Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Sa 170/15

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az.: 2 Ca 1088/14 - vom 12. März 2015, berichtigt durch Beschluss vom 4. Mai 2015, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, sowie über Vergütungs- und Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin.

2

Die Beklagte ist Pächterin der zum Monatsende August 2014 neu eröffneten C. in der Z. Straße/Ecke Y. Straße in A-Stadt.

3

Die 1979 geborene Klägerin bewarb sich bei der Beklagten auf eine Anzeige im Wochenblatt vom 25. Juni 2014 (Bl. 34 d. A.). Daraufhin setzte sich die Beklagte mit der Klägerin in Verbindung und lud sie mit E-Mail vom 29. Juli 2014 (Bl. 8 d.A.) zu einem Treffen am 4. August 2014 ein. In dieser Mail heißt es:

4

"Hallo Frau A.,

anbei sende ich Ihnen wie besprochen die Anmelde Formulare zu. Bitte nehmen sie sich für Montag den, 04. August.2014 18.30 Uhr nichts vor.
Wir werden uns an diesem Tag zum erstenmal als C. Team zusammen setzen & Uns kennenlernen.

5

Treffpunkt:
Restaurant X.
W.-Straße
A-Stadt

6

Bringen Sie Bitte mit: Gesundheitszeugnis, aktu. Polizeiführungszeugnis und die im Anhang gesendete Formular ausgefüllt an uns zurück.

7

Wir freuen uns jetzt schon auf Sie.

8

Mit freundlichen Grüßen
Familie V.
C.

9

Dateianhänge

10

- Personalbogen Festangestellte.pdf".

11

Mit E-Mail vom 6. August 2014 (Bl. 35 d. A.) wurde der Klägerin mitgeteilt:

12

„Sehr geehrte Frau A.,

wie mit Ihnen besprochen werde ich Sie voraussichtlich wenn keine Bau Verzögerung, am 28. August 2014 einstellen
als Teilzeitkraft mit sechs monatiger Probezeit.
Ich freue mich schon auf Sie & wünsche bis dahin gute Zeit.“

13

Am 13. August 2014 kam es zu einem Zusammentreffen zwischen der Beklagten und Bewerbern, wobei die Beklagte ihr Konzept vorstellte.

14

Ab September 2014 erhielt die Klägerin Leistungen des Jobcenter Stadt A. in Höhe von 483,04 € netto.

15

Die Klägerin hat vorgetragen,
schon beim ersten Vorstellungsgespräch habe die Beklagte erklärt, dass 8,50 € brutto/Stunde gezahlt würden. Auch in späteren Gesprächen, so im Restaurant X., sei allen Mitarbeitern mitgeteilt worden, dass sie 8,50 € brutto/Stunde erhalten würden. Die Zeugin U. sei von der Beklagten als Vollzeitkraft angestellt worden und habe ebenfalls 8,50 € brutto/Stunde erhalten. Die Zeugin T. S. sei als geringfügig beschäftigte Aushilfe angestellt worden und habe ebenfalls 8,50 € brutto/Stunde erhalten. Darüber hinaus hätten die beiden genannten Zeuginnen die gleichen Arbeiten erledigen sollen wie sie.

16

Ihr sei bei dem Vorstellungsgespräch und der Einstellung anlässlich eines gemeinschaftlichen Essens mit allen Arbeitnehmern der Beklagten im August 2014 im Restaurant X. gesagt worden, dass sie am 13. August 2014 als Vollzeitkraft die Arbeit in der Tankstelle beginnen könne. Einige Tage später sei ihr am Telefon gesagt worden, sie solle ihr jetziges Arbeitsverhältnis kündigen, allerdings gäbe es eine Bauverzögerung, der tatsächliche Arbeitsbeginn würde sich verzögern. Sie habe sodann ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zum 15. August 2014 gekündigt. Es sei zu verschiedenen Telefonanrufen gekommen, bei denen die Beklagte ihr unter anderem gesagt habe, dass ein Vollzeitarbeitsverhältnis nicht möglich sei, es könne nur Teilzeit mit 20 bis 25 Stunden in der Woche möglich sein mit einem Stundenlohn von 8,50 €. Sie sei notgedrungen damit einverstanden gewesen.

17

Auf das Gespräch im Restaurant X. habe sie auch über WhatsApp von der Beklagten Dienstpläne für die 35. und 36. Kalenderwoche (Bl. 21 f. d. A.) erhalten, wonach sie dreimal in der Woche für täglich 8 Stunden eingesetzt und eingeplant gewesen sei.

18

Die Klägerin war der Ansicht, mit Wirkung zum 13. August 2014 sei ein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Unbeachtlich sei insoweit, dass die Tankstelle erst zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet worden sei. Mangels anderweitiger Vereinbarung sei bei einer 24-Stunden-Woche bei 8,50 € brutto/Stunde eine monatliche Vergütung von 884,00 € brutto geschuldet. Die Dienstpläne zeigten, dass sie eingesetzt worden sei.

19

Am 26. August 2014 habe sie von 18 Uhr bis 2 Uhr nachts, also 8 Stunden die Tankstelle (Fenster, Waschhalle, Regale) geputzt. Insgesamt seien noch 4 andere Mitarbeiter zugegen gewesen. Am 27. August 2014 sei sie wie verlangt um 10.00 Uhr gekommen und habe 5 Stunden bis 15 Uhr, also 5 Stunden gearbeitet. Am 28. August 2014 sei für 11 Uhr eine Schulung angesetzt gewesen, an der sie teilgenommen habe. Auch diese habe circa 5 Stunden gedauert.

20

An 28. August 2014 habe die Beklagte zu ihr gesagt, sie müsse am Eröffnungstag, den 29. August 2014 nicht kommen, sie würden sich bei ihr melden.

21

Am 1. September 2014 habe sie bei der Beklagten angerufen und gefragt, wann sie arbeiten solle. Die Inhaberin habe ihr gesagt, sie solle bitte zum Gespräch vorbeikommen. In diesem Gespräch sei ihr erst von der Beklagten, Frau V., später auch von Herrn V. gesagt worden, es täte ihnen Leid, der Konzern würde es ihnen nicht erlauben, sie einzustellen.

22

Sie hätte ihr altes Arbeitsverhältnis niemals gekündigt, wenn sie gewusst hätte, dass sie bei der Beklagten nicht Mitte August anfangen könne zu arbeiten. Dadurch dass sie nicht in ihr altes Arbeitsverhältnis zurück gekonnt habe, sei ihr ein erheblicher Schaden entstanden. Sie habe sich auch auf Anforderung der Beklagten ein Führungszeugnis im Wert von 13,00 € und einen Gesundheitspass im Wert von 30,00 € ausstellen lassen.

23

Die Klägerin verfolgte ihre Anträge mit der am 2. September 2014 beim Arbeitsgericht erhobenen, der Beklagten am 5. September 2014 zugestellten Klage weiter. Sie hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

24

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einer Bruttovergütung von 8,50 € pro Stunde mit Wirkung ab dem 16. August 2014 bestehe;

25

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 442,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. September 2014 zu zahlen;

26

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 884,00 € brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene 483,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Oktober 2014 zu zahlen;

27

4. hilfsweise für den Fall, dass ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen ist, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Nichteinstellung entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird;

28

5. hilfsweise für den Fall, dass ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen ist, die Beklagte zu verurteilen, an sie 43,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

29

Die Beklagte hat beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Sie hat vorgetragen,
aus der Überleitungsanzeige des Jobcenters der Stadt A vom 4. September 2014 (Bl. 26 d. A.) ergebe sich, dass die Klägerin seit dem 1. April 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beziehe. Sie sei durch den Forderungsübergang nicht mehr aktivlegitimiert.

32

Ein Arbeitsverhältnis sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Eine Vereinbarung für einen Stundenlohn von 8,50 € sei nicht getroffen worden. In der E-Mail ihres Ehemanns vom 6. August 2014 sei lediglich eine Anstellung in Aussicht gestellt worden.

33

Die am 13. August 2014 in die engere Auswahl gelangten Arbeitnehmer seien tageweise im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses im Einsatz gewesen. Insoweit sei die Klägerin an insgesamt zwei Tagen stundenweise in der Tankstelle tätig gewesen. Die Klägerin habe am 26. August 2014 in der Zeit von 20.00 Uhr bis 1.00 Uhr nachts fünf Stunden lang geholfen Regale einzuräumen. Arbeitsbeginn sei nicht bereits um 18.00 Uhr gewesen. Am 27. August 2014 sei die Klägerin dann um 12.00 Uhr erschienen und auf eigenen Wunsch um 14.00 Uhr wieder nach Hause gegangen. Auf die Frage, weshalb sie bereits gehen wolle, habe sie mitgeteilt, sie habe anderes vor. Aus diesem Grund sei ihr durch den Ehemann der Beklagten mitgeteilt worden, dass sie überhaupt nicht mehr zu kommen brauche und ein Arbeitsverhältnis nicht in Betracht gezogen würde.

34

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeuginnen R. U. und T. S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Kammertermins vom 12. März 2015 (Bl. 57 ff. d. A.) Bezug genommen.

35

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch Urteil vom 12. März 2015 festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einer Bruttovergütung von 8,50 € besteht. Weiter hat es die Beklagte zur Zahlung von 102,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. September 2014 sowie von 877,20 € brutto abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen 483,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.Oktober 2014 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

36

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, spätestens mit der Arbeitsaufnahme am 26. August 2014 sei konkludent ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden habe die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Der Stundenlohn in Höhe von 8,50 € sei durch die glaubhafte Aussage der Zeugin S. bewiesen. Für eine nur tageweise Beschäftigung fehle es bereits an der Darlegung einer entsprechenden Befristungsabrede. Darüber hinaus fehle die nach § 14 Abs. 2 TzBfG erforderliche Schriftform. Auch eine schriftliche Kündigung sei nicht erfolgt. Das Arbeitsverhältnis bestehe daher fort. Für August 2014 könne die Klägerin 102 € brutto für 12 Stunden verlangen, für September 2014 noch 877,20 € brutto abzüglich übergegangener 483,04 €. Die Beklagte sei spätestens ab dem 31. August 2014 nach § 615 BGB in Annahmeverzug geraten. Sie habe der Klägerin keinen funktions-fähigen Arbeitsplatz zugewiesen und zudem nach eigenem Vortrag erklärt, die Klägerin brauche nicht mehr zu kommen. Die weitergehende Klage sei nicht begründet. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern (Bl. 65 ff. d. A.) Bezug genommen.

37

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 27. März 2015 zugestellt worden. Diese hat hiergegen mit einem am 9. April 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 8. April 2015 Berufung eingelegt und diese mit am 26. Mai 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 22. Mai 2015 begründet.

38

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 98 ff. d. A.), ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst geltend,
die vom Arbeitsgericht festgestellten und der Entscheidung unterstellten Tat-sachen seien unvollständig, weil unrichtig. Zwischen der Klägerin und ihr sei lediglich eine stundenweise Probearbeit vereinbart worden. Ein Arbeitsvertrag bzw. ein Arbeitsverhältnis sei weder explizit noch konkludent geschlossen worden. Auch eine Vereinbarung für einen Stundenlohn von 8,50 € im Rahmen dieses Probe-arbeitsverhältnisses sei niemals zwischen den Parteien geschlossen worden. Vielmehr sei die Probearbeitszeit nicht zu vergüten gewesen. Die Aussage der Zeugin S. ändere hieran nichts. Die Zeugin habe lediglich ausgesagt, dass ihr bei einem Vorstellungsgespräch ein Stundenlohn von 8,50 € in Aussicht gestellt worden sei. Das in Aussicht gestellte Arbeitsentgelt habe sich lediglich auf den Fall der Begründung eines Arbeitsverhältnisses bezogen, nicht auf geleistete Probearbeiten. Diese Probearbeiten hätten ihr jedoch gerade dazu gedient, darüber entscheiden zu können, ob der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin überhaupt in Betracht kommen sollte. Der Aussage der Zeugin S. sei nur zu entnehmen, dass alle Mitarbeiter, die einen rechtswirksamen Arbeitsvertrag mit der Beklagten geschlossen hätten, das gleiche Gehalt von 8,50 € brutto erhalten sollten. Hieraus könne jedoch keinerlei Rückschluss gezogen werden auf eine von der Klägerin behauptete Vergütung für Probearbeitsstunden. Die Aussage der Zeugin U. stütze ihren, der Beklagten, Vortrag. Mit der Zeugin U. habe - im Gegensatz zur Klägerin - gerade ein Arbeitsvertrag bestanden. Deren Arbeit sei von ihr mit dem Stundenlohn vergütet worden, welcher nach der Begründung eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses hätte gezahlt werden sollen.

39

Sie ist der Ansicht, die Ableistung von Probearbeitsstunden könne nicht automatisch zu einer stillschweigenden Begründung eines Arbeitsverhältnisses führen. Andernfalls wäre das Vereinbaren einer Probearbeit, um den Bewerber auf seine Eignung hin zu überprüfen, schlicht nicht mehr möglich, ohne dass hieraus ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis entstehen würde. Es habe gerade nicht ihrem Willen entsprochen, durch die bloße Aufnahme der Probearbeit am 26. August 2014 bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen. Das sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Sie habe daher in keiner Weise darauf vertrauen können und dürfen, dass das Ableisten von Probearbeitsstunden automatisch zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ihr führen würde. Bei einer positiven Bewertung der geleisteten Probearbeit hätte das abzuschließende Arbeitsverhältnis dann den Umfang einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden sowie einer Vergütung von 8,50 € beinhaltet.

40

Die Beklagte beantragt,

41

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

42

Die Klägerin beantragt,

43

die Berufung zurückzuweisen.

44

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 30. Juni 2015, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 134 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Gegen das Vorliegen eines stundenweisen Probearbeitsverhältnisses spreche schon ihre vorab festgelegte Einteilung in einen Dienstplan durch die Beklagte. Für ein Einfühlungsverhältnis mit der Möglichkeit, eine Vergütungsabrede auszuschließen sei es jedoch maßgebend, dass gerade keine Verpflichtung zu einer Arbeitsleistung bestehe. Sie habe aber unstreitig nach dem Dienstplan eine Arbeitsleistung erbringen sollen. Dies ergebe sich auch aus der Behauptung der Beklagten, man habe sie wegen des vorzeitigen Verlassens der Arbeitsstelle nicht weiterbeschäftigen wollen.

45

Bei dem gemeinsamen Treffen der gesamten Mitarbeiter in dem Restaurant X. hätten auch das Führungszeugnis und der Gesundheitsausweis vorgelegt werden müssen. Für das ausschließliche Einräumen der Regale sei ein Gesundheitszeugnis jedoch nicht erforderlich. Ein solches werde erforderlich, wenn im Rahmen einer Theke auch frische Lebensmittel serviert würden. Sie ist der Ansicht, für die Behauptung einer Vereinbarung, dass in einem Arbeitsverhältnis keine Vergütung zu entrichten sei, trage die Beklagte die Beweislast. Eine solche Vereinbarung wäre auch unwirksam. Darüber hinaus habe die Beklagte auch in WhatsApp extra eine Gruppe eingerichtet, in welcher durch die Hinzufügung der Mobilfunknummern der Mitarbeiter, darunter sie, eine Integration in diese Gruppe erfolgt sei. So seien auch die Dienstpläne über die WhatsApp-Gruppe übermittelt worden.

46

Die Beklagte habe die Gespräche mit den Mitarbeitern auch umgesetzt und Vollzeitmitarbeiter sowie Mitarbeitern auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung 8,50 € brutto/Stunde zugesprochen. Da nach dem Diskriminierungsverbot gemäß § 4 TzBfG Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter gestellt werden dürften als Vollzeitbeschäftigte, sei unter diesem Gesichtspunkt eine Stundenvergütung von 8,50 € brutto anzusetzen.

47

Sie ist der Ansicht, ihr Anspruch sei gemäß § 115 SGB X nur insoweit auf das Jobcenter übergegangen, als es als anrechenbares Einkommen im Sinn des § 11 Abs. 1 SGB II zu werten sei. Der anrechnungsfreie Betrag sei nicht vom Anspruchsübergang erfasst, da auch bei rechtmäßiger Zahlung des Einkommens die Kausalität zwischen der Sozialleistung und dem nicht gezahlten Arbeitsentgelt fehle. Die Berechnung des Freibetrags ergebe sich aus § 11d Abs. 2, 3 SGB II. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast eine Abrechnung vorzunehmen, anhand derer sich ein Anspruchsübergang als anspruchsvernichtende Einwendung näher beziffern lasse.

48

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll des Kammertermins vom 5. August 2015 (Bl. 154 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

49

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

50

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einer Bruttovergütung von 8,50 €/Stunde besteht. Darüber hinaus hat es die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 102,00 € brutto nebst Zinsen für August 2014 und von 877,20 € brutto abzüglich übergegangener 483,04 € nebst Zinsen für September 2014 verurteilt.

I.

51

Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einer Bruttovergütung von 8,50 €.

52

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist zwischen den Parteien nicht ein so genanntes Einfühlungsverhältnis, sondern ein (Probe-)Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

53

Anerkannt ist, dass die Vereinbarung eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ohne Vergütungsanspruch und ohne Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers kraft der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig ist (LAG Hamm, Urteil vom 24. Mai 1989 – 15 Sa 18/89 -, juris; LAG Bremen, Urteil vom 25. Juli 2002 – 3 Sa 83/02, - juris; Sächsisches LAG, Urteil vom 5. März 2004 – 2 Sa 386/03 -, juris; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2007 – 13 Sa 129/05 – juris). Dabei ist unter einem Einfühlungsverhältnis ein ganz loses Rechtsverhältnis eigener Art zu verstehen, welches sich von einem Arbeitsverhältnis - insbesondere auch von dem Probearbeitsverhältnis - dadurch unterscheidet, dass der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt, insbesondere keine Arbeitspflicht hat, da er nicht dem Direktions- oder Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers unterliegt (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2007 – 13 Sa 129/05 – juris), sondern lediglich dem Hausrecht des Betriebsinhabers untersteht. Zweck eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ist es im Allgemeinen, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen (Sächsisches LAG, Urteil vom 5. März 2004 – 2 Sa 386/03 -, juris Rz. 16).

54

Für den - lediglich in besonders gelagerten Fällen anzunehmenden - Sonderfall des Einfühlungsverhältnisses trägt regelmäßig derjenige, der sich auf ihn beruft, die Beweislast. Werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Vergütung) schon konkretisiert, obliegt es dem Anbietenden, seinen vom Regelfall des Arbeitsvertragsangebots abweichenden Willen des Angebots einer bloßen nicht vergüteten Kennenlernphase unzweideutig auszudrücken sowie ein solches Handeln – und damit die Ausnahme – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2007 – 13 Sa 129/05 – juris).

55

Ein Probearbeitsverhältnis kann als zeit- oder zweckbefristetes Arbeitsverhältnis oder als vorgeschaltete Probezeit im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Der Erprobungszweck ist als sachlicher Grund im Sinn des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG anerkannt. Dabei muss sich aber eine entsprechende Befristung eindeutig aus dem Vertrag ergeben. Weiter muss die Befristung schriftlich vereinbart werden, § 14 Abs. 4 TzBfG. Soweit nicht eine eindeutige Befristungsabrede getroffen wurde, ist im Zweifel die Probezeit als Beginn eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit anzusehen. Wird ein Arbeit-nehmer zur Probe angestellt, so ist, wenn eine gegenteilige Vereinbarung fehlt, die Probezeit als Beginn eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit anzusehen (BAG, Urteil vom 29. Juli 1958 - 3 AZR 49/56 - NJW 1959, 454).

56

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze haben die Parteien kein so genanntes Einfühlungsverhältnis ohne Vergütungspflicht, sondern spätestens mit der Aufnahme der Beschäftigung durch die Klägerin im Betrieb der Beklagten ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet. Gegenstand der - auch von der Beklagten so bezeichneten - Probearbeit war die Erbringung von Arbeitsleistungen durch die Klägerin. Nicht die Klägerin sollte die Möglichkeit haben, den Betrieb der Beklagten kennenzulernen, sondern die Beklagte wollte - unstreitig - testen, ob die Klägerin ihren Erwartungen entspricht. So hat die Klägerin - auch nach dem Vortrag der Beklagten - Arbeitsleistungen erbracht und geholfen Regale einzuräumen. Sie war in den Dienstplan der Beklagten eingeteilt und in die WhatsApp-Gruppe der Beklagten aufgenommen. Sie hatte ein Gesundheitszeugnis, ein aktuelles Polizeiführungszeugnis sowie einen Personalbogen Festangestellte vorzulegen. Zwischen den Parteien war auch besprochen, welche Vergütung die Klägerin - zumindest für den Fall einer Festanstellung - erhalten sollte. Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht dargelegt, dass ein so genanntes Einfühlungsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart wurde. Soweit die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat, der Klägerin sei mitgeteilt worden, sie brauche nicht mehr zu kommen, weil die Klägerin am 27. August 2014 auf eigenen Wunsch um 14.00 Uhr nach Hause gegangen sei, belegt dieser Vortrag, dass die Beklagte sehr wohl von einer Arbeitspflicht der Klägerin ausgegangen ist.

57

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der E-Mail vom 6. August 2014 (Bl. 35 d. A.), die vom Ehemann der Beklagten stammen soll. Zwar wird in dieser Mail (erst) eine Einstellung am 28. August 2014 in Aussicht gestellt, die Beklagte hat die Klägerin jedoch bereits am 26. und 27. August 2014 beschäftigt.

58

Das Arbeitsverhältnis besteht im Umfang einer Beschäftigungspflicht von 24 Stunden/Woche und einem Vergütungsanspruch in Höhe von 8,50 brutto/Stunde. Sowohl der Beschäftigungsumfang als auch die Vergütung waren von den Parteien vorbesprochen. Eine Beschäftigung im Umfang von 24 Stunden wöchentlich entspricht auch der Einteilung der Klägerin in den Dienstplänen "Wochenplan.1" und "Wochenplan.2" der Beklagten (Bl. 21 f. d. A.). Eine Vergütung in Höhe von 8,50 € war unstreitig Gegenstand der Gespräche im Restaurant X. Diese Vergütung wurde auch an die Zeugin U. gezahlt. Sie ist damit zumindest die übliche Vergütung im Sinn von § 612 Abs. 2 BGB.

59

Da auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht schriftlich eine Befristungsabrede vereinbart wurde und das Arbeitsverhältnis ebenfalls nicht schriftlich (§ 623 BGB) gekündigt wurde, besteht es fort.

II.

60

Die Klägerin hat für den Monat August 2014 Anspruch auf Zahlung von 102,00 € brutto nebst Zinsen.

61

Die Klägerin hat in diesem Monat 12 Arbeitsstunden geleistet, die mit 8,50 € brutto zu vergüten sind. So erbrachte sie am 26. August 2014 laut Beklagtenvortrag 5 Arbeitsstunden und am 27. August 2014 2 Arbeitsstunden. Am 28. August 2014 nahm sie - von der Beklagten nicht bestritten - an einer fünfstündigen Schulung teil.

62

Die Klägerin ist im Hinblick auf diesen Anspruch auch aktivlegitimiert. Zwar gehen die Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber gemäß § 115 SGB X bis zur Höhe der erbrachten Leistungen im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Träger der Sozialversicherung, hier das Jobcenter, über, sobald Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. § 115 SGB X geht § 33 SGB II vor (§ 33 Abs. 5 SGB II). Gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II ist aber die Überleitung solcher Ansprüche ausgeschlossen, die im Falle ihrer Realisierung nach § 11 nicht als Einkommen hätten angerechnet werden können. Der Anspruchsübergang nach § 115 SGB X setzt Kausalität (" und deshalb") voraus. Der Sozialleistungsträger muss mit eigenen Leistungen eingetreten sein, weil der Arbeitgeber die geschuldete Vergütung nicht zahlte. Dabei kommt es zum einen auf die Identität der Zahlungszeiträume (zeitliche Kongruenz) an. Müssten Sozialleistungen nach dem SGB II auch gewährt werden, wenn der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht rechtzeitig und vollständig nachkäme, findet (insoweit) kein Anspruchsübergang statt. Zweck des § 115 SGB X ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. Die Absetzungsbeträge nach § 11b SGB II, insbesondere die Arbeitnehmerfreibeträge, können deshalb den auf den Leistungsträger übergehenden Teil des Vergütungsanspruchs beschränken. Sie verringern den auf den Leistungsträger übergehenden Entgeltteil. Andernfalls würde der mit dem Arbeitnehmerfreibetrag bezweckte Erwerbsanreiz unterlaufen (BAG, Urteil vom 21. März 2012 -5 AZR 61/11- NZA 2012, 729, 730 f. m. w. N.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Januar 2015 -6 Sa 1343/14, 6 Sa 1953/14- juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 2. November 2010 -5 Sa 91/10-, juris Rz.123 ff.).

63

Im vorliegenden Fall ist zwar die notwendige zeitliche Kongruenz gegeben. Die Klägerin hat im Klagezeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Die Beklagte hat an die Klägerin kein Arbeitsentgelt gezahlt. Dieser Ausfall war für die Hilfebedürftigkeit, die ihrerseits nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II Voraussetzung für Leistungen der Grundsicherung ist, mitursächlich. Der Vergütungsanspruch geht gemäß § 115 SGB X aber nur in Höhe der Aufwendungen für Grundsicherungsleistungen über, die dem Leistungsträger gerade wegen des Verdienstausfalles entstanden sind.

64

Im vorliegenden Fall errechnet sich aus dem Bruttolohnanspruch, den die Klägerin gegen die Beklagte für den Monat August 2014 hat, ein Nettobetrag, der unterhalb des Freibetrags von 100,00 € nach § 11 Abs. 2 SGB II liegt. Er würde ihr daher auch dann verbleiben, wenn die Beklagte rechtzeitig gezahlt hätte. Ein Anspruchs-übergang auf das Jobcenter ist insoweit nicht erfolgt.

65

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, 288 Abs. 1 BGB.

III.

66

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von 877,20 € brutto abzüglich auf das Jobcenter übergegangener 483,04 € nebst Zinsen für September 2014.

67

Die Beklagte befand sich spätestens seit dem 1. September 2014 in Annahmeverzug, § 615 S. 1 in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB. Gemäß § 615 S. 1 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät, §§ 293 ff. BGB. Die Klägerin hat ihre Arbeitsleistung zum einen am 1. September 2014 angeboten, zum anderen hat die Beklagte es abgelehnt, die Klägerin im Monat September 2014 zu beschäftigen, und ihr keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zugewiesen, §§ 295, 296 BGB. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dazu muss er den Einsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug. Aufgrund der nötigen nach dem Kalender bestimmten Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers im Sinn von § 296 S. 1 BGB ist ein tatsächliches oder wörtliches Angebot der Arbeitsleistung nach einer Verweigerung der Zusammenarbeit entbehrlich.

68

Da die Klägerin 24 Stunden in der Woche beschäftigt werden sollte und die zu zahlende Vergütung 8,50 € brutto beträgt, hat sie Anspruch auf Zahlung von 877,20 € brutto für den Monat September 2015 (24 Stunden x 4,3 Wochen x 8,50 € brutto).

69

Soweit der Annahmeverzugslohnanspruch der Klägerin in Höhe von 483,04 € auf das Jobcenter übergegangen ist, hat sie diesen Anspruchsübergang bei der Antragstellung berücksichtigt.

70

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt auch insoweit aus §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, 288 Abs. 1 BGB.

IV.

71

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen