Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 TaBVGa 3/17

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Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28. September 2017, Az. 6 BVGa 8/17, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betriebsrat begehrt im Wege einer einstweiligen Verfügung, der Arbeitgeberin zu untersagen, eine Abteilung ihres Krankenhauses zu schließen. Außerdem soll ihr untersagt werden, betriebsbedingte Kündigungen oder Versetzungen bis zum Abschluss bzw. Scheitern von Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu erklären bzw. durchzuführen. Sollte die Arbeitgeberin Arbeitnehmern bereits gekündigt oder sie versetzt haben, soll ihr aufgegeben werden, den betroffenen Arbeitnehmern Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten.

2

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) ist eine Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes, sie betreibt in Rheinland-Pfalz mehrere Krankenhäuser. Sie ist als gemeinnützig anerkannt und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verpflichtet. Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der im D. Krankenhaus N. gebildete Betriebsrat. In diesem Krankenhaus waren am 31.08.2017 651 und am 28.09.2017 665 Arbeitnehmer beschäftigt. Das D. Krankenhaus N. hält gem. Landeskrankenhausplan 324 Planbetten vor, die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe verfügte über 40 Planbetten, die zum 01.08.2017 auf 30 reduziert wurden (Bescheid vom 19.10.2017 des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie).

3

Träger des Krankenhauses war bis zum 31.12.1993 die Stadt N.. Am 31.03.1994 schlossen die Arbeitgeberin und die seinerzeit zuständige Gewerkschaft ÖTV einen Überleitungstarifvertrag. Hierin heißt es ua.:

4

"Präambel

5

Ziel dieses Vertrages ist die tarifrechtliche Überleitung des Personals des Stadtkrankenhauses N. zu der DRK Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz. Er findet Anwendung auf die im Zeitpunkt des Übergangs (01.01.1994) im Stadtkrankenhaus N. beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
...

§ 6

6

Es gelten in vollem Umfange alle Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Einschränkungen der Beteiligungsrechte des Betriebsrates unter dem Gesichtspunkt des „Tendenzschutzes“ werden seitens der DRK Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz nicht erfolgen.
...

§ 13

7

Diese Vereinbarung gilt bis zum 31.12.1995 und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn sie nicht von einer der beiden Vertragsseiten ... gekündigt wird."

8

In den Jahren 1999/2000 führten die Beteiligten vor dem Arbeitsgericht Koblenz ein Beschlussverfahren (5 BV 10/09) vor dem Hintergrund der Schließung der Abteilung Physikalische Therapie. Am 27.04.2010 schlossen sie einen Vergleich. Ziff. 1 des Vergleichs lautet wie folgt:

9

„Die Beteiligten vereinbaren, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend und zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben unterrichtet, bevor er mit der Umsetzung einer Maßnahme beginnt, bei der in Betracht kommt, dass es sich um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG handelt. Die Unterrichtung erfolgt so, dass der Betriebsrat mindestens zwei Wochen Zeit hat, die vom Arbeitgeber überlassenen Informationen im Gremium zu beraten und ggf. Alternativvorschläge zu unterbreiten.“

10

Am 13.09.2017 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsratsvorsitzenden mündlich darüber, dass sie beabsichtige, die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, in der 32 Arbeitnehmer beschäftigt sind, zum 31.12.2017 zu schließen. Ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer war bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.01.1994 angestellt. Mit Schreiben vom 15.09.2017, das ihm am selben Tag zugegangen ist, informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat - auszugsweise - wie folgt:

11

"... wir beabsichtigen zum 31. Dezember 2017 die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des D. Krankenhauses N. zu schließen. ...

12

ln der Abteilung ... sind zurzeit in den Bereichen ärztlicher Dienst, Pflegedienst sowie Hebammendienst insgesamt 32 Arbeitnehmer beschäftigt. Diesem Schreiben beigefügt ist eine Übersicht der in der Abteilung ... Beschäftigten mit den entsprechenden Sozialdaten.

13

... Die Abteilung ... wird leider seit Jahren nicht mehr von genügend Patientinnen nachgefragt. ... Insgesamt hat sich die Fallzahl der Abteilung ... in den vergangenen Jahren stark rückläufig entwickelt. ... Dies hat dazu geführt, dass die Abteilung ... seit mindestens zehn Jahren mit großen Defiziten geführt wird. ...

14

Wir sehen daher keine Möglichkeit, die schwierige Situation der Abteilung ... zu beenden und einen Neuanfang zu beginnen. Dies liegt auch daran, dass das Nachbarkrankenhaus in N. über eine sehr erfolgreiche gynäkologische und geburtshilfliche Abteilung (Perinatalzentrum) verfügt. Außerdem ist dort durch die Vorhaltung einer Pädiatrie mit Frühgeborenen-Intensivstation die ärztliche und pflegerische Versorgung der Neugeborenen auf höchstem Niveau gewährleistet. Diesen strukturellen Nachteil wird das D. Krankenhaus N. nicht ausgleichen können.

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Aus diesen Gründen haben wir uns entschlossen, die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe zum 31. Dezember 2017 zu schließen.

16

Zur Umsetzung werden die 10 Beschäftigten des Pflegedienstes der Abteilung ... in anderen Abteilungen des D. Krankenhauses N. weiterbeschäftigt, ohne dass sich deren Arbeitsbedingungen ändern. lm Falle der Stationsleitung, Frau E. K., beabsichtigen wir, diese unter Fortfall der Funktion als Stationsleitung im Pflegedienst unter Beibehaltung der sonstigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Wir beabsichtigen, Frau L. M. ab dem 1. Januar 2018 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zum 31. August 2018 als Stationshilfe unter Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Im Falle von Frau M. B. beabsichtigen wir im Hinblick auf eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Chefarztsekretärin eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Wenn bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2018 eine entsprechende Stelle im D. Krankenhaus N. frei werden wird, werden wir Frau B. ein Angebot auf Weiterbeschäftigung unterbreiten.

17

In der Abteilung ... sind zurzeit 10 Ärztinnen und Ärzte tätig, von denen mit sechs Beschäftigten eine Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2017 vereinbart ist. Wir beabsichtigen, die Arbeitsverhältnisse der übrigen vier Ärztinnen und Ärzte zum 31. Dezember 2017 fristgemäß und betriebsbedingt zu kündigen. Wenn in Krankenhäusern unseres Verbundes entsprechende Arztstellen zu besetzen sind, werden wir den Ärztinnen und Ärzten ... gerne entsprechende Angebote unterbreiten.

18

In der Abteilung ... werden zurzeit 10 Hebammen beschäftigt. Infolge des mit der Schließung der Abteilung ... verbundenen Verlustes einer Beschäftigungsmöglichkeit für die Hebammen ist beabsichtigt, deren Arbeitsverhältnisse fristgemäß und betriebsbedingt zu kündigen. Auch hier werden wir den Hebammen freie Stellen in unserem Krankenhausverbund anbieten.

19

Aufgrund von Gesprächen mit dem E. Krankenhaus N. ist uns bekannt, dass dort freie Stellen im Hebammendienst und im Pflegedienst im Bereich der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe neu zu besetzen sind.

20

Wir beabsichtigen, mit allen Mitarbeitern der Abteilung Einzelgespräche, ggf. auch in Anwesenheit eines Vertreters des Betriebsrates, zu führen.

21

Nach unserer Auffassung liegen die Voraussetzungen einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG nicht vor. Bei der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe handelt es sich im Hinblick auf die Anzahl der von der Umsetzung der geplanten Schließung betroffenen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt werden soll, [um] keinen wesentlichen Betriebsteil.

22

Gleichwohl sind wir bereit, mit Ihnen die geplante Schließung der Abteilung und deren Auswirkungen auf die hiervon betroffenen Mitarbeiter zu beraten.
..."

23

Am 19.09.2017 beschloss der Betriebsrat, beim Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen und seine jetzige Verfahrensbevollmächtigte mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Er war der Ansicht, dass die Arbeitgeberin die Schließung bereits fest geplant und - wegen der Einladung zur Kuratoriumssitzung - bereits mit der Umsetzung begonnen habe.

24

Am 20.09.2017 informierte die Arbeitgeberin das Krankenhauskuratorium in einer Sitzung über die beabsichtigte Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe zum 31.12.2017. Nach der Satzung berät das Kuratorium die Geschäftsführung ua. bei Änderungen des Umfangs der klinischen Abteilungen. Dem Kuratorium gehört neben Vertretern der Stadt N. und der Arbeitgeberin auch der Betriebsratsvorsitzende an. Er äußerte sich in der Sitzung nicht. Am 21.09.2017 beschloss der Aufsichtsrat die Schließung der Abteilung. Noch am 21.09.2017 leitete die Arbeitgeberin dem Betriebsrat gem. § 102 BetrVG schriftliche Anhörungen zu beabsichtigten ordentlichen Beendigungskündigungen, außerordentlichen Beendigungskündigungen mit sozialer Auslauffrist, ordentlichen Änderungskündigungen und außerordentlichen Änderungskündigungen mit sozialer Auslauffrist zu.

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Am 22.09.2017 fand eine Mitarbeiterversammlung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe statt. Im Anschluss schlug der Vorsitzende des Betriebsrates der Arbeitgeberin - wie bereits anlässlich seiner mündlichen Unterrichtung - vor, entweder die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe unter Leitung des bisherigen Chefarztes der Chirurgie fortzuführen oder die Abteilung in eine Belegabteilung umzuwandeln. Die Arbeitgeberin lehnte diese Vorschläge ab. Mit einem am 22.09.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz leitete der Betriebsrat das einstweilige Rechtsschutzverfahren ein.

26

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

27

im Wege der einstweiligen Verfügung

28

1. der Arbeitgeberin zu untersagen, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Arbeitgeberin, die Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe vorzunehmen, bis ein Interessenausgleich abgeschlossen ist oder durch Spruch der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs festgestellt wurde,

29

hilfsweise

30

bis zum Ablauf von vierzehn Tagen, nachdem die Arbeitgeberin Ergebnisoffenheit für Alternativvorschläge des Betriebsrats erklärte,

31

2. der Arbeitgeberin zu untersagen, betriebsbedingte Kündigungen/ Änderungskündigungen oder Versetzungen im Zusammenhang mit der geplanten Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Arbeitgeberin auszusprechen, bis zwischen den Beteiligten ein Interessenausgleich hinsichtlich der geplanten Betriebsänderung zustande gekommen ist oder die Verhandlungen über diesen Interessenausgleich beendet sind,

32

hilfsweise

33

bis zum Ablauf von vierzehn Tagen, nachdem die Arbeitgeberin Ergebnisoffenheit für Alternativvorschläge des Betriebsrats erklärte.

34

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

35

die Anträge zurückzuweisen.

36

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge des Betriebsrats mit Beschluss vom 28.09.2017 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts wird auf den begründeten Teil des Beschlusses Bezug genommen.

37

Nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung am 28.09.2017 erklärte die Arbeitgeberin am 29.09.2017 den von der beabsichtigten Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe betroffenen Arbeitnehmern Kündigungen zum 31.12.2017 oder 31.03.2018. Nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin, zu dem sich der Betriebsrat im zweitinstanzlichen Anhörungstermin nicht erklären konnte, sollen inzwischen 13 Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht Koblenz anhängig sein. In drei Kündigungsschutzprozessen sollen nach dem Vortrag der Arbeitgeberin bereits Vergleiche geschlossen worden sein. Auch hierzu konnte sich der Betriebsrat im Anhörungstermin am 07.12.2017 nicht erklären.

38

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, der ihm am 05.10.2017 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat am 30.10.2017 Beschwerde eingelegt und diese am 03.11.2017 begründet. Den Antrag zu 2) habe er angepasst, weil die Arbeitgeberin zwischenzeitlich einige Kündigungen erklärt habe; die Änderung des Antrags sei sachdienlich.

39

Der Betriebsrat macht nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 03.11.2017, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, geltend, das Arbeitsgericht hätte ihm einen Unterlassungsanspruch aus § 111 BetrVG iVm. Art. 8 der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (RL 2002/14/EG) oder aus § 92 BetrVG iVm. Art. 8 RL 2002/14/EG zuerkennen müssen. Bei der am 21.09.2017 durch den Aufsichtsrat beschlossenen Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe handele es sich um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG, denn diese Abteilung stelle einen wesentlichen Betriebsteil des Krankenhauses dar. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ihm kein Unterlassungsanspruch gegen die Schließung der Abteilung und auch kein Unterlassungsanspruch gegen den Vollzug von personellen Einzelmaßnahmen zustehe, weil die Verletzung der Pflichten aus § 111 BetrVG lediglich zu den Rechtsfolgen des § 113 BetrVG sowie des § 121 BetrVG führe. Der Hinweis auf § 113 Abs. 3 BetrVG sei nicht zielführend (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 02.10.2014 - 3 TaBVGa 5/14 - Rn. 45). Wenig hilfreich sei auch der Verweis auf § 121 BetrVG, der nur den Informations-, nicht aber den Beratungsanspruch des Betriebsrats schütze. Er sei am 15.09.2017 informiert worden, bevor er als Gremium "strukturiert" habe reagieren können, sei bereits das Kuratorium unterrichtet und bereits einen Tag später, am 21.09.2017, vom Aufsichtsrat die Schließung der Abteilung beschlossen worden. Die Arbeitgeberin habe zwar ihre Informationspflicht erfüllt, und so die Sanktion des § 121 BetrVG gemieden, seinen Beratungsanspruch habe sie hingegen nicht erfüllt. Dieser Anspruch sei nach dem Wortlaut des § 121 BetrVG entgegen der Verpflichtung in Art. 8 RL 2002/14/EG nicht durch Sanktionen geschützt. § 121 BetrVG sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch keine abschreckende Sanktion. Der Obergrenze eines Bußgeldes von 10.000 Euro stünden erheblich größere wirtschaftliche Vorteile gegenüber. Vorliegend habe die Arbeitgeberin durch die verspätete Information des Betriebsrats und der Belegschaft verhindert, dass Arbeitnehmer vor dem geplanten Schließungstermin kündigen, um rechtzeitig anderweitige Arbeitsverhältnisse zu beginnen. So habe sie den Betrieb der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe aufrechterhalten können, um noch Umsatz zu erzielen. Andererseits erwirtschafte die Abteilung jährlich mehrere 100.000 Euro Verlust, eine Verzögerung der Schließung um ein Quartal aufgrund einer ergebnisoffenen Beratung hätte also - Quartalskündigungsfristen für alle Betroffenen unterstellt - grob ein Viertel dieses Verlustbetrags verursacht. Hier stünde einem Bußgeldrisiko von 10.000 Euro gem. § 121 BetrVG - grob geschätzt - ein Verlust von 100.000 Euro bei einer ordnungsgemäßen Vorgehensweise gegenüber. Der gesetzestreue Arbeitgeber zahle mehr als derjenige, der mit einem Verstoß bewusst kalkuliere. Deswegen könne nicht von einer wirksamen und abschreckenden Sanktion durch § 121 BetrVG ausgegangen werden. Der begehrte Unterlassungsanspruch lasse sich aus der richtlinienkonformen Auslegung des Art. 8 RL 2002/14/EG ableiten. Aus der Richtlinie ergebe sich die Pflicht, die wirksame Durchsetzung der Informations- und Beratungsansprüche sicherzustellen. Dabei sei festzuhalten, dass der Nachteilsausgleich, der nur bei wirtschaftlichen Nachteilen geleistet werden müsse, keine wirksame und abschreckende Sanktion für den Verstoß gegen eine Informations- und Beratungspflicht aus Art. 4 RL 2002/14/EG darstelle (LAG Rheinland-Pfalz 02.10.2014 - 3 TaBVGa 5/14 - Rn. 45). Dem könne nicht mit dem Argument der Unternehmergrundrechte begegnet werden. Art. 8 RL 2002/14/EG sei bislang nicht vollständig umgesetzt worden, eine normierte abschreckende Sanktion sei nicht ersichtlich. Die vom Arbeitsgericht in Bezug genommene Rechtsauffassung der Europäischen Kommission zur Umsetzung der RL 2002/14/EG sei nicht maßgeblich. Die Kommission sei in der Gewaltenteilung der Europäischen Union die Exekutive. Allein der vom Arbeitsgericht zu Unrecht verneinte Unterlassungsanspruch setze Art. 8 RL 2002/14/EG vollständig um. Eine Sanktion sei der Unterlassungsanspruch indes noch nicht. Hierfür sei erforderlich, den Unterlassungsanspruch durch einen befristeten bzw. auflösend bedingten "Folgenbeseitigungsanspruch" zu begleiten, der den Arbeitgeber zum einstweiligen Abstand nehmen von bereits umgesetzten Maßnahmen zwinge (LAG Rheinland-Pfalz 02.10.2014 - 3 TaBVGa 5/14 - Rn. 48). Der Arbeitgeberin sei verwehrt, sich auf den Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 BetrVG als karitative Einrichtung zu berufen. Die Berufung auf den Tendenzschutz dürfe nicht dazu führen, dass die Information und Anhörung im Sinne eines "echten Dialogs" unterlassen werden könne. Außerdem könne sich die Arbeitgeberin wegen der Regelung in § 6 des Überleitungstarifvertrags vom 31.03.1994 nicht auf den Tendenzschutz berufen. Sie habe zumindest für die übergeleiteten Beschäftigten des Krankenhauses auf diese Einrede verzichtet. Die Arbeitgeberin habe auch gegen den Beratungsanspruch aus § 92 Abs. 1 BetrVG iVm. Art. 8 RL 2002/14/EG verstoßen. Sie habe ihm ihr Vorhaben nicht im Rahmen der Personalplanung mitgeteilt. Ihm seien im Jahr 2017 bzw. für das Jahr 2017 überhaupt keine Planungen mitgeteilt worden. § 92 BetrVG enthalte in Satz 1 einen Informations-, in Satz 2 einem Beratungsanspruch. Insoweit entspreche § 92 BetrVG dem Art. 4 RL 2002/14/EG. Der Beratungsanspruch sei nicht geschützt, so dass zu seiner Durchsetzung eine wirksame, angemessene und abschreckende Sanktion erforderlich sei. Sollte die Beschwerdekammer die erfolgreiche Umsetzung der RL 2002/14/EG ohne den von ihm angestrebten Unterlassungs- sowie Folgenbeseitigungsanspruch bejahen, sei sie gem. Art. 267 AEUV verpflichtet, diese höchst streitige Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen, um die europarechtskonforme Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen.

40

Der Betriebsrat beantragt zweitinstanzlich,

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den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28.09.2017, Az. 6 BVGa 8/17, abzuändern und im Wege der einstweiligen Verfügung

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1. der Arbeitgeberin zu untersagen, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Arbeitgeberin, die Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe vorzunehmen, bis ein Interessenausgleich abgeschlossen ist oder durch Spruch der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs festgestellt wurde,

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hilfsweise

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bis zum Ablauf von vierzehn Tagen, nachdem die Arbeitgeberin Ergebnisoffenheit für Alternativvorschläge des Betriebsrats erklärte,

45

2. der Arbeitgeberin zu untersagen, betriebsbedingte Kündigungen/ Änderungskündigungen oder Versetzungen im Zusammenhang mit der geplanten Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Arbeitgeberin auszusprechen,

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im Falle

47

bereits ausgesprochener Kündigungen/Änderungskündigungen oder Versetzungen

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den betroffenen Arbeitnehmern/-innen Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten mit dem Inhalt, dass die Arbeitsverhältnisse unbefristet ohne Unterbrechung zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt werden können,

49

bis zwischen den Beteiligten ein Interessenausgleich hinsichtlich der geplanten Betriebsänderung zustande gekommen ist oder die Verhandlungen über diesen Interessenausgleich beendet sind,

50

hilfsweise

51

bis zum Ablauf von vierzehn Tagen, nachdem die Arbeitgeberin Ergebnisoffenheit für Alternativvorschläge des Betriebsrats erklärte.

52

Die Arbeitgeberin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

54

Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderung vom 27.11.2017, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, als zutreffend.

55

Ergänzend wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

56

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betriebsrats ist nach §§ 89, 87 Abs. 2 ArbGG zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

57

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die erstinstanzlichen Anträge des Betriebsrats (Haupt- und Hilfsanträge) auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen, weil es bereits am notwendigen Verfügungsanspruch fehlt. Der zweitinstanzlich zusätzlich gestellte Antrag, der darauf gerichtet ist, der Arbeitgeberin aufzugeben, den inzwischen bereits gekündigten oder versetzten Arbeitnehmern (vorläufig) Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten, ist ebenfalls unbegründet.

58

1. Dem Betriebsrat fehlt sowohl für den Hauptantrag zu 1) als auch für den Hauptantrag zu 2) ein Verfügungsanspruch gem. §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 936, 940 ZPO iVm. §§ 916 ff., 920 ZPO. Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, es zu unterlassen, die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des D. Krankenhauses in N. zu schließen sowie betriebsbedingte Kündigungen zu erklären oder Versetzungen im Zusammenhang mit der geplanten Schließung durchzuführen, bis ein Interessenausgleich abgeschlossen ist oder durch Spruch der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs festgestellt wurde. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

59

a) Es kann dahinstehen, ob die geltend gemachten Hauptansprüche bereits an einem fehlenden Anspruch des Betriebsrats scheitern, Interessenausgleichsverhandlungen mit der Arbeitgeberin zu führen, weil es sich bei dem D. Krankenhaus in N. um einen Tendenzbetrieb iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG handelt, der karitativen Bestimmungen dient. § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG schränkt den Anwendungsbereich der §§ 111 bis 113 BetrVG bei Betriebsänderungen ein, so dass der Arbeitgeber nach herrschender Meinung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht versuchen muss (vgl. BAG 18.11.2003 - 1 AZR 637/02 - Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 18.08.2005 - 4 TaBV 33/05 - Rn. 20). Steht dem Betriebsrat im Tendenzbetrieb kein Verhandlungsanspruch in Bezug auf den Interessenausgleich zu, fehlt es an einem Unterlassungsanspruch, Betriebsänderungen ohne den Versuch eines Interessenausgleichs vorzunehmen. Der Arbeitgeberin könnte es allerdings verwehrt sein, sich auf einen möglichen Tendenzschutz zu berufen, weil sie sich hierzu in § 6 des Überleitungstarifvertrags vom 31.03.1994, der nicht gekündigt worden ist, verpflichtet hat. Gegen die Wirksamkeit derartiger Regelungen bestehen keine durchgreifenden Bedenken (vgl. BAG 05.10.2000 - 1 ABR 14/00 - Rn. 44 ff).

60

b) Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe sowie des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen oder der Durchführung von Versetzungen folgt auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht aus § 111 BetrVG. Dabei kann dahin stehen, ob die von der Arbeitgeberin geplante Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe rechtlich als Betriebsänderung zu qualifizieren ist, weil es sich bei der Abteilung um einen wesentlichen Betriebsteil des Krankenhauses iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG handeln und die Schließung wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft des Krankenhauses zur Folge haben könnte (vgl. BAG 09.11.2010 - 1 AZR 708/09 - Rn. 15 mwN).

61

Ob dem Betriebsrat ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch darauf zusteht, dass der Arbeitgeber die Durchführung der geplanten Betriebsänderung sowie personelle Maßnahmen wie Kündigungen oder Versetzungen bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich vorübergehend unterlässt, ist umstritten. Teilweise wird ein solcher Anspruch bejaht, teilweise verneint (vgl. die Nachweise in LAG Rheinland-Pfalz 13.10.2016 - 6 TaBVGa 2/16 - Rn. 30; ErfK/Kania 18. Aufl. BetrVG § 111 Rn. 27a; Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 111 Rn. 271 ff.; Fitting BetrVG 28. Aufl. § 111 Rn. 132 ff.).

62

Nach Auffassung der Beschwerdekammer besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, der im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 27.08.2014 - 4 TaBVGa 4/14; 24.11.2004 - 9 TaBV 29/04; offen gelassen LAG Rheinland-Pfalz 13.10.2016 - 6 TaBVGa 2/16, im Ansatz anders obiter dictum LAG Rheinland-Pfalz 02.10.2014 - 3 TaBVGa 5/14).

63

Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber mit dem Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG anders als bei der Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats vorgesehen hat. Daneben ist kein Raum für ein eigenständiges Recht des Betriebsrats zu einer präventiven Verhinderung eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen. Insofern überzeugt auch das vielfach bemühte Argument, dass § 113 BetrVG nur eine individualrechtliche Sanktion beinhalte, die daneben Raum für kollektivrechtliche Sanktionen lasse, nicht. Diese Trennung passt nicht in den Regelungskomplex der §§ 111, 113 BetrVG. Einerseits ist nämlich durchaus anerkannt, dass die "individualrechtliche" Sanktion des Nachteilsausgleichs auch den Arbeitgeber dazu anhalten soll, seinen betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des § 111 BetrVG zu genügen, so dass § 113 BetrVG auch eine "kollektivrechtliche" Wirkung zukommt. Andererseits würde die Anerkennung eines vermeintlich "kollektivrechtlichen" Unterlassungsanspruchs jedenfalls bei dem beabsichtigten Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen in erster Linie zu einer Verdoppelung der individualrechtlichen Sanktionen eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen führen. Dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Problematik § 113 BetrVG auch im Rahmen der Reform der Betriebsverfassung zum 28.07.2001 nicht geändert hat, stützt diese Auffassung. Auch die RL 2002/14/EG verlangt keine abweichende Beurteilung. Die von Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie geforderten "angemessenen Sanktionen" sind durch § 113 BetrVG und die Ahndung als Ordnungswidrigkeit gem. § 121 BetrVG gewährleistet (so ausdrücklich ErfK/Kania 18. Aufl. BetrVG § 111 BetrVG Rn. 27 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 27.08.2014 - 4 TaBVGa 4/14 - Rn. 41 mwN; 24.11.2004 - 9 TaBV 29/04 - Rn. 37 ff.).

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c) Ein Verfügungsanspruch des Betriebsrats auf einstweilige Unterlassung der Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe sowie des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen oder der Durchführung von Versetzungen folgt auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht aus § 92 BetrVG.

65

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Nichterfüllung dieser Pflichten hat weder Einfluss auf die Wirksamkeit der Personalplanung noch auf die Wirksamkeit personeller Einzelmaßnahmen im Vollzug der Personalplanung. Ein Unterlassungsanspruch aus § 92 BetrVG lässt sich nicht begründen. Der Betriebsrat kann deshalb nicht verlangen, dass der Arbeitgeber konkrete personelle Maßnahmen unterlässt bzw. - soweit diese bereits vollzogen wurden - wieder rückgängig macht (so ausdrücklich Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. BetrVG § 92 Rn. 45 mwN).

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2. Die erstinstanzlichen Hilfsanträge zu 1) und 2) sind gleichfalls unbegründet. Mit diesen Anträgen soll der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, bis zum Ablauf von vierzehn Tagen, nachdem sie "Ergebnisoffenheit" für "Alternativvorschläge" des Betriebsrats erklärt hat, die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des Krankenhauses zu schließen und betriebsbedingte Kündigungen zu erklären oder Versetzungen durchzuführen.

67

Für diese Unterlassungsanträge fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Entgegen seiner Ansicht kann der Betriebsrat sein Hilfsbegehren nicht auf Ziff. 1 des zwischen den Beteiligten am 27.04.2010 vor dem Arbeitsgericht Koblenz geschlossenen Vergleichs (5 BV 10/09) iVm. § 23 Abs. 3 BetrVG stützen. Die Beteiligten haben seinerzeit vereinbart, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat umfassend unterrichtet, bevor sie mit der Umsetzung einer Maßnahme beginnt, bei der es sich um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG handeln könnte. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich außerdem, dem Betriebsrat mindestens zwei Wochen Zeit einzuräumen, um die von ihr überlassenen Informationen "im Gremium zu beraten und ggf. Alternativvorschläge" zu unterbreiten. Der Betriebsrat kann auf Grundlage dieses Vergleichs nicht fordern, der Arbeitgeberin die Schließung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe sowie den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen oder Versetzungen im Zusammenhang mit der geplanten Schließung (einstweilen) zu untersagen. Hinzu kommt, dass der Betriebsrat, wenn nicht bereits seit der mündlichen Unterrichtung seines Vorsitzenden am 13.09.2017, jedenfalls seit Zugang des ausführlichen Informationsschreibens vom 15.09.2017 die Möglichkeit hatte, Alternativvorschläge zu unterbreiten und diese mit der Arbeitgeberin zu beraten. Eine Beratung ist ihm im Schlusssatz des Schreibens vom 15.09.2017 ausdrücklich angeboten worden.

68

3. Auch der zweitinstanzlich neue Hilfsantrag ist unbegründet. Der erstmals in der Beschwerdeinstanz im Wege der Antragserweiterung gestellte Antrag, der Arbeitgeberin im Falle bereits ausgesprochener Kündigungen/ Änderungskündigungen oder Versetzungen, aufzugeben, den betroffenen Arbeitnehmern Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten - mit dem Inhalt, dass die Arbeitsverhältnisse unbefristet ohne Unterbrechung zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt werden können, begegnet keinen prozessualen Bedenken.

69

Die Antragsänderung, der die Arbeitgeberin nicht widersprochen hat, ist sachdienlich. Es wird kein völlig neuer Streitstoff in das einstweilige Verfügungsverfahren eingeführt, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Verfahrensführung berücksichtigt werden kann (dazu BAG 15.03.2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 32).

70

Da der Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch hat, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hat er auch keinen flankierenden "Folgenbeseitigungsanspruch". Die Arbeitgeberin kann vom Betriebsrat nicht verpflichtet werden, den Arbeitnehmern, denen sie nach Verkündigung der erstinstanzlichen Entscheidung bereits gekündigt hat, (vorläufig) Arbeitsverträge anzubieten. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht einen derartigen kollektivrechtlichen Anspruch nicht vor. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats besteht auch kein unabweisbares Bedürfnis für eine richterliche Rechtsfortbildung zur Begründung des begehrten "Folgenbeseitigungsanspruchs".

71

4. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats bedarf es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zwecks Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Dem in Art. 8 Abs. 2 RL 2002/14/EG enthaltenden Gebot einer ausreichend abschreckenden Sanktion ist über den Nachteilsausgleich in § 113 BetrVG Rechnung getragen, weil bei dessen Bemessung insbesondere auch der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen ist (vgl. Oetker GK-BetrVG 10. Aufl. § 111 Rn. 280 mwN). Außerdem ist die Ahndung als Ordnungswidrigkeit gem. § 121 BetrVG vorgesehen. Es liegen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung der RL 2002/14/EG vor (ebenso LAG Baden-Württemberg 21.10.2009 - 20 TaBVGa 1/09 - Rn. 12 ff.).

III.

72

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

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