Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Sa 320/16

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 18. Mai 2016, Az. 5 Ca 1216/15, wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über auf die Beklagte übergegangene Ansprüche der Arbeitnehmerin T. S. auf Annahmeverzugsvergütung.

2

Die Arbeitnehmerin S. war seit dem 6. Mai 2010 als Spielhallenaufsicht bei dem Beklagten beschäftigt. Dieser betreibt mehrere Spielhallen. Daneben ist er Gesellschafter der X. & Y. GbR, die die Spielhalle "W" betreibt.

3

Der Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt der Arbeitnehmerin S. betrug zuletzt mindestens 1.500,00 €.

4

Mit Schreiben vom 18. September 2013 kündigte der Beklagte der Arbeitnehmerin S. aus verhaltensbedingten Gründen zum 31. Oktober 2013. Gleichzeitig erklärte der Beklagte: "Wie in jüngster Vergangenheit werden Sie von der Arbeit freigestellt und wir sprechen Ihnen gleichzeitig ein Haus- und Betretungsverbot für alle von uns betriebenen Spielstätten aus."

5

Auf die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin S. stellte das Arbeitsgericht Trier durch Urteil vom 19. März 2014, Az. 4 Ca 1407/13, unter anderem fest, dass diese Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 2. Oktober 2014 (Az. 3 Sa 290/14 - BeckRS 2015, 66358) zurück. In einem Folgeverfahren (Arbeitsgericht Trier, Az. 1 Ca 87/15) einigten sich die Arbeitnehmerin S. und der Beklagte auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2015 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 12.000,00 €.

6

Die Arbeitnehmerin S. meldete sich am 1. November 2013 arbeitslos bzw. -suchend und beantragte Arbeitslosengeld. Die Klägerin bewilligte ihr ab dem 1. November 2013 Arbeitslosengeld im Rahmen einer Gleichwohlgewährung nach § 157 Abs. 3 SGB III und informierte den Beklagten mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 über den Übergang eventueller Ansprüche der Arbeitnehmerin S. auf sie.

7

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin S. Arbeitslosengeld für die Zeiträume 1. November 2013 bis 30. November 2013, vom 1. Januar 2014 bis 15. Mai 2014 und vom 23. Mai 2014 bis zum 29. November 2014. Die Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes betrug grundsätzlich 726,30 € monatlich, wobei sich dieses aufgrund der Anrechnung von Nebeneinkünften nach § 155 SGB III in unterschiedlicher Höhe verringerte. Darüber hinaus finanzierte die Klägerin für diese Zeit-räume die Sozialversicherung von Frau S.. Insgesamt zahlte die Klägerin 6.871,94 €. Hinsichtlich der Berechnung der Zahlungen im Einzelnen wird auf Bl. 28 f. d. A. Bezug genommen.

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Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 machte die Klägerin ihre Forderung gegen den Beklagten außergerichtlich geltend. Nachdem der Beklagte diese mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 23. Juli 2015 zurückgewiesen hatte, erhob die Klägerin mit am 5. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenem, dem Beklagten am 9. Oktober 2015 zugestelltem Schriftsatz vom 30. September 2015 Klage.

9

Das Arbeitsgericht Trier hat die Klage zunächst durch Versäumnisurteil vom 4. November 2015 (Bl. 43 f.) abgewiesen. Das Versäumnisurteil wurde der Klägerin am 12. November 2015 zugestellt. Der Einspruch der Klägerin ging am 18. November 2015 beim Arbeitsgericht ein.

10

Die Klägerin hat vorgetragen,
die Ansprüche der Arbeitnehmerin S. gegen den Beklagten seien gemäß § 115 SGB X auf sie übergegangen. Diese habe nicht böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen. Der Arbeitnehmerin S. sei lediglich ein neuer Arbeitsvertrag mit einem anderen Arbeitgeber angeboten worden, der in einem Vorverfahren vom Arbeitsrichter als nicht ernstzunehmend eingestuft worden sei.

11

Sie hat beantragt,

12

den Beklagte zu verurteilen, an sie 6.871,94 € zur Befriedigung übergegangener Ansprüche auf Arbeitsentgelt zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2015 zu zahlen.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

Er hat zuletzt erstinstanzlich vorgetragen,
die Arbeitnehmerin S. habe es böswillig unterlassen, einen anderweitigen Verdienst zu erzielen. Frau S. habe nicht mehr unter dem Spielhallenleiter V. arbeiten wollen. Er habe der Arbeitnehmerin S. gesagt, dass er dafür sorgen könne, dass sie eine Stelle als Spielhallenaufsicht in der von der X. & Y. betriebenen Spielhalle "W" erhalte. Diese sei nur wenige Kilometer von U. entfernt. Herr V. arbeite dort nicht. Sein Partner habe Frau S. kennenlernen wollen. Daher sei ein Vorstellungsgespräch mit dem zuständigen Herrn Y. für Samstagnachmittag, den 2. November 2013 gegen 15.00 Uhr vereinbart worden. Die Arbeitnehmerin S. habe auch zugesagt, dort zu erscheinen, dies jedoch nicht getan. Er habe Frau S. gesagt, dass sie dort den gleichen Lohn bekomme wie vorher, so dass sie dadurch keinen Nachteil habe. Grundsätzlich bekämen alle Mitarbeiter, die eine Kündigung erhielten, ein Hausverbot ausgesprochen, da sie über interne Dinge informiert seien, wie zum Beispiel, wo sich Geld befände.

16

Das Arbeitsgericht Trier hat durch Urteil vom 18. Mai 2016 das Versäumnisurteil vom 4. November 2015 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 6.871,94 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. Juli 2015 verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten der gemäß § 115 SGB X durch die Zahlung des Arbeitslosengeldes an die Arbeitnehmerin T. S. für die Zeit vom 2013 bis 2014 auf sie übergegangene Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes zu. Der Beklagte habe sich in dem Zeitraum von November 2013 bis November 2014 infolge seiner unwirksamen Kündigung vom 18. September 2013 bis zum 31. Oktober 2013 sowie der darüber hinaus ausdrücklich ausgesprochenen Freistellung der Arbeitnehmerin T. S. von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung (sogar verbunden mit einem Hausverbot) im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Angebots der Arbeitnehmerin S. bedurft hätte. Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch auf Zahlung des Annahmeverzugslohns entfalle nicht durch die Anrechnung eines böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes. Der Beklagte habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes durch die Arbeitnehmerin S. in diesem Zeitraum gegeben gewesen sei. Aufgrund des eigenen Vortrags des Beklagten sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin S. zwar durch Nichterschienen zu dem Vorstellungsgespräch verhindert habe, dass ihr ein Angebot der X. & Y. GbR unterbreitet worden sei. Sie habe jedoch aufgrund der ihr von dem Beklagten gegebenen Informationen nicht davon ausgehen können, dass es sich bei dem nach dem Vorstellungstermin möglicherweise zustande gekommenen Angebot um eine Prozessbeschäftigung während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens, also unter Wahrung ihrer bei Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten bestehenden Rechte, wie insbesondere ihres Kündigungsschutzes, handeln würde. Die Verhinderung eines Angebots der X. & Y. GbR durch die Arbeitnehmerin S. sei aufgrund dessen, dass sie davon habe ausgehen müssen, dass sich durch dieses mögliche Dauerschuldverhältnis der anhängige Kündigungsrechtsstreit betreffend ihres alten Arbeitsplatzes erledige bzw. ihr die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz erschwert werde, nicht böswillig. Vertretbar sei auch die Literaturmeinung, dass Böswilligkeit grundsätzlich ausscheide, wenn sich der Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet habe. Im Übrigen sei bei einer verhaltensbedingten Kündigung die vorläufige Weiterbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber in der Regel (je nach Art und Schwere der Vorwürfe) als unzumutbar anzusehen. Bei der Kündigung handele es sich um eine solche aus verhaltensbedingten Gründen und der Beklagte habe zudem gegenüber der Klägerin ein Hausverbot ausgesprochen. Die X. & Y. GbR wäre zwar ein anderer Arbeitgeber im juristischen Sinn gewesen, der Beklagte als Person wäre jedoch aufgrund seiner Beteiligung an dieser Gesellschaft "Chef" der Arbeitnehmerin S. geblieben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier (Bl. 99 ff. d. A.) Bezug genommen.

17

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 1. Juli 2016 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 1. August 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 3. August 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

18

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 125 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag zusammengefasst geltend,
böswillig unterlassener Zwischenverdienst könne auch dann vorliegen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die von dem ehemaligen Arbeitgeber aufgezeigte Möglichkeit der Aufnahme eines anderweitigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ergreife. Er habe der Arbeitnehmerin S. jedenfalls nicht erklärt, dass diese die Stelle in der Spielhalle "W" nur dann erhalte, wenn im Gegenzug deren Arbeitsverhältnis zur Beklagten ende. Die vertraglichen Einzelheiten hätten anlässlich dieses Vorstellungsgesprächs bzw. danach geklärt werden sollen. In der Klageerweiterung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Trier mit dem Az. 4 Ca 1407/13 vom 18. November 2013 sei der - dort anwaltlich vertretenen - Arbeitnehmerin S. nochmals die Zumutbarkeit der Aufnahme der Tätigkeit aufgezeigt worden. Auch nach diesem Hinweis habe sich die Arbeitnehmerin S. nicht mit Herrn Y. in Verbindung gesetzt.

19

Der Kündigungsausspruch sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass sich die Arbeitnehmerin geweigert habe, mit dem Hallenleiter Herrn V., der Vorgesetzter der Arbeitnehmerin gewesen sei, zusammenzuarbeiten. Dieser sei aber nicht für die Spielhalle "W" zuständig.

20

Der Beklagte beantragt,

21

unter Abänderung des am 18. Mai 2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Trier, Az. 5 Ca 1216/15, zugestellt am 1. Juli 2016, das Versäumnisurteil vom 4. November 2015 aufrechtzuerhalten.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 7. Oktober 2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 151 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag als rechtlich zutreffend.

25

Die Arbeitnehmerin S. habe sich unverzüglich arbeitsuchend gemeldet. Es sei unklar, was der Beklagte überhaupt angeboten habe. Es spreche viel dafür, dass der Beklagte Frau S. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei einem Schwesterunternehmen aufgezeigt habe, wodurch sich deren Rechtsposition unstrittig verschlechtert hätte. Auch habe der Beklagte der Arbeitnehmerin unstrittig kein Prozessarbeitsverhältnis angeboten. Inhalt und Form des Angebots seien völlig unklar, unpräzise und letztlich nicht ernsthaft, was zu Lasten des Beklagten gehe.

26

Die Kündigung sei zudem aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt. Die Arbeitnehmerin sei unverzüglich freigestellt und es sei ihr Hausverbot erteilt worden. Hierdurch sei ihr Ruf nachhaltig für sämtliche Spielhallen beschädigt worden. Ein nicht aufgehobenes Hausverbot über einen derart langen Zeitraum deute darauf hin, dass es sich nicht nur um eine Freistellung von der vertragsgemäßen Leistung handele, sondern dass man die Arbeitnehmerin S. auch nicht mehr "sehen wollte", ja ihr sogar untersagte, in den Betrieb und darüber hinaus in sämtliche Spielhallen des Beklagten zurückzukehren. Der Arbeitnehmerin S. sei es schlicht unzumutbar gewesen, eine Tätigkeit in einem Betrieb des Beklagten zu übernehmen, in dem dieser ebenfalls Gesellschafter sei. Das nicht aufgehobene Hausverbot sei umfassend gewesen und habe alle von "uns betriebenen Spielhallen" einbezogen.

27

Der Vortrag des Beklagten im vorliegenden Verfahren stelle sich als widersprüchlich dar und verstoße gegen Treu und Glauben.

28

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 15. Dezember 2016 (Bl. 160 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

29

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

30

In der Sache hat die Berufung des Beklagten jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 6.871,94 € nebst Zinsen verurteilt.

31

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung aus übergegangenem Recht der Arbeitnehmerin T. S. gemäß § 615 S. 1 in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 SGB X. Nach § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat .

I.

32

Die Arbeitnehmerin T. S. hatte gegen den Beklagten Anspruch auf An-nahmeverzugslohn gemäß § 615 S. 1 in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB.

1.

33

Der Beklagte kam durch die Freistellung der Arbeitnehmerin T. S. und den Ausspruch der unwirksamen Kündigung vom 18. September 2013 in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitnehmerin bedurft hätte.

2.

34

Eine Beendigung des Annahmeverzugs ist bis Ende November 2014 nicht eingetreten. Insbesondere die Mitteilung des Beklagten an die Arbeitnehmerin T. S., es bestünde für sie eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Spielhalle „W“ war hierzu nicht geeignet. Annahmeverzug ist auch nicht nach § 297 BGB ganz oder teilweise ausgeschlossen. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, die Klägerin sei leistungsunfähig oder leistungsunwillig gewesen.

3.

35

Die Arbeitnehmerin T. S. musste sich auch nicht eine Anrechnung nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG gefallen lassen. Sie hat es nicht böswillig unterlassen, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.

a)

36

Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. § 11 S. 1 KSchG ist eine Sonderregelung zu § 615 S. 2 BGB. Trotz des nicht völlig identischen Wortlauts sind die Vorschriften inhaltsgleich (BAG, Urteil vom 16. Juni 2004 – 5 AZR 508/03 – NZA 2004, 1155, 1156 m. w. N.). Zu prüfen ist, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar war. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne aus-reichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Es genügt das vorsätzliche Außer-Acht-Lassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht nicht aus. Die vorsätzliche Untätigkeit muss vorwerfbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn eine angebotene oder sonst mögliche Arbeit nach den konkreten Umständen für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Die Unzumutbarkeit kann sich etwa aus der Art der Arbeit, den sonstigen Arbeitsbedingungen oder der Person des Arbeitgebers ergeben. Die Frage der Zumutbarkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben zu bestimmen. Eine Anrechnung nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG kommt auch in Betracht, wenn der Arbeitgeber, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet, Arbeit anbietet (BAG, Urteil vom 11. Januar 2006 – 5 AZR 98/05 – NZA 2006, 314, 315 Rz. 18). Dies gilt insbesondere für den Fall einer bis zur endgültigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits befristeten Weiterbeschäftigung zu denselben Arbeitsbedingungen. Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer hängt hier vornehmlich von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsprozess ab.

37

Dasselbe muss nach Auffassung der Kammer gelten, wenn das Arbeitsangebot durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgt, an der der Arbeitgeber – wie im vorliegenden Fall – als einer von zwei Gesellschaftern beteiligt ist.

38

Ob die Arbeitnehmerin es böswillig unterlassen hat, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, indem sie der Aufforderung zum Vorstellungsgespräch nicht wahrgenommen hat, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zu beurteilen (vgl. BAG, Urteil vom 16. Juni 2004 – 5 AZR 508/03 – NZA 2004, 1155, 1156).

39

Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die befristete Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen an, wird ihre Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer in erster Linie von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsprozess abhängen. Handelt es sich um eine betriebsbedingte Kündigung, wird dem Arbeitnehmer die vorläufige Weiterbeschäftigung in der Regel zumutbar sein. Gleiches dürfte für Fälle der krankheitsbedingten Kündigung gelten. Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb. Dies gilt insbesondere, wenn eine außerordentliche Kündigung erklärt wird, da der Arbeitnehmer bereits durch diese Art der Kündigung in seinem Ansehen beeinträchtigt wird. Auch Art und Schwere der gegenüber dem Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe sind zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 24.September 2003 - 5 AZR 500/02 – AP KSchG 1969 § 11 Nr. 4; vom 14.November 1985 - 2 AZR 98/84 – AP BGB § 615 Nr. 39).

b)

40

Die Arbeitnehmerin T. S. hat dadurch, dass sie nicht zum Vorstellungsgespräch bei Herrn Y., einem Gesellschafter der X. und Y. GbR, erschienen ist, nach Auffassung der Kammer kein zumutbares Angebot nicht angenommen oder verhindert.

41

Das folgt bereits daraus, dass die X. und Y. GbR der Arbeitnehmerin zu keinem Zeitpunkt ein konkretes Angebot unterbreitet hat. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hätten die vertraglichen Einzelheiten erst anlässlich dieses Gesprächs bzw. danach geklärt werden sollen. Mangels eines solchen konkreten Angebots und des Vortrags, was ihr konkret angeboten worden wäre, kann die Kammer nicht beurteilen, ob das „Angebot“ für die Arbeitnehmerin zumutbar gewesen wäre. Insbesondere ist ungeklärt, unter welchen Bedingungen es zu einem Vertragsabschluss zwischen der X. und Y. GbR hätte kommen sollen, insbesondere ob der Vertragsabschluss davon abhängig gemacht werden sollte, dass die Klägerin den Kündigungsrechtsstreit mit dem Beklagten beendet und ob es sich um ein befristetes oder unbefristetes Beschäftigungsverhältnis handeln sollte.

42

Das Angebot der X. und Y. GbR zu einem Vorstellungsgespräch hinsichtlich eines Arbeitsplatzes in der Spielhalle „W“ sowie gegebenenfalls zur Aufnahme einer Beschäftigung dort war der Arbeitnehmerin S. überdies unzumutbar.

43

Dabei ist es einem Arbeitnehmer auch bei verhaltensbedingter Kündigung regelmäßig nicht unzumutbar, der Arbeitsaufforderung seines bisherigen Arbeitgebers nachzukommen, wenn er einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichtlich durchgesetzt hat. Die Arbeitnehmerin S. hat jedoch keinen Weiterbeschäftigungsanspruch gerichtlich geltend gemacht. Daneben handelte es sich nicht um ein Arbeitsanbot des Beklagten, sondern der X. und Y. GbR.

44

Auch unabhängig von einem Weiterbeschäftigungsurteil kann es dem Arbeitnehmer obliegen, der Aufforderung zur Arbeitsaufnahme nachzukommen, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Kündigung keine unbewiesenen Vorwürfe gemacht, sondern auf einen unstreitigen und für den Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich geeigneten Sachverhalt abgestellt hat, der nur rechtlich zu bewerten ist (BAG, Urteil vom 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90). Auch solche Umstände liegen im streitigen Fall nicht vor. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat im Kündigungsschutzverfahren durch Urteil vom 2. Oktober 2014 (3 Sa 290/14 – BeckRS 2015, 66358) festgestellt, dass die verhaltensbedingte Kündigung des Beklagten sozialwidrig und damit rechtsunwirksam ist. Soweit die Beklagte die ordentliche Kündigung auf ein Fehlverhalten der Arbeitnehmerin im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter V. der Beklagten gestützt habe, habe es bereits an einem substantiiert, das heißt nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen nachvollziehbar dargelegten entsprechenden schuldhaften Fehlverhalten der Klägerin gefehlt. Dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen lasse sich auch im Ansatz nicht entnehmen, wo ein derartiges Fehlverhalten zu sehen sein solle. Das Vorbringen der Beklagten sei insoweit nicht einmal einlassungsfähig. Des Weiteren wäre selbst dann, wenn hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, die Kündigung gleichwohl sozial nicht gerechtfertigt, weil es an einer vorliegend notwendigen einschlägigen Abmahnung fehle.

45

Bei der von dem Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung handelte es sich mithin nicht nur um eine verhaltensbedingte Kündigung. Der Beklagte hat der Arbeitnehmerin überdies pauschale Vorwürfe gemacht, die er auch im Kündigungsschutzprozess nicht einlassungsfähig konkretisiert hat. Darüber hinaus hat er das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin als derart schwerwiegend einzustufend beschrieben, dass es einer Abmahnung nicht bedurft habe.

46

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Beklagte sich im vorliegenden Rechtsstreit darauf berufen hat, dass die Kündigung erfolgt sei, da die Arbeitnehmerin sich geweigert habe, mit dem Vorgesetzten V. zu arbeiten und dieser Vorgesetzte nicht für die Y. und X. GbR tätig sei. Der Beklagte hat das Kündigungsschreiben jedoch persönlich unterzeichnet und sich im Kündigungsschutzverfahren die Vorwürfe zu eigen gemacht.

47

Eine Freistellung der Arbeitnehmerin S. war ausweislich des Kündigungsschreibens bereits vor dem Ausspruch der Kündigung erfolgt.

48

Darüber hinaus war auch das der Arbeitnehmerin vom Beklagten für alle seine Betriebsstätten erteilte Hausverbot geeignet, das Ansehen der Arbeitnehmerin nachhaltig zu beschädigen.

49

Die Freistellung und das "Haus- und Betretungsverbot für alle von uns betriebenen Betriebsstätten" wurden von dem Beklagten auch trotz des vereinbarten Vorstellungsgesprächs bei Herrn Y. aufrechterhalten. Ein Klarstellung dahingehend, dass dieses nicht für die von der X. & Y. betriebene Spielhalle "W" gelten sollte, erfolgte nicht.

50

Schließlich hat die Kammer bei der Prüfung, ob die Arbeitnehmerin böswillig unterlassen hat, eine ihr zumutbare Arbeit anzunehmen, berücksichtigt, dass diese sich am 1. November 2013 arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet hat und damit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin während des Annahmeverzugs Nebeneinkünfte erzielt hat, die auf das Arbeitslosengeld angerechnet wurden. Sie ist neben der Meldung ihrer Arbeitslosigkeit bzw. ihres Arbeitssuchens nicht untätig geblieben.

II.

51

Wegen der Nichtleistung des Annahmeverzugslohns durch den Beklagten hat die Klägerin Leistungen für den Zeitraum 1. November 2013 bis einschließlich Januar 2015 in Höhe der Klageforderung erbracht. Insoweit ist der Anspruch der Arbeitnehmerin T. S. auf die Klägerin übergegangen. Die Forderungshöhe ist zwischen den Parteien im Berufungsverfahren nicht streitig.

III.

52

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 2, 288 Abs. 1, 247 BGB.

IV.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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