Urteil vom Landgericht Hamburg (28. Zivilkammer) - 328 O 101/15

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 97.100,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt nach Klagerücknahme gegen die Beklagte zu 3) noch die übrigen Beklagten auf Schadensersatz wegen einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Kapitalanlage in Anspruch.

2

Der damals 62-jährige, als selbständiger Installateur tätige Kläger zeichnete am 16.9.2003 eine mittelbare Beteiligung in Höhe von 100.000 € (zzgl. 1,5 % Agio) an der Schiffahrts-Gesellschaft „H. L.“ mbH & Co. KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft). Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb und der Betrieb eines Containerschiffes. Auf die Beitrittserklärung vom 16.9.2003 wird Bezug genommen (Anlage K 1); wegen der Einzelheiten der Beteiligung wird zudem auf den Prospekt (Anlage K 3) einschließlich der darin abgedruckten Verträge (Gesellschaftsvertrag, Treuhandvertrag) verwiesen. Den Prospekt erhielt der Kläger postalisch zusammen mit dem Zeichnungsschein.

3

Der Zeichnung vorausgegangen waren ein Telefonat und ein persönliches Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), dessen genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Der Beklagte zu 2) war seinerzeit für die P. & K. Finanzdienstleistungen GmbH & Co. KG (im Folgenden: P.) tätig, deren Gesellschafter er war. Die Beklagte zu 1) hat im Jahr 2008 den Geschäftsbetrieb des liquidierten Unternehmens P. übernommen. Hierauf wurden die Kunden unter anderem mit einem Flyer (Anlage K 7) und einem Rundschreiben (K 8) hingewiesen.

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Die Beklagten zu 4) bis 6) sind Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft.

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Der Kläger erhielt Ausschüttungen in Höhe von 34 %, von denen er 12 % an die Treuhänderin zurückzahlte.

6

Der Kläger stellte bei der Öffentlichen Rechtsauskunfts- und Vergleichstelle der Freien und Hansestadt Hamburg (ÖRA) einen Güteverfahrensantrag, wofür diese ihm 450,00 € in Rechnung stellte.

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Der Kläger trägt vor, der Emissionsprospekt habe ihm nicht so rechtzeitig vor der Zeichnung vorgelegen, dass er ihn hätte vollumfänglich zur Kenntnis nehmen können. Der Beklagte zu 2) sei jedoch auf der Grundlage des Prospekts geschult worden, weshalb dessen Inhalt in das Beratungsgespräch vor Zeichnung Eingang gefunden habe. Der Kläger habe den Beklagten zu 2) explizit darauf hingewiesen, dass er eine Altersrente von nur 300,00 € zu erwarten habe und die Beteiligung einzig und allein wegen seiner Altersvorsorge abschließen wolle. Der Beklagte zu 2) habe geäußert, dass er - der Beklagte - selbst an dem Schiffsfonds beteiligt sei und er aufgrund seines Insiderwissens die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, wenn sie auch nur mit dem Ansatz eines Risikos behaftet wäre. Auf Risiken habe er nicht hingewiesen. Der Kläger meint, der Prospekt weise eine Reihe von Fehlern auf. Insbesondere verharmlose er das Risiko des Totalverlusts des eingesetzten Kapitals, weise auf die eingeschränkte Fungibilität und die Möglichkeit der Nachhaftung der Kommanditisten nicht hin. Weiter fänden sich in dem Prospekt unterschiedliche und daher irreführende Angaben zu den Gründungs-, Anlauf und Platzierungskosten. Über das Währungsrisiko werde ebenso wenig hinreichend aufgeklärt wie über personelle und kapitalmäßige Verflechtungen und Sondervorteile (Vorabzahlungen) zugunsten der Beklagten zu 2) und 3). Die in dem Prospekt enthaltenen Prognosen seien nicht ausreichend auf Tatsache gestützt. Die Beklagte zu 1) hafte ihr aufgrund Rechtsnachfolge nach P.. Die Beklagten zu 2) und 6) hafteten dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung und der Beklagte zu 2) zudem im Hinblick auf sein wirtschaftliches Eigeninteresse und das von ihm in Anspruch genommene besondere persönliche Vertrauen zudem aus culpa in contrahendo. Schließlich behauptet der Kläger, er habe aufgrund des Güteantrags der ÖRA 450,00 € zahlen müssen.

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Der Kläger beantragt nach Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 3) noch:

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1. Die Beklagten zu 1) und 2) und zu 4) bis 6) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 79.500,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 11.11.2013 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der Gesellschaftsbeteiligung des Klägers an der Schiffahrts-Gesellschaft „H. L.“ mbH & Co. KG gemäß Zeichnungsschein vom 16.09.2003 mit einer Beteiligungssumme in Höhe von 100.000 € zuzüglich 1,5 % Agio.

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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) und zu 4) bis 6) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die über die unter Ziffer 1 bezifferten Schäden hinausgehen und in der Zeichnung der Beteiligung der Klägerin an der Schiffahrts-Gesellschaft „H. L.“ mbH & Co. KG vom 16.09.2003 ihre Ursachen haben.

11

3. Die Beklagten zu 1) und 2) und zu 4) bis 6) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 450,00 (Güteverfahrenskosten) zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

12

4. Die Beklagten zu 1) und 2) und zu 4) bis 6) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 2.706,66 (außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Sie behaupten, der hier streitgegenständliche Prospekt habe zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) noch gar nicht existiert. Die Beklagten meinen, Prospektfehler lägen nicht vor; zudem sei es dem Kläger auf die behaupteten Fehler bei seiner Anlageentscheidung auch gar nicht angekommen. Außerdem erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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Die Kammer hat den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.1.2016 verwiesen. Auf die Vernehmung des geladenen Zeugen W. hat der Kläger anschließend verzichtet, so dass der Zeuge unvernommen entlassen worden ist.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche einschließlich der Feststellung der Haftung für künftige Schäden (Antrag zu 2.) gegen die Beklagten, gegen die die Klage nach der Teilrücknahme noch in der Hauptsache anhängig ist, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

19

a) Die Beklagten zu 4) bis 6) haften der Klägerin weder auf vertraglicher noch aus deliktsrechtlicher Grundlage.

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aa) Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne stehen dem Kläger nicht zu. Die Beklagten waren zwar als Gründungsgesellschafter verpflichtet, später beitretende Gesellschafter vor deren Beitritt zu der Fondsgesellschaft zutreffend über alle für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären (§§ 311, 280 BGB), wobei sie sich auch eine nicht anlagegerechte Beratung durch den Beklagten zu 2) hätten zurechnen lassen müssen (§ 278 BGB). Dies gilt auch für nur mittelbar beteiligte Anleger wie den Kläger, denn diese sind durch den Gesellschafts- und den Treuhandvertrag den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern wirtschaftlich gleichgestellt (vgl. § 9 Nr. 4 GesV; § 4 THV). Allerdings ist steht nicht fest, dass die Beklagten diese Pflicht im vorliegenden Fall verletzt hätten.

21

(1) Der Prospekt ist dem Kläger im vorliegenden Fall rechtzeitig übergeben worden, so dass die Beklagten mithilfe des Prospekts ihrer Aufklärungspflicht genügen konnten (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.2014, III ZR 389/12, juris Rn. 9 m.w.N.). Der Kläger hat sein schriftsätzliches Vorbringen, wonach ihm der Prospekt nicht rechtzeitig vor der Zeichnung übergeben worden sei, im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO dahingehend konkretisiert, dass ihm der Prospekt mit dem Zeichnungsschein am Tag der Zeichnung per Post zugegangen sei. Damit lag ihm der Prospekt rechtzeitig vor. Eine rechtzeitige Prospektübergabe ist dann gegeben, wenn der Prospekt zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt wird, zu dem sein Inhalt noch vor Zeichnung zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2005, II ZR 140/03, juris Rn. 39). Dies ist bei einer postalischen Übersendung des Prospekts zusammen mit dem Zeichnungsschein der Fall. Denn wird dem Anlageinteressenten der Prospekt nach Hause übermittelt, damit er die (bereits vorbesprochene) Beteiligung zeichnen kann, so liegt es in der Regel allein bei ihm, ob und wie eingehend er den Prospekt vor der Zeichnung studiert und wie viel Zeit er sich bis zu seiner Anlageentscheidung lässt. Die unter anderem die Gründungsgesellschafter der Emittentin treffende Aufklärungspflicht ist bereits dann erfüllt, wenn der Anlageinteressent sich aus einem Prospekt entsprechenden Inhalts über sämtliche maßgeblichen Umstände informieren kann. Ob er dies tut oder von der ihm eröffneten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, obliegt seiner freien Entscheidung und ist daher für die Prospekthaftung der Aufklärungspflichtigen ohne Belang. Da der Kläger im Streitfall auch keine Umstände vorgetragen hat, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, insbesondere nicht dargelegt hat, dass und weshalb er gezwungen gewesen sei, die Zeichnung sofort vorzunehmen, sich also nicht mehr Zeit zu einer umfassenderen Lektüre hätte nehmen können, ist seine Rüge, den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten zu haben, nicht berechtigt.

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(2) Lag der Prospekt dem Kläger aber rechtzeitig vor Zeichnung vor, war er über sämtliche erheblichen Umstände der Anlage aufgeklärt. Der Prospekt weist die vom Kläger geltend gemachten Fehler nicht auf.

23

(a) Auf das Risiko des (Total-)Verlusts des eingesetzten Kapitals wird in dem Prospekt hinreichend deutlich hingewiesen. Bereits auf S. 10, im Abschnitt, der Chancen und Risiken der Anlage im Überblick darstellt, heißt es unter der (fett gedruckten) Überschrift „Unternehmerrisiko“: „Bei einem unerwartet negativen wirtschaftlichen Verlauf der Investition, der eine Fortführung der Gesellschaft nicht gestattet, kann der Anleger seine Einlage verlieren.“ Auf S. 38 wird dieses Risiko näher konkretisiert, indem ausgeführt wird, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Anlage von verschiedenen externen und internen Einflüssen abhänge, darunter die Bonität von Vertragspartnern. Soweit der Kläger dem Prospekt eine Verharmlosung dieser Risiken vorwirft, weil an verschiedenen Stellen Gewinne als sicher dargestellt würden, verkennt er, dass die Frage, ob ein Prospekt fehlerhaft ist, stets nach dem Gesamtbild des Prospekts und nicht anhand einzelner für sich genommen womöglich missverstehbarer Angaben zu beantworten ist (vgl. BGH, MDR 2012, 924 m.w.N.). Ein Anleger, der nicht nur die Angaben zu den Renditeerwartungen, sondern auch die soeben wiedergegebenen Risikohinweise mit der gebotenen Sorgfalt zur Kenntnis genommen hat, kann die vom Kläger zitierten Stellen aber gerade nicht als das Versprechen eines gesicherten positiven Verlaufs der Anlage verstehen. Dass der Prospekt den zu erwartenden Anlageerfolg trotz der angegebenen Risiken insgesamt optimistisch beurteilt, liegt in der Natur der Sache und ist für sich genommen nicht zu beanstanden.

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(b) Ebenfalls auf den Seiten 10 und 38 informiert der Prospekt ausreichend darüber, dass die Beteiligung nur eingeschränkt fungibel ist, weil ein geregelter Zweitmarkt nicht besteht. Nähere Ausführungen zu dem Zweitmarkt finden sich zudem auf S. 21. Soweit der Kläger beanstandet, dass dort der Eindruck erweckt werde, die Beteiligung könne bei Bedarf jederzeit veräußert werden, stehen dem zum einen die soeben wiedergegebenen Risikohinweise entgegen, die das Gegenteil besagen. Im Übrigen vermag die Kammer den Ausführungen über den Zweitmarkt auf S. 21 auch für sich genommen nicht den Aussagegehalt zu entnehmen, den der Kläger ihr beimessen will. Dass es dort heißt, dass „dieser“ Verkauf über die AGR organisiert werde, deutet für einen aufmerksamen Leser schon deshalb nicht darauf hin, dass die Verkäufe stets Erfolg hätten, weil am Ende der Spalte ausdrücklich mitgeteilt wird, dass bisher „nahezu“ alle an die AGR gerichteten Verkaufswünsche hätten umgesetzt werden können.

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(c) Auch die Prospektangaben über die weichen Kosten sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der behauptete Widerspruch zwischen den auf S. 22 einerseits und S. 32 andererseits mitgeteilten Zahlen nicht vor. Dass die auf S. 22 mit 2.160.000,00 € ausgewiesene Vermittlungsprovision für das Zeichnungskapital niedriger liegt als die auf S. 32 mit 3.960.000,00 € ausgewiesenen Platzierungskosten, liegt, wie sich jedem sorgfältigen Anleger ohne weiteres erschließen wird, schlicht daran, dass diese sich nicht in jenen erschöpfen, sondern noch weitere Kostenpositionen umfassen.

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(d) Das Währungsrisiko wird auf S. 34 des Prospekts ausführlich und anhand von Beispielsrechnungen dargestellt und erläutert. Welche Fragen hier offenbleiben, legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar.

27

(e) Die personellen und kapitalmäßigen Verflechtungen werden in dem Prospekt ausreichend dargestellt. Den Seiten 40 und 41 kann der Anlageinteressent insbesondere entnehmen, in welchen Funktionen der Beklagte zu 3) an den verschiedenen Gesellschaften beteiligt ist. Eines zusätzlichen Hinweises auf hiermit verbundene Risiken bedarf es nicht. Dass aus den Verflechtungen Interessenkonflikte resultieren könnten, auf die ein aufmerksamer Anleger nicht ohne weiteres aus den mitgeteilten Informationen schließen kann und wird, legt der Kläger nicht dar.

28

(f) Auch der Angriff des Klägers gegen die im Prospekt enthaltenen prognostischen Betrachtungen bleibt ohne Erfolg. Nach der vom Kläger selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, liegt ein erheblicher Prospektfehler bei Prognosen nicht schon dann vor, wenn sich diese im Verlauf der Beteiligung als unzutreffend erweisen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Prognosen bereits aus der ex-ante-Perspektive unvertretbar erscheinen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 17). Dies legt der für die behaupteten Prospektfehler darlegungs- und beweisbelastete Kläger aber nicht schlüssig dar. Seine Behauptung, dass sich bereits seit 2002 eine „erhebliche Überkapazität an Containerschiffen abzeichnete“ und die Aussichten keineswegs positiv gewesen seien, lässt jegliche tatsächliche Substanz vermissen und ist einer Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich. Der Sachverständige müsste zunächst den Tatsachenkern der Äußerung und sodann sämtliche Anknüpfungstatsachen ermitteln, um sie anschließen einer sachverständigen Bewertung unterziehen zu können. Das Beweisangebot ist also auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.

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(g) Schließlich verletzt der Prospekt auch nicht die Aufklärungspflicht der Gründungsgesellschafter über die ihnen gewährten Sondervorteile (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.10.1994, II ZR 95/93, juris, Rn. 9 f.; HansOLG, a.a.O.). Vielmehr kann dem im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag (dort § 13 Abs. 3), aus dem der Kläger seine mit der Klage vorgetragenen Informationen offenbar bezieht, entnommen werden, dass und in welchem Umfang den Altkommanditisten ein Gewinnvorab gewährt wird. Dass die Regelung kompliziert ist, liegt in der Natur der Sache, denn sie arbeitet mit bei Vertragsschluss noch unbekannten Größen, von denen die konkrete Höhe abhängen soll. Dies ändert aber nichts daran, dass der Abdruck der Vertragsklausel in dem Prospekt jeden Anleger, der die Frage des Sondervorteils für ein wesentliches Kriterium für seine Anlageentscheidung ansieht, in die Lage versetzt, die Höhe der zulasten der Fondsgesellschaft von den Überschüssen abzuziehenden Sonderzuwendungen einschätzen zu können.

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(3) Ein Verstoß gegen die vorvertraglichen Aufklärungspflichten der Beklagten liegt weiter auch nicht darin, dass der Beklagte zu 2) - den Beklagten zu 4) bis 6) zurechenbar (§ 278 BGB) - die Risikodarstellungen des Prospekts relativiert hätte. Die rechtzeitige Übergabe eines Prospekts ist zwar kein Freibrief, Risiken abweichend von dem Prospektinhalt darzustellen, namentlich sie im mündlichen Beratungsgespräch zu bagatellisieren (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2012, II ZR 69/12, juris Rn. 12). Soweit der Kläger allerdings behauptet, dass der Beklagte ihn mündlich über Risiken nicht aufgeklärt habe, kommt es hierauf schon aus Rechtsgründen nicht an; denn der Kläger war insoweit durch den Prospekt hinreichend aufgeklärt. Dass die Risiken, deren unterlassene mündliche Erwähnung der Kläger rügt, in dem Prospekt nicht hinreichend dargestellt worden seien, macht der Kläger entweder überhaupt nicht (so bzgl. der Rückzahlung von Ausschüttungen - insoweit klärt der Prospekt aber auch hinreichend auf, vgl. Anl. K 3, S. 29) oder zu Unrecht (s.o.) geltend. Soweit der Kläger hingegen auch eine aktive Verharmlosung der Anlagerisiken durch den Beklagten zu 2) behauptet, hat er den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht.

31

Der Kläger hat seinen schriftsätzlichen Vortrag, wonach der Beklagte zu 2) die Anlage als vollkommen risikolos dargestellt habe, in seiner persönlichen Anhörung schon nicht vollumfänglich bestätigt. So gab er an, dass über Risiken schon gesprochen worden sei, wenn auch nur am Rande; der Beklagte habe geäußert, dass es „eigentlich“ kein Risiko gebe. Zur Begründung habe der Beklagte darauf verwiesen, dass er die Treuhänderin kenne. Derartige Erklärungen des Aufklärungspflichtigen dürften schon nicht als pflichtwidrig anzusehen sein; denn sie sind jedenfalls nicht zwingend als eine - unzutreffende - Beschreibung des strukturellen, also rechtlichen Risikos der Anlage zu verstehen, sondern können auch eine bloße Bewertung der tatsächlichen Erfolgsaussichten der Anlage darstellen, die dem Anlagevermittler nicht generell verwehrt ist.

32

Allerdings braucht dies hier nicht vertieft zu werden, denn der Kläger hat seine von den Beklagten bestrittene Darstellung des Gesprächsinhalts auch nicht zu beweisen vermocht. Die Kammer sieht keinen Anlass, dem Kläger mehr Glauben zu schenken als den gegenläufigen Bekundungen des Beklagten zu 2), der ausdrücklich angegeben hat, die wesentlichen Risiken, namentlich Totalverlust-, Wechselkurs-, Schadens-, Zweitmarkt-, Nachhaftungs- und Charterausfallrisiko angesprochen und die Anlage insgesamt nicht als sicher und für die Altersversorgung geeignet angepriesen zu haben.

33

Gegen die Angaben des Klägers spricht insbesondere, dass es wenig lebensnah erscheint, dass er geglaubt haben könnte, eine Rendite von 11 % p.a. bei vollständiger Rückerstattung der Einlagesumme ohne ein korrelierendes Totalverlustrisiko, also bei einer altersvorsorgekonformen Sicherheit der Anlage, erwarten zu dürfen. Gerade bei einem Unternehmer wie dem Kläger liegt vielmehr wesentlich näher, dass ihm der Zusammenhang zwischen hohen Ertragserwartungen einerseits und geringerer Kapitalerhaltungssicherheit andererseits geläufig war. Als ebenso unwahrscheinlich sieht die Kammer es an, dass der Beklagte zu 2) die streitgegenständliche Anlage auf einen ausdrücklichen Wunsch des Klägers nach einer sicheren Altersversorgung hin empfohlen haben könnte. Denn die Kammer geht nach dem persönlichen Eindruck, den sie von dem Beklagten gewinnen konnte, davon aus, dass er den Charakter der Schiffsbeteiligung als einer relativ spekulativen Anlageform vollen Umfangs verstanden hat und auch bereits im Vermittlungszeitpunkt verstanden haben dürfte. Dies zugrunde gelegt, müsste er den Kläger aber (etwa im Interesse, eine höhere Provision zu erhalten) bewusst getäuscht haben. Diese Annahme liegt jedoch deshalb fern, weil der Beklagte zu 2) dann hätte befürchten müssen, dass der Kläger den ihm übersandten Prospekt liest, darin bereits bei oberflächlicher Lektüre auf die Darstellung von Risiken der Anlage stößt und den Beklagten zu 2) daraufhin einer Falschberatung, wenn nicht gar eines Täuschungsversuchs bezichtigen würde.

34

Auf den zunächst für den Inhalt des Beratungsgesprächs benannten Zeugen Ralf W. hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 5.1.2016 verzichtet, nachdem er zuvor klargestellt hatte, dass der Zeuge während des Beratungsgesprächs nicht zugegen gewesen sei. Seine erneute Berufung auf den Zeugen in dem nachgereichten Schriftsatz vom 26.1.2016 ist gem. § 296a ZPO unzulässig. Es handelt sich nicht um eine Stellungnahme auf eventuellen neuen Tatsachenvortrag im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 23.12.2015, für die allein dem Kläger gem. § 283 ZPO Schriftsatznachlass gewährt worden war.

35

bb) Soweit die Klägerin ihre Klageforderung gegen den Beklagten zu 6) darüber hinaus auf § 826 BGB stützen will, führt auch dies nach dem bisher Ausgeführten nicht zum Erfolg. Dass dem Beklagten zu 6) klar gewesen sei, dass die prospektierten Anlageziele von vornherein nicht hätten erreicht werden können und die Anleger durch die Beteiligung Schäden erleiden würden, behauptet der Kläger ohne jegliche Tatsachensubstanz ersichtlich ins Blaue hinein. Angesichts des oben zu den Prognosen des Prospekts Ausgeführten, kann seinem Vortrag schon nicht in hinreichend substantiierter Weise entnommen werden, inwiefern eine negative Entwicklung der Anlage ex ante überhaupt, d.h. objektiv absehbar war. Ebenso wenig legt er schlüssig dar, dass diese Kenntnis gerade bei dem Beklagten tatsächlich vorhanden gewesen sei, sondern zieht lediglich spekulative Schlüsse aus dessen Vorkenntnissen einerseits und einer angeblichen - ihrerseits nicht näher dargelegten - Überkapazität an Containerschiffen andererseits.

36

b) Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger auch nicht gegen die Beklagten zu 1) und 2) zu.

37

aa) Gegen die Beklagte zu 1) ist schon keine mögliche Anspruchsgrundlage ersichtlich. Vertragliche Ansprüche scheitern bereits daran, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) - unstreitig - nicht bestanden hat. Ein Finanzberatungs- oder -vermittlungsvertrag verband die Klägerin allenfalls mit P..

38

Deren Rechtsnachfolgerin ist die Beklagte zu 1) nicht geworden. Die Kammer vermag einen rechtlichen Gesichtspunkt, unter dem die Beklagte zu 1) für Schulden der P. einzustehen hätte, nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Soweit sich der Kläger auf § 25 HGB bezieht, scheitert dies ersichtlich daran, dass die Beklagte zu 1) einen völlig anderen Namen führt als P.. Gemeinsam ist beiden Unternehmensbezeichnungen allein die Angabe der Gesellschaftsform, was für die Annahme einer Firmenfortführung selbstverständlich nicht ausreichen kann. Auch ist ein Rechtsschein i.S.d. § 25 Abs. 3 HGB nicht begründet. Ein solcher könnte eine Haftung - wie ebenfalls nicht weiter erläuterungsbedürftig erscheint - nur dann begründen, wenn er sich gerade auf die Voraussetzungen einer ihrerseits eine Haftung begründenden Norm bezöge. Welche dies hier sein könnte, bleibt indes unklar. Zwar mag aus dem Schreiben K 8 und dem Flyer K 7 der Eindruck erweckt worden sein, dass die Beklagte zu 1) den Geschäftsbetrieb der P. fortführe. Diese - im Übrigen unstreitig zutreffende - Tatsache allein begründet eine Haftung des Fortführenden aber gerade nicht, solange nicht eine Fortführung der Firma hinzukommt.

39

Soweit in der Rechtsprechung angenommen worden ist, dass eine allgemeine, von § 25 HGB unabhängige Rechtsscheinhaftung in Betracht kommen könne, wenn der Anschein entsteht, dass zwei voneinander unabhängige Rechtssubjekte eine Einheit bilden, also identisch sind (vgl. BGH, NZG 2012, 916), führt auch dies im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu einer Haftung der Beklagten zu 1). Denn der Kläger hat auch einen solchen Eindruck nicht dargetan. Aus den Anlagen K 7 und K 8 ergibt sich gerade das Gegenteil, nämlich der Eindruck, dass P. zu existieren aufhöre und (nur) der Geschäftsbetrieb von der Beklagten übernommen werde.

40

bb) Auch gegen den Beklagten zu 2) kommen vertragliche Ansprüche nicht in Betracht. Einen mit dem Beklagten zu 2) persönlich geschlossenen Vertrag behauptet der Kläger nicht einmal. Der Beklagte zu 2) haftet aber auch nicht nach den Grundsätzen der Eigenhaftung eines Vertreters oder Verhandlungsgehilfen (vgl. Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 60 ff.). Die als Ausnahmefall eng zu deutenden Voraussetzungen einer Handelndeneigenhaftung sind vorliegend nicht erfüllt. Soweit er als Gesellschafter der P. ein eigenes Interesse am Gelingen von Geschäftsabschlüssen gehabt haben mag, handelt es sich nicht - wie erforderlich - um ein unmittelbares Eigeninteresse (vgl. nur Palandt, a.a.O., Rn. 65 m.w.N.). Auch die - im Übrigen nicht bewiesene - Behauptung des Klägers, wonach der Beklagte zu 2) ein eigenes „Insiderwissen“ ins Feld geführt habe, vermag eine Eigenhaftung nicht zu begründen. Denn bei einer solchen Äußerung handelt es sich nicht um eine Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens, sondern nur um einen Hinweis auf eine besondere eigene Sachkunde (vgl. zu derartigen Fällen a.a.O., Rn. 63 m.w.N.).

41

cc) Hinzu kommt hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2), dass auch ihrer Haftung, ebenso wie jener der Beklagten zu 3) bis 5) entgegensteht, dass die Klägerin den von ihr behaupteten Verlauf des Vermittlungs-/Beratungssachverhalts nicht hat beweisen können. Dies gilt auch für die geltend gemachte deliktische Haftung des Beklagten zu 2).

42

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2, 709 ZPO.

43

3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 48 GKG, 3 ZPO. Den Antrag zu 2. (Feststellungsantrag) bewertet die Kammer mit 80 % der dem Kläger verbliebenen Ausschüttungen.

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