Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 500/17

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.10.2017, Az.: 11 Ca 1805/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Rechtmäßigkeit einer einseitigen Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Beklagte.

2

Die Beklagte betreibt mehrere Niederlassungen, die sie 2016 von der D. AG erworben hat. Bei der Beklagten wurde im Betrieb von K. ein Betriebsrat gebildet.

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Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt im Betrieb K.. Der Kläger ist Betriebsratsmitglied. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17.09.1986, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 21 ff. d. A. Bezug genommen wird, ist u. a. unter Ziffer 1, „Beginn und Art der Tätigkeit“ geregelt:

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„Herr A. wird als Verkäufer für PKW [...] weiter beschäftigt. Die Firma behält sich vor, Einzelheiten des Verkaufsgeschäftes zu regeln, insbesondere das Verkaufsgebiet, in dem der Mitarbeiter tätig ist, festzulegen oder zu ändern und nach eigenem Ermessen durch weitere oder andere Mitarbeiter bearbeiten zu lassen. Bei Gebietsänderungen werden berechtigte Interessen des Mitarbeiters berücksichtigt.

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Die Firma ist berechtigt, dem Mitarbeiter auch andere seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Aufgaben zu übertragen oder ihn an einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen.“

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Insgesamt hat der Kläger zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von ca. 6.800,00 Euro erzielt. Dieses setzt sich zusammen aus einer monatlichen Fixvergütung sowie hinzukommenden Provisionszahlungen. Nachdem der Kläger seit 1990 zunächst im sogenannten “29“ Gebiet als PKW -Verkäufer beschäftigt war, wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger ab September 2002 eine neue Tätigkeit als Verkäufer für Taxi- und Geländewagen zu. Gegen diese Versetzung wandte sich der Kläger mit Klage beim Arbeitsgericht Koblenz (Aktenzeichen 10 Ca 3160/02). Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2004 durch Vergleich beendet. Der zwischen den Parteien des damaligen Rechtsstreits abgeschlossene Vergleich hat folgenden Wortlaut:

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„1. Die Parteien sind sich einig darüber, dass die Versetzung des Klägers mit Schreiben der Beklagten vom 15.08.2002 in die Beschäftigung als PKW Verkäufer für Taxi-und Geländewagen zuzüglich Fahrschulen gebietsübergreifend wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates unwirksam blieb.

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2. die Parteien sind sich weiter einig darüber, dass der Kläger ab dem 01.09.2004 einverstanden ist mit seiner Beschäftigung als Ladenverkäufer PKW mit diesen Sonderaufgaben: Geländewagen, Taxi- und Mietwagen sowie Sonderkunden DS.

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3. Die Parteien sind sich einig darüber, dass dem Kläger ausdrücklich vorbehalten bleibt im Wege des geltend gemachten Schadensersatzanspruches den ihm entgangenen Verdienst wegen der Unwirksamkeit seiner Versetzung 01.09.2002 bis einschließlich einen 30. 8. 2004 gesondert geltend zu machen.

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4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

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5. Die Parteien erklären übereinstimmend zur Klarstellung:

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Die Beschäftigung des Klägers als Ladenverkäufer findet statt in den Niederlassungen der Beklagten in der X-straße in K. nach weiterer Maßgabe des fortgeltenden Arbeitsvertrages der Parteien vom 17.09.1986“

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Mit Schreiben vom 18.01.2017, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 52 d. A. Bezug genommen wird, teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

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"Sehr geehrter Herr A.,
aufgrund der Ihnen bereits persönlich und per Mail am 08.09.2016 und 13.09.2016 mitgeteilten Gründe, werden wir Ihre gebietsübergreifende Sonderbeauftragung für das Taxi- und Mietwagengeschäft zum 28.02.2017 aufheben.

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Ihre Eingruppierung als Ladenverkäufer bleibt unverändert.

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Die weiteren Bestimmungen Ihres Anstellungsvertrages bleiben weiterhin gültig."

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Die Beklagte hatte den Betriebsrat zuvor nicht angehört. Dieser wandte sich mit Schreiben vom 20.02.2017 an die Beklagte und teilte mit, er gehe davon aus, dass es sich bei dieser Maßnahme um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handele Die Beklagte solle daher davon absehen, diese Maßnahme umzusetzen, bevor die Zustimmung des Betriebsrats bzw. entsprechende diese ersetzende gerichtliche Entscheidung vorliege. Gleichwohl gab die Beklagte mit Wirkung zum 01.03.2017 das Taxi- und Mietwagengeschäft für alle Verkäufer frei.

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Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Beklagten vom 18.01.2017.

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Der Kläger hat vorgetragen,
bei der gegenständlichen Maßnahme handele es sich um eine Versetzung, die nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gedeckt sei. Durch den Vergleich vom 30.09.2004 sei eine rechtsverbindliche Festlegung seiner Tätigkeit voll inhaltlich erfolgt. Der Arbeitsvertrag sei insofern ergänzt worden. Ungeachtet dessen sei die Maßnahme auch unbillig.

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Des Weiterhin spreche gegen die Rechtmäßigkeit der Versetzung, dass der Betriebsrat entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 99 BetrVG nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen, wie sie vor dem 28.02.2017 bestanden haben, als Landverkäufer PKW mit der gebietsübergreifenden Sonderbeauftragung für die Produkte Geländewagen und Taxi-und Mietwagen zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen,
eine Konkretisierung des Arbeitsvertrages sei entgegen der Auffassung des Kläger mit dem Vergleich vom 30.09.2004 nicht erfolgt. Die Versetzung sei deshalb in Ausübung des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts möglich. Der Konkretisierung des Arbeitsvertrages durch den Vergleich vom 30.09.2004 stehe insbesondere entgegen, dass in Ziffer 5 des Vergleiches vereinbart worden sei, dass der Arbeitsvertrag in der Fassung vom 17.09.1986 fortgelte. Dementsprechend sei der Kläger - wie dort geregelt - als Ladenverkäufer beschäftigt; der Entzug der Sonderbeauftragung sei aufgrund des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts möglich.

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Der Betriebsrat sei folglich nicht zu beteiligen gewesen. Nichts anderes folge aus der wirtschaftlichen Bedeutung des Taxi-und Mietwagengeschäfts für den Kläger. Eine Gegenüberstellung der Vergütung des Klägers des letzten Halbjahres 2016 gegenüber der des ersten Halbjahres 2017 ergebe, dass der Kläger im zuletzt genannten Zeitraum 10.700,00 EUR brutto mehr verdient habe.

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Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte daraufhin durch Urteil vom 11.10.2017 - 11 Ca 1805/17 - verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Ladenverkäufer, PKW mit den Sonderbeauftragungen Geländewagen- Taxi- und Mietwagengeschäft zu beschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand- und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 238 - 245 d. A. Bezug genommen.

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Gegen das ihr am 10.11.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 04.12.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 07.02.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 18.12.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 09.02.2018 einschließlich verlängert worden war.

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Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, der Begriff der Sonderbeauftragung werde durch das erstinstanzliche Gericht unzutreffend verstanden; auch beinhalte der Wortlaut der auszulegenden Vergleichsregelung keine verbindliche Festlegung der Beklagten im Sinne einer "Versteinerung". Die Regelung, dass die Beschäftigung nach Maßgabe des fortgeltenden Arbeitsvertrages erfolge, sei vielmehr dahin zu verstehen, dass der Arbeitsvertrag nach wie vor das Direktionsrecht der Beklagten enthalte. Folglich sei die streitgegenständliche Maßnahme rechtmäßig. Zudem könne eine Sonderbeauftragung nach der Regelung der betrieblich geltenden Betriebsvereinbarung mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat aufgehoben werden. Auch sei keine erhebliche betriebliche Änderung selbst nach dem Vorbringen des Klägers eingetreten. Der Kläger habe 2017 sogar mehr Taxen verkauft als vor der Änderung. Auch habe er erheblich mehr verdient. Ausweislich des Vergleichs sei dem Kläger das Mietwagengeschäft lediglich als besondere Aufgabe zugewiesen worden, ihm sei jedoch gerade keine Exklusivität zuerkannt worden. Seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte habe es eine Spartenaufteilung systemseitig nicht mehr gegeben. Es liege also gar kein Entzug von Aufgaben vor. Der Kläger könne und solle weiter gemeinsam mit seinen Kollegen sowohl Taxen als auch Geländewagenmodelle verkaufen. Zudem treffe es auch nicht zu, dass der Kläger alleine das Geländewagen- sowie Taxi- und Mietwagengeschäft bearbeitet und diesem exklusiv zugestanden habe. Auch die MitarbeiterInnen Frau R., S., Herr K. hätten insoweit Geschäftsabschlüsse getätigt.

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Die Beklagte sei eine GmbH und keine Niederlassung der D. AG mehr. Dieser Verkauf von Niederlassungsstandorten der D. AG sei gerade vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Niederlassung nicht gewinnbringend gearbeitet habe. Allerdings habe der Kläger seit zahlreichen Jahren keine Fachschulungen mehr besucht. Hintergrund der Entscheidung der Beklagten, das Taxi- und Mietwagengeschäft neu zu organisieren, seien die Erkenntnisse und Ergebnisse von Kundengesprächen sowie die stark rückläufigen Auftragseingänge aus dieser Zielgruppe. In diesem Zusammenhang habe der Kläger hinsichtlich der im offiziellen Erfassungssystem der Beklagten hinterlegten Kunden nur wenige Kontakte gehabt. Diese vergleichsweise Erfolglosigkeit rechtfertige die streitgegenständliche Maßnahme. Auch habe der Kläger hinsichtlich seines Arbeitsverhältnisses mehrfach abgemahnt werden müssen. Auch habe es zahlreiche Beschwerden aus der Zielgruppe des Klägers gegeben.

31

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.022.2018 (Bl. 355 - 393 d. A.) nebst Anlagen(Bl. 394-432 d. A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des am 11.10.2017 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz mit dem Aktenzeichen 11 Ca 1805/17 die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

36

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, durch den hinsichtlich seiner Auslegung zwischen den Parteien streitigen Vergleichs sei entgegen der Auffassung der Beklagten eine Neuzuweisung von Tätigkeiten vereinbart worden. Der Kläger sei auf dieser Basis damit einverstanden gewesen, dass er nicht mehr Gebietsverkäufer, sondern Ladenverkäufer mit Sonderaufgaben sei. Die vergleichsweise Regelung sei abschließend und verbindlich erfolgt. Dem Kläger sei durch den Vergleich ca. 50 Prozent seines Provisionsvolumens in Folge einer Gebietsreform entzogen worden, so dass es naheliegend gewesen sei, wenn zur Kompensation dieses Umstandes eine entsprechende abschließende und verbindliche Regelung getroffen worden sei. Diese Kompensation habe insgesamt in der verbindlichen und abschließenden Fortgeltung der Zuweisung der Sonderaufgaben und der Zuweisungen der Tätigkeit als Ladenverkäufer im Ladengeschäft B. Straße, K. bestanden. Dass im Übrigen der bisherige Arbeitsvertrag Grundlage des Arbeitsverhältnisses habe bleiben sollen, sei naheliegend, ändere aber an diesem Verständnis der vergleichsweisen Regelung nichts. Streitgegenständlich sei vorliegend der Entzug der Sonderbeauftragung mit den entsprechenden Folgen und nicht der Entzug einer Aufgabe als solcher. Denn die Sonderbeauftragung wirke sich erheblich auf die Vergütungsansprüche bzw. die potenziellen Provisionsansprüche des Klägers aus.

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Es treffe nicht zu, das letzte Fachschulung des Klägers 13 - 14 Jahre zurückliege; die letzte Schulung des Klägers im Taxibereich sei beispielsweise am 23.06.2016 erfolgt. Davon habe die Beklagte auch Kenntnis. Im Zeitraum 01.01.2018 bis 15.03.2018 liege der Kläger betreffend eines Abgleichs mit den weiteren Verkäufern deutlich im oberen Drittel; Anhaltspunkte dafür, dass seine Leistungen schlecht seien, bestünden folglich nicht. Die dem Kläger erteilten Abmahnungen seien unwirksam. Allerdings werde er sie erst dann gerichtlich angreifen, wenn es auf ihre Rechtmäßigkeit ankommen sollte.

38

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.03.2018 (Bl. 471 - 494 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 495 - 508 d.A.) Bezug genommen.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

40

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 16.04.2018.

Entscheidungsgründe

I.

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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

42

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

43

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Maßnahme der Beklagten vom 18.01.2017 rechtsunwirksam ist und folglich der Kläger zu unveränderten Bedingungen als Ladenverkäufer PKW mit den Sonderbeauftragungen Geländewagen und Taxi- und Mietwagengeschäft von der Beklagten zu beschäftigen ist.

44

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Klage zulässig ist (§§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 259 ZPO); insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der streitgegenständlichen Entscheidung (S. 6 = Bl. 242 d. A.) die von beiden Parteien im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen werden, Bezug genommen.

45

Mit dem Arbeitsgericht ist auch davon auszugehen, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Beschäftigungsanspruch mit dem vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellten Inhalt zusteht.

46

Denn der Arbeitnehmer hat das Recht, aufgrund des Arbeitsvertrages, d. h. im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses und im Rahmen der versprochenen Dienste, nicht nur bezahlt, sondern auch tatsächlich beschäftigt zu werden (BAG - Großer Senat - 27.02.1985 EzA $ 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 3 Rdnr. 2180 ff.). Der Anspruch folgt aus §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Die Generalklausel aus § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Art. 1 u. 2 GG. Der Inhalt des Beschäftigungsanspruchs bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag.

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Der Anspruch wäre mit dem zuvor festgestellten Inhalt nach Maßgabe der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien nur dann entfallen, wenn die Beklagte, wie von ihr behauptet, rechtswirksam den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses verändert hätte. Davon kann mit dem Arbeitsgericht aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr war die Beklagte nicht befugt, dem Kläger die gebietsübergreifende Sonderbeauftragung für Geländewagen, das Taxi- und Mietwagengeschäft zu entziehen. In Ermangelung seiner rechtlichen Grundlage erweist sich die entsprechende Maßnahme als unwirksam.

48

Das Arbeitsgericht hat insoweit zur Begründung seiner Auffassung ausgeführt:

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"1. Für einen einseitigen Entzug der Sonderbeauftragung auf Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts (§ 106 GewO) verblieb infolge der verbindlichen Festlegung der Tätigkeit mit Vergleich vom 30.09.2004 kein Raum.

50

a. Gemäß diesem zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Kläger geschlossenen Vergleich bestand – zusammengefasst - Einigkeit, dass die Versetzung des Klägers „in die Beschäftigung als PKW-Verkäufer für Taxi- und Geländewagen zuzüglich Fahrschulen gebietsübergreifend“ unwirksam blieb (Ziffer 1), der Kläger aber mit einer entsprechenden Beschäftigung ab dem 01.09.2004 einverstanden war (Ziffer 2.).

51

b. Schon der Wortlaut der Ziffer 2 des Vergleichs für sich genommen lässt keinen Zweifel daran, dass die Parteien des Vergleichs hier (zusätzliche) Sonderaufgaben verbindlich festlegen wollten. Anders als der Arbeitsvertrag vom 17.09.1986 wird die Tätigkeit des Klägers nicht nur mit „Verkäufer für PKW“ beschrieben, vielmehr wurden „Sonderaufgaben“ aufgenommen, die dem Kläger zusätzlich übertragen wurden.

52

c. Für dieses Verständnis spricht auch der Regelungszusammenhang. Die Parteien haben sich darauf geeinigt haben, dass die Aufgabenzuteilung erst ab dem 01.09.2004 wirksam sein sollte, zuvor aber unwirksam war. Durch diese Differenzierung kommt zum Ausdruck, dass das (gemeinsame) Parteiinteresse darauf gerichtet war, die Frage der Zuweisung der auch hier streitgegenständlichen Sonderaufgaben verbindlich zu klären. Auch der Regelungszusammenhang spricht damit dafür, dass die Parteien die geschuldete Tätigkeit ergänzend zum Arbeitsvertrag mit dem Vergleich festlegen wollten.

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d. Nichts anderes folgt aus Ziffer 5. des Vergleichs, die ausdrücklich der „Klarstellung“ dient und regelt, dass der Arbeitsvertrag im Übrigen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bleiben soll. Dies ergibt bereits der Wortlaut („nach weiterer Maßgabe“).

54

e. Sprechen bereits Wortlaut und Regelungszusammenhang für eine verbindliche Vereinbarung der Tätigkeit des Klägers, ergibt sich ein entsprechendes Parteiinteresse auch aus den Begleitumständen des Vergleichsschlusses. In dem Rechtsstreit 10 Ca 3160/02 hat sich der Kläger gegen die Aufteilung des vormaligen Gebiets „29“ gewandt, die für ihn mit der Zuweisung der Zuständigkeit als PKW-Verkäufer mit den auch hier gegenständlichen Sonderbeauftragungen einherging. Vor diesem Hintergrund diente der Vergleich vom 30.09.2004 dazu, die streitige Frage der Art und Weise der Beschäftigung des Klägers durch entsprechende Festlegung verbindlich zu klären.

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(1) Soweit sich die Beklagte insofern mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) erklärt, ist dies unbeachtlich. Der entsprechende Sachvortrag des Klägers galt damit als zugestanden, § 138 Abs. 2 ZPO. Zwar hat nicht die Beklagte selbst, sondern ihr Rechtsvorgänger den Vergleich im Verfahren 10 Ca 3160/02 abgeschlossen. Sowohl hinsichtlich dessen Inhalt, als auch hinsichtlich der Begleitumstände trifft die Beklagte indes eine die Erklärung mit Nichtwissen ausschließende Informationspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 256/14 –, juris). Es war der Beklagten infolge des Betriebsübergangs ohne weiteres möglich, den Hintergrund des Rechtsstreits 10 Ca 3160/02 nachzuvollziehen; dies schon durch Einsichtnahme der auch im hiesigen Verfahren durch den Kläger vorgelegten Entscheidungsgründe des Verfahrens 8 Ca 3629/05 (Blatt 195 ff. der Akten). Gegenstand dieses Verfahrens war ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen aufgrund der erfolgten Versetzung entgangener Provisionen für den Zeitraum 01.09.2002 bis 31.08.2004. Dieser tatsächliche Hintergrund der Versetzung und Zuweisung der auch vorliegend streitgegenständlichen Sonderbeauftragung – die Gebietsreform des sogenannten „Gebiets 29“ – sind Gegenstand des Tatbestands des Urteils 8 Ca 3629/05.

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(2) Der im Verfahren 10 Ca 3160/02 geschlossene Vergleich diente damit der Regelung einer streitigen Neuzuweisung von Aufgaben. Wenn sich die Parteien dieses Rechtsstreits über die künftige Beschäftigung des Klägers vergleichsweise einigen, ist damit aus Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) davon auszugehen, dass die maßgeblichen Rahmenbedingungen auch für beide Seiten verbindlich festgelegt werden soll. Hätten die Parteien entgegen dieser erkennbaren Interessenlage eine nur „deklaratorische“ Erläuterung der im Übrigen unverändert bleibenden Tätigkeit vornehmen wollen, hätte dies ausdrücklich Niederschlag im Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs finden müssen. Dies ist indes - wie dargelegt - gerade nicht der Fall."

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Diesen zutreffenden Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit ausdrücklich gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

58

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlungen im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Das Arbeitsgericht hat insoweit insbesondere zutreffend angenommen, dass der Vergleich vom 30.09.2014 eine auch zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits verbindliche Regelung hinsichtlich des Inhalts der Arbeitstätigkeit des Klägers beinhaltet, ausschließt, die somit einer einseitigen Abänderung durch die Beklagte und sei es auch nach Maßgabe billigen Ermessens, wie von der Beklagten behauptet, entzogen ist. Wenn die Beklagte insoweit also Änderungen beabsichtigt, ist dies allenfalls im Wege einer Änderungskündigung (§ 2 KSchG) möglich.

59

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung ausführlich Ausführungen zum Begriff der Sonderbeauftragung vorbringt, erschließt sich für die Kammer bereits nicht, welche Entscheidungsrelevanz dies haben könnte. Entscheidend ist vielmehr, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, dass die seinerzeitigen Vertragsparteien das Direktionsrechts des Arbeitgebers, das auch vorliegend grundsätzlich nach Maßgabe des Arbeitsvertrages besteht, hinsichtlich des sachlichen Inhalts der vergleichsweisen Regelung ausgeschlossen haben. Wenn die Beklagte diesen Umstand als "Versteinerung" des Inhalts der Arbeitstätigkeit versteht, erscheint dies zwar nachvollziehbar, aber in der Sache unbehelflich. Denn, wenn sie der Auffassung ist, dass die Fortgeltung dieser Regelung ihr, aus welchen Gründen auch immer, nicht zuzumuten ist, kann sie zu dem dafür gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsinstrument der ordentlichen Änderungskündigung (§ 2 KSchG) greifen. Ob eine derartige Änderungskündigung freilich nach Maßgabe des Sachvortrags der Parteien in beiden Rechtszügen sozial gerechtfertigt wäre, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Die ausführlichen Ausführungen der Beklagten zur Rechtsgeschichte hinsichtlich des Zustandekommens des gerichtlichen Vergleichs ändern an dessen zutreffender Auslegung durch das Arbeitsgericht nichts. Es erscheint lebensfremd, davon auszugehen, dass der Kläger sich auf eine derartige Regelung, die keineswegs nur vorteilhaft für ihn war, jemals eingelassen hätte, wenn das Direktionsrecht des Arbeitgebers betreffend den vorliegend streitgegenständlichen Bereich genauso weiter bestanden hätte mit der Befugnis zu jederzeitigen Änderung wie vor Abschluss des Vergleichs. Soweit die Beklagte des Weiteren behauptet, es liege gar kein Entzug von Aufgaben vor, stellt sich für die Kammer die Frage, welchen Sinn die streitgegenständliche Maßnahme dann überhaupt hat. Noch weniger nachvollziehbar ist der Vergleich der Vergütung des Klägers im letzten Halbjahr 2016 mit der Vergütung im ersten Halbjahr 2017. Denn ein Zusammenhang zum hier streitgegenständlichen Tätigkeitsfeld lässt sich den von der Beklagten vorgetragenen Zahlen auch im Ansatz nicht entnehmen. Mit diesen Zahlen ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Kläger ohne inhaltliche Veränderung seines Arbeitsvertrages gegen seinen Willen ein noch höheres Arbeitsentgelt erzielt hätte. Wenn des Weiteren vorgetragen wird, es liege überhaupt keine wesentliche Änderung vor, dann steht dies bereits im Widerspruch zu der zuvor aufgestellten Behauptung, es liege gar keine Änderung vor. Wenn die Änderung aber nicht wesentlich ist, dann ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum die Maßnahme sodann im weiteren Fortgang der Berufungsbegründung als für den geschäftlichen Erfolg der Beklagten wesentlich dargestellt wird. Insofern erscheint das Vorbringen der Beklagten in besonderem Maße widersprüchlich. Insgesamt ist ohnehin unbeschadet dessen davon auszugehen, dass die vergleichsweise Regelung aus dem Jahre 2004 ohne Weiteres der beabsichtigten Änderung durch die Beklagte entgegensteht.

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Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus Ziffer III 1. 2 S. 1 der Betriebsvereinbarung Provision. Die Beklagte hat insoweit geltend gemacht, dass soweit sich der Kläger eines Exklusivrechtes berühme, so könne ein solches wie die Sonderbeauftragung nach der Regelung der Betriebsvereinbarung mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat aufgehoben werden. Diese Betriebsvereinbarung wirke unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis des Klägers und sehe eine entsprechende Abänderungsmöglichkeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat vor.

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Dies trifft nach Auffassung der Kammer nicht zu.

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Die Betriebsvereinbarung zur Vergütung der Verkäufer für den Verkauf von PKW Neu- und Gebrauchtwagen, derzeit auf dem Stand vom 27.07.2016, die zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat abgeschlossen wurde, enthält u. a. folgende Regelung:

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"1.2. Verkäuferzuständigkeit

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Die Zuständigkeit des jeweiligen Verkäufers ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag und insbesondere aus dem gemäß des Anstellungsvertrages ergangenen Anweisungen sowie des Direktionsrechtes. Der Verkäufer erhält mithin keine Provision der Abwesenheit nach II. 2. In diesem Fall erfolgt lediglich eine Ausgleichszahlung entsprechend II. 2.

65

Die Gewerkschaft kann jederzeit festlegen, welche Kunden ganz (totale Vorbehaltskunden) oder teilweise (partielle Vorbehaltskunden) von der Bearbeitung ausgeschlossen sind. Dies ist dem Verkäufer unter Berücksichtigung einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich mitzuteilen.

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Für einzelne Baureihen kann die Gesellschaft eine spartenübergreifende Bearbeitung festlegen.

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Totale Vorbehaltskunden für Verkaufsgeschäfte sind XY-Vertragspartner und XY-Vertragswerkstätten bzw. autorisierte Servicepartner zentrale Big X-Geschäfte. Aufbauhersteller (Handelsware) und Leasingunternehmen - sofern der Verkäufer für den Endabnehmer nicht bearbeitungszuständig ist -, Bundesbehörden und deren Nachfolgeunternehmen sowie Personen, die in einem Anstellungsverhältnis zur L. und G. GmbH stehen. Die Abwicklung incl. der Abschluss der Verkäufe an Betriebsangehörige erfolgt über den Innendienst ohne Beteiligung der Verkäufer. Das gleiche gilt für Kunden, die einem Verkäufer exklusiv zugeordnet sind. Bei diesen Kunden können grundsätzlich keine Provisionsansprüche erworben werden.

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Partielle Vorbehaltskunden für Verkaufsgeschäfte sind - auch wenn sie nicht schriftlich als solche festgelegt sind - Interessenten, welche die Gesellschaft über eine zentrale Einkaufsstelle beliefert, soweit nach den von der Firma getroffenen Regelungen Aufträge dieser Interessenten nicht durch den Verkäufer abschlussreif vorgelegt werden dürfen. In diesen Fällen kann von anderen Verkäufern grundsätzlich kein Provisionsanspruch erworben werden."

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Diese Regelung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dahin verstanden werden, dass vorliegend eine Sonderbeauftragung mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat - mit anderen Worten ohne Vorliegen irgendwelcher Gründe - aufgehoben werden kann. Zwar wirken Betriebsvereinbarungen gem. § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ein, denn sie sind wie Tarifverträge Normenverträge, weil mit ihnen objektives Recht gesetzt wird. Allerdings sind Betriebsvereinbarungen wegen des Normcharakters wie Gesetze auszulegen (BAG 30.03.2008 EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 91; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 1 Rdnr. 390 ff.). Auszugehen ist also vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn (BAG 13.12.2005 EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 16). Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung hat sich im Übrigen daran zu orientieren, ob ihr Ergebnis in sich verständlich und umsetzbar ist. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. Für die Auslegung kann auch von Bedeutung sein, wie sie im Betrieb über längere Zeit hin tatsächlich gehandhabt worden ist (BAG 22.05.2001 EzA § 1 BetrVG Betriebsvereinbarung Nr. 3).

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Eine Befugnis des Inhalts, wie von der Beklagten für sich in Anspruch genommen, lässt sich dem fraglichen Normtext aber bereits in Anwendung dieser Grundsätze nicht entnehmen. Nach Satz 1 der Ziffer 1.2 ergibt sich die Zuständigkeit des jeweiligen Verkäufers aus dem Anstellungsvertrag und insbesondere aus den gem. des Anstellungsvertrages ergangenen Anweisungen sowie des Direktionsrechts. Damit wird keine normative Regelung geschaffen, sondern der vorgefundene arbeitsvertragliche Zustand beschrieben. Das gilt auch für Satz 2, wonach der Verkäufer keine Provision bei Abwesenheit nach II. 2. erhält. Nichts anderes gilt für Satz 3, wonach in diesem Fall lediglich eine Ausgleichszahlung erfolgt. Nach Satz 1 des 2. Absatzes kann die Gesellschaft jederzeit festlegen, welche Kunden ganz (totale Vorbehaltskunden) oder teilweise (partielle Vorbehaltskunden) von der Bearbeitung ausgeschlossen sind. Dies ist dem Verkäufer unter Berücksichtigung einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich mitzuteilen. Anhaltspunkte dafür, dass mit dieser Regelung beliebige, d. h. an keinerlei inhaltliche Kriterien geknüpfte Eingriffe der Beklagten in das arbeitsrechtliche Vertragsgefüge mit ihren Mitarbeitern ohne hinzutreten irgendwelcher rechtlicher Legitimationsvoraussetzungen verstanden werden können soll, lässt sich bereits nach dem Wortsinn erst Recht nicht feststellen. Nach Absatz 1 der Regelung wird ausdrücklich auf die Maßgeblichkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung Bezug genommen. Das nunmehr nach Absatz 2 ein Eingriff in vorherige Zuweisungen bzw. des Ausschlusses bestimmter Kunden von der Bearbeitung eines bestimmten Arbeitnehmers möglich sein soll mit der Einhaltung einer bloßen Ankündigungsfrist, ohne eine inhaltliche Überprüfung auf billiges Ermessen bzw. ohne das Erfordernis einer Änderungskündigung im Falle einer anderweitigen vertraglichen Vereinbarung mit einem konkreten Arbeitnehmer - wie vorliegend, erscheint ausgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass der Sinn der Regelung darin bestehen soll, betroffene Arbeitnehmer letztlich rechtschutzlos zu stellen, lassen sich dem Wortlaut der Regelung und insbesondere auch aus dem systematischen Zusammenhang mit Absatz 1 nicht entnehmen. Im Verhältnis zum Einzelarbeitsvertrag gilt zudem trotz fehlender ausdrücklicher Regelung das Günstigkeitsprinzip (BAG - Großer Senat - 16.09.1986 EzA § 77 BetrVG Nr. 17; 07.11.1989 EzA § 77 BetrVG Nr. 34). Selbst wenn man also der Auffassung der Beklagten entgegen der hier vertretenen Auffassung folgen würde, wäre die vergleichsweise Regelung für den Kläger jedenfalls günstiger in diesem Sinne. Dem steht auch nicht entgegen, dass das BAG (05.03.2013 EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 35) angenommen hat, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten können, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in AGB enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 1 Rdnr. 651 ff.). Denn unabhängig davon, ob dieser Auffassung in dieser Allgemeinheit überhaupt zu folgen ist (vgl. Preis/Ulber NZA 2014, 6 ff., Hromadka NZA 2013, 1061 ff.; Meinel/Kiehn NZA 2014, 509 ff.; Waltermann RdA 2016, 296 ff.) handelt es sich vorliegend gerade nicht um eine streitige Regelung, die als Vertragsgegenstand in AGB enthalten ist; auch fehlt beim hier streitgegenständlichen konkreten Inhalt der kollektive Bezug, denn es geht allein um den Inhalt der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Vorliegend haben die Parteien des damaligen Arbeitsverhältnisses und Rechtsstreits durch den Vergleich 2004 eine inhaltlich konkrete und individuell zugeschnittene Regelung vereinbart, die eine konkludente Abänderung durch betriebliche Normen jedenfalls durch die hier in Frage stehende Betriebsvereinbarung ausschließt.

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Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Kammer davon ausgeht, dass erhebliche Bedenken dagegen bestehen, dass die Ausübung des Direktionsrechts in Form der streitgegenständlichen Maßnahme der Beklagten billigem Ermessen genügt; billiges Ermessen wäre zu dem auch erforderlich, wenn die BV Provisionsbestimmungen anders, als von der Kammer angenommen, auszulegen wäre. Denn eine Leistungsbestimmung entspricht (nur) dann billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG 17.01.2006 NZA 2006, 1064; 17.08.2011 EzA § 106 GebO Nr. 8; 10.07.2013 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 38); Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 1 Rdnr. 579 ff.). Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit (BAG 13.06.2012 EzA § 106 GewO Nr. 11; 10.07.2013 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 38). In die Abwägung sind also alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen; dazu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat.

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Vorliegend ist für die Kammer nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen bereits nicht nachvollziehbar, welche Veränderungen inhaltlich im Einzelnen vorgenommen werden sollen, und zum anderen, was die Beweggründe insoweit betreffend die inhaltliche Tätigkeit des Klägers sind und schließlich lässt sich auch im Ansatz nicht verlässlich beurteilen, welche finanziellen Auswirkungen die von der Beklagten beabsichtigte Änderung des Arbeitsvertrages nach sich zieht. Die Beklagte hat insoweit behauptet, gar keine Änderung vorgenommen zu haben, weiterhin hat sie behauptet, dass es sich nur um geringfügige Änderungen handele, bezogen auf das Arbeitsentgelt hat sie ausführlich dargelegt, dass der Kläger nach Durchführung der Änderung ein höheres Einkommen erzielt als zuvor, was wohl nahelegen soll, dass die wirtschaftliche Bedeutung bezüglich eines zu erwartenden Mindereinkommens im Nullbereich gelegen ist. Andererseits hat sie als Beweggrund das dringende Bedürfnis nach besseren Verkaufszahlen benannt und inhaltlich sehr unterschiedliche Einzelumstände benannt, die deutlich machen, dass sie weder mit der Arbeitsleistung, noch mit dem Verhalten des Klägers einverstanden und zufrieden ist. Dabei erscheint insgesamt bemerkenswert, dass die Beklagte den Umstand, dass der Kläger nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied ist, keinerlei Bedeutung beigemessen hat, obwohl die Notwendigkeit, immer wieder bei entsprechendem Bedarf die vertraglich geschuldete Arbeitstätigkeit zu Zwecken der Betriebsratstätigkeit unterbrechen zu müssen, zu Beeinträchtigungen der Arbeitstätigkeit des Klägers führen kann. Auch ist insoweit der gesetzliche Amtsschutz zu berücksichtigen (§ 78 S. 1, 2 BetrVG).

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Vor diesem Hintergrund war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

75

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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