Endurteil vom Landgericht Ansbach - 3 O 16/21

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss.

Der Streitwert wird auf 11.822,72 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeuges.

Der Kläger macht Ansprüche geltend im Hinblick auf ein durch ihn am 16.01.2012 bei der Fa. zum Preis von 22.620,00 Euro erworbenes EU-Neufahrzeug Seat Altea 2.0l TDI, FIN: . Die Beklagte ist nicht Herstellerin des Fahrzeugs. Der in dem Fahrzeug verbaute Dieselmotor vom Typ EA189, welcher von der Beklagten entwickelt und hergestellt wurde, ist von einer Software betroffen, die Stickoxid-Werte (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert.

Das von der Beklagten entwickelte Softwareupdate zur Entfernung der Umschaltlogik wurde am 19.09.2016 auf das Fahrzeug aufgespielt. Der Kläger wurde zuvor mittels Schreiben über die Erforderlichkeit eines Updates informiert. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 05.03.2021 wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 149.131 km auf.

Der Kläger unterschrieb am 16.01.2017 eine Abtretungserklärung, in welcher er seine Ansprüche in Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Zwecke des Forderungseinzugs an die Inkassodienstleisterin financialright GmbH abtrat, welche den betreffenden Anspruch des Klägers am 06.11.2017 im Wege einer Sammelklage vor dem Landgericht Braunschweig, Az. 3 O 2423/17, geltend machte und den Kläger dabei als Zedenten (184) aufführte. Die Sammelklage wurde inzwischen zurückgenommen. Mit Schreiben vom 23.10.2020 erklärte die financialright GmbH die Rückabtretung sämtlicher ihr abgetretener Ansprüche des Klägers zurück an diesen.

Die financialright GmbH ist eine für den außergerichtlichen Forderungseinzug im Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG). Sie ließ sich von vermeintlichen Anspruchsinhabern, insbesondere Eigentümern von Fahrzeugen mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 („Auftraggeber“), rund 45.000 angebliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte treuhänderisch abtreten.

Die financialright GmbH organisiert ihr Geschäftsmodell unter der Marke „myRight“. Sie verspricht primär die gerichtliche Durchsetzung der angeblichen Ansprüche gegen die Zahlung einer Erfolgsprovision von 35% (inklusive Umsatzsteuer) des jeweils durchgesetzten Zahlungsbetrages. Als Dienstleistung stellt sie eine von ihr angebotene „Vertretung vor Gericht“ in einer „Sammelklage“ in den Vordergrund und bewirbt ihre Dienstleistungen in ihrer Internetanzeige entsprechend als „Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht, Entschädigung verhandeln“ (B2).

Die gerichtliche Tätigkeit der financialright GmbH ist als Massengeschäft angelegt. Hierzu bündelt sie in mehreren „Sammelklagen“ (mit einem Gesamtstreitwert von ca. EUR 900 Mio.) bis zu knapp 19.000 Ansprüche in einem einzigen Verfahren. Die dabei geltend gemachten Ansprüche sind unterschiedlich gelagert und umfassen beispielsweise Sachverhalte, die Neu- und Gebrauchtwagenkäufe umfassen, Leasing- und Finanzierungskonstellationen, weiterveräußerte und unfallgeschädigte Fahrzeuge.

Die financialright GmbH wirbt außerdem damit, dass den Auftraggebern außer der Erfolgsprovision keine Kosten entstehen. Das soll insbesondere im Unterliegensfall für Gerichts- und Rechtsanwaltskosten gelten. Die financialright GmbH übernimmt somit die Prozessfinanzierung für ihre Auftraggeber. Aus eigenen Mitteln kann sie diese Verpflichtung nicht erfüllen, weshalb sie mit dem gewerblichen Prozessfinanzierer Burford Capital zusammen arbeitet. Dieser hat ihr EUR 30 Mio. zur Verfügung gestellt und soll im Gegenzug über ein Erfolgshonorar am etwaigen Klageerfolg partizipieren. Der von der financialright GmbH eingebundene Prozessfinanzierer ist somit einem Totalverlustrisiko ausgesetzt, zum Ausgleich dessen die financialright GmbH ihm erheblichen Einfluss auf den Prozess gewähren muss. Sie ist insbesondere vertraglich verpflichtet, sich vor etwaigen Vergleichsschlüssen mit Burford Capital zu beraten. Darüber hinaus ist die Finanzierung der financialright GmbH nur für die erste Instanz gesichert. Für die weiteren Instanzen muss sie mit Burford Capital ein neues Budget verhandeln. Sollte sie die erste Instanz verlieren, hängt ihre weitere Finanzierung von einer Prüfung der Erfolgsaussichten durch den Prozessfinanzierer ab.

Das Geschäftsmodell der financialright GmbH, also ihr Vertragsverhältnis mit den Auftraggebern - darunter die Klagepartei -, wird durch Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) geregelt (Anlage B4). Die Verpflichtung zur gerichtlichen Tätigkeit folgt aus Ziff. 1.3 AGB, in der die financialright GmbH verspricht zu versuchen, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die gerichtliche Durchsetzung erfolgt dabei im Wege der Klagehäufung, bei der gleichartige Ansprüche verschiedener Geschädigter in einem Verfahren zusammengefasst werden.“

Die financialright GmbH ist zum Abschluss eines widerrufbaren Vergleichs in Bezug auf die von ihr geltend gemachten Ansprüche berechtigt, „wenn die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint“ (Ziff. 6.1 AGB). Auf diese Beurteilung haben die Auftraggeber der financialright GmbH keinen Einfluss. Sie können den Vergleich zwar widerrufen, wenn sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Trotz Widerruf schuldet der einzelne Auftraggeber der financialright GmbH allerdings die volle Vergütung, die bei Bestand des Vergleichs angefallen wäre. Im Einzelnen regelt das Ziff. 6.1 AGB:

„ Wir sind zum Abschluss eines widerrufbaren Vergleichs mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen in Bezug auf die Entschädigungsansprüche berechtigt, wenn die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint. Wir werden Sie unverzüglich über den Abschluss eines Vergleichs benachrichtigen.

Sie können dann den Vergleichsabschluss frei widerrufen; in dem Fall sind wir zur Kündigung dieses Vertrags berechtigt. Soweit Sie den Vergleich widerrufen, schulden Sie uns die Vergütung, die bei Bestand des Vergleichs angefallen wäre.“

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe das Fahrzeug mit einem Motor in den Verkehr gebracht, welcher mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen wäre. Durch das Aufspielen des Updates sei wiederum eine neue unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters installiert worden.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass sie gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Abzug einer Nutzungsentschädigung habe. Die Beklagte habe getäuscht und die Klagepartei geschädigt. Die Klagepartei ist der Ansicht, ihr stünden in der Hauptsache Ansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 6, 27 EGFGV und § 311 II Nr. 3, III BGB zu. Diese seien auch nicht verjährt, da mangels obergerichtlicher Rechtsprechung bis zum Jahr 2020 eine unklare Rechtslage vorgelegen habe und es dem Kläger an der Kenntnis der den Sachmangel begründenden Umstände gefehlt habe. Ferner seien die Ansprüche des Klägers nach Abtretung an die finacialright GmbH gerichtlich im Wege einer Sammelklage geltend gemacht worden, wodurch eine Hemmungswirkung eingetreten sei. Selbst wenn das Gericht jedoch von Verjährung ausgehen sollte, stünden der Klagepartei noch Ansprüche aus § 852 BGB auf Ersatz des von der Beklagten durch den Verkauf des Fahrzeugs an den Kläger Erlangten zu. Auch sofern sich die Beklagte auf Entreicherung berufen könnte, stünden der Klagepartei jedenfalls die bei der Beklagten verbliebenen Vermögensvorteile zu.

Der Kläger beantragte zunächst unter

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 22.620,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 10.797,28 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Seat Altea 2.0 l mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung hat er insoweit die Höhe der abzuziehenden Nutzungsentschädigung erhöht auf 11.244,47 € und den zum ursprünglichen Klageantrag zu 1. geltend gemachten Differenzbetrag für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der teilweisen Erledigungserklärung nicht zugestimmt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 22.620,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 11.244,47 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Seat Altea 2.0 l mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

1a. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 5.655,00 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 16.12.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.154,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Kostenpflichtige Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten scheitere daran, dass kein Schaden vorliege. Deliktische Ansprüche gegen die Beklagte kämen nicht in Betracht, weil schon die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen eines Betruges nicht vorlägen und auch der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB nicht erfüllt sei. Auch habe die Klagepartei keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, weil keine sittenwidrige Handlung der Beklagten erkennbar sei und auch die subjektiven Anspruchsvoraussetzungen nicht dargelegt würden. Zudem wird die Einrede der Verjährung erhoben. Die Abtretung der Ansprüche des Klägers an die financialright GmbH sei nicht wirksam erfolgt, vielmehr sei diese gem. § 134 BGB nichtig, weil das Geschäftsmodell der financialright GmbH unter einer Vielzahl von Aspekten gegen §§ 3, 4 RDG verstoße. So sei die financialright GmbH als Inkassodienstleisterin im Sinne des RDG ausschließlich zum außergerichtlichen Forderungseinzug befugt. Ihr Geschäftsmodell sei aber von vornherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der behaupteten Ansprüche in Form eines kommerziellen gerichtlichen Masseninkassos ausgelegt, weshalb ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliege. Außerdem unterliege die financialright GmbH Interessenkollisionen, die ihre Rechtsdienstleistung gefährden. Denn sie sei nicht nur zigtausenden Auftraggebern mit unterschiedlich gelagerten Ansprüchen und Interessen verpflichtet, sondern zugleich einem externen gewerblichen Prozessfinanzierer, von dem sie finanziell abhängig sei. Sie sei deshalb nicht mehr in der Lage, die Interessen ihrer individuellen Auftraggeber dergestalt bestmöglich wahrzunehmen, wie es das RDG erfordere. Zugleich habe sie ihre AGB so ausgestaltet, dass sie am Ende letztlich immer ihre volle Provision erhalte, selbst wenn ein Auftraggeber etwa nicht mit einem von ihr ausgehandelten Vergleich zufrieden sein sollte. Somit verstoße die financialright GmbH gegen § 4 RDG. Die financialright GmbH sei somit materiell nicht zur klageweisen Geltendmachung der klägerischen Ansprüche im Wege des Sammelverfahrens vor dem Landgericht Braunschweig berechtigt gewesen. Die Klage eines materiell nicht Berechtigten könne jedoch nicht zu einer Hemmung der Verjährung führen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze inklusive Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2021. Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A.

Soweit die Klagepartei geltend macht, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war, kann offen bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche der Klagepartei bestehen. Jedenfalls sind diese nicht mehr durchsetzbar. Die klägerischen Ansprüche sind verjährt.

Die Verjährung begann gem. §§ 199 Abs. 1 BGB zum Schluss des Jahres 2016 zu laufen und endete (§ 195 BGB) zum 31.12.2019, 24:00 Uhr.

I.

Bei Unterstellung des klägerischen Vortrages als zutreffend, wäre der klägerische Anspruch nach § 826 BGB im Jahr 2012 entstanden, da die Klagepartei zum 16.01.2012 das streitgegenständliche Fahrzeug erworben hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

II.

Die Verjährung begann nicht bereits mit Schluss des Jahres 2015 zu laufen. Im Jahr 2016 hatte die Klagepartei jedoch von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Die Beklagte hat am 22.09.2015 eine an den Kapitalmarkt gerichtete Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben, in der sie über die Dieselproblematik informierte und mitteilte, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden sei. Im Oktober 2015 wurde durch die Beklagte eine in zahlreichen Medien erwähnte Internetseite geschalten, über die sich die Fahrzeughalter informieren konnten, ob ihr konkretes Fahrzeug mit der fraglichen Software-Konfiguration ausgestattet sei. Auch die Händler und Vertriebspartner wurden von der Beklagten informiert. Ab Beginn des Jahres 2016 wurden durch die Hersteller Rückrufschreiben an die betroffenen Fahrzeughalter versandt, so auch an die Klagepartei.

Es ist nicht davon auszugehen, dass der Lauf der Verjährungsfrist bereits mit dem Ende des Jahres 2015 begann. Zu diesem Zeitpunkt war der Sachverhalt noch nicht hinreichend geklärt. Bei einem weitgehend ungeklärten Sachverhalt ist eine Klageerhebung jedoch nicht zumutbar. Die Beklagte hatte mit der im September 2015 veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung eingeräumt, dass eine „auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt“ worden sei. Damit hat die Beklagte die Mangelhaftigkeit der betroffenen Fahrzeuge allenfalls vage und verklausuliert eingeräumt, jedoch nicht uneingeschränkt die Verantwortung für die vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung übernommen. Noch in diesem Prozess hat sie bestritten, dass ihr Vorstand bzw. der für eine Haftung gemäß § 826 BGB in Betracht kommende Personenkreis davon gewusst habe. Erst im Jahre 2016 sind durch Nachforschungen und Ermittlungen der Medien und Strafverfolgungsbehörden weitere Informationen zu den beteiligten Personen bekannt geworden. Belastbare Hinweise auf eine Kenntnis der Organe der Beklagte verdichteten sich erst ab Januar 2016 durch die Aussagen der bei der Beklagten beschäftigten Ingenieure, die bei ihrer Vernehmung als Zeugen angaben, dass auch den Führungskräften der Beklagten die Problematik bekannt gewesen sei. Damit konnte der Klagepartei im Jahr 2015 allenfalls die Mangelhaftigkeit ihres Fahrzeugs bekannt geworden sein, nicht aber die ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten der Beklagten begründenden Umstände.

Allerdings ist das Gericht der Auffassung, dass die Klagepartei spätestens im Jahr 2016 Kenntnis aller den Anspruch begründender Umstände und der Person des Schädigers erlangt oder ohne große Fahrlässigkeit erlangen hätte müssen.

Es ist zwischenzeitlich gerichtsbekannt, dass ein Aufforderungsschreiben der Hersteller im Februar 2016 erging und im Herbst 2016 eine weitere Aufforderung durch die Hersteller an die Halter, worin über die Thematik informiert wurde. Dagegen hat die Klagepartei keinen substantiierten Gegenvortrag erbracht. In der mündlichen Verhandlung wurde durch die Klagepartei vielmehr ausgeführt, dass das Update der Beklagten am 19.09.2016 aufgespielt wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger das Rückrufschreiben jedenfalls zu einem Zeitpunkt zuvor erhalten hat.

Da die Klagepartei im Jahr 2016 mittels Rückrufschreiben informiert wurde und auch das Update noch im Jahr 2016 aufspielen lies, kann sie sich ab dem Jahr 2016 auch nicht mehr auf Unkenntnis der konkreten Umstände berufen, da ihr insoweit grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden müsste. Denn angesichts der gerichtsbekannten Vorgänge/Pressemitteilungen seitens der Beklagten im letzten Quartal 2015 und im Jahr 2016 sowie der darauf beruhenden umfangreichen Berichterstattung in den gesamten Medien und den Verlautbarungen des KBA erscheint das Unterlassen weiterer Erkundigungen durch die Klagepartei nach Bekanntwerden des Skandals zwar nicht schon in 2015, aber jedenfalls in 2016 nach Erhalt des Schreibens der Beklagten und erst Recht bei bzw. nach Durchführung des Updates geradezu unverständlich. Für die Klagepartei hätte nach Erhalt des Rückrufschreibens triftiger Anlass bestanden, sich mit den genaueren Umständen zu befassen. Erst Recht ist davon auszugehen, dass die Klagepartei sich mit den konkreten Umständen befasst hat, bevor sie das Software-Update hat durchführen lassen. Dann beruht ihre weitergehende Unkenntnis jedoch auf grober Fahrlässigkeit. Ob die Klagepartei bereits im Jahr 2016 die zutreffenden rechtlichen Schlüsse aus den ihr zur Verfügung stehenden Informationen gezogen hat, ist für die rechtliche Folge des Beginns der Verjährungsfrist nicht relevant.

Dem steht nicht entgegen, dass die Frage, ob die Beklagte aus § 826 BGB in Anspruch genommen werden kann, in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt wird und eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Thematik erstmals am 25.05.2020 durch BGH-Urteil ergangen ist. Zwar kann ausnahmsweise die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung. Hiervon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Zum einen genügt nicht, dass noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Frage vorliegt (BGH, Urteil vom 07.12.2010 - XI ZR 348/09, NJW 2011; BGH, Urteil vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15). Zum anderen sind erste Entscheidungen, erst recht aber Entscheidungen von Obergerichten, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, bereits ab dem Jahr 2016 ergangen. Schließlich ist zu bedenken, dass nicht nur aus Sicht eines Laien, sondern auch bei rein juristischer Betrachtungsweise bereits im Jahr 2016 eine hinreichend gesicherte Grundlage gegeben war, auf der sich eine Klageerhebung aus § 826 BGB als Erfolg versprechend, wenn auch nicht als risikolos, darstellte. Mit den entsprechenden Bekanntmachungen und den zahlreichen Veröffentlichungen in den Medien war die Tatsachengrundlage, auf welche der Bundesgerichtshof seine Entscheidung am 25.05.2020 gestützt hat, nämlich hinreichend bekannt. Der Bundesgerichtshof hat aus dem Verhalten der Beklagten gemäß § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog einen Schadensersatzanspruch zugesprochen und hierbei allein auf die bereits 2016 bekanntgewordenen Umstände abgestellt. Schwierige Fragestellungen, die eventuell ein Hinauszögern der Klageerhebung zugelassen hätten und die Zumutbarkeit verhindert hätten, sind damit nicht gegeben. Insbesondere kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht darauf an, inwieweit ein konkretes Verhalten bestimmter Personen der Beklagten zugerechnet und nachgewiesen werden kann.

Demgegenüber vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit sich daraus ergebende rechtliche Fragestellungen hier zu einem Hinausschieben der Verjährung führen sollen. Dies zumal nunmehr das Instrument der Musterfeststellungsklage eingeführt wurde, welcher sich die Klagepartei ohne ein eigenes Prozessrisiko anschließen hätte können.

Damit würde das Instrument der Verjährung, welches gesetzlich geregelt ist, durch die Rechtsprechung fast vollständig aufgelöst werden können, nachdem immer abgewartet werden könnte, inwieweit eine entsprechende Entscheidung zu irgendeinem Zeitpunkt ergeht, um dann entsprechend Klage zu erheben.

III.

Eine Hemmung der Verjährung greift vorliegend nicht ein.

1. Soweit die Klagepartei sich auf eine Hemmung der Verjährung wegen ungeklärter Rechtslage beruft, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Eine Hemmung der Verjährung kann damit nicht erkannt werden.

Im Gesetz ist nirgends ersichtlich, dass die Hemmungsvorschriften für die Musterfeststellungsklage auch für Parteien gelten sollen, welche sich hier nicht angeschlossen haben.

2. Der Lauf der Verjährungsfrist war auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt aufgrund gerichtlicher Geltendmachung des klägerischen Anspruch durch die financialright GmbH im Wege einer Sammelklage.

Die financialright GmbH hat unstreitig den klägerischen Anspruch im Rahmen einer Sammelklage am 06.11.2017 vor dem Landgericht Braunschweig 3 O 2423/17 (184) geltend gemacht.

Die verjährungshemmende Wirkung einer Klageerhebung führt grundsätzlich dazu, dass der geltend gemachte Anspruch während des Prozesses nicht verjähren kann. Die Verjährung ist dann für die Dauer der Rechtshängigkeit und einen weiteren sechsmonatigen Zeitraum nach § 204 Abs. 2 BGB gehemmt. Wird die Klage zurückgenommen, entfällt zwar die Rechtshängigkeit (§ 269 Abs. 3 ZPO), nicht aber die hemmende Wirkung.

Die Hemmung setzt jedoch eine materielle Berechtigung des Klägers zur Klageerhebung voraus. Das entspricht dem prozessualen Begriff der Aktivlegitimation oder Sachlegitimation und fehlt, wenn der Anspruch - mag er im Übrigen begründet sein oder nicht - jedenfalls nicht für den Kläger besteht. Das Gericht hat also insbesondere die Wirksamkeit einer Abtretung an die financialright GmbH zu prüfen, wenn es um die Frage der verjährungshemmenden Wirkung einer Klage des Zessionars geht. Die nach unwirksamer Abtretung erhobene Klage des Zessionars hemmt also nicht; ebenso wenig eine nach wirksamer Abtretung erhobene Klage des Zedenten (BeckOGK/Meller-Hannich, 1.12.2020, BGB § 204 Rn. 30).

Vorliegend ist nach dem von der Beklagten vorgetragenen von der Klagepartei unbestrittenen Vortrag zum Geschäftsmodell der financialright GmbH von der Nichtigkeit der Abtretung der klägerischen Ansprüche an diese auszugehen, da die Rechtsdienstleistung der financialright GmbH gegen § 3 und § 4 RDG verstößt und die Verstöße gegen §§ 3 und 4 RDG auch bei registrierten Inkassodienstleistern wie der financialright GmbH zur Nichtigkeit der Forderungsabtretungen führen.

a) Das Landgericht Augsburg führt in seiner Entscheidung im Urteil vom 27.10.2020, 11 O 3715/18, BeckRS 2020, 30625, im Anschluss an das Landgericht Ingolstadt im Urteil vom 07.08.2020, 41 O 1745/18, BeckRS 2020, 18773, welchen sich das erkennende Gericht ausdrücklich anschließt, zur Frage der Aktivlegitimation der im dortigen Verfahren als Klägerin auftretenden financialright GmbH bei der Geltendmachung von ihr abgetretenen Ansprüchen in Zusammenhang mit dem Dieselskandal im Wege der Sammelklage und insoweit insbesondere zur Frage der Wirksamkeit einer solchen - wie im streitgegenständlichen Fall vorgenommenen - Abtretung, folgendes aus:

„Die diesbezügliche Tätigkeit der Klägerin als registrierte Inkassodienstleisterin hält sich nämlich nicht mehr im Rahmen der ihr nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erteilten Inkassodienstleistungsbefugnis. Zwar darf dieser Begriff nach dem LexFox-Urteil des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung der Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu eng ausgelegt werden, sondern innerhalb des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zwecks des Schutzes der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen ist eine eher großzügige Betrachtung geboten (BGH VIII ZR 285/18, Urteil vom 27.11.2019, Rn. 141). Daraus folgt jedoch nicht automatisch die Zulässigkeit des seitens der Klägerin vorliegend praktizierten Geschäftsmodells. Vielmehr hält der Bundesgerichtshof eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalles einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen stets für erforderlich, wobei die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind und den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen ist (BGH, a.a.O., Rn. 110). Im Zuge einer solchen Abwägung ist das Gericht vorliegend indes zu der Überzeugung gelangt, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin vorliegt.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ist eine Inkassodienstleistung die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Ist eine Person - wie vorliegend die Klägerin - gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert, darf sie aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in diesem Bereich erbringen, so dass ihre Inkassotätigkeit keine bloße Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG darstellt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 107). Den somit allein durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen hat die Klägerin indes vorliegend überschritten.

Als registrierter Inkassodienstleisterin ist der Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Anschluss an die Inkasso-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zuge der Einziehung der an sie abgetretenen Forderungen zwar auch eine umfassende rechtliche Forderungsprüfung und substantielle Beratung ihrer Kunden über den Bestand der Forderung gestattet (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 116 ff.). Dementsprechend sieht der Bundesgerichtshof auch keine Überschreitung der Befugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG darin, dass ein Inkassodienstleister bei Erfolglosigkeit seiner außergerichtlichen Bemühungen um die Durchsetzung der treuhänderisch an ihn abgetretenen Forderungen im Zuge des Interesses seiner Kunden an einer möglichst einfachen und raschen Durchsetzung ihrer Ansprüche die Möglichkeit hat, diese unter Beauftragung eines Rechtsanwalts in einem streitigen gerichtlichen Verfahren als eigene Rechte einzuklagen (BGH, a.a.O., Rn. 225 f.).

Vor diesem Hintergrund erscheint das unter Ziffer 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal erläuterte Vorgehen der Klägerin, die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche, soweit zweckdienlich, im außergerichtlichen Verfahren zu betreiben und im Fall des Nichtausreichens der außergerichtlichen Bemühungen in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP, Berlin oder anderen Rechtsanwälten deren gerichtliche Durchsetzung zu versuchen, auf den ersten Blick vielleicht als unproblematisch. Tatsächlich ist es aber nicht mehr durch § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG gedeckt, da die Tätigkeit der Klägerin entgegen der in Ziffer 1.3 gewählten Formulierung von vorneherein auf eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung in Form einer Sammelklage abzielte. So bot sie den Betroffenen des Abgasskandals auf der Internetseite www.myright.de ausdrücklich an, mit einer Sammelklage dafür zu sorgen, dass ihr Fall rechtzeitig vor Gericht kommt.“ (hier: Anlage B2) „Auch in ihrer Pressemitteilung vom 15.06.2018 pries die Klägerin die „Sammelklage, die myRight anbietet,“ als die „für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung optimale Lösung, um VW-Schadensersatz einzuklagen“, an.“ (hier: Anlage B7) „Die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnten außergerichtlichen Bemühungen hat die Klägerin indes vorliegend niemals entfaltet; (…).

Damit unterfällt die ausschließlich auf ein gerichtliches Vorgehen gerichtete Tätigkeit der Klägerin bereits vom Wortlaut her nicht dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, das laut § 1 Abs. 1 S. 1 RDG die Befugnis regelt, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Auch die Erweiterung der Inkassotätigkeit durch § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO auf gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf das Mahnverfahren und die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erweist sich nicht als einschlägig. Vielmehr zeigt die letztgenannte Regelung, dass der Gesetzgeber das gerichtliche Handeln von Inkassodienstleistern als Ausnahme gesehen hat, wenngleich er mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz die Entwicklung neuer Berufsbilder erlauben wollte (BT-Drucks. 16/3655 S. 30). Dabei hatte er vor allem die Bereiche, in denen die anwaltliche Versorgung die Nachfrage der Rechtssuchenden nicht decken kann, insbesondere weil die Tätigkeit nicht ausschließlich juristischer Natur ist, im Blick (BT-Drucks. 16/3655 S. 40). Der Gesetzgeber beabsichtigte aus Gründen des Verbraucherschutzes jedoch gerade keinen allgemeinen Rechtsleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft einführen, da es ansonsten zu einem Nebeneinander zweier auf die gleiche Tätigkeit ausgerichteten Rechtsberatungsberufe mit völlig unterschiedlicher Qualifikation kommen würde (BT-Drucks. 16/3655 S. 31).

Genau darauf liefe die Anerkennung des Geschäftsmodells der Klägerin indes hinaus, die sich nicht auf die unproblematisch zulässige rechtliche Prüfung der Forderung und substantielle Beratung ihrer Kunden über deren Bestand beschränkte, sondern vielmehr die strategische Entscheidung darüber traf, welche der Ansprüche aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte sie in Einzelverfahren, in Verfahren mit Anspruchsbündelung in geringerem Umfang - wie hier - und in Verfahren mit mehreren 1.000 gebündelten Ansprüchen geltend macht (…). Diese auch in ihrem Internetauftritt besonders hervorgehobene Tätigkeit der Klägerin stellt sich angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen im Abgasskandal und der Komplexität der damit verbundenen durchaus streitigen Rechtsfragen indes als über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung dar. Gerade bei den Sammelklagen, in denen sich die überwiegende Mehrzahl der 45.000 Kunden der Klägerin befindet (…), stellt sich der Aufgabenbereich der Klägerin vielmehr als vollkommen identisch mit dem eines Rechtsanwaltes dar.

Vor diesem Hintergrund erscheint es indes nicht gerechtfertigt, sich hier mit der geringeren Sachkunde der Klägerin als Inkassodienstleisterin zufrieden zu geben. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Grund für die deutlich geringeren Anforderungen an die Sachkunde des registrierten Inkassodienstleisters darin gesehen, dass dessen Tätigkeit allein auf die außergerichtliche Forderungseinziehung beschränkt ist, bei der die Gefahr einer rechtlichen Fehlberatung in deutlich geringerem Maße als bei einer über den Bereich der bloßen Forderungseinziehung hinausgehenden Rechtsberatung besteht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 219), die hier in der strategischen Auswahl und Bündelung der (…) streitgegenständlichen Forderungen zur ausschließlich gerichtlichen Geltendmachung in Form der vorliegenden Sammelklage zu sehen ist.

Die darin liegende Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin kann auch durch die Hinzuziehung der Klägervertreter nicht beseitigt werden. So kam es bereits für den Erlaubnisvorbehalt nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht darauf an, ob der Vertragspartner des Rechtssuchenden sich zur Erfüllung seiner Beratungspflichten eines zugelassenen Rechtsberaters als Erfüllungsgehilfen bedient (BGH III ZR 260/07, Urteil vom 03.07.2008). Nichts anderes kann jedoch unter Berücksichtigung des in § 1 Abs. 1 S. 2 RDG normierten Schutzzweckes des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, gelten. Vielmehr bekommt der einzelne Kunde von der Klägerin infolge der geringeren Anforderungen an ihre Sachkunde, die im Bereich der Inkassodienstleistungen nach § 4 Abs. 1 RDV in einem Lehrgang mit 120 Zeitstunden vermittelt wird, eine weniger qualifizierte Rechtsdienstleistung als von einem Rechtsanwalt mit Jurastudium und Referendariat von jeweils mehreren Jahren, während die eingeschalteten Prozessbevollmächtigten auch nicht ihm selbst, sondern allein dem Interesse ihrer Mandantin verpflichtet sind. Aus dieser Konstellation ergibt sich somit eine Gefährdung der von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erfassten schuldrechtlichen Forderungen der rechtssuchenden Kunden, die auch unter Berücksichtigung des Grundrechtes der Klägerin als Inkassodienstleisterin auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist.

Anders als im LexFox-Fall, wo die außergerichtlichen Schreiben mit der Rüge nach § 556 g Abs. 2 BGB erst zur Entstehung des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete führten, hat die Klägerin nämlich vorliegend überhaupt keine vorgerichtlichen Bemühungen zur Forderungseinziehung entfaltet und sich damit gar nicht erst im Bereich der Inkassodienstleistung bewegt (…).

Hier hat die Klägerin sich indes von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der (…) streitgegenständlichen Forderungen in Form der vorliegenden Sammelklage beschränkt, bei deren strategischer Auswahl und Bündelung sie eine über den Bereich der einzelnen Forderungseinziehung weit hinausgehende Rechtsberatung vornahm, die eigentlich für das Berufsbild des Rechtsanwaltes prägend ist. Da ein Rechtsanwalt insoweit aber im identischen Aufgabenbereich den Berufspflichten nach den §§ 43 ff. BRAO unterliegt, würde es einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, wenn die Klägerin trotz geringerer Sachkunde im identischen Aufgabenbereich die gleiche Tätigkeit ausüben könnte, ohne beispielsweise an die Verbote der Erfolgsprovision und der Prozessfinanzierung gebunden zu sein.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof im LexFox-Urteil eine Überschreitung der Inkassobefugnis weder in der Vereinbarung eines Erfolgshonorars noch in der Prozesskostenübernahme durch den Inkassodienstleister gesehen hat (BGH, a.a.O., Rn. 170 ff.). Eine Interessenkollision im Sinne des § 4 RDG schloss er nämlich unter Hinweis darauf aus, dass die Vereinbarung des Erfolgshonorars bei der von ihm zu beurteilenden Forderungseinziehung ein beträchtliches eigenes Interesse der Klägerin an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche bewirkte (BGH, a.a.O., Rn. 196). Diese Erwägung kann indes aufgrund zweier erheblicher Unterschiede im Sachverhalt nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden: Zum einen handelt es sich hier nicht um eine Einzel-, sondern um eine Sammelklage, und zum anderen ist keine Zustimmung der Zedenten zu einem abzuschließenden Vergleich erforderlich, sondern nur dessen Widerruf möglich. So hat die Klägerin nach Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Abgasskandal die Möglichkeit, einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen abzuschließen, „wenn die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint.“; nach unverzüglicher Benachrichtigung davon kann der Kunde den Vergleichsabschluss dann zwar widerrufen, doch schuldet er der zur Kündigung des Vertrages berechtigten Klägerin in dem Fall die bei Bestand des Vergleiches angefallene Vergütung.

Vor dem Hintergrund dieser Regelung ergibt sich vorliegend eine strukturelle Kollision der Interessen der Klägerin mit denen ihrer Kunden, die eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung derart gefährdet, dass eine auch vom Bundesgerichtshof für möglich gehaltene analoge Anwendung des § 4 RDG (BGH, a.a.O., Rn. 213) geboten erscheint (LG Ingolstadt 41 O 1745/18, Urteil vom 07.08.2020, S. 253 ff.). So steht dem Interesse des einzelnen Kunden an der optimalen Durchsetzung seiner Rechte das Eigeninteresse der Klägerin an einem für sie möglichst guten Kosten-Nutzen-Verhältnis des Verfahrens entgegen, das sie am besten durch einen schnellen Vergleichsschluss erreichen kann. Wegen der Erforderlichkeit zur detaillierten Auseinandersetzung des Gerichts mit jedem einzelnen der (…) streitgegenständlichen Ansprüche müsste die Klägerin ansonsten nämlich mit einer überdurchschnittlich langen Verhandlungsdauer mit einer Vielzahl von Sitzungstagen rechnen, die ihre Tätigkeit angesichts der mit ihren Prozessbevollmächtigten vereinbarten Vergütung auf der Basis von Stundensätzen zunehmend als immer weniger lukrativ erscheinen lässt. Dies gilt umso mehr, als sich mit fortschreitender Verfahrensdauer die letztlich maximal zu erreichende Vergütung aufgrund der im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung immer weiter verringert.

Demgegenüber hat die Klägerin hier ohnehin schon von daher kein eigenes Interesse an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche, als sie - anders als LexFox-Fall - ihre Erfolgsprovision nicht nur im Fall des Zustandekommens des Vergleichs, sondern selbst im Fall dessen Widerrufs durch den Kunden in voller Höhe erhält. Insoweit stellt auch die nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschuldete Bindung an die „gewissenhafte Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns“ letztlich kein Korrektiv dar, da zum Zeitpunkt der Abtretung noch vollkommen unklar ist, ob man für jeden einzelnen Kunden einen Vergleichsbetrag auswirft oder eine Pauschalsumme, die dann aufgeteilt wird (…), obwohl die Beurteilungsüberlegungen sich in beiden Fällen als vollkommen unterschiedlich darstellen und daher für die Zedenten weder vorhersehbar noch nachprüfbar sein dürften. Vielmehr kann der jeweilige Kunde der Klägerin hier anders als im LexFox-Fall nicht einfach frei über die Erteilung seiner Zustimmung zum Vergleich entscheiden, sondern ist dadurch einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, dass er im Fall dessen Widerrufs die geschuldete Vergütung in Höhe von 35% der Vergleichssumme zahlen muss, ohne hierfür letztlich einen Gegenwert zu erhalten. Gerade für die nicht rechtsschutzversicherten Zedenten, die laut Internetausdruck und Pressemitteilung gezielt für die Sammelklage angeworben wurden (…), besteht damit kein kostenneutraler Ausweg, sondern sie sind faktisch gezwungen, sich einer von der Klägerin im Eigeninteresse geringer Verfahrenskosten getroffenen Vergleichsentscheidung zu beugen, was dem mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Zweck des Schutzes der Rechtssuchenden klar widerspricht (…).

Angesichts dieser Unklarheit erscheint auch eine geltungserhaltende Reduktion in Form eines Entfalls der Vergütungspflicht bei Widerruf des Vergleichs weder möglich noch geboten (vgl. hierzu ausführlich LG Ingolstadt, a.a.O., S. 260 ff.). Vielmehr hätte es der Klägerin freigestanden, im Rahmen ihrer Berufsausübung den gesetzlichen Vorschriften entsprechende wirksame vertragliche Regelungen zur fiduziarischen Abtretung und Geltendmachung fremder Forderungen im eigenen Namen zu treffen (LG Ingolstadt, a.a.O., S. 259). So aber hat sie den durch die §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG bestimmten Rahmen nicht nur eindeutig überschritten, sondern angesichts der in Ziffer 6.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen vollen Vergütungsverpflichtung im Fall des Vergleichswiderrufs auch erheblich, so dass die streitgegenständlichen Abtretungen sich jedenfalls gemäß § 134 BGB in Verbindung mit den §§ 3, 4 RDG als nichtig erweisen.

Schließlich erscheint die Zulassung einer entsprechenden Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin im vorliegenden Fall auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht erforderlich. Dem Vertrauen der Zedenten auf deren Registrierung als Inkassodienstleisterin wird nämlich bereits durch die für sie bestehende Möglichkeit Rechnung getragen, bei der Klägerin Regress zu nehmen, die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 RDG über eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 € für jeden Versicherungsfall verfügen muss (BGH, a.a.O., Rn. 93). Davon abgesehen hat der Gesetzgeber bereits die kostenfreie Möglichkeit der Musterfeststellungsklage geschaffen, so dass hier keinerlei Veranlassung für das Gericht besteht, die vorliegende Sammelklagetätigkeit der Klägerin über den Wortlaut und Regelungsgehalt des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus unter Missachtung des Gleichheitssatzes zuzulassen.“

b) Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen nach eigener kritischer Würdigung an.

Die financialright GmbH verstößt mithin auch im Hinblick auf die vorgenommene Abtretung der klägerischen Ansprüche zunächst gegen § 3 RDG. Als Rechtsdienstleisterin unterliegt sie dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus § 3 RDG für die von ihr angebotene Rechtsdienstleistung. Sie ist lediglich als außergerichtliche Inkassodienstleisterin nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG registriert. Indes ist ihr Geschäftsmodell von vornherein auf den gerichtlichen Bereich bezogen. Im Vordergrund steht die Durchführung einer „Sammelklage“ mit der financialright GmbH als Partei im Anwaltsprozess. Eine solche gerichtliche Rechtsdienstleistung kann jedoch nicht vom RDG legitimiert werden, da das RDG ausschließlich außergerichtliche Rechtsdienstleistungen regelt.

Darüber hinaus verstößt die financialright GmbH aus verschiedenen Gründen gegen § 4 RDG. Nach § 4 RDG dürfen Rechtsdienstleistungen nicht erbracht werden, wenn andere Leistungspflichten des Rechtsdienstleisters die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung für den Kunden gefährden. Eine solche Situation liegt im Geschäftsmodell der financialright GmbH in doppelter Weise vor. Einerseits unterliegt sie Pflichten gegenüber ihrem externen gewerblichen Prozessfinanzierer, der faktischen Einfluss auf die Verfahrensführung und -beendigung hat. Dabei unterliegt dieser anderen Risikoanreizen als die Auftraggeber. Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil dem gewerblichen Prozessfinanzierer eine beratende Funktion zukommt. Da er nahezu sämtliche Kosten der financialright GmbH trägt, ist damit jedenfalls seine faktische Einflussnahmemöglichkeit auf den Prozess, insbesondere auf einen etwaigen Vergleichsschluss und die Rechtsmitteleinlegung, sehr hoch. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Rentabilität eines Vergleichsschlusses für den Prozessfinanzierer sehr viel früher als für die einzelnen Auftraggeber eintritt. Damit liegt zwischen den Interessen der einzelnen Auftraggeber und denen des Prozessfinanzierers ein Interessengegensatz vor, denn das RDG zielt gerade auf eine bestmögliche Realisierung der Ansprüche im Einzelfall ab. Diese ist vorliegend durch die strukturell anders gelagerten Interessen des Prozessfinanzierers gefährdet.

Ein einzelner Auftraggeber würde - wenn er Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens bzw. den Abschluss eines Vergleichs hätte, - allein seine Gewinn- und Verlustchancen in Bezug auf seinen einzelnen Anspruch beurteilen. Ganz anders sieht das für die financialright GmbH aus. Die Chance auf einen gerichtlich maximal zu erzielenden Betrag und das damit zusammenhängende Risiko betrifft nur einen Aspekt ihrer Kalkulation. Gerade weil sie von einem (gegebenenfalls nur teilweisen) Erfolg abhängig ist, wird sie viel eher geneigt sein, einen Vergleich zu akzeptieren, solange er ihre Kosten deckt und einen Profit ermöglicht (vgl. LG Ingolstadt, Urt. v. 7. August 2020 - 41 O 1745/18, BeckRS 2020, 18773, Rn. 135; LG Augsburg, Urt. v. 27. Oktober 2020, 11 O 3715/18, BeckRS 2020, 30625, Rn. 34). Für sie geht es bei der Höhe dann nur noch um die Steigerung ihrer Eigenkapitalrendite und Absicherung ihres Geschäftsmodells, während es für den einzelnen Auftraggeber um Schadensausgleich geht. Diese Interessen sind somit nicht prinzipiell gleich gelagert.

Andererseits liegt eine Interessengefährdung der einzelnen Auftraggeber aufgrund ihrer Vielzahl vor. Die vermeintlichen Ansprüche sind nämlich unterschiedlich gelagert und die individuellen Auftraggeber haben unterschiedliche Risikopräferenzen. Aus ihrem Verhältnis zu den jeweils einzelnen Auftraggebern ergibt sich die Gefahr einer wechselseitigen Beeinflussung und Interessengefährdung im Sinne von § 4 RDG. Die financialright GmbH hat nämlich mit allen ihren Auftraggebern, deren vermeintliche Ansprüche sie gebündelt in einem Verfahren geltend macht, jeweils Rechtsverfolgungsverträge geschlossen, in denen sie sich zur Rechtsdurchsetzung verpflichtet hat. Die Leistungspflichten gegenüber den einzelnen Auftraggebern sind dabei jeweils „andere Leistungspflicht“ im Sinne des § 4 RDG. Die Leistungspflichten der financialright GmbH aus den bereits abgeschlossenen Verträgen sind jeweils geeignet, die Erfüllung von Leistungspflichten aus weiteren Verträgen zu gefährden. Dem Konzept der „Sammelklage“ folgend hat die financialright GmbH zigtausende Ansprüche von zigtausenden Auftraggebern gesammelt und in einem einzigen Verfahren gebündelt. Die Ansprüche sind dabei heterogen hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts und der Erfolgsaussichten. So kann insbesondere relevant sein, wann ein streitgegenständliches Fahrzeug erworben wurde, ob es direkt vom Hersteller oder von einem Dritthändler gekauft wurde, wer Hersteller des streitgegenständlichen Fahrzeugs war, ob es sich um ein Gebrauchtfahrzeug handelt, ob das Fahrzeug weiterveräußert wurde, ob es Schäden ohne Bezug zum Streitgegenstand aufweist, ob verknüpfte Geschäfte (z.B. Leasing) existieren usw. Darüber hinaus ist die Dokumentation- und Beweislage in den unterschiedlichen Konstellationen verschieden gelagert, was sich offensichtlich auf die Erfolgsaussichten auswirken kann. Damit sind die Erfolgsaussichten der einzelnen Ansprüche insgesamt als höchst unterschiedlich zu bewerten, weshalb praktisch nahezu zwingend die Vorstellungen der einzelnen Auftraggeber über einen erfolgreichen Prozess ebenso differieren. Das wirkt sich im Geschäftsmodell der financialright GmbH jedoch nicht aus. Denn durch die Bündelung der Ansprüche partizipieren die einzelnen Auftraggeber am Risiko, das mit der Geltendmachung weniger aussichtsreicher Ansprüche verbunden ist.

Durch die massenhafte Bündelung drohen Nachteile für Einzelinteressen insbesondere bei einem Vergleichsschluss, bei dem die financialright GmbH diese unterschiedlichen Parameter nicht für jeden Einzelfall berücksichtigen kann. Denn im Geschäftsmodell der Financialright GmbH spielt der Einzelfall praktisch und wirtschaftlich keine Rolle, obwohl rechtlich die Interessen jedes einzelnen Auftraggebers im Vordergrund stehen müssen. Eine solche Rechtsdienstleistung ist mit der vom RDG geforderten optimalen Interessenwahrnehmung für jeden einzelnen Auftraggeber nicht vereinbar. Schließlich führen die AGB der financialright GmbH zu einem etwaigen Vergleichsschluss zu einem Verstoß gegen § 4 RDG analog. Denn im Modell der financialright GmbH entscheidet über den Abschluss eines Vergleichs allein die financialright GmbH ohne Rücksprache mit den Auftraggebern. Ist ein Auftraggeber mit dem Vergleichsschluss unzufrieden, bleibt ihm nur die Möglichkeit, den Vergleich zu widerrufen. Dann muss er aber dennoch die volle Provision an die financialright GmbH zahlen Verstöße gegen §§ 3 und 4 RDG führen grundsätzlich auch bei registrierten Inkassodienstleistern wie der Financialright GmbH zur Nichtigkeit der Forderungsabtretungen, da die Verstöße eindeutig und nicht nur geringfügig sind, vgl. Anforderungen des BGH im LexFox-Urteil - VIII ZR 285/18, Leitsatz c), Rn. 42 ff. Dadurch, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin von vornherein auf die gerichtliche Geltendmachung der Forderungen ausgelegt, und damit bereits von Anfang an auf eine Tätigkeit ausgerichtet ist, die vom RDG nicht umfasst ist, liegt eine eindeutige und nicht nur geringfügige Überschreitung der Dienstleistungsbefugnis der Klägerin vor. Nichts anderes gilt für die Verstöße gegen § 4 RDG, die ohnehin zugleich § 3 RDG verletzten. Die erforderliche Gesamtabwägung bestätige das, weil die hochwertigen und höchstrangigen Schutzgüter des RDG (Schutz der Rechtssuchenden, der Rechtsordnung und des Rechtsverkehrs) durch das Modell der financialright GmbH konkret und unmittelbar gefährdet werden (so auch LG München, FRC-Urteil, vom 07.02.2020 - 37 O 18934/17).

c) Da die financialrigt GmbH damit mangels wirksamer Abtretung materiell zur klageweise Geltendmachung der klägerischen Ansprüche niemals berechtigt war, setzte durch die Klageerhebung am 06.11.2017 die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch nicht ein.

3. Auch durch die Klageerhebung durch die Klagepartei selbst im Dezember 2020 ist keine Hemmung der Verjährung eingetreten (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährungsfrist war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.

IV.

Der Klagepartei stehen auch keine Ansprüche aus § 852 S. 1 BGB zu.

Zwar wäre ein diesbezüglicher Anspruch nicht verjährt, da insofern eine Verjährungsfrist von 10 Jahren gilt (§ 852 S. 2 BGB). Die Schadensersatzforderung scheitert hier jedoch an der Berechnung des Ausgleichsanspruchs, sodass dahingestellt bleiben kann, ob eine teleologische oder rechtliche Einschränkung für das vorliegende Vertragsverhältnis vorgenommen werden muss.

Bei der Norm des § 852 S. 1 BGB handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Der Anspruch aus unerlaubter Handlung bleibt erhalten, jedoch wird sein Umfang auf die ungerechtfertigte Bereicherung beschränkt, die der Schädiger aus der unerlaubten Handlung auf Kosten des Geschädigten erlangt hat. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung etwas erworben hat, nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist der §§ 194 ff. BGB zulasten des Geschädigten im Genuss des Erlangten bleibt. Daraus folgt, dass es nicht darauf ankommen kann, ob dem Ersatzpflichtigen die Bereicherung unmittelbar vom Geschädigten oder durch Vermittlung eines anderen, an der Tat Beteiligten, zugeflossen ist. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Erwerb des Ersatzpflichtigen im Verhältnis zum Geschädigten unrechtmäßig war und ob die dadurch entstandene Vermögensvermehrung auf dessen Kosten geht. Ist dies der Fall, dann besteht nach dem aufgezeigten Zweck des § 852 BGB die Herausgabepflicht unabhängig davon, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Vermögensverschiebung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1965 - VII ZR 198/63).

Soweit vorliegend ein Schadenersatzanspruch gesehen wird, kann dies im Sinne der Vorschrift des § 852 BGB nur im erzielten Gewinn der Beklagten gesehen werden, da darüber hinaus eine Entreicherung vorliegen würde. Nach Berücksichtigung verschiedener Untersuchungen im Internet im Hinblick auf den Gewinn der Fahrzeughersteller, geht das Gericht gemäß § 287 ZPO von einem maximalen Gewinn von 15% des Kaufpreises aus. Dies wäre vorliegend bei dem Kaufpreis von 22.620,00 € ein Betrag in Höhe von maximal 3.393,00 €, welchen die Klagepartei fordern könnte.

Im Gegenzug ist jedoch zu sehen, dass durch die Nutzung des Fahrzeugs hier der ursprüngliche Neuwagen nicht mehr zurückgegeben werden kann. Im Rahmen der Saldotheorie entspricht dies einem teilweisen späteren Untergang der Kaufsache, der als Entreicherung zu qualifizieren ist (vgl.: MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 818 Rn. 240). Die Bemessung dieses teilweisen Untergangs der Kaufsache ist nach der Lebensdauer des Fahrzeugs und der gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen.

Für die Berechnung der gegenzurechnenden Forderung nimmt das Gericht den Nutzungsersatz nach der gebräuchlichen Formel der zeitanteilig linearen Wertminderung vor. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs setzt das Gericht gemäß § 287 ZPO mit 300.000 km an.

Damit ergeben sich Gebrauchsvorteile in Höhe von 11.244,48 € (Bruttokaufpreis 22.620,00 € x zurückgelegte Fahrstrecke 149.131 km/zu erwartende Restfahrleistung bei Erwerb 300.000 km).

Damit ist der Nutzungsvorteil größer als der maximale Gewinn, so dass für einen Anspruch keine Grundlage mehr bleibt und die Klage insoweit unbegründet war.

V. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB bzw. §§ 11, 16 UWG scheiden aus, da diese ebenfalls verjährt sind. Auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV scheiden aus, da es sich dabei nicht um Schutzgesetze

i. S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGH NJW 2020, 1962 Rn. 74). Tatbestandlich fehlt es bereits an einem Verstoß gegen die Normen, wenn - wie vorliegend - das Fahrzeug dem genehmigten Typ entspricht.

VI.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB. Die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung durch die Beklagte genügt nicht für die Annahme der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB. Mit der Übereinstimmungsbescheinigung wollte der Hersteller allein die Veräußerbarkeit des Fahrzeugs nach § 27 Abs. 1 EG-FGV auf dem deutschen Markt herbeiführen. Es ist schon nicht vorgetragen, ob und wie die Klagepartei von der Übereinstimmungsbescheinigung überhaupt Kenntnis erlangt haben soll. Die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens setzt aber voraus, dass sich die Klagepartei auf eine irgendwie geartete Erklärung dessen, den sie nun in Anspruch nehmen will, verlassen hat. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass ohne das Hinzutreten von Umständen, welche ein besonderes Vertrauen des Käufers zu begründen vermögen, aus dem Hinweis auf Normen und Prüfzeichen nicht mehr hergeleitet werden kann als das Bestreben des Herstellers, stets normgerechte Ware anzubieten (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1995, Az.: VIII ZR 328/94; OLG Köln, Urteil vom 28.03.2003, Az.: 19 U 142/02, jeweils zitiert nach beck-online). Nichts anderes gilt nach Auffassung des Gerichts für die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung.

VII.

Ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei resultiert auch nicht aus einem vermuteten Organisations- oder Überwachungsverschulden der Beklagten gemäß § 831 BGB, da nicht ersichtlich ist, dass ein Verrichtungsgehilfe der Beklagten einen deliktischen Tatbestand erfüllt hat.

B.

Soweit die Klagepartei im Sinne einer alternativen Klagehäufung geltend macht, beim Aufspielen des Software-Updates sei eine neue unzulässige Abschalteinrichtung im Fahrzeug verbaut worden, wonach der Klagepartei die geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises zustünden, ist die Klage ebenfalls unbegründet, da der Klagepartei die klageweise geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.

I.

Der Klagepartei steht mangels Vorliegens einer Schädigungsabsicht kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826 i.V.m. 31 BGB zu. Hiernach ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Der Schädiger muss hierbei die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Bei juristischen Personen müssen diese Voraussetzungen im Gremium des Vorstandes verwirklicht sein, § 31 BGB.

Zwar mag das Ausstatten eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung als ein Indiz für das Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrige Schädigung und damit auch für eine Kenntnis des Vorstandes der Beklagten von allen relevanten Tatumständen angesehen werden, wenn nämlich hierdurch der Widerruf der Typengenehmigung oder zumindest die Stilllegung des konkreten Fahrzeugs drohen würde. Allerdings genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflichtverletzung und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen.

Bei der vorliegenden Fallkonstellation ist das Verhalten der Beklagten nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen. Selbst in dem Fall, dass es sich bei dem vorgetragenen Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln würde und die Beklagte die Rechtslage insoweit fahrlässig verkannt hätte, würde es ihr an dem für die Sittenwidrigkeit in subjektiver Hinsicht erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn. 8).

Wie die kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 II 2 a VO (EG) Nr. 2007/715 zeigt, ist die Gesetzeslage im Hinblick auf sog. Thermofenster nicht unzweifelhaft und eindeutig. Nach Einschätzung der vom Bundesverkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission Volkswagen liegt ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der vorerwähnten Ausnahmevorschrift ausdrücklich (Bericht Stand Apr. 2016, 123): „Zudem verstößt eine weitere Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die VO (EG) Nr. 715/2007. Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn vonseiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“ Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren zudem weit verbreitet, von den Zulassungsbehörden anerkannt und selbst noch im Untersuchungsbericht als offenbar zulässig und sinnvoll angesehen worden.

Von daher ist eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann jedoch nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bei der Erstellung des Updates eng mit dem KBA zusammengearbeitet und sämtliche dortigen Auflagen erfüllt hat, das KBA das Software-Update in der Folge auch für zulässig erachtet hat.

II.

Auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung in Gestalt eines Verstoßes gegen ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ergibt sich kein Anspruch der Klagepartei auf Rückabwicklung, denn hiernach wäre eine vorsätzliche Täuschung im Sinne eines Betrugs erforderlich, die das Gericht nach den vorstehenden Ausführungen unter I. nicht festzustellen vermag. Zudem ist bereits nicht ersichtlich, welcher Vermögensvorteil der Beklagten durch das Aufspielen des Updates zugekommen sein soll, nachdem das Update kostenlos zur Verfügung gestellt worden ist.

III.

Unabhängig davon, ob es sich bei dem mittels Software-Update eingerichteten Thermofenster tatsächlich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, würde zudem selbst bei Wahrunterstellung und Vorliegen einer Anspruchsvoraussetzung aus den §§ 823, 826 BGB dies der Klagepartei nicht zu der von ihm gewollten Rechtsfolge - der Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung - verhelfen.

Im Rahmen der Naturalrestitution wäre die Klagepartei so zu stellen, als hätte die Beklagte die schädigende Handlung nicht begangen. Wäre das Software-Update jedoch nicht aufgespielt worden, wäre das Fahrzeug weiterhin mit der vom Kraftfahrtbundesamt als unzulässig bewerteten ursprünglichen unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet und der Klagepartei hätte weiterhin die Stilllegung aufgrund Erlöschens der Betriebserlaubnis gedroht. Mithin wäre der von der Klagepartei behauptete Schaden nicht behoben.

C.

Auch der Anspruch auf Zahlung von Zinsen und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten besteht nicht. Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache kann die Klagepartei auch den Ersatz dieser Ansprüche nicht beanspruchen. Ebenso hat die Klagepartei keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte im Verzug mit der Annahme des Fahrzeugs ist, da die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs nicht verpflichtet ist.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Entscheidung über den Streitwert fußt auf § 3 ZPO.

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