Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 346/15

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom2.6.2015 - 7 Ca 4361/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Monate Oktober 2014 bis Mai 2015 in Höhe von insgesamt 13.551,04 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.693,88 € seit dem 1.11.2014, 1.12.2014, 1.1.2015, 1.2.2015, 1.3.2015, 1.4.2015, 1.5.2015 und 1.6.2015.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit September 2015 bis einschließlich Juni 2016 zum Ende jeden Monats 6.843,30 € brutto,

beginnend mit Juli 2016 bis einschließlich Juni 2017 zum Ende jeden Monats 6.911,73 € brutto,

beginnend mit Juli 2017 bis einschließlich Juni 2018 zum Ende jeden Monats 6.980,85 € brutto,

beginnend mit Juli 2018 bis einschließlich Juni 2019 zum Ende jeden Monats 7.050,66 € brutto,

beginnend mit Juli 2019 bis einschließlich Juni 2020 zum Ende jeden Monats 7.121,17 € brutto,

beginnend mit Juli 2020 bis einschließlich Juni 2021 zum Ende jeden Monats 7.192,38 € brutto,

beginnend mit Juli 2021 bis einschließlich Juni 2022 zum Ende jeden Monats 7.264.30 € brutto,

beginnend mit Juli 2022 bis einschließlich Juni 2023 zum Ende jeden Monats 7.336,94 € brutto,

beginnend mit Juli 2023 bis einschließlich Juni 2024 zum Ende jeden Monats 7.410.31 € brutto,

beginnend mit Juli 2024 bis einschließlich Juni 2025 zum Ende jeden Monats 7.484,41 € brutto,

beginnend mit Juli 2025 bis einschließlich Juni 2026 zum Ende jeden Monats 7.559,25 € brutto,

beginnend mit Juli 2026 bis einschließlich Juni 2027 zum Ende jeden Monats 7.634,84 € brutto,

und beginnend mit Juli 2027 zum Ende jeden Monats 7.711,19 € brutto zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Steuerschaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihm im Jahr 2014 5.081,64 € brutto zu wenig an Betriebsrente gezahlt und diesen Betrag im Jahr 2015 nachgezahlt hat.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, die dem Kläger aufgrund einer Versorgungszusage zustehende Betriebsrente zu kürzen.

2

Der Kläger war vom 01.11.1984 bis zum 31.05.2008 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Leiter der Stabsabteilung Recht beschäftigt. Seit dem 01.06.2008 bezieht er von der Beklagten eine Betriebsrente auf der Grundlage einer Versorgungsordnung vom 17.11.1998, hinsichtlich deren Inhalts im Einzelnen auf Blatt 55 - 61 d.A. Bezug genommen wird und die u.a. folgende Bestimmung enthält:

"§ 21

3

Widerrufsvorbehalte

4

1. Die Firma behält sich vor, diese Versorgungsordnung zu ändern bzw. die Betriebsrenten zu kürzen oder einzustellen, wenn

- der Versorgungsanwärter oder Betriebsrentner Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden. …"

5

Die Betriebsrente des Klägers belief sich ab dem 01.07.2014 auf 6.775,54 Euro brutto monatlich.

6

Mit Schreiben vom 04.09.2014 wandte sich der Kläger an die Prokuristin der Beklagten und teilte dieser mit, dass er bei der Durchsicht seiner Unterlagen (er habe seine Akten aufgeräumt) darauf gestoßen sei, dass nach seinem Vertrag die Anpassung der Betriebsrente nicht nach dem Betriebsrentengesetz, sondern nach seiner (individuellen) Pensionszusage zu erfolgen habe. Dem betreffenden Schreiben war als Anlage ein Schriftstück beigefügt, welches die Überschrift" Pensionszusage" trägt und folgende Bestimmung enthält:

7

"Die Rentenbezüge ändern sich jährlich entsprechend dem Durchschnitt der Änderung der Jahresgehälter für vergleichbar eingestufte Mitarbeiter. Diese Gehälter werden nach Möglichkeit in der Weise erhöht, daß die Anhebung mindestens der festgestellten Steigerung des Lebenshaltungskostenindex (Durchschnitt aller Haushalte) entspricht."

8

Weiter heißt es im Schreiben des Klägers vom 04.09.2014: "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dies bald überprüfen und gegebenenfalls korrigieren könnten. Wie hoch ist der Durchschnitt der Änderung der Jahresgehälter für vergleichbar eingestufte Mitarbeiter in 2009 bis heute?"

9

Da die Beklagte die vom Kläger vorgelegte "Pensionszusage" nicht in dessen Personalakte auffinden konnte, bat die Leiterin für Personal- und Sozialwesen der Beklagten den Kläger mit E-Mail vom 09.10.2014 um Mitteilung, wann und in welchem Zusammenhang ihm die betreffende Pensionszusage erteilt worden sei. Mit E-Mail vom 15.10.2014 antwortete der Kläger: "Die Pensionszusage ist samt Anschreiben als Anlagebestandteil des ersten Arbeitsvertrags mit der L. GmbH & Co KG aus dem Jahre 1984. Für mich war diese Zusage ein wesentlicher Grund zu LKG zu kommen."

10

Die Beklagte leitete die E-Mail des Klägers vom 15.10.2014 nebst der von ihm vorgelegten Pensionszusage an ein auf betriebliche Altersversorgungsberatung spezialisiertes Unternehmen weiter, welches Berechnungen auf Basis des vom Kläger vorgelegten Schriftstücks durchführte und dabei zu dem Ergebnis gelangte, dass dem Kläger auf der Grundlage der von ihm vorgelegten Pensionszusage einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von ca. 20.000,00 Euro habe. Für diese Berechnungen stellte das Unternehmen der Beklagten ein Honorar von 700,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung.

11

Mit Schreiben vom 21.10.2014 teilt die Beklagte dem Kläger mit, dass sie mit sofortiger Wirkung dessen Betriebsrente nach Maßgabe des in § 21 der Versorgungsordnung enthaltenen Widerrufsvorbehalts um 25 % kürzen werde. Zur Begründung dieser Maßnahme führte die Beklagte aus, der Kläger habe versucht, sie durch Vorlage einer Pensionszusage, die ihm zu keiner Zeit erteilt worden sei, zu täuschen und zur Auszahlung einer höheren Betriebsrente zu veranlassen; bei dem vom Kläger vorgelegten Dokument handele es sich um einen Auszug bzw. eine Kopie einer einem anderen ehemaligen Arbeitnehmer erteilten Pensionszusage.

12

Entsprechend ihrer Ankündigung kürzte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers mit Wirkung ab Oktober 2014 um 25 % auf 5.081,66 Euro brutto.

13

Der Kläger, der die ihm seitens der Beklagten vorgeworfene Täuschungshandlung bestreitet, hat erstinstanzlich beantragt,

14

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn von Oktober 2014 an bis zum Ende eines jeden Monats 6.775,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;

15

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Betriebsrente für die Zeit von Oktober 2014 bis Mai 2015 in Höhe von insgesamt 13.551,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.693,88 EUR brutto seit dem 01.11.2014 und aus jeweils weiteren 1.693,88 EUR brutto seit dem 01.12.2014, 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015 und 01.06.2015 zu zahlen;

16

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass die Beklagte ab Oktober 2014 eine um 1.693,88 EUR brutto reduzierte Betriebsrente zahlt.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen

19

und widerklagend beantragt,

20

den Kläger zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 700,00 EUR zu zahlen.

21

Der Kläger hat beantragt,

22

die Widerklage abzuweisen.

23

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.06.2015 (Bl. 182 - 192 d.A.).

24

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.06.2015 dem Klageantrag zu 2. stattgegeben und die Klage im Übrigen - ebenso wie die Widerklage - abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 12 - 19 dieses Urteils (=Bl. 192 - 199 d.A.) verwiesen.

25

Gegen das beiden Parteien am 06.07.2015 zugestellte Urteil haben der Kläger am 31.07.2015 und die Beklagte am 03.08.2015 Berufung eingelegt. Der Kläger hat sein Rechtsmittel innerhalb der ihm mit Beschluss vom 03.09.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25.09.2015 begründet. Die Berufungsbegründung der Beklagten erfolgte innerhalb der ihr mit Beschluss vom 02.09.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18.09.2015.

26

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei sie zur Kürzung der dem Kläger gewährten Betriebsrente berechtigt. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt, habe der Kläger einen rechtswidrigen Versuch unternommen, sie - die Beklagte - zu täuschen, um eine Erhöhung seiner Betriebsrente zu erreichen. Bei der vom Kläger zu Täuschungszwecken vorgelegten Pensionszusage handele es sich um die einem anderen Mitarbeiter bereits am 28.04.1976 erteilte Zusage. Die vom Arbeitsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung dargestellten beiden Fallgruppen, bei denen der Arbeitgeber zum Widerruf einer Versorgungszusage berechtigt sei, könnten bei der Prüfung der Frage, ob dem Kläger vorliegend der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen gehalten werden könne, nicht als abschließend angesehen werden. Das Verhalten des Klägers stelle sich nicht nur als eine grobe Pflichtverletzung dar. Vielmehr handele es sich um eine versuchte Straftat. Anders als in den bislang entschiedenen Fällen gehe es nicht um arbeitsplatzbezogene Verfehlungen des Arbeitnehmers, zu deren Schadenswiedergutmachung Leistungen aus der Betriebsrente herangezogen werden sollen, sondern es gehe um den nach Lage der Dinge betrügerischen Versuch, sich auf Dauer eine zusätzliche bzw. erheblich höhere Betriebsrente zu verschaffen. Der Kläger habe seine Stellung als Betriebsrentner dazu missbraucht, den Versuch zu unternehmen, seinen ehemaligen Arbeitgeber durch Täuschung zu schädigen. Seine Handlungsweise sei hinsichtlich ihres Unrechtsgehalts zumindest mit den Fällen des Erschleichens der Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft vergleichbar. Die Kürzung der Betriebsrente sei daher gerechtfertigt. Da sie - die Beklagte - zunächst auf die Echtheit der vom Kläger vorgelegten Urkunden vertraut habe, habe sie eine Neuberechnung der Betriebsrente veranlasst. Die dabei entstandenen Kosten seien vom Kläger in jedem Fall zu erstatten. Die Honorarrechnung des mit der Neuberechnung der Betriebsrente des Klägers beauftragten Unternehmens sei sachgerecht und angemessen.

27

Die Beklagte beantragt,

28

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 700,00 Euro zu zahlen.

29

Der Kläger beantragt,

30

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

31

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es zu seinen Gunsten ergangen ist und macht zur Begründung seiner eigenen Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Klageantrag zu 1. zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse deshalb fehle, weil nur ein Teilwiderruf der Betriebsrente von 25 % erfolgt sei. Insoweit habe das Arbeitsgericht die einschlägige Rechtsprechung des BAG missachtet. Da seine Betriebsrente nach § 15 der Versorgungsordnung jährlich zum 01. Juli um 1 % anzuheben sei, werde die Klage nunmehr (zukunftsbezogen) erweitert. Auch die Abweisung des Klageantrages zu 3. sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Durch die Nachzahlung des vom Arbeitsgericht für das Jahr 2014 ausgeurteilten Betrages von 5.081,64 Euro komme er im Jahr 2015 in eine höhere Steuerprogression. Den hieraus resultierenden Schaden, dessen Bezifferung derzeit noch nicht möglich sei, habe die Beklagte zu ersetzen.

32

Der Kläger beantragt,

33

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
beginnend mit September 2015 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2016 EUR 6.843,30 brutto;
beginnend mit Juli 2016 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2017 EUR 6.911,73 brutto;
beginnend mit Juli 2017 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2018 EUR 6.980,85 brutto;
beginnend mit Juli 2018 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2019 EUR 7.050,66 brutto;
beginnend mit Juli 2019 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2020 EUR 7.121,17 brutto;
beginnend mit Juli 2020 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2021 EUR 7.192,38 brutto;
beginnend mit Juli 2021 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2022 EUR 7.264,30 brutto;
beginnend mit Juli 2022 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2023 EUR 7.336,94 brutto;
beginnend mit Juli 2023 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2024 EUR 7.410,31 brutto;
beginnend mit Juli 2024 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2025 EUR 7.484,41 brutto;
beginnend mit Juli 2025 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2026 EUR 7.559,25 brutto;
beginnend mit Juli 2026 bis zum Ende eines jeden Monats bis Juni 2027 EUR 7.634,84 brutto;
beginnend mit Juli 2027 bis zum Ende eines jeden Monats EUR 7.711,19 brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;

34

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Steuerschaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte in 2014 im Umfang von 5.081,64 EUR brutto zu wenig Betriebsrente an den Kläger gezahlt hat, die sie in 2015 nachgezahlt hat.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

37

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

1. Die Berufung der Beklagten ist teilweise unzulässig.

39

Zwar hat die Beklagte ihre Berufung sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und diese auch fristgerecht begründet. Soweit jedoch die Beklagte im Berufungsverfahren (auch) ihren Widerklageantrag weiterverfolgt, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung.

40

Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (BAG v. 25.04.2007 - 6 AZR 436/05 - AP Nr. 15 zu § 580 ZPO, m.w.N.). Hat das Arbeitsgericht im Urteil über mehrere Ansprüche oder über einen teilbaren Streitgegenstand entschieden, dann muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Teil der Entscheidung auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 64 Rd. Ziff. 162 m.N.a.d.R.).

41

Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Beklagten nicht gerecht, soweit sich das Rechtsmittel (auch) gegen die Abweisung der Widerklage richtet. Das Arbeitsgericht hat die Widerklage unter II. 4. der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe mit der Begründung abgewiesen, es sei aus der vorgelegten Rechnung vom 08.10.2014 über 700,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer schon nicht erkennbar, welche konkreten Beratungsleistungen betreffend die Betriebsrente des Klägers erfolgt sein sollten. Es bleibe unklar, welche Leistungen und in welchem Umfang aufgrund welcher vertraglichen Abrede Grundlage dieser Rechnung seien, die jedenfalls der Höhe nach nicht nachzuvollziehen sei. Mit diesen Ausführungen des Arbeitsgerichts hat sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründungsschrift nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Beklagte hat keine Umstände bezeichnet, aus denen sich hinsichtlich der Abweisung der Widerklage eine Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben könnte. Die in der Berufungsbegründungsschrift enthaltene pauschale Behauptung, die Rechnung sei sachgerecht und angemessen, erweist sich diesbezüglich als unzureichend.

42

Die Berufung der Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Tenor des Berufungsurteils gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

43

2. Die im Übrigen insgesamt zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung dem Klageantrag zu 2. stattgegeben.

44

Das Berufungsgericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II., II. 1. und II. 2. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener, vollständiger Gründe wird daher insoweit abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

45

a) Grobe Pflichtverletzungen, die ein Arbeitnehmer begangen hat, berechtigen den Arbeitgeber nur dann zum Widerruf der Versorgungszusage, wenn die Berufung des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszusage dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat. Der Rechtsmissbrauchseinwand kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, insbesondere durch Ersatzleistungen nicht wiedergutzumachenden, schweren Schaden zugefügt hat. Stützt sich der Arbeitgeber auf die Verursachung eines Vermögensschadens durch den Arbeitnehmer, kann er die Versorgungszusage nur dann widerrufen, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten in grober Weise verletzt und dem Arbeitgeber hierdurch einen existenzgefährdenden Schaden zugefügt hat. Führen die vom Arbeitnehmer verursachten Vermögensschäden hingegen nicht zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage des Arbeitgebers, sind dessen Interessen mit der Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, hinreichend gewahrt. Da die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch Entgelt des Arbeitnehmers sind, das dieser als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhält, kann die betriebliche Altersversorgung nicht bereits dann verweigert werden, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen erheblichen Vermögensschaden unterhalb der Schwelle der Existenzgefährdung zugefügt hat. Der Widerruf einer Versorgungszusage dient nicht dazu, auf einfachem und schnellem Wege einen Schadensersatzanspruch zu befriedigen. Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber das Versorgungsversprechen nicht vollständig, sondern - wie hier - nur teilweise widerruft (BAG v. 12.11.2013 - 3 AZR 274/12 - AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Treuebruch, m.w.N.).

46

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Berufung des Klägers auf die Versorgungszusage nicht als rechtsmissbräuchlich.

47

Der Kläger hat die Entstehung seines Anspruchs auf Zahlung von Betriebsrente in voller Höhe nicht erschlichen. Sein diesbezüglicher Anspruch war im Zeitpunkt der von der Beklagten behaupteten Täuschungshandlung längst in vollem Umfang entstanden.

48

Die Beklagte kann den Teilwiderruf der Versorgungszusage auch nicht mit Erfolg darauf stützen, der Kläger habe in betrügerischer Absicht versucht, sie durch Vorlage einer ihm selbst nicht erteilten Zusage zu einer Erhöhung seiner Betriebsrente und entsprechenden Nachzahlungen zu veranlassen. Zwar hat der Kläger - unterstellt man den diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten als zutreffend - dadurch in erheblicher Weise gegen seine nachvertragliche Treuepflicht verstoßen und u.U. auch einen Straftatbestsand verwirklicht. Dies reicht indessen nicht aus, um seine Berufung auf die Versorgungszusage als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

49

Auch in den Fällen eines nachvertraglichen treuwidrigen Verhaltens eines ehemaligen Arbeitnehmers ist ein (teilweiser) Widerruf der Versorgungszusage nur dann gerechtfertigt, wenn sich das treuwidrige Verhalten schwerwiegend auf das Unternehmen des ehemaligen Arbeitgebers auswirkt und deshalb die Einstellung bzw. Kürzung der Versorgungsleistungen nicht außer Verhältnis zu Art, Ausmaß und Folgen der Verletzung steht. Ein solcher Fall kann etwa dann gegeben sein, wenn der Ruhegeldempfänger ruinösen Wettbewerb treibt oder auf andere Weise das Unternehmen, das mit seinen Erträgen des Ruhegeld erwirtschaften soll, in seiner wirtschaftlichen Grundlage gefährdet (BAG v. 15.0.1993 - 9 AZR 558/91 - AP Nr. 40 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BGH v. 07.01.1971 - II ZR 23/70 - AP Nr. 151 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Vorliegend hat der Kläger weder der Beklagten einen existenzgefährdenden Schaden zugefügt noch in sonstiger Weise deren wirtschaftliche Grundlage gefährdet.

50

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 21 der Versorgungsordnung vom 17.11.1998 berufen, wonach die Betriebsrente u.a. bereits dann gekürzt werden kann, wenn der Betriebsrentner Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden. Denn vertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitgeber zu einem Widerruf der Versorgungszusage berechtigen, ohne dass die oben dargestellten Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs erfüllt sind, sind unwirksam (BAG v. 08.05.1990 - 3 AZR 152/88 - AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Treuebruch, m.w.N.).

II.

51

1. Die statthafte Berufung des Klägers ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel ist ganz überwiegend begründet.

52

2.a) Die Klage auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente, beginnend mit dem Monat September 2015 (Berufungsantrag zu 1.) ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger mit diesem Klageantrag auch für die Zukunft den gesamten Betrag der von der Beklagten monatlich zu leistenden Rente und nicht nur den streitigen Differenzbetrag geltend macht. Nach §§ 257, 258 ZPO ist bei einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Leistung - also auch bei Betriebsrenten - schon wegen des Titulierungsinteresses eine Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen auch insoweit zulässig, als der Gegner freiwillig zahlt (BAG v. 28.06.2011 - 3 AZR 137/09 - juris).

53

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zahlungsklage ergeben sich auch nicht daraus, dass der Kläger den betreffenden Antrag im Berufungsverfahren sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch betragsmäßig erweitert hat. Nach § 264 Nr. 2 ZPO handelt es sich nämlich hierbei nicht um eine Klageänderung, so dass es insoweit nicht des Vorliegens der Voraussetzungen des § 533 ZPO bedarf.

54

b) Die Zahlungsklage ist auch ganz überwiegend begründet.

55

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in ungekürzter Höhe. Insoweit wird - zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - auf die obigen Ausführungen unter I. 2. verwiesen. Die vom Kläger jeweils für die Monate ab Juli eines jeden Jahres geltend gemachten Erhöhungen seiner Betriebsrente folgen aus § 15 Nr. 1. der Versorgungsordnung vom 17.11.1998, wonach die laufenden Betriebsrenten jährlich am 01. Juli um 1 % anzupassen sind.

56

Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen erweist sich die Klage jedoch als unbegründet. Soweit der Kläger Zinsen auf die bis zum Urteilserlass bereits fällig gewordenen monatlichen Leistungen für die Zeit ab September 2015 begehrt, so steht diesem Anspruch bereits der Umstand entgegen, dass die Beklagte unstreitig nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils die Betriebsrente jeweils ungekürzt an den Kläger ausgezahlt hat. Zwar liegt in dieser Zahlung keine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB, da die Beklagte durch Einlegung ihrer Berufung zum Ausdruck gebracht hat, dass die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt (vgl. BGH v. 06.10.1998 - XI ZR 36/98, NJW 1999, 494). Gleichwohl ist die Beklagte infolge dieser Zahlungen nicht in Verzug geraten. Für die künftig fällig werdenden Leistungen kann der Kläger ebenfalls keine Verzugszinsen beanspruchen. Verzugszinsen sind keine Leistungen i.S.v. § 258 ZPO, sondern Sekundäransprüche, deren Entstehung ungewiss ist. Insoweit könnte allenfalls Klage gemäß § 259 ZPO erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis begründet ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistungen entziehen (BAG v. 14.07.2015 - 3 AZR 594/13 - Rd. Ziff. 34, juris). Für eine solche Besorgnis hat der Kläger weder etwas vorgetragen noch sind derartige Umstände ersichtlich.

57

3. Der Feststellungsantrag (Berufungsantrag zu 2.) ist zulässig und begründet.

58

a) Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da die Wahrscheinlichkeit einer Schadensentstehung angenommen werden kann. Dem Kläger entsteht mit aller Wahrscheinlichkeit ein Schaden dadurch, dass die Beklagte ihm im Jahr 2014 infolge der unberechtigten Kürzung insgesamt 5.081,64 Euro brutto zu wenig an Betriebsrente gezahlt und diesen Betrag in Befolgung des erstinstanzlichen Urteils im Jahr 2015 nachgezahlt hat, sodass mit einer progressionsbedingt höheren Steuerbelastung des Klägers für das Jahr 2015 zu rechnen ist. Der Zulässigkeit des Feststellungsantrages steht nicht entgegen, dass der Kläger u.U. im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Lage war, diesen Schaden zu beziffern und eine entsprechende Leistungsklage zu erheben. Zwar muss das Feststellungsinteresse als Prozessvoraussetzung grundsätzlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Die klagende Partei ist aber - jedenfalls in zweiter Instanz - nicht gezwungen, zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich geworden ist (Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rd. Ziff. 7 c m.N.a.d.R.). Vorliegend kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt der Beendigung der ersten Instanz am 02.06.2015 in der Lage war, seine Steuermehrbelastung zu beziffern.

59

b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

60

Die Beklagte ist verpflichtet, den dem Kläger durch die verspätete Zahlung der ungekürzten Betriebsrente entstandenen Steuerschaden als Verzugsschaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzen (vgl. BAG v. 19.10.2000 - 8 AZR 632/99 - Juris). Einer Mahnung des Klägers, um die Beklagte in Verzug zu setzen, bedurfte es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht.

III.

61

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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