Urteil vom Landgericht Halle (2. Zivilkammer) - 2 S 263/12

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 22.11.2012 - Az. 96 C 2028/12 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung der Kaltmiete für die Wohnung, gelegen im Dachgeschoss,... in ..., um monatlich 310,83 Euro von 408,00 Euro auf 718,83 Euro ab dem 01.06.2012 zuzustimmen und an die Klägerin 215,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 23.06.2012 zu zahlen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 3.729,96 Euro (310,83 Euro x 12 Mon.).

Gründe

A.

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B.

2

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

I.

3

Die Berufung ist zulässig.

4

Sie ist gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft sowie gem. den §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt als auch begründet worden.

II.

5

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

6

Die Klägerin kann von der Beklagten Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung verlangen.

1.

7

Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 21.03.2012 ist formell ordnungsgemäß.

8

Unstreitig sind die für eine gem. § 558 BGB begehrte Mieterhöhung erforderlichen Formvorschriften und Fristen gewahrt.

2.

9

Das Mieterhöhungsverlangen ist auch in materieller Hinsicht begründet.

a)

10

Insbesondere kann die Klägerin ihrer Berechnung die tatsächliche Wohnungsgröße von unstreitig 143,48 m2 zugrunde legen.

11

Zwar ist in dem unter dem 04.09.2009 mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrag in § 1 eine Wohnungsgröße von 81,36 m2 vereinbart und nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Angabe der Wohnfläche in einem Mietvertrag im allgemeinen keine unverbindliche Objektbeschreibung, sondern eine Beschaffenheitsvereinbarung dar (BGH Urteil v. 23.05.2007, Az. VIII ZR 138/06 m.w.N.). Das dies im vorliegenden Fall anders sein und der im Mietvertrag angegebenen Wohnungsgröße nach dem Willen der Vertrag schließenden Parteien aus besonderen Gründen ausnahmsweise keine Verbindlichkeit zukommen sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Sofern aber nicht lediglich eine unverbindliche Objektbeschreibung, sondern eine Vereinbarung über die Wohnfläche vorliegt, ist dies nicht nur für die Frage, ob im Fall einer Flächenabweichung ein Mangel der Mietsache vorliegt von Bedeutung, sondern ebenso für die Berechtigung einer Mieterhöhung nach § 558 BGB, die unter anderem von der Größe der Wohnung abhängt. Diesbezüglich hat der BGH in einem obiter dictum der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt, dass es gerechtfertigt sei, den Vermieter nicht auf Dauer an einer für ihn unzumutbaren vertraglichen Vereinbarung über die Wohnfläche festzuhalten, sondern bei einer anstehenden Mieterhöhung anstelle der vertraglich vereinbarten, nunmehr die tatsächliche Wohnungsgröße zugrunde zu legen, wobei von Unzumutbarkeit jedenfalls dann auszugehen ist, wenn es sich um eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % handelt. Dies hat der BGH damit begründet, dass ein unbefristetes Mietverhältnis über Wohnraum gegenüber anderen befristeten Dauerschuldverhältnissen die Besonderheit aufweist, dass der Vermieter nach Aufdecken eines Kalkulationsirrtums nicht aus diesem Grund berechtigt ist, sich von einem für ihn wirtschaftlich unzumutbaren Wohnraummietvertrag durch eine Kündigung zu lösen, sondern solange an den Vertrag gebunden bleibt, bis das Vertragsverhältnis aus einem anderem Grund beendet wird; demgegenüber bleibt es dem Mieter überlassen, ob dieser sich die entsprechend ihrer tatsächlichen Größe teurere Wohnung leisten kann und will oder ob er seinerseits von dem nur ihm zustehenden Recht, das Mietverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen ordentlich zu kündigen, Gebrauch macht (BGH a.a.O.). Aus diesen Ausführungen sowie in analoger Anwendung des § 313 BGB erscheint die Vorgehensweise der Klägerin vorliegend gerechtfertigt.

12

Dies auch deshalb, weil der Zweck einer Mieterhöhung im Sinne von § 558 BGB darin liegt, die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes für den Vermieter im angemessenen Rahmen zu halten, wohingegen der Mieter nicht mehr als bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete belastet werden soll. Die in § 558 Abs. 3 BGB geregelte Kappungsgrenze soll verhindern, dass die Mietsteigerung für den Mieter innerhalb einer zu kurzen Zeit zu groß wird. Indes hat der BGH mit Urteil vom 08.07.2009 (Az. VIII ZR 205/08) nochmals klargestellt, dass eine Wohnflächenvereinbarung von den Mieterschutzbestimmungen der §§ 557 ff. BGB nicht erfasst wird, sondern die Mietvertragsparteien müssen sich innerhalb der Toleranzgrenzen - aber auch nur dann - an einer Wohnflächenvereinbarung im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558 BGB festhalten lassen; erst bei einer Differenz von mehr als 10 % ist es dem davon jeweils nachteilig betroffenen Vertragspartner nicht mehr zumutbar, an der Vereinbarung festzuhalten und infolgedessen die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich (BGH a.a.O.). Diese höchstrichterlichen Erwägungen überzeugen und ergäben keinen Sinn, wenn der Vermieter aufgrund der in § 558 Abs. 3 BGB geregelten Kappungsgrenze gleichwohl an der wirtschaftlich unzumutbaren Wohnflächenvereinbarung trotz Kalkulationsirrtums festhalten müsste.

13

Unter Beachtung dieser Grundsätze und aufgrund des unstreitigen Umstandes, dass vorliegend die Toleranzgrenze von 10 % hinsichtlich der vertraglich vereinbarten gegenüber der tatsächlichen Wohnfläche unzweifelhaft überschritten ist, war die Klägerin berechtigt, ihrem Mieterhöhungsverlangen die tatsächlich überlassene Wohnfläche zugrunde zu legen.

b)

14

Die Erhöhung der Nettokaltmiete pro Quadratmeter auf 5,01 Euro ist nicht zu beanstanden.

15

Ausgehend von der vertraglich vereinbarten Nettokaltmiete in Höhe von 340,00 Euro betrug der Quadratmeterpreis bezogen auf die in § 1 des Mietvertrages vereinbarte Fläche von 81,36 m2 4,18 Euro. Der Quadratmeterpreis von 5,01 Euro liegt innerhalb der Bandbreite des Mietspiegels der Stadt ... für das Jahr 2010 für vergleichbare Objekte der vorliegenden Art und überschreitet darüber hinaus nicht die in § 558 Abs. 3 BGB geregelte Kappungsgrenze von 20 %.

16

Bezogen auf die tatsächlich überlassene und aufgrund der oben gemachten Ausführungen auch zugrunde zu legenden Wohnfläche von 143,48 m2 errechnet sich der von der Klägerin geltend gemachte monatliche Betrag in Höhe von 718,83 Euro, mithin eine monatliche Erhöhung der Nettokaltmiete um 378,83 Euro. Hiervon hat die Beklagte bereits 68,00 Euro vorgerichtlich anerkannt, so dass der von der Klägerin nunmehr noch beanspruchte Monatsbetrag in Höhe von 310,83 Euro verbleibt.

17

Nach alledem war dem Begehren der Klägerin auf ihre Berufung hin zu entsprechen.

2.

18

Die zugesprochenen Nebenforderungen haben ihre rechtliche Grundlage in den §§ 286, 288, 291 BGB, 13, 14 RVG.

III.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erwächst aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

21

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 3 ZPO, 47, 63 Abs. 2 GKG.

V.

22

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 ZPO).

23

Insbesondere ist aufgrund der oben gemachten Ausführungen davon auszugehen, dass es zu der hier streitgegenständlichen Problematik bereits höchstrichterliche Erklärungen gibt. Auch wenn den zitierten Entscheidungen andere Sachverhalte zugrunde lagen, hat sich der BGH aber darin gleichwohl mit der hier bestehenden Problematik befasst.


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