Urteil vom Landgericht Hamburg (24. Große Strafkammer) - 624 KLs 9/19
Tenor
Der Angeklagte G. Z. wird wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von
4 (vier) Jahren
verurteilt.
Gegen den Angeklagten wird die Einziehung des durch die rechtswidrige Tat erlangten Erlöses in Form des bei ihm sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 8.835,- Euro sowie eines dem Wert der im Übrigen erlangten 667.837,57 Euro entsprechenden Betrages, insgesamt 676.672,57 Euro, angeordnet.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Angeklagte wird als Adhäsionsbeklagter verurteilt, an die P. C. S. G. GmbH als Adhäsionsklägerin Schadensersatz in Höhe von 72.000,00 (in Worten: zweiundsiebzigtausend) Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen.
Der Adhäsionsausspruch ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin trägt der Angeklagte als Adhäsionsbeklagter.
Angewendete Vorschriften:
Gründe
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(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I.
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Der 28 Jahre alte Angeklagte wurde ... 1990 in H. geboren. Er hat zwei Brüder und zwei Schwestern und wuchs bei seinen Eltern in H. auf. Seine Eltern stammen aus M., er besitzt jedoch etwa seit 2012 die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis zu seiner Verhaftung am 3. Mai 2019 wohnte der ledige und kinderlose Angeklagte in der elterlichen Wohnung. In einer Beziehung steht er derzeit nicht.
- 3
Der Angeklagte besuchte die Grundschule und anschließend die Hauptschule S., welche er 2006 mit dem Hauptschulabschluss verließ. Sodann besuchte er für ein Jahr die Gewerbeschule für I. und begann 2007 eine Ausbildung zum Maurer. Im Rahmen der Ausbildung besuchte er die Gewerbeschule für B.. Die Ausbildung schloss der Angeklagte 2010 mit dem Gesellenbrief ab. In der Folge war er zunächst bis 2013 als Wachmann im Sicherheitsgewerbe tätig und absolvierte zudem eine zweimonatige Weiterbildung für die Sachkundeprüfung gemäß § 34a GewO. Von April 2013 bis Mai 2015 arbeitete der Angeklagte als Gerüstbauer bei unterschiedlichen Gerüstbaufirmen, welche jeweils Bekannten und Verwandten gehörten. Im Jahr 2015 absolvierte er eine Weiterbildung im Bereich Waffensachkunde, war danach jedoch zunächst wieder bis 2017 im Gerüstbau tätig. Aufgrund von Schulterproblemen begann er im Februar 2017 mit einer beruflichen Neuorientierung und absolvierte eine Ausbildung im Bereich Luftsicherheit. Nachdem der Angeklagte im April 2018 als Luftsicherheitsmitarbeiter im Auftrag der B. kurzzeitig am Flughafen tätig war, begann er am 1. Mai 2018 eine Tätigkeit als Geldbote bei der geschädigten Firma P. C. S. G. GmbH (P.). Mittlerweile wurde die Anstellung wurde aufgrund der streitgegenständlichen Tat gekündigt. Er verdiente zuletzt zwischen 1.800,00 Euro und 2.100 Euro monatlich, abhängig von den monatlich geleisteten Diensten.
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Der Angeklagte hat Schulden aus einer Fahrzeugfinanzierung in Höhe von ca. 10.000,00 Euro; andere Schulden hat er nicht. Das finanzierte Fahrzeug, ein Smart Brabus, stellt sein einziges Vermögen dar.
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Probleme mit Alkohol oder Drogen hat der Angeklagte nicht.
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Der Angeklagte wurde am 3. Mai 2019 in dieser Sache festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Lübeck vom 4. Mai 2019 (Az.: 161 Gs 66/19, 167 Gs 694/19 AG Hamburg) in der Fassung der Haftfortdauerentscheidung der Kammer vom 5. September 2019 in Untersuchungshaft, zunächst in der Untersuchungshaftanstalt L., dann in der Untersuchungshaftanstalt H..
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Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang noch nicht Erscheinung getreten.
II.
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Am 3. Mai 2019 entnahm der als Geldbote für die Werttransportfirma P. tätige Angeklagte entsprechend einem mit einem oder mehreren Mittätern gefassten Tatplan Bargeld in Höhe von 676.672,57 Euro aus einem von einem gutgläubigen Fahrer geführten Geldtransporter, welches er am Tattag in einer Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften abgeholt hatte und übergab es an mindestens einem unbekannten Ort an den oder die Mittäter. Hierbei trug er seine schussbereite Dienstwaffe am Gürtel und verfügte zudem zugriffsbereit im Werttransportraum des Fahrzeugs über ein Cuttermesser.
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Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen:
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1. Sicherheitsvorkehrungen bei der Fa. P.
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Die Firma P. betreibt ein Werttransportunternehmen mit einer Niederlassung in H.- B.. Von hier aus werden u.a. Werttransporte in und um Hamburg durchgeführt, um die Bareinnahmen verschiedener Einzelhandelsunternehmen zu „entsorgen“ und sie mit Wechselgeld zu versorgen. Die Touren werden durch einen Fahrer und einen Beifahrer, welcher als Geldbote fungiert, durchgeführt.
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Der Angeklagte arbeitete seit dem 1. Mai 2018 als Geldbote bzw. Fahrer bei P.. Er war bereits längere Zeit vor der Tat regelmäßig auf einer Geldtransporttour in und um L. eingesetzt. Hierbei nutzte er gemeinsam mit seinem Stammfahrer, dem Zeugen A. S., in der Regel das gepanzerte Geldtransportfahrzeug Mercedes-Benz-Sprinter mit dem amtlichen Kennzeichen ... . Dieses verfügt über einen Fahrerbereich, eine Schleuse und einen Werteraum. Sobald das Fahrzeug die Niederlassung verlässt, wird – gesteuert durch ein GPS-Signal – ein gesicherter Fahrzeugmodus eingeschaltet. In diesem dienen die Beifahrer- und die Fahrertür nur noch als Notausgänge; bei einer Öffnung wird ein akustischer Alarm ausgelöst. Die Besatzung verlässt und betritt den Fahrerraum dann nur noch über die seitliche Außenschiebetür und eine zwischen dieser und dem Werteraum befindliche Schleuse. Die Fahrerraumtür lässt sich sowohl durch einen Knopfdruck im Display des Fahrerraums als auch durch einen neben der Tür im Fahrerraum angebrachten Hebel öffnen. Sobald der Bote vom Fahrerraum aus die Schleuse betreten hat und die Fahrerraumtür geschlossen ist, kann der Fahrer durch einen Knopfdruck im Display die Außenschiebetür entriegeln und öffnen. In den Werteraum kann man im gesicherten Modus allein durch die Schleuse gelangen. Dies ist nur möglich, wenn sowohl Außenschiebetür als auch Fahrerraumtür geschlossen sind und setzt ein Zusammenwirken von Fahrer und Bote voraus: Der in der Schleuse befindliche Bote hält einen von ihm verplombt am Handgelenk getragenen Transponder an ein Lesefeld vor der Werteraumtür. Dies wird auf einem Display im Fahrerraum angezeigt. Der Fahrer hat sodann einige Sekunden Zeit, um durch Knopfdruck die Werteraumtür zu entriegeln. Sobald die Tür entriegelt ist, kann der Bote die Tür manuell mittels eines Hebels öffnen. Ohne Mitwirkung des Fahrers kann mithin weder der Werteraum noch die Außenschiebetür geöffnet werden.
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Die Hecktüren des Fahrzeuges können von der Besatzung im gesicherten Modus gar nicht geöffnet werden, da diese neben dem standartmäßig eingebauten Schloss der zentralen Schließanlage des Fahrzeuges mit einem Elektroschloss gesichert sind, das sich nur öffnet, wenn sich das Fahrzeug zum Be- und Entladen in der Niederlassung befindet, wo es GPS-gesteuert automatisch in den ungesicherten Modus geschaltet wird.
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Der Geldtransporter verfügt über einen GPS-Sender, welcher den Standort des Fahrzeugs und die Öffnungs- und Schließvorgänge der Türen zwischen Fahrerraum und Schleuse, Schleuse und Werteraum sowie der Außenschiebetür übermittelt. In der Niederlassung wird einem Mitarbeiter auf einem Bildschirm eine Landkarte mit allen aktuellen Standorten der im Einsatz befindlichen Fahrzeuge angezeigt. Ständig überwacht wird diese Anzeige aber nicht. Es besteht auch keine permanente Funkverbindung zum Transportfahrzeug. Die Besatzung ist lediglich durch ein Diensthandy erreichbar, wobei Standortabfragen durch die Einsatzzentrale im Regelfall nicht erfolgen. Die Reihenfolge der jeweiligen Stopps einer Werttransporttour wird von P. nicht vorgegeben; die Planung einer sinnvollen Reihenfolge ist den Besatzungen der Fahrzeuge überlassen.
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Der Werttransport zu und von den Geschäften wird durch den Boten alleine durchgeführt. Dem Boten stehen für den Transport eine Sackkarre, Postkisten und ein Sicherungstransportkoffer zur Verfügung. Die Versorgung von Kunden mit Hartgeld wird von den Boten in einer Postkiste vorgenommen. Entgegengenommenes Bargeld, welches sich immer in verschlossenen und mit Barcode versehenen durchsichtigen Plastiktüten, sog. „Safebags“ befindet, wird in dem Sicherungstransportkoffer zum Fahrzeug zurücktransportiert. Der Sicherungstransportkoffer ist ein Transportkoffer mit einem Sicherungssystem. Der Bote schaltet den Koffer nach Einlegen der Safebags in den Geschäften scharf, indem er entweder einen entsprechenden Knopf betätigt oder – wenn er den Koffer nicht tragen, sondern auf einer Sackkarre transportieren will – einen am Gürtel befestigten Stecker in den Sicherheitskoffer steckt. Im Moment der Aktivierung des Sicherheitssystems ertönt ein akustisches Signal in Form eines Pieptons und der Verschlusszustand wird durch Umschalten eines grünen auf ein rotes Licht angezeigt. Im gesicherten Modus ist eine Öffnung des Koffers nur noch mittels einer im Werteraum fest angebrachten aber – für den Fall einer Versorgung mit Scheingeld oder der Entsorgung der Einnahmen mehrerer Geschäfte in Folge – auch bei vielen Kunden hinterlegten Transponderkarte möglich. Bei dem Versuch ein gesichertes Gerät ohne die entsprechende Chipkarte zu öffnen, würden ein akustischer Alarm ertönen, LEDs an dem Koffer zu blinken beginnen, Heizdrähte im Inneren des Koffers das Plastik der Safebags zum Schmelzen bringen und Farbe zur Markierung der Scheine im Koffer ausgestoßen werden.
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2. Planung der Tat
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Längere Zeit vor der Tat, spätestens jedoch einige Tage vor dem 3. Mai 2019, fasste der Angeklagte gemeinsam mit mindestens einem unbekannt gebliebenen Mittäter den Plan, auf einer der nächsten in und um L. durchzuführenden Geldtransportfahrten einen erheblichen Teil des von ihm als Bote abgeholten und in den Werteraum des Fahrzeuges verbrachten Bargeldes von dem Fahrer unbemerkt wieder aus diesem zu entnehmen und an mindestens einem Ort, spätestens bei dem Kunden R. R. an den oder die Mittäter zu übergeben. Konkret sollte der Angeklagte das Geld in der von ihm zusammen mit dem Werttransportkoffer auf einer Sackkarre mitgeführten, mit einem Deckel verschlossenen gelben Postkiste aus dem Geldtransporter schaffen. Ob die Orte, an denen das Geld an den bzw. die Mittäter übergeben werden sollte, bereits vorab abgesprochen oder erst im Laufe der Transportfahrt vereinbart wurden, konnte nicht festgestellt werden. Bei Ausführung der Tat wollte der Angeklagte – möglicherweise auch ohne Wissen des bzw. der Mittäter – einen ihm von der Fa. P. als Dienstwaffe überlassenen und mit fünf Schuss Munition Cal. 38 geladenen Revolver Taurus an einem Gürtel bei sich führen. Nach dem Tatplan sollte der Angeklagte in Abhängigkeit von seinem Dienstplan und möglicherweise weiteren begünstigenden Umständen den Tattag bestimmen und dies dem oder den Mittätern mitteilen. Die Übergabeorte sollten sodann über ein von dem Angeklagten zu diesem Zweck angeschafftes Mobiltelefon im Laufe der Geldtransportfahrt über Kurznachrichten kommuniziert werden. Gegenstand des Tatplans war auch, dass der oder die Mittäter den Anteil des Angeklagten an der Tatbeute – welcher mindestens die Hälfte ausmachen sollte – nach erfolgreicher Tatausführung für diesen verwahren würde bzw. würden, solange dieser sich auf der Flucht befinden oder gegebenenfalls eine Haftstrafe wegen der Tat verbüßen würde. Im Anschluss sollte dem Angeklagten sein Anteil zur eigenen Verwendung zur Verfügung gestellt werden, während der oder die Mittäter ihren Anteil für sich verwenden könnten.
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3. Tatentschluss
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Am Nachmittag des 2. Mai 2019 erfuhr der Angeklagte, der von der Einsatzleitung für die ganze Woche auf der L.er Tour eingeteilt war, dass er am nächsten Tag nicht mit dem Zeugen S., sondern mit dem Zeugen T., einem noch nicht lange bei P. tätigen Kollegen, eingesetzt werden würde. Da er annahm, dass er als der erfahrenere Kollege nicht nur als Bote tätig werden, sondern auch den Fahrplan ausarbeiten würde und den Fahrer zu einem außerplanmäßigen Halt veranlassen könnte, den er zur Flucht nutzen wollte, entschloss er sich, den Plan nun in die Tat umzusetzen. Er informierte den oder die Mittäter und traf selbst letzte Vorbereitungen. So legte er in den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2019 eine bereits im Oktober 2018 zu diesem Zweck von ihm erworbene und unter Angabe falscher Personalien registrierte Prepaidkarte des Providers L. Mobile mit der Telefonnummer ... in das von ihm zu einem unbekannten Zeitpunkt zur Tatausführung beschaffte Mobiltelefon IPhone 7 mit der IMEI-Nr. ... und richtete dieses gebrauchsfertig ein. Zudem beschaffte er sich spätestens jetzt die Telefonnummer eines bekannten Strafverteidigers, des Rechtsanwalts B., um diesen nach der Tat konsultieren zu können.
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4. Tatgeschehen
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Am Morgen des 3. Mai 2019 begab sich der Angeklagte in seiner Dienstuniform, bestehend aus Hose, Langarmshirt und Jacke zur Niederlassung von P. an der R. B. ... in H.- B. und erschien dort wie üblich um kurz vor 7:00 Uhr. Unter seiner Dienstuniform trug er bereits zu diesem Zeitpunkt eine Jogginghose und einen Pullover, um sich der Uniform nach der Tat entledigen und sich unerkannt vom Tatort entfernen zu können. Überdies führte er ein Cutter-Messer mit sich, um, entsprechend dem von ihm gefassten Tatplan, vom Fahrer unbemerkt im Werteraum die von ihm abgeholten Safebags aufzuschneiden und die Luft aus diesen herauszudrücken, und das Geld so ohne zeitlichen Verzug platzsparend in der zum Abtransport der Beute bereitgestellten Postkiste verstauen zu können.
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In der Niederlassung erfuhr der Angeklagte überraschend, dass sich der Zeuge T. in der Nacht krankgemeldet hatte und er mit einem anderen Fahrer, dem Zeugen B. B1, fahren würde. Als er hörte, dass der Zeuge B1 – der in Privatkleidung erschienen war – erst den zweiten Tag bei P. tätig war, bestärkte ihn dies in seinem Beschluss, die Tat an diesem Tag auszuführen, da für ihn klar war, dass er als Bote Zugriff auf das Geld haben würde und der Zeuge B1 sich hinsichtlich der Fahrtroute nach seinen Anweisungen richten würde.
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Der Angeklagte übernahm die Liste der anzufahrenden Kunden, die Fahrzeugschlüssel für das Geldtransportfahrzeug ... , die Schlüssel für die Tresore der Kunden, einen Gürtel mit seiner Dienstwaffe nebst Munition, einem Scanner mit Drucker zur Registrierung der entgegengenommenen Safebags, einen Sicherheitstransportkoffer sowie den Transponder zum Öffnen der Wertraumtür des Fahrzeugs und wartete auf die Ankunft des neuen Kollegen. Währenddessen nahm er bereits die Planung der Tour dergestalt vor, dass er die Reihenfolge der Halte in den Tourenplan eintrug. Nachdem der Zeuge B1 erschien, beluden beide ab 7:31 Uhr in der sog. Schleuse, einem gesicherten Bereich der Niederlassung, den Geldtransporter mit Wechselgeld zur Versorgung der Geschäfte.
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Beide bestiegen sodann das Fahrzeug. Der Angeklagte legte seinen Arbeitsgürtel mit Scanner und Belegdrucker sowie der mit fünf Patronen schussbereit geladenen Dienstwaffe an. Kurz vor 8:00 Uhr verließen der Angeklagte und der Zeuge B1 die Niederlassung und machten sich auf den Weg nach L.. Mit Verlassen der Niederlassung wechselte das Fahrzeug automatisch in den gesicherten Modus. Der Angeklagte gab dem Zeugen B1 die anzufahrenden Adressen vor, die dieser in der vom Angeklagten angegebenen Reihenfolge in sein Navigationssystem eingab und anfuhr. In den jeweiligen Geschäften legte der Angeklagte die ihm übergebenen Safebags in den Sicherungstransportkoffer, den er in den meisten Fällen auf einer Sackkarre in die Geschäfte schob. Nahm der Angeklagte eine Versorgung der Geschäfte mit Hartgeld vor, nutzte er hierzu eine Postkiste mit Deckel, welche er unter den Sicherungstransportkoffer auf die Sackkarre stellte. Nach jedem Kunden verriegelte der Angeklagte den Transportkoffer wieder und brachte das entgegengenommene Bargeld in den Safebags in das Geldtransportfahrzeug.
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Im Verlauf der Tour kommunizierte der Angeklagte unter im Einzelnen ungeklärten Umständen mit seinem Handy mit dem oder den Mittätern. Jedes Mal, wenn er Geld von Kunden abgeholt hatte – zuletzt bei der Fa. R. R. – schnitt er die Safebags im Werteraum mit dem Cuttermesser auf und drückte die Luft heraus, um diese möglichst platzsparend in einer gelben Postkiste verstauen zu können. Bei mindestens zwei Stopps verbrachte er Postkisten mit Bargeld aus dem Fahrzeug, um sie entsprechend einer zuvor getroffenen Absprache an den oder die Mittäter zu übergeben. Nicht festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte jeweils die ganze Postkiste übergab – und ggf. im Gegenzug eine andere Postkiste entgegennahm – oder ob er lediglich das Bargeld übergab. Ebenfalls nicht festgestellt werden konnte, ob er auch den Sicherheitstransportkoffer – ggf. auf dem Weg zu den Kunden und bevor dieser scharfgeschaltet war – zum Transport des Geldes benutzte. Für eine Beteiligung des Fahrers des Geldtransporters gab es keine Hinweise. Ebenfalls keinen Anhaltspunkt gab es dafür, dass Mitarbeiter von Kunden der Fa. P. an der Tat beteiligt gewesen wären, so dass eine Übergabe der Beute anlässlich einer Geldabholung nicht in Betracht gezogen wird. Die Kammer geht letztlich davon aus, dass die Geldübergaben in einem unbeobachteten Moment auf dem Weg von dem Geldtransporter zu den Kunden erfolgt sind. Da für eine Übergabe nicht viel Zeit erforderlich ist und keiner der Botengänge lückenlos nachvollzogen werden konnte, kommt hierfür nach Überzeugung der Kammer jeder Haltepunkt in Frage. Eine Ausnahme gilt lediglich für den ersten Haltepunkt, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Kundengelder abgeholt worden waren und der Rücktransport in einem gesicherten Koffer erfolgte, und die letzten drei Haltepunkte, da hier keine Versorgung der Kunden mit Bargeld unter Verwendung einer Postkiste stattfand bzw. der Weg des Angeklagten zurück zum Geldtransporter lückenlos nachvollzogen werden konnte.
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Im Einzelnen suchte der Angeklagte insgesamt 41 Kunden auf und verbrachte dabei Safebags mit einem Gesamtinhalt von 699.977,76 Euro Bargeld in den Werteraum des Geldtransporters, die er – soweit nicht anders festgestellt – später wieder entnahm und damit einen Taterlös von 676.672,57 Euro erzielte:
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1. Kurz vor 9.00 Uhr erreichte der Transporter die A. GmbH in der F. Allee... in L.. Dort nahm der Angeklagte drei Safebags (Nr.... ,... ,... ) mit insgesamt 23.790,00 Euro entgegen und quittierte die Entgegennahme um 08:57:50 Uhr.
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2. Kurz nach 9.00 Uhr erreichte der Geldtransporter die R. B. GmbH, A. d. W. ... in B. S. und nahm dort einen Safebag (Nr.... ) mit 1131,63 Euro entgegen. Er quittierte die Übernahme um 09:14:55 Uhr.
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3. Gegen 9.20 Uhr erreichte der Geldtransporter die S. H. GmbH, L. Straße... in B. S. und der Angeklagte übernahm dort einen Safebag (Nr.... ) mit 2.250,00 Euro. Die Übernahme quittierte er um 09:24:06 Uhr.
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4. Gegen 9.30 Uhr kam das Geldtransportfahrzeug bei der S.er W. GmbH, L. Straße... in Bad S. an und übernahm dort einen Safebag (Nr.... ) mit 8.500,00 Euro. Die Übernahme erfolgte um 09:31:24 Uhr.
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5. Kurz nach 9.30 Uhr erreichten sie die D. R. GmbH, M. ... in B. S.. Der Angeklagte übernahm dort um 09:39:57 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 12.970,00 Euro. Er übergab zudem 4.240,00 Euro an Hartgeld im Rahmen der Geldversorgung.
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6. Gegen 9.50 Uhr erreichten sie die A. GmbH im E. Ring... in B. S.. Um 09:51:54 Uhr übernahm der Angeklagte einen Safebag (Nr.... ) mit 46.465,00 Euro und quittierte die Übernahme.
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7. Gegen 10.00 Uhr erreichte der Transporter E. M. (E. AG), E. Ring... in B. S. und der Angeklagte übernahm hier um 10:03:10 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 27.420,00 Euro.
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Gegen 10.10 Uhr übernahm der Angeklagte bei der D. B. GmbH, E. Ring... in B. S. sechs Safebags (... ,... ,... ,... ,... ,... ) mit insgesamt 4.780,45 Euro und brachte diese zum Auto, wo sie bis zum Ende verblieben und später aufgefunden wurden.
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8. Gegen 10.40 Uhr erreichte der Geldtransporter die... M.- D. AG, A. D. ... in L. und der Angeklagte übernahm hier um 10:43:08 Uhr 15 Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ) mit insgesamt Euro 31.550,00 Euro. Lediglich 4 dieser Safebags mit insgesamt 7.480,00 Euro fanden sich später im Fahrzeug. 11 Safebags mit insgesamt 24.070,00 Euro blieben verschwunden.
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9. Gegen 10.50 Uhr erreichte der Geldtransporter die D. B. GmbH, N. Str. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 10:53:03 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 5.460,00 Euro.
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10. Kurz vor 11.00 Uhr erreichte der Transporter E. P. (E. AG), N. Str. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 10:58:30 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit insgesamt 13.230,00 Euro.
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11. Kurz nach 11.00 Uhr erreichte der Transporter die A. GmbH, N. Str. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 11:06:25 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit insgesamt 42.010,00 Euro.
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12. Gegen 11.20 Uhr erreichte der Transporter das M. S., T. Allee... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 11:26:09 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit insgesamt 2.393,42 Euro.
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13. Gegen 11.30 Uhr erreichte der Transporter die B. GmbH (G. T.), V. ... in L.. Der Angeklagte übergab dort zur Versorgung 3.260,00 Euro um 11:32:22 Uhr an die B. GmbH und übernahm um 11:36:10 Uhr fünf Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ,... ) mit insgesamt 49.536,82 Euro.
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14. Gegen 11.40 Uhr erreichte der Transporter E. P. (E. AG), V. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 11:45:48 Uhr drei Safebags (Nr.... ,... ,... ) mit insgesamt 14.745,00 Euro.
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15. Gegen 11.50 Uhr erreichte der Transporter das Kaufhaus M. S., K. Str. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 11:51:56 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 2.000,00 Euro.
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Kurz danach erreichte der Geldtransporter W. T., R. ... in L.. Dieses Geschäft hatte wegen Urlaub geschlossen, sodass der Angeklagte und B. B1 nur kurz anhielten und sodann weiterfuhren.
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Der Angeklagte und der Zeuge B1 setzten mit dem Geldtransportfahrzeug in T. mit der Fähre auf den P. über.
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16. Gegen 12.10 Uhr erreichte der Transporter auf dem P. E. J. (E. AG), M. Landstraße... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 12:19:43 Uhr vier Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ) mit insgesamt 24.125,00 Euro.
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Um 12:20:43 Uhr übernahm der Angeklagte bei der E. AG (Lotto), M. Landstraße... in L. 5 Safebags mit insgesamt 383,70 Euro und brachte diese zum Geldtransportfahrzeug, wo sie bis zum Ende verblieben und später aufgefunden wurden.
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Der Angeklagte und der Zeuge B1 fuhren im Anschluss mit der Fähre zurück.
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17. Gegen 12.40 Uhr erreichte der Transporter die S. AG, Auf dem B. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 12:42:51 Uhr einen Safebags (Nr.... ) mit 739,08 Euro.
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18. Gegen 12.50 Uhr erreichte der Transporter die G. H. GmbH, G. Weg... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 12:51:35 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit insgesamt 4.600,00 Euro.
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19. Gegen 13.00 Uhr erreichte der Transporter die A. GmbH, S. Str. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 13:13:03 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 62.160,00 Euro.
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20. Gegen 13.20 Uhr erreichte der Transporter die R. S. N., K. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 13:27:37 Uhr acht Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ,... ) mit insgesamt 87.280,00 Euro.
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21. Gegen 13.45 Uhr erreichte der Transporter S., S. M. GmbH, D. Landstraße... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 13:46:29 Uhr sechs Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ,... ,... ) mit insgesamt 18.756,65 Euro.
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22. Kurz danach erreichte der Transporter das L.-Einkaufszentrum in der D. Landstraße in L.. Hier übernahm der Angeklagte bei E. M. (E. AG), D. Landstraße... in L. um 13:57:40 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 15.810,00 Euro.
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Sodann übernahm der Angeklagte bei T. D. GmbH um 14:01:23 Uhr zwölf Safebags mit insgesamt 4.430,95 Euro und bei der T. G. GmbH&Co OH um 14:04:25 Uhr einen Safebags mit insgesamt 1.535,34 Euro. Diese Safebags verblieben in dem Geldtransportfahrzeug und konnten dort später aufgefunden werden.
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24. Ebenfalls im L.-Einkaufszentrum übernahm der Angeklagte bei der S. M. GmbH um 14:09:22 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit 2.973,06 Euro.
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23. Ebenfalls im L.-Einkaufszentrum übernahm der Angeklagte bei der i.. C. GmbH um 14:15:10 Uhr vier Safebags (Nr.... ,... ,... ,... ) mit 3.078,82 Euro. Lediglich einer dieser Safebags mit insgesamt 694,75 Euro fand sich später im Fahrzeug. Drei Safebags mit insgesamt 2.384,07 Euro blieben verschwunden.
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25. Kurz vor 14.30 Uhr erreichte der Transporter die J. V. GmbH, A. d. A. ... in S.. Der Angeklagte übernahm dort um 14:29:31 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 9.005,00 Euro.
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26. Gegen 14.40 Uhr erreichte der Transporter die A. GmbH&CoKG, R. Str. ... in R.. Der Angeklagte übernahm dort um 14:40:33 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 39.000,00 Euro.
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27. Kurz nach 15.00 Uhr erreichte der Transporter die D. R. GmbH, S.er Landstraße... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 15:07:05 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit insgesamt 20.050,00 Euro.
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28. Gegen 15.10 Uhr erreichte der Transporter die S. S. GmbH, S.er Landstraße... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 15:13:08 Uhr drei Safebags (Nr.... ,... ,... ) mit insgesamt 12.400,00 Euro. Lediglich einer dieser Safebags mit insgesamt 2.850,00 Euro fand sich später im Fahrzeug. Zwei Safebags mit insgesamt 9.550,00 Euro blieben verschwunden.
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29. Gegen 15.20 Uhr erreichte der Transporter die B. GmbH, B. d. L. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 15:33:17 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit insgesamt 33.740,00 Euro.
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30. Gegen 15.40 Uhr erreichte der Transporter die D. B. GmbH, B. d. L. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 15:47:37 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit insgesamt 11.280,00 Euro.
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31. Gegen 15.50 Uhr erreichte der Transporter die S. B. GmbH (H.), B. d. L. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 15:57:58 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 23.888,08 Euro.
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32. Gegen 16.00 Uhr erreichte der Transporter die R. R. GmbH, B. d. L. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 16:09:09 Uhr drei Safebags (Nr.... ,... ,... ) mit insgesamt 12.970,00 Euro. Lediglich einer dieser Safebags mit insgesamt 1.150,00 Euro fand sich später im Fahrzeug. Zwei Safebags mit insgesamt 11.820,00 Euro blieben verschwunden.
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33. Gegen 16.10 Uhr erreichte der Transporter die S. L. (B. K.), B. d. L. ... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 16:17:06 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 6.054,76 Euro.
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34. Gegen 16.20 Uhr erreichte der Transporter die G. H. GmbH, K. Allee... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 16:24:58 Uhr zwei Safebags (Nr.... ,... ) mit insgesamt 3.000,00 Euro.
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35. Gegen 16.30 Uhr erreichte der Transporter die C. B. GmbH, S. Straße... in L.. Der Angeklagte übernahm dort um 16:31:05 Uhr einen Safebag (Nr.... ) mit 14.485,00 Euro. Dieses Geld übergab der Angeklagte nicht mehr während der Tour, sondern nahm es beim Verlassen des Fahrzeuges an sich.
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5. Nachtatgeschehen
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Nach dem letzten regulären Halt beim C. d. S. in L. bat der Angeklagte den Zeugen B1, vor der Rückkehr in die Niederlassung bei dem... -Markt in der M. Landstraße... in H. zu halten. Zur Begründung gab er vor, dass man auf der L.er Tour immer dort anhalten würde und er sich ein Brötchen und etwas zu trinken kaufen wolle. Tatsächlich war dies nicht der Fall. Wie vom Angeklagten angenommen, schenkte der mit den Üblichkeiten der Tour noch nicht vertraute Zeuge B1 dem Angeklagten Glauben. Dieser bat den Zeugen B1 um kurz nach 17.00 Uhr an einer Bushaltestelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite kurz hinter dem Markt zu halten, legte den von ihm getragenen Gürtel mit seiner Dienstwaffe, dem Scanner und dem Drucker ab und verließ das Fahrzeug mit seinem Handy, seinem Autoschlüssel, einem Portemonnaie für Karten sowie Bargeld in Höhe von mindestens 14.485,00 Euro in den Taschen seiner Hose. Nachdem er den... -Markt kurz betreten hatte – ob er etwas kaufte, konnte die Kammer nicht feststellen – verließ er diesen wieder und begab sich, von dem Zeugen B1 unbemerkt, in die neben dem Eingang des Marktes beginnende Straße K. und ging auf dieser bis er in den R. Weg einbog, wo sich seine Spur verliert.
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Unter ungeklärten Umständen entledigte der Angeklagte sich sodann seiner Dienstuniform und – bis auf einen Rest von 8.835,- Euro – dem von ihm aus dem Werteraum mitgenommenen Bargeld. Letzteres hatte er bei sich behalten, um damit seine Flucht oder – für den Fall, dass er bereits den Entschluss gefasst haben sollte, sich der Polizei zu stellen – die im Zusammenhang mit dem gegen ihn gerichteten Verfahren entstehenden Kosten tragen zu können. Zudem schaltete der Angeklagte um 17.09 Uhr sein Mobiltelefon aus und entsorgte dieses nebst SIM-Karte. Ob es in diesem Zusammenhang zu einer weiteren Geldübergabe an den oder die unbekannten Mittäter gekommen ist, konnte die Kammer nicht sicher feststellen. Möglicherweise hat der Angeklagte auch Geld an einem unbekannten Ort versteckt, um zu einem späteren Zeitpunkt darauf zugreifen zu können. Letztlich entschied der Angeklagte sich spätestens gegen 20.00 Uhr, sich den Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Dabei war er entschlossen, zwar die Verantwortung für das Abhandenkommen des Geldes zu übernehmen, aber weder seinen bzw. seine Mittäter noch den Verbleib des von ihm beiseite geschafften Geldes preiszugeben.
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Kurz vor 20.15 Uhr klingelte der Angeklagte an einem in der Nähe der Straße K. in H.- B. gelegenen Einfamilienhaus im O. Weg... und bat den Zeugen H. über die Gegensprechanlage die Polizei zu rufen, da er „gesucht“ werde. Dieser kam dieser Bitte unmittelbar nach und informierte um 20.15 Uhr den Polizeinotruf über das Auftauchen des Angeklagten. Der Angeklagte wartete vor dem Haus auf die Polizei und bat den Zeugen H. über die Gegensprechanlage, Rechtsanwalt B. anzurufen, hierzu nannte er ihm dessen Handynummer. Der Zeuge H. erreichte Rechtsanwalt B., der den Angeklagten jedoch auf den anwaltlichen Notdienst verwies, da er „Feierabend“ habe. Ca. 20 Minuten später erschien die Polizei vor Ort und nahm den Angeklagten fest und stellte das von ihm mitgeführte Bargeld in Höhe von 8.900,00 Euro – 8.835,00 Euro und 65,00 Euro eigenes Geld – sicher.
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Am 20. Mai 2019 – fast zwei Wochen nach seiner Festnahme – beauftragte der Angeklagte Rechtsanwalt B., den er zwischenzeitlich als Wahlverteidiger mandatiert hatte, damit, die Tat für ihn einzuräumen und informierte ihn über seinen angeblichen Fluchtweg sowie diverse dort abgelegte Gegenstände einschließlich der Beute. Bei einer Nachsuche an den beschriebenen Örtlichkeiten zunächst durch den Rechtsanwalt und später auch Polizeibeamte wurden in der Straße K. bei einem Parkplatz das Langarmshirt und die Hose von P. sowie in einem Gebüsch an einer Autobahnbrücke in der Einmündung der Straße O. Weg eine leere Postkiste ohne Deckel aufgefunden. Ob die Gegenstände durch den Angeklagte oder eine andere Person, möglicherweise einen Mittäter, dort abgelegt worden sind, konnte nicht geklärt werden. Das Geld blieb verschwunden. Der der Fa. P. entstandene Schaden wurde von deren Versicherer bis auf einen Selbstbehalt in Höhe von 72.000,- Euro ausgeglichen.
III.
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Der Angeklagte hat sich wegen Diebstahls mit Waffen gemäß §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB strafbar gemacht, wobei er die Tat mit mindestens einem Mittäter gemeinschaftlich beging, § 25 Abs. 2 StGB.
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Indem der Angeklagte das zunächst in das Geldtransportfahrzeug verbrachte Geld ohne die Kenntnis des Zeugen B1 wieder aus dem Fahrzeug entnahm, brach er den gleichrangigen Mitgewahrsams des Zeugen B1 als Fahrer und verwirklichte somit den Grundtatbestand des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB.
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Zwischen dem Fahrer und dem Beifahrer des Geldtransporters bestand gleichrangiger Mitgewahrsam an dem im Werttransportraum, aber auch in der Schleuse zwischengelagertem Geld (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.7.2004 – Ss 196/03-100 Rand 13ff). Der Werttransportraum konnte nur durch ein Zusammenwirken des Fahrers mit dem Beifahrer geöffnet werden. Der Fahrer gab von der Fahrerkabine aus die Tür zum Werteraum zum Öffnen frei, nachdem der Bote seinen Transponder bei geschlossener Fahrerkabinen- und Außentür an das entsprechende Lesefeld neben dem Werteraum gehalten hatte. Auch die Außentür von der Schleuse nach Draußen musste per Knopfdruck von dem Fahrer aus der geschlossenen Fahrerkabine heraus geöffnet werden. Eine Öffnung der beiden Türen allein durch den Angeklagten war technisch nicht möglich, an das Geld in dem Geldtransporter konnte er nur im Zusammenwirken mit dem seinen Anweisungen folgenden Fahrer gelangen. Dieser Mitgewahrsam bestand während der gesamten Tour fort und wurde nicht durch die kurzfristigen Aufenthalte des Boten bei den Kunden aufgehoben.
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Indem der Angeklagte seine geladene und schussbereite Dienstwaffe im Holster bei jedem Verlassen des Fahrzeugs während der Tour bei sich trug und diese erst vor dem letztmaligen Verlassen des Fahrzeugs bei ... ablegte, und zudem im Werteraum griffbereit über ein Cuttermesser verfügte, hat er darüber hinaus den Qualifikationstatbestand des Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 a) StGB verwirklicht.
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Das durch das Verbringen der Beute aus dem verschlossenen Geldtransporter ebenfalls verwirklichte Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird durch den § 244 StGB verdrängt (Fischer, StGB, 66. Auflage § 244 Rn 64 m.w.N.).
IV.
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Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
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Die Kammer ist von dem Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat zunächst geprüft, ob bei der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 244 Abs. 3 StGB möglich war. Dies hat die Kammer verneint. Die mildernden Faktoren waren gegenüber den Strafschärfungspunkten insgesamt nicht so gewichtig, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen erschienen wäre. Die Kammer hat insbesondere die nachstehenden Aspekte gegeneinander abgewogen:
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Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er die Begehung der Tat – jedenfalls grundsätzlich – eingeräumt und sich noch am Tattag der Polizei gestellt hat. Dieser Strafmilderungsgrund war indes dadurch relativiert, dass der Angeklagte im Rahmen seines sorgfältig kalkulierten Geständnisses weder nachvollziehbare Angaben zur Planung noch zur Ausführung der Tat oder dem Verbleib der Tatbeute bzw. seinem Mittäter gemacht hat und stattdessen versucht hat, die entsprechenden Feststellungen durch Schutzbehauptungen zu verdunkeln und sich so im Besitz der Beute zu halten. Zu seinen Gunsten hat die Kammer weiter berücksichtigt, dass er bisher nicht vorbestraft ist und auch den von P. geltend gemachten Adhäsionsantrag prozessual anerkannt hat. Zudem hat der Angeklagte durch die Tat seinen Job verloren und wird im Sicherheitsgewerbe voraussichtlich nie wieder arbeiten können.
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Zulasten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass sich die Tat durch eine Professionalität und hohe kriminelle Energie auszeichnete, der Angeklagten sehr planvoll vorging und es sich nicht um eine Spontantat handelte. Er handelte darüber hinaus mit mindestens einem weiteren Mittäter gemeinschaftlich. Die Kammer hat weiter berücksichtigt, dass tatplangemäß ein erheblicher Geldbetrag erbeutete wurde und der Angeklagte, der den größten Tatbeitrag leistete und das größte Risiko einging, nach Überzeugung der Kammer hiervon mindestens die Hälfte erhalten sollte. Insbesondere hat der Angeklagte auch seine Entdeckung einkalkuliert und die Erwartung, nach einer möglichen Haftentlassung Nutznießer jedenfalls eines Teils der Beute zu sein. Auch hat der Angeklagte mit einer scharfen Schusswaffe, deren Bedienung ihm als Berufswaffenträger geläufig war, eine besonders gefährliche Waffe bei sich getragen. Zudem führte er zusätzlich bei Begehung der Tat ein Cuttermesser und damit ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich. Die Kammer hat darüber hinaus berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat aus einem Sicherheitsunternehmen heraus beging und somit das erhebliche in ihn als Geldbote gesetzte Vertrauen gebrochen hat. Darüber hinaus hat der Angeklagte mit der Tat neben dem Strafgesetz des § 244 StGB auch das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht.
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Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer erneut die oben genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände abgewogen und auf eine Freiheitsstrafe von
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4 (vier) Jahren
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als tat- und schuldangemessen erkannt.
V.
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Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
VI.
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Die Entscheidung über die Einziehung folgt aus den §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB. Der Angeklagte hat durch die Tat den Besitz an 676.672,57 Euro erlangt. Hinsichtlich der bei ihm nach der Tat aufgefundenen und sichergestellten 8.835,00 Euro war gemäß § 73 Abs. 1 StGB die Einziehung anzuordnen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die ebenfalls bei dem Angeklagten aufgefundenen 65,00 Euro insoweit nicht zur Tatbeute gehörten, sondern von dem Angeklagten bereits vor der Tat mitgeführt worden sind.
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Hinsichtlich der übrigen nicht zurückgelangten 667.837,57 Euro aus der Tatbeute war die Wertersatzeinziehung gemäß § 73c StGB anzuordnen. Die Kammer hat keine abzugsfähigen Aufwendungen feststellen können und für die Bestimmung des Wertes des Erlangten den Wert der erlangten Banknoten zu Grunde gelegt, § 73d StGB.
VII.
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Die Fa. P. begehrte als Adhäsionsklägerin von dem Angeklagten Schadensersatz. Die Adhäsionsklage ist bei der Kammer am 22. Oktober 2019 per Fax bei Gericht eingegangen.
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Die Adhäsionsklägerin beantragt,
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den Angeklagten zu verurteilen, an die Adhäsionsklägerin Euro 72.000,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem auf den Eingang dieses Antrages bei Gericht folgenden Tag zu zahlen, hilfsweise
festzustellen, dass der Angeklagte der Adhäsionsklägerin gegenüber zum Ersatz des Schadens aus der begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung vom 03.05.2019 in H. und anderorts zu deren Nachteil verpflichtet ist.
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Der Angeklagte hat im Termin zur Hauptverhandlung am 30. Oktober 2019 seinen Verteidiger erklären lassen, dass er den Zahlungsanspruch anerkenne.
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Der gemäß §§ 403, 404 StPO zulässige Adhäsionsantrag ist von dem Angeklagten gemäß § 307 ZPO anerkannt worden. Über den Hilfsantrag hatte das demgemäß nicht mehr zu entscheiden.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 406 Abs. 3 StPO i. V. m. § 708 ZPO; die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsverfahrens auf § 472a StPO.
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Referenzen
- StPO § 472a Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren 1x
- 161 Gs 66/19 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 307 Anerkenntnis 1x
- StPO § 404 Antrag des Verletzten; Prozesskostenhilfe 1x
- StGB § 244 Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl 6x
- StGB § 25 Täterschaft 2x
- StPO § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung 1x
- 167 Gs 694/19 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 34a Bewachungsgewerbe; Verordnungsermächtigung 1x
- StGB § 242 Diebstahl 3x
- StPO § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten 1x
- StPO § 267 Urteilsgründe 1x
- StGB § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen 3x
- StGB § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung 3x
- StGB § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern 3x
- StGB § 243 Besonders schwerer Fall des Diebstahls 3x
- StPO § 403 Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren 1x