Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 346/17

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.06.2017, Az.: 11 Ca 3188/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Jahresprämie für das Kalenderjahr 2016 zusteht.

2

Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit von 2015 bis 2016 als Projektmanager beschäftigt. Die Parteien haben 2015 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, abgeschlossen, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 15-18 d. A. Bezug genommen wird. Dort ist unter § 4 „Vergütung“ Folgendes geregelt:

3

„1. Der/die Arbeitnehmer/in erhält eine Vergütung in Höhe von 3400,00 Euro (in Worten dreitausendvierhundert) brutto/Monat, zahlbar jeweils zum Ende eines Kalendermonats.

4

1 a. siehe Anlage zum Arbeitsvertrag

5

Mit der Vergütung sind Mehr- und Überarbeit, soweit sie im Durchschnitt eines Zeitraumes von 6 Monaten die regelmäßige Wochenarbeitszeit gemäß § 3, Nr. 1 um 15 % nicht übersteigt, abgegolten.

6

2. Dem/der Arbeitnehmer/in werden bei Bestehen eines vermögenswirksamen Sparvertrages vermögenswirksame Leistungen in Höhe von bis zu 40,00 Euro gezahlt.

7

3. Die Zahlung einer evtl. Weihnachtsgratifikation ist freiwillig. Sollte diese gezahlt werden, so wird die Gratifikation mit dem Novembergehalt eines Kalenderjahres ausgezahlt.

8

Kündigt der/die Arbeitnehmer/innen so, dass das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des 1. Quartals eines Jahres endet, muss er/sie eine eventuell gezahlte Weihnachtsgratifikation vollständig zurückzahlen. Erfolgt die Kündigung seitens des/der Arbeitnehmerin später, muss dieser/diese 50 Prozent der gezahlten Gratifikation zurückerstatten. Endet das Arbeitsverhältnis erst im 2. Halbjahr des folgenden Jahres, entfällt eine Rückerstattung.

9

7. Dem/der Arbeitnehmer/in wird ein Urlaubsgeld in Höhe von 22,00 Euro (in Worten: 23 Euro) brutto pro Urlaubstag gezahlt. Das Urlaubsgeld mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Juni ausgezahlt."

10

Dem Arbeitsvertrag ist eine „Anlage zum Arbeitsvertrag § 4 Absatz 1a“ (Bl. 19 d. A.) beigefügt. Unter der Überschrift „Gehalt A.“ enthält diese Tabelle folgenden Text:

11
        

Eintrittsgehalt

Gehalt nach 3 Monaten

Gehalt bei guter Leistung

Bruttogehalt mtl.

3.400,00

3.500,00

3.600,00

Ergibt Jahresgehalt

40.800,00

42.000,00

43.200,00

VWL AG Ant. mtl. 40,00 €

480,00

480,00

480,00

Urlaubsgeld 22,00 € x 30 Tage

660,00

660,00

660,00

Jahresprämie geschätzt 80 %

2.720,00

2.800,00

2.880,00

Gesamt Jahresgehalt

44.660,00

45.940,00

47.220,00

Theoretischer monatl. Wert

3.721,67

3.828,34

3.935,00

12

Diese Tabelle hat der Kläger eigenhändig 2015 unterzeichnet.

13

Für das Jahr 2015 hat die Beklagte mit der Novemberabrechnung, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 56 d. A. Bezug genommen wird, unter der Position „Jahresprämie freiwillig“ einen Betrag in Höhe von 595,02 € brutto abgerechnet. Diesen hat die Beklagte auf der Basis einer Höhe von 70 Prozent des damaligen Bruttomonatsgehalt von 3.400,00 € berechnet; sie hat des Weiteren entsprechend der Beschäftigungszeit des Klägers im Kalenderjahr 2015 von drei Monaten 3/12 berücksichtigt.

14

Das Bruttomonatsgehalt des Klägers wurde nach dreimonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses, wie in Anlage 1 a zum Arbeitsvertrag vorgesehen, auf 3.500,00 € angehoben.

15

Für das Kalenderjahr 2016 hat die Beklagte an den Kläger keine Prämie ausgezahlt. Nach dem Ausscheiden des Klägers hat die Beklagte dem Kläger am 31.07.2016 ein Arbeitszeugnis erstellt, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 9 d. A. Bezug genommen wird.

16

Der Kläger hat die Beklagte außergerichtlich zur Zahlung der Jahresprämie für das Kalenderjahr 2016 aufgefordert. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.09.2016 (Bl. 10 d. A.) unter Hinweis auf die Freiwilligkeit einer entsprechenden Zahlung zurückgewiesen.

17

Deshalb begehrt der Kläger mit der am 06.10.2016 bei Gericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 17.10.2016 zugestellt wurde, weiterhin die Zahlung der Jahresprämie für das Kalenderjahr 2016.

18

Der Kläger hat vorgetragen,

19

die Jahresprämie sei wegen der Aufnahme in Anlage 1 a zum Arbeitsvertrag fester Vergütungsbestandteil geworden. Der entsprechende Anspruch bestehe unabhängig von dem Freiwilligkeitsvorbehalt in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages, der lediglich das Weihnachtsgeld betreffe. Mit der Klage mache er aber gerade nicht das Weihnachtsgeld, sondern nur die in der Anlage 1 a des Arbeitsvertrages genannte Jahresprämie geltend. Die Angabe in Anlage 1 a des Arbeitsvertrages „Jahresprämie geschätzt 80 %“ beziehe sich lediglich auf die Höhe der Jahresprämie; dem Grunde nach werde der Anspruch auf Zahlung einer solchen Prämie aber nicht berührt. Für die Höhe sei von einem Bruttomonatsgehalt von 3.600,00 € auszugehen. Ausweislich des dem Kläger ereilten Arbeitszeugnisses seien seine Leistungen gut gewesen. Im Übrigen habe die Beklagte auch für das Jahr 2016 allen ihren Mitarbeitern mit Ausnahme des Klägers eine Weihnachtsgratifikation gezahlt. Der Anspruch sei seit dem 01.08.2016 fällig, da die Vergütung jeweils zum letzten Kalendertag eines Monats geschuldet sei.

20

Der Kläger hatte im erstinstanzlichen Rechtszug angekündigt, zu beantragen,

21

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.880,00 € brutto nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

22

Nachdem der Kläger im Gütetermin vom 11.01.2017 aber nicht erschienen war, erging ein klageabweisendes Versäumnisurteil, das dem Kläger am 30.01.2017 zugestellt wurde. Der Kläger hat dagegen mit Schriftsatz vom 31.01.2017, beim Arbeitsgericht eingegangen am gleichen Tage eingegangen, Einspruch eingelegt.

23

Demzufolge hat der Kläger sodann im erstinstanzlichen Rechtszug beantragt,:

24

1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.01.2017, dem Kläger zugestellt am 30. Januar 1017, wird aufgehoben.

25

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.880,00 € brutto nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

das Versäumnisurteil vom 11.01.2017 aufrechtzuerhalten.

28

Die Beklagte hat vorgetragen,

29

mit der Anlage 1 a zum Arbeitsvertrag habe sie lediglich die Steigerung des Bruttomonatsgehalt von 3.400,00 € auf 3.500,00 € nach drei Monaten festgelegt. Hinsichtlich der Jahresprämie sei lediglich ein Schätzwert angegeben worden. Das „Ob“ der Jahresprämie werde aber jährlich durch die Geschäftsführung der Beklagten festgesetzt. Dementsprechend habe auch für das Jahr 2015 an sich keine Verpflichtung bestanden, die Prämie überhaupt zu zahlen. Dies ergebe sich aus dem entsprechenden Zusatz auf der Abrechnung. Außerdem stehe dem Anspruch der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrags entgegen.

30

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 07.06.2017 - 11 Ca 3188/16 - das Versäumnisurteil vom 11.01.2017 aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.633,33 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 68-79 d. A. Bezug genommen.

31

Gegen das ihr am 27.06.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 25.07.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 25.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

32

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, weder sei die Anlage zu § 4 Abs. 1a missverständlich, noch ändere sie die übrigen grundsätzlichen Regelungen des § 4 des Arbeitsvertrages, insbesondere nicht den in § 4 Abs. 3 enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt einer Weihnachtsgratifikation. Ausschließlicher Zweck dieser Tabelle der Anlage zu § 4 Abs. 1 a sei es gewesen, dem Kläger den Gehaltssprung von anfänglich 3.400,00 € brutto auf 3.500,00 € brutto nach drei Monaten zu sichern und ihm die bei der Beklagten geltende Vergütungssystematik zu verdeutlichen. Dass es sich nicht um eine verbindliche Gehaltszusage gehandelt habe, erfolge schon daraus, dass der Kläger das in der Tabelle für den Fall "guter Leistung" in Aussicht gestellte monatliche Bruttogehalt von 3.600,00 € nie erhalten habe. Ebenso wenig habe der Kläger für das Jahr 2015 eine 80 %-Prämie erhalten. Die Beklagte habe sich entschieden, an den Kläger für 2015 eine Prämie zu zahlen und habe den Prämiensatz mit 70 % festgelegt. 70 % von 3.400,00 € seien 2.380,00 €. Da der Kläger nur drei volle Monate in einem Anstellungsverhältnis zur Beklagten gestanden habe, habe sich daraus eine jahresanteilige Prämie von 595,00 € ergeben. Schon dies belege den ausschließlichen "Schätz-Charakter" der in Anlage zu § 4 Abs. 1 a enthaltenen Prämienberechnung.

33

Hintergrund dieser "Schätznotwendigkeit" sei die seit 2005 bestehende betriebliche Praxis der Beklagten gewesen, die darin bestanden habe, dass die Geschäftsführung im Regelfall im November eines Kalenderjahres über das "Ob" einer Prämie und gegebenenfalls deren tatsächliche prozentuale Höhe, bezogen auf das tatsächliche Bruttomonatsgehalt, entscheide. Der Prämiensatz habe in dieser Zeit wie folgt geschwankt: 2005 70 % des Monatsgehalts, 2006, 2007, 2008 jeweils 50 %, 2009 90 %, 2010, 2011, 2012 seien an alle Mitarbeiter 1.000,00 €, 1.500,00 € und wiederum 1.500,00 € gezahlt worden; 2013 und 2014 habe der Prämiensatz 80 %, 2015 70 % und 2016 schlussendlich 50 % des jeweiligen Monatsgehalts betragen. Da mithin in der Mehrzahl der "Prämienjahre" das Monatsgehalt Grundlage der Bemessung der Gratifikation gewesen sei, habe dem Kläger dieser Zusammenhang verdeutlicht werden sollen. Daher enthalte der Text auch die eindeutige Aussage "Jahresprämie geschätzt 80 %". Eine feste Zusage könne daher nicht gesehen werden. Die Beklagte sei folglich nicht verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2016 eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen. Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung wäre, stünde dem Kläger aber jedenfalls keine Jahresprämie in Höhe von 1.633,33 € brutto zu. Denn kein prämienberechtigter Mitarbeiter der Beklagten habe für das Jahr 2016 einen höheren Prämiensatz als 50 % eines Bruttomonatsgehalts erhalten.

34

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 25.08.2017 (Bl. 128-132 d. A.) Bezug genommen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - 11 Ca 3188/16 - vom 07.06.2017 abzuändern und das die Klage abweisende Versäumnisurteil vom 11.01.2017 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

37

Der Kläger beantragt,

38

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

39

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

40

die Jahresprämie sei zwischen den Parteien als fester Vergütungsbestandteil vereinbart. Allein Sonderzahlungen, wie Gratifikationen - Weihnachtsgeld - stünden unter dem Freiwilligkeitsvorbehalt des § 4 Ziffer 3. Vorliegend mache der Kläger aber keine Weihnachtsgratifikation geltend. Vielmehr sei die von ihm in Anspruch genommene Prämie als fester Vergütungsbestandteil vereinbart worden. Der Prämienfaktor sei der Höhe nach nicht in das Belieben der Beklagten gestellt, da es sich um einen festen Vergütungsbestandteil gehandelt habe. Etwas anderes folge auch nicht aus der Formulierung "theoretischer monatlicher Wert", da der von der Beklagten unter Einschluss der Jahresprämie ermittelte Jahreswert nach dem Verständnis des Arbeitnehmers auf einen Monatswert umgelegt worden sei und gerade ein gegen die Verbindlichkeit der Zusage einer Jahresprämie entsprechender Zusatz fehle. Auch habe sich die Beklagte ein Leistungsbestimmungsrecht nicht wirksam ausbedungen, wobei es im Übrigen auch bezüglich einer solchen Vereinbarung an einer hinreichend klaren Grundlage fehle, die weder dem Arbeitsvertrag noch der Anlage zu entnehmen sei. Das tatsächliche Zahlungsverhalten der Beklagten im Jahre 2015 sei demgegenüber bedeutungslos, da es keinerlei Aussage hinsichtlich der tatsächlichen Vereinbarung zwischen den Parteien beanspruchen könne und auch keine Änderung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages bewirke.

41

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.09.2017 (Bl. 145-148 d. A.) Bezug genommen.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

43

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.11.2017.

Entscheidungsgründe

I.

44

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

45

Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

46

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in seiner Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten jedenfalls zur Zahlung von 1.633,33 € zuzüglich Zinsen verlangen kann.

47

Denn dem Kläger steht im Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Jahresprämie in Höhe von 80 % seines Bruttomonatsgehalts zu. Dieser Anspruch folgt mit dem Arbeitsgericht entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin daraus, dass die Jahresprämie vorliegend aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles als Vergütungsbestandteil in Anlage 1 a zum Arbeitsvertrag verbindlich festgeschrieben ist.

48

Das Arbeitsgericht hat insoweit zur zutreffenden Begründung seiner Auffassung ausgeführt:

49

"a Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag sind die §§ 305 ff. BGB anzuwenden. Der Vertrag ist vorformuliert im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Hinsichtlich des Einbezugs der vorformulierten Vertragsbedingungen in den Vertrag gilt § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB.

50

b Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Maßgeblich sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden, nicht rechtskundigen Vertragspartners. Anhaltspunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (vergleiche BAG, Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 807/09, juris; Urteil vom 24.01.2013, 8 AZR 965/11, NZA-RR 2013, 400).

51

c. In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ist in einem ersten Schritt davon auszugehen, dass Anlage 1a Arbeitsvertrag (rechtsverbindlicher) Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags ist.

52

Dies ergibt der Vertragswortlaut. § 4 Ziffer 1a ist Unterabsatz zu der die Vergütung festlegenden Ziffer 1. Wenn es dort heißt „siehe Anlage zum Arbeitsvertrag“ deutet dies bereits darauf hin, dass der Inhalt der Anlage 1 a Arbeitsvertrag in § 4 Arbeitsvertrag hineinzulesen ist.

53

(1) Hierfür sprechen auch Wortlaut und äußeres Erscheinungsbild der Anlage 1a Arbeitsvertrag. Schon die Überschrift „Gehalt A.“ spricht dafür, dass in der Anlage 1 a Arbeitsvertrag sämtliche Gehaltsbestandteile zusammengefasst sind. Dies deckt sich auch mit der dann folgenden, tabellarischen Auflistung der Vergütungsbestandteile Bruttomonatsgehalt, vermögenswirksame Leistungen und Urlaubsgeld. Wenn in dieser Aufzählung auch die Position „Jahresprämie“ aufgeführt wird und sodann „unter dem Strich“ ein – auch so bezeichnetes – Gesamtjahresgehalt herauskommt, so ist dies aus Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers nur so zu verstehen, dass diese Jahresprämie vertraglich festgeschriebener Gehaltsbestandteil ist.

54

(2) Das Verständnis der Beklagten, demzufolge aufgrund jährlich zu treffender Entscheidung der Geschäftsführung über die Zahlung der Prämie entschieden können werden soll, ist mit dieser bei objektiver Betrachtung verbindlichen Festschreibung nicht vereinbar. Denn die Jahresprämie ist bei dem in der Tabelle errechneten Gesamtjahresgehalt als fester Bestandteil berücksichtigt, es ist nicht etwa ein Betrag ohne- und mit Berücksichtigung einer Sonderzahlung ausgewiesen.

55

(3) Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass es in der nächsten Zeile heißt "theoretischer monatlicher Wert“. Aus Sicht eines durchschnittlichen Empfängers ist dieser Zusatz im Gesamtzusammenhang so zu verstehen, dass der zuvor ermittelte Jahreswert auf einen Monatswert umgelegt wurde. Insbesondere fehlt auch hier ein gegen die Verbindlichkeit der Zusage einer Jahresprämie sprechender Zusatz, der die Jahresprämie als Vergütungsbestandteil unberücksichtigt ließe.

56

2. Ist die Jahresprämie dementsprechend durch Inbezugnahme der Anlage 1a

57

 Arbeitsvertrag fester Vergütungsbestandteil, ist aufgrund der gegebenen vertraglichen Vereinbarung ein einseitiger Entzug durch die Beklagte nicht möglich.

58

Namentlich hat sich die Beklagte ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB nicht wirksam ausbedungen. Als einzige in diese Richtung deutender Formulierung im Vertragswerk bzw. in Anlage 1a Arbeitsvertrag hat der Zusatz „geschätzt“ kein hinreichendes Gewicht.

59

a. Zwar ist die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 BGB grundsätzlich auch für Sonderzahlungen möglich und namentlich nicht durch § 308 Nr. 4 BGB ausgeschlossen (vergleiche BAG, Urteil vom 16.01.2013, 10 AZR 26/11, juris). Eine entsprechende Vereinbarung bedarf indes einer hinreichend klaren Grundlage, aus der für den anderen Vertragsteil ersichtlich ist, dass der Verwender zur einseitigen Festlegung der Höhe der Sonderzahlung berechtigt ist (vergleiche BAG, Urteil vom 29.08.2012, 10 AZR 185/11, NZA 2013,148)."

60

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest.

61

Mit dem Arbeitsgericht ist des Weiteren davon auszugehen, dass für die Sonderzahlung ein Betrag in Höhe von 80 % eines Bruttomonatsverdienstes jedenfalls von 3.500,00 € zugrunde zu legen ist. Eine Berechnung auf der Grundlage eines Bruttomonatsgehalts in Höhe von 3.600,00 €, wie sie im erstinstanzlichen Rechtszug der Klageforderung zugrunde lag, scheidet im Berufungsverfahren schon deshalb aus, weil die Teilklageabweisung durch das Arbeitsgericht insoweit rechtskräftig geworden ist. Im Übrigen besteht der Anspruch des Klägers anteilig in Höhe von 7/12 des danach für das gesamte Kalenderjahr in Ansatz zu bringenden Betrages von 2.800,00 €.

62

Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt:

63

"Die Sonderzahlung war Vergütungsbestandteil des Klägers. Sie diente zur Honorierung der erbrachten Arbeitsleistung. Der Anspruch auf eine solche Sonderzahlung entsteht regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer pro rata temporis und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (vergleiche BAG, Urteil vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368). Der Kläger hat im Jahr 2016 sieben volle Monate für die Beklagte gearbeitet und dementsprechend auch nur für diesen Zeitraum einen anteiligen Anspruch auf Zahlung der Sonderzahlung erworben."

64

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest.

65

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist.

66

Soweit die Beklagte wiederholt auf den in § 4 Abs. 3 enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt bzgl. einer Weihnachtsgratifikation hinweist, wäre die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten selbst dann begründet, wenn dieser Freiwilligkeitsvorbehalt vorliegend überhaupt einschlägig wäre. Denn dann würden folgende Grundsätze gelten:

67

Allein die Bezeichnung eines Weihnachtsgeldes bzw. 13. Gehalts im Arbeitsvertrag als freiwillige soziale Leistung genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf diese Leistung auszuschließen (BAG 17.04.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 23 = NAZ 2013, 787; s. Niebling NJW 2014, 3011 ff.). Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. BGB; BAG 20.02.2013 - 10 AZR 177/12, EzA-SD 8/2013 S. 7 LS = NZA 2013, 1015) vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl., 2018, Kap. 1 Rdnr. 734 ff.).

68

Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung der Firma ist, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann, begründet bei Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB einen unbedingten Anspruch auf Zahlung (BAG 17.04.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 23 = NZA 2013, 787; s. Niebling NJW 2014, 3011 ff.).

69

Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag (AGB), mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Zuwendung vorbehalten wird, hält dagegen der AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB regelmäßig stand, insbesondere wenn es sich um eine Gratifikation handelt, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. In derartigen Fällen findet   § 315 BGB Anwendung. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss billigem Ermessen entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen (BAG 16.01.2013 EzA 3 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 36 = NZA 2013, 1013).

70

Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag des Weiteren ausdrücklich zu, jedes Jahr ein Weihnachtsgeld in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber die Zahlung des Weihnachtsgeldes in derselben oder einer anderen Vertragsklausel an einen Freiwilligkeitsvorbehalt bindet. Ist ein auf eine Sonderzahlung bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam, weil er der Zusage des Arbeitgebers widerspricht, die Sonderzahlung jedes Jahr in einer bestimmten Höhe zu leisten, ist der unwirksame Freiwilligkeitsvorbehalt auch bei Altfällen nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in einen Widerrufsvorbehalt umzudeuten.

71

Es spricht viel dafür, dass durch die Einräumung der einjährigen Übergangsfrist in Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB dem Vertrauensschutz genügt ist und eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber als Klauselverwender nicht versucht hat, die einer AGB-Kontrolle nicht standhaltenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen (BAG 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40; s. Salamon NZA 2009, 1076 ff.).

72

Vereinbaren andererseits die Arbeitsvertragsparteien in einem Formulararbeitsvertrag ein monatliches Bruttogehalt und weist der Arbeitgeber darauf hin, dass die Gewährung sonstiger Leistungen wie die Zahlung von Weihnachtsgeld freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird, entsteht kein Anspruch auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung, auch wenn der Arbeitnehmer jahrelang Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts erhält. Mangels eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf die Zahlung von Weihnachtsgeld bedarf es in einem solchen Fall weder einer Ankündigung des Arbeitgebers, kein Weihnachtsgeld zu zahlen, noch einer Begründung des Arbeitgebers, aus welchen Gründen er nunmehr von der Zahlung von Weihnachtsgeld absieht (BAG 21.01.2009 EzA § 307 BGB 2003 Nr. 41).

73

Schließen Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, die als AGB anzusehen sind, den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus, wenn sich das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befindet, ohne danach zu differenzieren, ob der Grund für die Kündigung im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt, so benachteiligen diese Vertragsbestimmungen den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind folglich gem. § 307 Abs. 1 BGB auch nicht unwirksam. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist, indem sie sie nur an den - rechtlichen - Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Steht nämlich eine Sonderzuwendung am Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung und ist sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden, kann ihre Zahlung in AGB nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Dient eine Sonderzuwendung dagegen nicht der Vergütung geleisteter Arbeit, sondern anderen Zwecken und knüpft sie nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, kann ihre Zahlung von der Erbringung einer angemessenen Betriebstreue abhängig gemacht werden. Eine Weihnachtsgratifikation, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, kann vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden, ohne dass danach differenziert werden muss, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob sie auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen (BAG 18.01.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 32 = NZA 2012, 620; a.A. LAG Hamm 16.09.2010 LAGE § 611 BGB 2002 Gratifikation Nr. 17; LAG Düsseld. 19.07.2011 NZA-RR 2011, 630; s. Reinecke BB 2013, 437). Der Anspruch besteht allerdings dann, wenn der Eintritt der Bedingung treuwidrig herbeigeführt und deshalb nach § 162 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt gilt, z. B. dann, wenn dem Arbeitnehmer gekündigt worden ist, weil er nicht freiwillig auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation verzichtet hatte (BAG 18.01.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 32 = NZA 2012, 620). Auch bei einer mündlichen oder durch betriebliche Übung begründeten Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, handelt es sich um eine AGB (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49. s. LAG Nds. 20.12.2013 LAGE § 670 BGB 2002 Nr. 5). Der Inhalt einer solchen Regelung unterliegt daher einer Transparenzkontrolle. Der fehlende Betrag zum Arbeitsergebnis bei unwiderruflicher Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts rechtfertigt jedenfalls keine Ungleichbehandlung hinsichtlich eines Weihnachtsgeldes mit reinem Entgeltcharakter (LAG Bln.-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28).

74

Nach BAG (12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12 = NZA 2011, 796; ebenso LAG Hamm 11.05.2004 NZA-RR 2004, 515 gilt zudem:

75

Eine formularmäßig im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, mit der sich der Arbeitgeber den jederzeitigen unbeschränkten Widerruf übertariflicher Lohnbestandteile und anderer Leistungen vorbehält, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 2 und § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Diese Grundsätze können entsprechend angewendet werden, weil es vorliegend um eine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers geht, die nach der vertraglichen Regelung an keinerlei inhaltliche Kriterien gebunden ist.

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Die Vereinbarung ist nur dann wirksam, wenn der widerrufliche Anteil unter 25 bis 30 % der Gesamtvergütung liegt und der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll.

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Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein. Die Vertragsklausel muss zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers).

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Neben der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB findet zudem weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 106 GewO/§ 315 BGB statt (vgl. D/L/W Dörner, a.a.O. Rdnr. 697 ff.).

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In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass vorliegend der von der Beklagten in Anspruch genommene Widerrufsvorbehalt ebenso wenig rechtswirksam zwischen den Parteien vereinbart worden ist und folglich keine Geltung beanspruchen kann, wie auch der Freiwilligkeitsvorbehalt. Das folgt bereits aus § 308 Nr. 4 BGB. Denn tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine Leistungsverpflichtung gehandelt haben könnte, die außerhalb des synallagmatischen Verhältnisses von Leistung gegen Gegenleistung zwischen den Parteien gestanden haben könnte, bestehen nicht. Vielmehr setzt die Annahme eines Widerrufsvorbehalts das Bestehen eines widerrufbaren Substrats, also eines Anspruchs gerade voraus. Insoweit bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine Gratifikation handeln könnte, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat, wie dargelegt, nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre § 315 BGB anwendbar. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss dann billigem Ermessen entsprechen; ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen. Tatsächliches Vorbringen der Beklagten, das der Kammer eine Überprüfung insoweit ermöglichen konnte, fehlt, wie bereits dargelegt, vollständig.

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Selbst wenn man die von der Beklagten in Anspruch genommene Regelung aber dahin auslegen bzw. anpassen würde, dass eine Widerrufsmöglichkeit zumindest bei wirtschaftlichen Verlusten des Arbeitgebers bestehen könnte, würde dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn tatsächliches substantiiertes Vorbringen der Beklagten insoweit fehlt in beiden Rechtszügen. Darauf hat der Kläger im Berufungsverfahren zutreffend hingewiesen. Da neben der Inhaltskontrolle in derartigen Fällen aber auch weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 315 BGB stattzufinden hat, lässt sich nicht feststellen, ob der vorsorglich von der Beklagten in Anspruch genommene Widerruf billigem Ermessen entspricht.

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Im Übrigen ist mit dem Arbeitsgericht vorliegend gerade davon auszugehen, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt die hier streitgegenständliche Regelung aber nicht erfasst. Das ergibt sich, wie vom Arbeitsgericht zutreffend dargelegt, insbesondere aus der vom Arbeitgeber vorliegend bestimmten systematischen Struktur der Vergütungsregelung in der Anlage zu § 4 Abs. 1 a, die einen Zusammenhang zu § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages nicht erkennen lässt. Damit aber ist zudem der Gesichtspunkt der Abschlusstransparenz angesprochen.

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Maßgeblich ist zunächst der objektive Erklärungsinhalt der Regelung; ob beide Parteien bei Vertragsabschluss sich darüber im Klaren waren, wozu eine Regelung führt, ist daher grds. unbeachtlich (LAG Brem. 01.03.2006 LAGE § 308 BGB, 2002 Nr. 2). Generell ist des Weitern zu beachten, dass die Inhaltskontrolle einer Formularklausel einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Verwender bezweckt, sie aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen dient (BAG 27.10.2005 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 18; s. a. BAG 22.09.2016 EzA § 2 KSchG Nr. 98 = NZA 2016, 1461).

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§ 307 Abs. 3 BGB normiert die Schranken der Inhaltskontrolle. §§ 307 Abs. 1, 2, 308, 309 BGB gelten danach nur für Bestimmungen in AGB, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Deklaratorische Klauseln, die nur den Gesetzeswortlaut wiederholen, unterliegen nicht der Inhaltskontrolle (s. BGH 24.09.1998 NJW 1999, 864). Denn an die Stelle der unwirksamen Klausel träte ohnehin die gesetzliche Regelung. Berechtigt z. B. eine Klausel den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer im Betrieb andere gleichwertige Arbeit zuzuweisen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht, unterliegt sie keiner Inhaltskontrolle, da sie den Inhalt des § 106 GewO fast wörtlich wiedergibt (ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 34 f; s.a.BAG 11.04.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 15). Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind also u.a. Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Haupt- und Gegenleistung von der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ausgenommen (BAG 15.12.2016 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 79). Insoweit findet nur eine Transparenzkontrolle statt. Im Hinblick auf die Vertragsfreiheit überlässt das AGB-Recht diesen Bereich der freien Gestaltung der Parteien. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die im Arbeitsverhältnis getroffenen Hauptabreden zu einem angemessenen und marktgerechten Leistungsaustausch führen. Es ist daher grds. nicht Aufgabe der Gerichte, über §§ 305 ff. BGB den "gerechten Preis" der Arbeitsleistung zu ermitteln. Soweit es dabei zu Marktstörungen kommt, soll dies über die Tarifautonomie, den gesetzlichen Mindestlohn und ggf. nach § 138 BGB kompensiert werden, nicht jedoch durch eine Inhaltskontrolle von AGB (BAG 26.01.2017 - 6 AZR 671/15, EzA-SD 8/2017, S. 9 = NZA-RR 2017, 325). Weicht der Verwender von AGB dagegen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik ab, unterliegt, diese Abweichung einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach dem Recht der AGB (BAG 21.02.2017 EzA § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 - NZA 2017, 723).

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Hinreichende Abschlusstransparenz ist jedoch die Grundvoraussetzung für die vom Gesetzgeber angeordnete Freiheit der Hauptabreden von einer Inhaltskontrolle. Der Arbeitnehmer kann seine Verhandlungsmöglichkeiten und Marktchancen nur dann interessengerecht wahrnehmen, wenn er genügend informiert ist. Das setzt voraus, dass die vom Arbeitgeber als wirtschaftlich Stärkerem gestellten AGB dem Arbeitnehmer seine hinsichtlich der Hauptleistungspflicht bestehenden Rechte und Pflichten möglichst klar und durchschaubar machen (BAG 15.12.2016 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 79; 26.01.2017 - 6 AZR 671/15, EzA-SD 8/2017, S. 9 = NZA-RR 2017, 325). Darum müssen die bei Begründung des Arbeitsverhältnisses gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die tatbestandlichen Voraussetzungen und den Umfang der Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses so genau beschreiben, dass der Arbeitnehmer die konkret geschuldete Arbeit, den Arbeitszeitumfang und die Höhe der dafür vom Arbeitgeber nach Vertragsschluss zu zahlenden Vergütung entnehmen kann. Sonst kann er bei Vertragsschluss nicht erkennen, "was auf ihn zukommt". Von der hinreichenden Information über diese Bestandteile der Hauptleistungspflicht macht der durchschnittliche Arbeitnehmer, auf dessen Willensbildung abzustellen ist, seine Abschlussentscheidung abhängig (BAG 26.01.2017 - 6 AZR 671/15, EzA-SD 8/2017, S. 9 - NZA-RR 2017, 325 (vgl. DLW/Dörner, a.a.O., Kap. 1 Rdnr. 679 ff.).

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Allerdings dürfen die an die Transparenz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellten Anforderungen den Verwender nicht überfordern. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt möglichst klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (BAG 26.01.2017 - 6 AZR 671/15, EzA-SD 8/2017, S. 9 = NZA-RR 2017, 325). Der Klauselverwender muss nicht jede Allgemeine Geschäftsbedingung gleichsam mit einem Kommentar versehen. Er darf vielmehr Rechtsbegriffe aus der Gesetzessprache ebenso wie unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden. Auch müssen notwendig generalisierende Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung erreichen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Das Transparenzgebot erfordert auch keine Klauselgestaltung, die eine einzelfallbezogene Subsumtion von vornherein entbehrlich macht. Welche Anforderungen an die Wahrung des Transparenzgebots konkret zu stellen sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab (BAG 26.01.2017 - 6 AZR 671/15, EzA-SD 8/2017, S. 9 = NZA-RR 2017, 325).

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In Anwendung dieser Grundsätze ist wiederum unter Hinweis auf die vom Arbeitsgericht zutreffend herausgestellten Einzelumstände festzustellen, dass aufgrund der vorliegend gegebenen Unklarheiten in der arbeitsvertraglichen Regelung auch ein Verstoß gegen das Gebot der Abschlusstransparenz vorliegt, mit der vom Arbeitsgericht letztlich zutreffend angenommenen Rechtsfolge. Insoweit wird § 4 Abs. 1 a nach dem schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag ausdrücklich unmittelbar im Anschluss an die monatliche Vergütung benannt. Ein textlicher Bezug zu § 4 Ziff. 3 fehlt. Ein ausdrücklicher Freiwilligkeitsvorbehalt ist in § 4 Ziff. 1 a und der Anlage nicht enthalten. Auch wird in der Anlage der Begriff Weihnachtsgratifikation nicht erwähnt; vielmehr ist dort von Jahresprämie die Rede. Eine inhaltliche Abgrenzung dieser Begriffe folgt nicht. Zeitliche Modalitäten, wann jeweils im Kalenderjahr über das Ob und die Höhe einer Jahresprämie entschieden wird, fehlen vollständig. Gleichermaßen fehlen jegliche Angaben über die Person(en) der jeweils zur Entscheidung Befugten. Inhaltliche Kriterien, wonach sich die Höhe des Prämiensatzes bestimmt, fehlen, ebenso dafür, ob ein Prozentsatz des Bruttomonatsgehalts, oder aber ein für alle Arbeitnehmer gleich hoher Pauschalbetrag gewährt wird, ob die Höhe nur vom Geschäftsergebnis oder auf vom Leistungsverhalten der Arbeitnehmer (Zahlen? Maßstäbe?, Kriterien?) abhängig ist Die Summe all dieser Unklarheiten lässt ein anderes als das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis nicht zu.

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Soweit die Beklagte des Weiteren auf die unterschiedlichen Prämiensätze in den Jahren 2005 ff. hingewiesen hat, erscheint dies unbehelflich im hier maßgeblichen Sachzusammenhang. Denn dass diese unterschiedlichen Sätze bzw. Beträge in irgendeiner Form Vertragsinhalt für das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis geworden sein könnten, erschließt sich nach dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen nicht; im Übrigen folgt aus dem Vorbringen der Beklagten jedenfalls im Berufungsverfahren, dass dem Kläger auch nach Auffassung der Beklagten ein Prämiensatz in Höhe von 50 Prozent für das Kalenderjahr 2016 zuzubilligen wäre. Bei der Auslegung können zudem Begleitumstände, wie hier die von der Beklagten behaupteten unterschiedlichen Zahlungen in den Vorjahren, nur berücksichtigt werden, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.11.2016 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 80; vgl. DLW/Dörner a.a.O, Kap. 1 Rdrn. 668). Anhaltspunkte dafür lassen sich aber dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen auch nicht im Ansatz entnehmen.

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Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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