonderte Regelung getroffen wurde. Insoweit hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass es zur Annahme des Willens, die gesetzliche Vorschrift des § 99 BetrVG vollständig abzubedingen, einer ausdrücklichen Klarstellung bedurft hätte.

126

Die vom Betriebsrat in zweiter Instanz vorgelegte Broschüre "Mitbestimmung bei ver.di" steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, welche Rechtsnatur der Broschüre überhaupt beizumessen ist. Unter der Überschrift "Bitte beachten" wird ausgeführt, dass bei personellen Einzelmaßnahmen zur Frage der Frist für die Rückäußerung des Betriebsrats und der Bindung an bestimmte Gründe unterschiedliche juristische Auslegungen der GBV-EM möglich sind. Der Rechtsauffassung des Antragstellers hat sich der Verfasser nicht angeschlossen. Er empfiehlt, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die Fristen, deren Rechtsfolgen und Begründungspflichten regelt. Es ist für die Auslegung der GBV-EM auch unerheblich, dass und weshalb zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens - trotz der Empfehlung - keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden ist, worauf der Betriebsrat bisher vergeblich dringt.

127

cc) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Regelungen der GBV-EM zur erweiterten Mitbestimmung der Betriebsräte in personellen Angelegenheiten überhaupt rechtswirksam sind, was das LAG München (Beschluss vom 06.02.2014 - 4 TaBV 85/13 - nicht veröffentlicht; Rechtsbeschwerde eingelegt unter 1 ABR 22/14) mit gewichtigen Gründen in Zweifel zieht.

III.

128

Auch der Antrag zu 3) ist unbegründet. Mit diesem Antrag soll dem Landesbezirk RPS aufgegeben werden, die Beschäftigung von Frau K. zu unterlassen.

129

Nach der Rechtsprechung des BAG, der die Beschwerdekammer folgt, steht dem Betriebsrat gegen den Arbeitgeber ein allgemeiner Anspruch auf Unterlassung einer ohne seiner Zustimmung beabsichtigten Einstellung eines Arbeitnehmers nicht zu (vgl. ausführlich BAG 23.06.2009 - 1 ABR 23/08 - NZA 2009, 1430).

130

Der Gesetzgeber hat in § 101 BetrVG die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die prozeduralen Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich geregelt. Führt der Arbeitgeber die Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats und Einhaltung der Anforderungen des § 100 Abs. 2 BetrVG tatsächlich (vorläufig) durch, kann der Betriebsrat nach § 101 Satz 1 BetrVG ihre Aufhebung verlangen und diese gerichtlich durchsetzen. Im Fall einer Verletzung von § 99 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 2 BetrVG sieht somit das Gesetz einen bestimmten Abwehranspruch zugunsten des Betriebsrats vor. Er zielt auf nachträgliche Beseitigung, nicht auf vorbeugende Unterlassung der Störung. Bei einer längerfristigen, gar unbefristeten Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmers, die unter Missachtung von § 99 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 2 BetrVG erfolgt, hat der Betriebsrat den rechtswidrigen Zustand so lange hinzunehmen, bis sein Aufhebungsanspruch rechtskräftig tituliert ist. Das kann erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit, wie aus § 101 BetrVG abzulesen, bewusst in Kauf genommen.

131

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind im Streitfall nicht gegeben. Der Landesbezirksleiter hat gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht verstoßen. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen (unter Ziff. III 2 b) verwiesen werden.

D.

132

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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