Urteil vom Landgericht Köln - 14 O 252/19
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird
a) die Klägerin verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.631,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19.05.2020 sowie aus EUR 4.545,80 für die Zeit seit dem 19.05.2020 bis zum 28.02.2021 zu zahlen;
b) festgestellt, dass die Widerklage betreffend einen Betrag in Höhe von 4.545,80 € erledigt ist.
3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 79% und die Beklagte zu 21%.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus der Wahrnehmung von Rechten durch die Beklagte als Verwertungsgesellschaft.
3Die Beklagte ist die allgemein bekannte Verwertungsgesellschaft H. Die Klägerin ist ein 0000 gegründeter Musikverlag. Sie war bereits bei den Vorgängerorganisationen der Beklagten Mitglied. Sie ist seit Gründung der Beklagten Mitglied. Ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten beruhen auf dem Berechtigungsvertrag vom 17.06.2009/18.01.2010 (Anlage B1, Bl. 56 ff. GA). Unter § 6 lit. a) heißt es dort:
4„Satzung wie Verteilungsplan, auch soweit künftig die Satzung oder der Verteilungsplan geändert werden sollte, bilden einen Bestandteil des Vertrags“.
5Die Beklagte kehrt Erlöse aus der Wahrnehmung von Rechten aufgrund eines Verteilungsplans aus. Dieser Verteilungsplan sah bis einschließlich 2016 eine pauschale prozentuale Beteiligung von Verlegern vor, wenn von einem Verlagsvertrag umfasste Werke als verlegt angemeldet worden waren und hierzu niemand widersprochen hat. Verlagsverträge zwischen Verlagen und Urhebern forderte die Beklagte in der Vergangenheit nicht an und diese lagen ihr auch im Zusammenhang mit der Ausschüttung nicht vor.
6Zwischen den Parteien entstand Streit im Zuge der Reaktion der Beklagten auf die Rechtsprechung des BGH zur Verlegerbeteiligung bei der VG Wort (Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 198/13 – Verlegerbeteiligung) sowie eines rechtskräftig gewordenen Urteils des KG zur Verlegerbeteiligung bei der Beklagten (Teilurteil vom 14.11.2016 – 24 U 96/14), die jeweils die Verteilungspläne insoweit für unwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB angesehen hatten, weil die Ausschüttungsvorschriften zugunsten der Verleger mit wesentlichen Grundgedanken des damals geltenden § 7 S. 1 UrhWG nicht vereinbar seien. Das KG führte in seinem Urteil ergänzend aus, dass eine Berechtigung individualvertraglich vereinbart werden kann. Dies nahm die Beklagte, handelnd durch ihre satzungsmäßigen Organe, zum Anlass, grundsätzlich von der Unwirksamkeit der Verlegerbeteiligung und einer anstehenden Rückabwicklung geleisteter Zahlungen für die Jahre 2012 bis 2016 auszugehen. Um eine allumfassende Rückabwicklung zu vermeiden, entwickelte die Beklagte ein besonderes Verfahren, das Elektronische Bestätigungsverfahren („EBV“), um Verlagen die Möglichkeit zum Nachweis ihrer Berechtigung zur Beteiligung zu geben. Die Hauptversammlung der Beklagten fasste am 24.05.2017 als Tagesordnungspunkt 21 (siehe Anlage B4, Bl. 91 ff. GA) einen Beschluss zur Änderung des Verteilungsplans sowie einen Grundsatzbeschluss zur Rückabwicklung von Beteiligungen von Urhebern und Verlegern für die Ausschüttungen zwischen dem 01.07.2012 und dem 23.12.2016, soweit eine solche Rückabwicklung nach Durchführung des „EBV“ notwendig werden sollte (siehe Anlage B3, Bl. 70 ff. GA, zum Grundsatzbeschluss, Bl. 86 ff. GA). Das Verfahren wurde von der Beklagten durch mehrere Mitgliederschreiben im Dezember 2016, sowie Februar und März 2017 bekannt gemacht, und war bis zum 13.01.2018 befristet, sodass bis dahin Informationen zur Berechtigung der Verlagsbeteiligung von den Verlagen bei der Beklagten für jedes verlegte Werk einzureichen waren. Nachdem die Verlage die Informationen zur Verfügung stellten, erhielten die beteiligten Urheber von der Beklagten eine Information über die Registrierung, wogegen die Urheber Einspruch einlegen konnten. Erfolgte kein Widerspruch der Urheber sah die Beklagte bei Vorlage hinreichender Nachweise für die Verlegerbeteiligung von einer Rückabwicklung ab. Bei Widerspruch erfolgte eine Prüfung danach, ob der Urheber oder der Verlag Rechte bei der Beklagten eingebracht hatte. Nach Abschluss des Verfahrens wurden weniger als 3% der an Musikverlage ausgeschütteten Beträge rückabgewickelt.
7Die Klägerin nahm an diesem Elektronischen Bestätigungsverfahren nicht Teil, was sie der Beklagten auch mit Schreiben vom 09.05.2019 ausdrücklich mitteilte und die Gründe für die Nichtteilnahme erläuterte, insbesondere habe es an Personal für die Bewältigung des bürokratischen Aufwandes gefehlt. Sie teilte außerdem mit, dass „der weit überwiegende Teil unserer Verlagsverträge vor 1966 abgeschlossen wurde. In diesen Verträgen wurde – was vor 0000 noch möglich war – das Urheberrecht insgesamt auf den Verlag übertragen. Wir sind daher bei diesen Werken Inhaber der Urheberrechte.“
8Die Beklagte zahlte an die Klägerin im Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2016 34.719,43 € netto. Sie behauptete zunächst unter Vorlage ausführlicher ausgedruckter Excel-Listen und Belege, dass davon nur 16.369,78 € brutto auf für die hier streitgegenständliche Rückabwicklung beachtliche Zahlungen entfielen. Der übrige Betrag entfiele auf Auslandsausschüttungen, die nicht Gegenstand der Rückabwicklung waren. Von den 16.369,78 € entfiele wiederum ein Betrag von 15.529,77 € auf urheberrechtliche Nutzungsrechte und ein Betrag von 840,01 € auf gesetzliche Vergütungsansprüche, davon 351,25 € für die private Vervielfältigung nach § 54 Abs. 1 UrhG. Mit E-Mail vom 14.11.2021 korrigierte die Beklagte ihren Vortrag dahingehend, dass der Betrag für Nutzungsrechte nicht 15.529,77 €, sondern nur 13.815,40 € betrug, wobei davon 1.714,37 € zunächst auf einem Sperrkonto zurückgehalten worden waren, sodann aber am 01.02.2021 mit Rückforderungsansprüchen verrechnet worden seien.
9Einen Betrag in Höhe von 16.369,78 € forderte die Beklagte von der Klägerin mit Schreiben vom 05.12.2018 zurück (Anlage zur Klageschrift, Bl. 17 GA).
10Für die Zeit ab 2017 ermittelte die Beklagte Ausschüttungen an die Klägerin in Höhe von 4.764,24 € und 4.545,80 €. Diese Beträge verrechnete sie mit der vorprozessual geltend gemachten Rückforderung in Höhe von 16.369,78 €.
11Mit Schreiben vom 10.11.2015 (Anlage B24, Bl. 497 GA) verzichtete die Klägerin gegenüber der Beklagten im dort konkret genannten Umfang auf die Einrede der Verjährung sowie der Entreicherung gegen Rückforderungsansprüchen der Beklagten aufgrund der Problematik der Verlagsbeteiligung „bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage“.
12Die Klägerin erhebt die Einrede der Verjährung.
13Die Klägerin bestreitet die Höhe der geltend gemachten Rückforderung unter Hinweis auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der beklagtenseits vorgelegten Unterlagen.
14Sie behauptet, für alle von ihr angemeldeten Werke berechtigt gewesen zu sein, die Verlegerbeteiligungen zu erhalten. Sie legt zum Nachweis mit den Anlagen 4 – 23 diverse Verlagsverträge vor.
15Die Klägerin hält die Rechtsprechung des BGH zur Verlagsbeteiligung bei der VG Wort für nicht anwendbar und das oben zitierte Urteil des KG für rechtlich falsch. Die Ausschüttung der Verlagsbeteiligung habe an sie weiterhin ohne Änderung zu erfolgen, was u.a. auch aus Gewohnheitsrecht folge. Eine Pflicht zur Teilnahme am Elektronischen Bestätigungsverfahren habe nicht bestanden; dieses Verfahren sei unnötig und unsinnig gewesen. Der Beklagten fehle die Aktivlegitimation zur Rückforderung, weil es sich bei zu Unrecht gezahlten Beträgen an die Verleger um Ansprüche der Urheber handele. Die Beklagte verhalte sich insgesamt widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich. Zur Verrechnung von Ausschüttungen ab dem Jahr 2017 sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, weshalb diese Beträge im Wege der Wider-Widerklage geltend gemacht würden.
16Mit Schriftsatz vom 02.12.2021 berief sich die Klägerin erstmals auf Entreicherung.
17Die Klägerin hat ursprünglich in der Klageschrift beantragt,
18festzustellen, dass der Beklagten gegen die Klägerin kein Anspruch in Höhe von 16.369,78 € gemäß Schreiben der Beklagten vom 5.12.2018 (Kontoauszug Nr. 2018/6) zusteht (im Weiteren Klageantrag zu 1.).
19Mit Schriftsatz vom 29.04.2021 beantragte sie ergänzend zum vorgenannten Antrag im Wege der so von ihr bezeichneten „Wider-Widerklage“,
20die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.764,24 und 4.545,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 7.4.2021 zu zahlen (im Weiteren Klageantrag zu 2.).
21Die Klägerin hat den Klageantrag zu 1.) in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2021 in Höhe eines Betrags von 9.310,04 € für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser Teilerledigungserklärung angeschlossen.
22Die Beklagte beantragt im Übrigen,
23Klageabweisung und Abweisung der „Wider-Widerklage“.
24Widerklagend hat die Beklagte und Widerklägerin in der Klageerwiderung ursprünglich beantragt,
25die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin EUR 11.605,54 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu bezahlen.
26Mit Schriftsatz vom 07.04.2021 hat die Beklagte die Widerklage in Höhe von 4.545,80 € für erledigt erklärt. Die Klägerin hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
27Sie beantragte zuletzt,
28die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin EUR 7.059,74 zu bezahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Widerklage sowie aus EUR 4.545,80 für die Zeit seit Rechtshängigkeit der Widerklage bis zum 28.02.2021.
29Die Klägerin beantragt,
30die Widerklage abzuweisen.
31Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Verteilungspläne mit Blick auf die Verlagsbeteiligungen in den Jahren 2012 bis 2016 unwirksam gem. § 307 Abs. 1 BGB waren und demnach ein Kondiktionsanspruch nach § 812 BGB bestehe. Die Klägerin habe es sich selbst zuzurechnen, dass sie der Rückforderung ausgesetzt sei, weil sie sich bewusst nicht am Elektronischen Bestätigungsverfahren beteiligt hatte. Die Einrede der Verjährung greife nicht durch, weil die Klägerin hierauf wirksam verzichtet habe und die Verjährung sodann durch die Zustellung der Widerklage gehemmt worden sei. Die Wider-Widerklage sei unzulässig, weil sie lediglich das kontradiktorische Gegenteil der Widerklage darstelle.
32Die Beklagte hat durch ihren Mitarbeiter Dr. X die zunächst in der Akte ausgedruckte und unleserlich zerstückelte „Excel-Liste“ mit den Buchhaltungsdaten auf den Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2021 hin per E-Mail am 14.11.2021 dem Gericht und der Klägerin zur Verfügung gestellt, um eine Datenüberprüfung per Computer zu ermöglichen. Aus gerichtsorganisatorischen Gründen hätte eine Einreichung über das beA bei der als Papierakte geführten Verfahrensakte zum erneuten Ausdruck der Liste geführt. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.12.2021 Stellung genommen, worauf wiederum die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.2021 Stellung genommen hat.
33Die Widerklage ist der Klägerin am 18.05.2020 zugestellt worden (siehe Bl. 510 GA).
34Entscheidungsgründe:
35Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die zulässige Widerklage ist teilweise begründet.
36I. Zulässigkeit
371. Die Klage ist als negative Feststellungsklage im noch nicht erledigten Umfang zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung unzulässig. Sie wurde mit Beginn der mündlichen Verhandlung und der nicht mehr einseitigen Klagerücknahmemöglichkeit im Umfang des Widerklageantrags unzulässig, weil dieser die kontradiktorische Leistungsklage darstellt. Zwar betrifft die Widerklage formal nur einen Teil des ursprünglich mit der negativen Feststellungsklage betroffenen Betrags in Höhe von 16.369,78 €. Jedoch ist Grundlage der Widerklage dieser gesamte Betrag abzüglich verrechneter Zahlungen. Demnach ergeht bei der Entscheidung über die Widerklage eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den gesamten Betrag der negativen Feststellungsklage inklusive der bereits vorprozessual verrechneten Summe.
38Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 17 ZPO, weil die Klägerin als Schuldnerin der Forderung ihren Gerichtsstand im hiesigen Gerichtsbezirk hat.
392. Die Widerklage ist gem. § 33 ZPO zulässig. Die Parteien streiten um denselben Streitgegenstand, sodass die notwendige Konnexität gegeben ist.
403. Ob die als solche bezeichnete „Wider-Widerklage“ zulässig ist, bedarf keiner Entscheidung, weil der im Laufe des Verfahrens neu eingeführte Klageantrag zu 2.) als Klageerweiterung der ursprünglichen Klage auszulegen ist. Als Leistungsklage ist diese Klage zulässig. Die örtliche Zuständigkeit für den Klageantrag zu 2.) folgt aus der rügelosen Einlassung der Beklagten, § 39 ZPO. Die Einwendung der Beklagten, dass die „Wider-Widerklage“ bloß das kontradiktorische Gegenteil der Widerklageanträge sei, überzeugt nicht. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass sie durch die (Teil-) Abweisung der Widerklage keinen Zahlungstitel mit Blick auf verrechneten Beträge erlangt. Dies wird durch den Klageantrag zu 2.) möglich.
41II. Begründetheit
42Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird zunächst die Begründetheit der Widerklage dargestellt. Sodann folgen Ausführungen zur Klage.
431. Widerklage
44Die Widerklage ist teilweise begründet.
45Nach der einseitig gebliebenen Teilerledigungserklärung der Beklagten sind die Widerklageanträge so auszulegen, dass die Beklagte zum einen Zahlung von 7.059,74 € (Widerklageantrag zu 1.) und zum anderen die Feststellung der Erledigung der Widerklage über einen Betrag in Höhe von 4.545,80 € (Widerklageantrag zu 2.) begehrt.
46a) Widerklageantrag zu 1. – Zahlung
47Die Beklagte hat einen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung erhaltener Zahlungen für die Jahre 2012 – 2016 aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 BGB. Dieser Rückzahlungsbetrag ist mit 14.655,41 € zu beziffern. Abzüglich vorgerichtlich bereits verrechneter 4.764,24 € sowie im Laufe des Prozesses verrechneter 4.545,80 € (siehe dazu den Widerklageantrag zu 2.) und weiterer verrechneter 1.713.37 € von einem Sperrkonto verbleibt demnach ein Betrag in Höhe von 3.631,00 €, den die Klägerin an die Beklagte zu zahlen verpflichtet ist.
48aa) Die Klägerin hat in den Jahre 2012 – 2016 Geldbeträge in Höhe von ca. 34.000 € von der Beklagten erhalten, wobei durch die Überweisungen durch die Beklagte konkret die jeweiligen Auszahlungsansprüche gegen die Bank der Klägerin erlangt worden sind. Diese Ansprüche erlangte die Klägerin durch Leistung der Beklagten, die auf eine vermeintliche vertragliche Forderung der Beklagten zahlte (vgl. insoweit auch OLG München, ZUM 2006, 473, 478; a.A. Ventroni, ZUM 2017, 187, 204).
49Allein durch diese Leistung ist die Beklagte auch aktivlegitimiert für einen Anspruch nach § 812 BGB. Die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin, die insoweit vielmehr einen (Zahlungs-) Anspruch der von einer im Zuge der Verlegerbeteiligung durch zu geringe Ausschüttung betroffenen Urheber annehmen wollen, greifen nicht durch. Denn bei der Rückabwicklung von rechtsgrundlosen Leistungen ist auf die unmittelbare Leistungsbeziehung abzustellen. Davon ist hier auch nicht abzuweichen, weil im konkreten Fall kein Mehrpersonenverhältnis vorliegt. Es ist die Beklagte, die als Verwertungsgesellschaft auf Grundlage ihrer Verteilungspläne in Verbindung mit den jeweils erforderlichen Berechtigungs- oder Wahrnehmungsverträgen die von ihr eingezogenen Gelder verteilt. Sie wird dabei zwar als Treuhänderin ihrer Mitglieder tätig, jedoch als eigenständige Akteurin, nicht etwa als Stellvertreterin ihrer Mitglieder, insbesondere der Urheber. Sie macht folglich einen eigenen Anspruch, keinen fremden Anspruch geltend. Der Verweis der Klägerin auf eine Streitbeilegungsvorschrift wegen Ausschüttungen zwischen Mitgliedern der Beklagten im Verteilungsplan (§ 10) ist unerheblich, weil diese Regelung ersichtlich nur dann Sinn macht, wenn die Verteilung gemäß Verteilungsplan wirksam ist, aber sich die Frage stellt, ob das richtige Mitglied die Ausschüttung erhalten hat. So liegt der Fall hier aber nicht, was unten näher ausgeführt wird. Es kommt dabei entgegen der wiederholten Ausführungen der Klägerin auch nicht darauf an, ob betroffene Urheber der Verlegerbeteiligung der Klägerin im Einzelfall nicht widersprochen haben und keine diesbezüglichen Ansprüche geltend gemacht haben. Diese Ansicht verkennt, dass Grundlage der Verteilung durch die Beklagte der für alle Mitglieder maßgebliche Verteilungsplan ist und die Beklagte nicht etwa bloße Einziehungsstelle oder Prozessstandschafterin ihrer Mitglieder ist. Wie die Beklagte nach Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen die derart eingezogenen Gelder wiederum verteilt, ist keine in diesem Verfahren zu klärende Frage. Selbst wenn die Beklagte diese Zahlungen rechtswidrig verteilen würde, würde sich hieraus keine Berechtigung der Klägerin zum Behalten der erlangten Geldbeträge begründen.
50bb) Der vorgenannten Leistung der Beklagten fehlte wegen der Unwirksamkeit der Verteilungspläne mit Blick auf die Verlagsbeteiligung hinsichtlich der davon betroffenen Zahlungen in Höhe von nach Klarstellung der Beklagten 14.655,41 € der Rechtsgrund. Rechtsgrund für die Überweisungen durch die Beklagte war jeweils der Berechtigungsvertrag zwischen der Beklagten und der Klägerin als ihrem Mitglied, wobei der hier konkret maßgebliche Vertrag (Anlage B1) keine konkrete Klausel zur Höhe der Auszahlung enthält, sondern in § 6 auf die Verteilungspläne verweist. Da die Verteilungspläne für die Jahre 2012 - 2016 unwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB sind, ist der Rechtsgrund für die Leistungen nie vorhanden gewesen. Ein anderer Rechtsgrund für die Zahlung liegt nicht vor.
51(1) Von der Unwirksamkeit der Verteilungspläne geht die Kammer angesichts der Rechtsprechung des KG (Teilurteil vom 14.11.2016 – 24 U 96/14) sowie der Rechtsprechung des BGH zur Verlegerbeteiligung bei der VG Wort (Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 198/13 – Verlegerbeteiligung) aus. Die Kammer schließt sich insoweit trotz der ausführlichen Kritik der Klägerin (sowie in der Literatur: vgl. hierzu auch Ventroni, ZUM 2017, 187; hingegen weitestgehend zustimmend Flechsig GRUR-Prax 2017,31) der Rechtsansicht der vorgenannten Gerichte an.
52Das KG führte dabei in einer Sachverhaltskonstellation, in der Urheber von der hiesigen wie dortigen Beklagten die fehlende Berechtigung der Beklagten festzustellen begehrten, bei der Ausschüttung der Vergütung für ihre bei Musikverlagen verlegten Werke einen Verlegeranteil von der Verteilungssumme abzuziehen, wie folgt aus:
53„17 b) Im vorliegenden Fall können die Kl. von der Bekl. aufgrund der mit ihr abgeschlossenen Berechtigungsverträge vom 9.8./18.10.1989 (Kl. zu 1) und vom 28.10./14.12.1992 (Kl. zu 2) verlangen, mit einem Anteil an ihren Einnahmen beteiligt zu werden, der den Erlösen entspricht, die sie durch die Auswertung ihrer Rechte erzielt hat. Die Ausschüttung dieses Anteils richtet sich nach der Satzung und dem Verteilungsplan der Bekl., die – auch soweit sie künftig geändert werden sollten – nach § 6 a der Verträge Bestandteil des Berechtigungsvertrags sind. Nach den §§ 2, 4 Nr. 1 der Allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungsplan der Bekl. für das Aufführungs- und Senderecht (Verteilungsplan A) bzw. §§ 2, 3 Nr. 1 der Allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungsplan für das mechanische Vervielfältigungsrecht (Verteilungsplan B) gehört neben dem Komponisten, dem Textdichter und dem Bearbeiter auch der Verleger des Werks zu den beteiligten Bezugsberechtigten, wenn das Werk als verlegt gemeldet worden ist und dieser Registrierung – wie auch im vorliegenden Fall – nicht widersprochen worden ist. In der Vergangenheit resultierte daraus eine durchschnittliche Beteiligung des Verlags iHv 4/12 (Aufführungs- und Senderecht) bzw. 40 % (mechanisches Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht).
5418 c) Gem. § 307 I 1, II Nr. 1 BGB sind diese Bestimmungen des Verteilungsplans (§§ 2, 4 Nr. 1 der Allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungsplan der Bekl. für das Aufführungs- und Senderecht [Verteilungsplan A] bzw. §§ 2, 3 Nrn. 1 u. 5 der Allgemeinen Grundsätzen zum Verteilungsplan für das mechanische Vervielfältigungsrecht [Verteilungsplan B] und Abschnitt I Nr. 2 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan A bzw. zum Verteilungsplan B), die als Bestandteil des Berechtigungsvertrags Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweichen, nicht zu vereinbaren sind.
5519 aa) Gem. § 7 S. 1 WahrnG aF (jetzt § 27 VGG) hat die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln aufzuteilen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung ausschließen. Diese gesetzliche Regelung beruht auf dem wesentlichen Grundgedanken, dass die Verwertungsgesellschaft als Treuhänderin der Berechtigten die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit ausschließlich an die Berechtigten zu verteilen hat, und zwar in dem Verhältnis, in dem dieses Einnahmen auf einer Verwertung der Rechte und Geltendmachung von Ansprüchen der jeweiligen Berechtigten beruhen. Mit diesem Grundgedanken ist es nach der genannten Entscheidung des BGH unvereinbar, Nichtberechtigte an diesen Einnahmen zu beteiligen (BGH, GRUR 2016, 596 Rn. 30, 51, 62 – Verlegeranteil). Insbesondere ist eine Beteiligung von Verlegern an den Einnahmen der Bekl. nicht allein deshalb zulässig, weil diese mit ihr Wahrnehmungsverträge geschlossen oder ihr Werke gemeldet haben. Eine Beteiligung von Verlegern setzt vielmehr voraus, dass die Einnahmen der Bekl. auf der Wahrnehmung originärer oder von den Musik- und Textautoren abgeleiteter Rechte oder Ansprüche dieser Verleger beruhen (vgl. BGH, GRUR 2016, 596 Rn. 33 – Verlegeranteil). Der Grundgedanke willkürfreier Verteilung kommt allein bei einer Verteilung der Einnahmen an Berechtigte zum Tragen. Eine Ausschüttung der durch die treuhänderische Wahrnehmung von Rechten und Ansprüchen der Berechtigten erzielten Einnahmen an Nichtberechtigte kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, das sei materiell leistungsgerecht, weil die betreffenden Nichtberechtigten schützenswerte Leistungen erbracht hätten. Verleger dürfen darum nach dem genannten Urteil des BGH (GRUR 2016, 596 Rn. 36 – Verlegerantei) nicht allein deshalb an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft beteiligt werden, weil ihre verlegerische Leistung eine Voraussetzung für vergütungspflichtige Nutzungen der verlegten Werke schafft. Es ist – so der BGH in dem die VG Wort betreffenden Verfahren – allein Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob und inwieweit die verlegerische Leistung urheberrechtlichen Schutz genießt und ihre Nutzung gesetzliche Vergütungsansprüche begründet. Nach geltender Gesetzeslage stehen den Verlegern nach dem Urheberrechtsgesetz keine eigenen Rechte oder Ansprüche zu, die von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden könnten. Verleger sind – von Presseverlegern abgesehen – nicht Inhaber eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts.
5620 bb) Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, ist die Bekl. nicht berechtigt, den auf verlegte Werke der Kl. entfallenden Anteil an den Erlösen der Kl. unter Abzug eines nach festen Quoten berechneten Verlegeranteils von der Verteilungsmasse zu berechnen. Denn die Verleger der von den Kl. geschaffenen Werke, die S-GmbH und die D-GmbH, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen zu 1 und 2 auf Seiten der Bekl. beigetreten sind, haben der Bekl. keine Rechte zur Wahrnehmung übertragen, die eine Beteiligung am Vergütungsaufkommen rechtfertigen könnten.
57[…]
5823 d) Es kann nach alledem dahinstehen, ob der Verteilung von Erlösen aus der verwertungsgesellschaftspflichtigen Einziehung der Bibliothekstantieme (§ 27 UrhG) und der Gerätevergütung (§ 54 UrhG) – auch insoweit sind die gesetzlichen Vergütungsansprüche durch die von den Kl. abgeschlossenen Berechtigungsverträge der Bekl. zur Wahrnehmung übertragen worden – an die Verlage darüber hinaus Regelungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts (insbesondere Art. 5 II, III RL 2001/29/EG und Art. 3 I, VI Abs. 1 RL 2006/115/EG – vgl. dazu BGH, GRUR 2016, 596 Rn. 42-63 – Verlegeranteil) entgegenstehen. Denn die fehlende Berechtigung der Streithelferinnen der Bekl. ergibt sich schon aus der Unwirksamkeit der sie begünstigenden Bestimmungen des Verteilungsplans. Insoweit besteht auch kein Grund, zwischen den Erlösen aus der Verwertung urheberrechtlichen Nutzungsrechte und aus der Einziehung gesetzlicher Vergütungsansprüche zu unterscheiden. Maßgeblich bleibt nach der Rechtsprechung des BGH in beiden Fällen, dass es der Bekl. als Treuhänderin nicht gestattet ist, Nichtberechtigte an dem Vergütungsaufkommen zu beteiligen und dass Regelungen des Verteilungsplans, die feste Quoten für die Verlegerbeteiligung unabhängig davon vorsehen, ob und inwieweit die Einnahmen der Verwertungsgesellschaft auf der Wahrnehmung von Rechten oder Ansprüchen beruhen, die ihr von Verlegern eingeräumt oder übertragen worden sind, gegen das Willkürverbot des § 7 WahrnG aF (jetzt § 27 VGG) verstoßen und damit einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten. Dabei ist der Beitrag der Musikverleger zum Vergütungsaufkommen der Bekl. wesentlich vermittelter und weniger fassbar als dies bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche durch die VG Wort der Fall ist. Denn während es offenkundig ist, dass Printmedien ohne den Beitrag der verlegerischen Leistung nicht in nennenswertem Umfang kopiert oder verliehen werden können, diese also erst die Voraussetzung für die vergütungspflichtige Nutzung der verlegten Werke schafft, steht die quotale Verlegerbeteiligung im Bereich der Bekl. nicht in einem konkret quantifizierbaren Zusammenhang mit dem Umfang der Promotionstätigkeit der Musikverlage. Die pauschale Verlegerbeteiligung bleibt vielmehr unverändert, auch wenn die Attraktivität des verlegten Musikwerks für die Nutzer und das sich daraus generierende Vergütungsaufkommen maßgeblich aus anderen Quellen als der verlegerischen Förderung gespeist wird.
5924 e) Die in den Verteilungsplänen der Bekl. vorgesehene Verlegerbeteiligung kann – entgegen der Auffassung der Bekl. – auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass eine Abtretung von künftigen Ausschüttungsansprüchen in den Verlagsverträgen zwischen Komponisten und Textdichtern auf der einen und Musikverlegern auf der anderen Seite standardisiert vereinbart sei und der Verteilungsplan insoweit lediglich die in den Verlagsverträgen wirksam vereinbarten Abtretungen von künftigen Ausschüttungsansprüchen in einheitlicher Weise umsetze. Entsprechendes gilt für die Unterstellung einer Zahlungsanweisung (§§ 362 II, 185 BGB) in einer bestimmten Höhe.
6025 aa) Zwar kann der Urheber dem Verleger nach der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz nicht nur seine gesetzlichen Vergütungsansprüche und urheberrechtlichen Nutzungsrechte, sondern auch seine Ansprüche gegen die Verwertungsgesellschaft auf Herausgabe des Erlöses aus der Durchsetzung dieser Vergütungsansprüche bzw. aus der Wahrnehmung dieser Nutzungsrechte wirksam abtreten (vgl. BGH, GRUR 2016, 596 Rn. 81 – Verlegeranteil; BGH, GRUR 1964, 326 Rn. 93 – Subverleger). Der Wortlaut der Berechtigungsverträge, die die Kl. zu 1 und 2 mit der Bekl. – wie zahlreiche Urheber auch – geschlossen haben, bietet für die Annahme einer solchen Vorausabtretung keinen Anhaltspunkt; vielmehr sollen nach dessen § 4 Ansprüche des Berechtigten gegen die H nur nach (gesonderter) Vereinbarung abtretbar sein. Eine Abtretungsanzeige, die der Berechtigte bei der Ausschüttung des zur Verteilung anstehenden Erlöses gegen sich gelten lassen müsste (§ 409 I 1 BGB), kann auch nicht in der Anmeldung der Werke als verlegt gesehen werden. Denn die im Verteilungsplan bestimmten festen Quoten nehmen auf die zwischen Urhebern und Verlegern getroffenen Vereinbarungen keine Rücksicht. Der den zugrundeliegenden Regelungen des Verteilungsplans nunmehr von der Bekl. beigemessene rechtsgeschäftliche Erklärungswert, auf dessen Bedeutungsgehalt im Verteilungsplan und in dessen Ausführungsbestimmungen nicht hingewiesen wird, läuft deshalb auf die Fiktion einer Willenserklärung hinaus, die in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden kann (§ 308 Nr. 5 BGB). Es kann auch nicht zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und im Interesse einer praktikablen und kostengünstigen Erlösausschüttung unterstellt werden, dass die Verteilungsquoten sich im Regelfall mit einer Vereinbarung im Innenverhältnis zwischen Urhebern und Verlegern decken, so dass abweichende Vertragsgestaltungen einer nachgelagerten Refundierung überlassen werden könnten. Schuldrechtliche Absprachen können nicht in einem derart weitreichenden Umfang als gleichförmig getroffen unterstellt werden. Schon die hier eingereichten differierenden Verträge zwischen den Kl. mit den beiden Streitverkündeten machen deutlich, dass eine einheitliche Vertragspraxis nicht besteht. Auch die (zum Teil ausdrücklich) dynamische Verweisung auf den jeweiligen Verteilungsplan in den verbreiteten Vertragsmustern macht schon für sich genommen deutlich, dass eine Abtretung oder Zahlungsanweisung in einer bestimmten Höhe als typischerweise vereinbart oder erklärt gerade nicht unterstellt werden kann.
6126 bb) Vielmehr bleibt es eine im Einzelfall zu prüfende Frage, ob die nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen Berechtigten ihre Ansprüche individualvertraglich durch Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) an die Verleger wirksam abgetreten haben oder ob zumindest eine Anweisung zur Auszahlung an diese als Dritte wirksam erteilt worden ist.“
62Diese Ausführungen gelten auch im Verhältnis der Parteien zueinander. Die maßgeblichen Passagen der Verteilungspläne, die Vertragsbestandteil geworden sind und die Grundlage der Zahlungen der Beklagten an die Klägerin waren, sind demnach gem. § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie verstoßen wegen der Pauschalität der Gewährung eines Verlegeranteils unabhängig von der tatsächlichen Einbringung von Rechten zur Wahrnehmung durch die Beklagte gegen den Grundgedanken des § 7 S. 1 WahrnG aF (jetzt § 27 VGG). Sie können folglich nicht als Rechtsgrund für die Leistungen der Beklagten an die Klägerin herangezogen werden.
63Die Angriffe der Klägerin gegen dieses Urteil überzeugen nicht. Die Klägerin erkennt richtig, dass das oben zitierte Urteil des KG nur Wirkung inter partes der dortigen Parteien entfaltet. Die Ausführungen des KG betreffen jedoch nicht nur eine Vertragsklausel, die nur eine individualvertragliche Regelung zwischen den dortigen Parteien darstellten, sondern den für alle Leistungsbezieher der Beklagten maßgeblichen Verteilungsplan. Diese Ausführungen des KG überzeugen auch, sodass in hiesigem Verfahren dieselbe Rechtsfolge der Unwirksamkeit der maßgeblichen Stellen des Verteilungsplans festzustellen ist. Dabei ergibt sich aus den Feststellungen des KG, dass es jedenfalls Fälle gibt, in denen der Verteilungsplan zu Unrecht die Verlegerbeteiligung gewährte, obwohl u.a. die Urheber wegen des Prioritätsgrundsatzes schon alle – auch zukünftige – Rechte der Beklagten zur Wahrnehmung übertragen hatten und sie mit einem nachfolgenden Verlagsvertrag keine diesbezüglichen Rechte mehr an die Verlage einräumen konnten, die die Verlage dann bei der Beklagten zur Wahrnehmung einbrachten. Ob dies im Verhältnis der Parteien zueinander nicht der Fall ist, bedarf keiner Aufklärung, weil der Verteilungsplan der Beklagten angesichts seiner universellen Bedeutung nicht gegenüber einzelnen Mitgliedern Bestand haben und anderen Mitgliedern gegenüber unwirksam sein kann. Die Vorlage von Verlagsverträgen durch die Klägerin in diesem Verfahren ändert hieran nichts, zumal diese nur eine Auswahl des Repertoires betrifft. Es ist keinesfalls möglich die maßgeblichen Stellen des Verteilungsplans nur gegenüber der Klägerin weiterhin anzuwenden, weil damit eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Mitglieder der Beklagten verbunden wäre.
64(2) Insofern ist auch die grundlegende Entscheidung der Beklagten im Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten am 24.05.2017 zur Rückabwicklung von Beteiligungen von Urhebern und Verlegern für die Ausschüttungen zwischen dem 01.07.2012 und dem 23.12.2016, soweit eine solche Rückabwicklung nach Durchführung des „EBV“ notwendig werden sollte (siehe Anlage B3, Bl. 86 ff. GA, sowie Anlage B4) nicht zu beanstanden. Es war für die Beklagte absehbar, dass ihr andernfalls eine Vielzahl von Prozessen von Urhebern drohen würden, in welchen die Rechtsprechung des KG bestätigt werden würde. Die Kritik der Klägerin an diesem Vorgehen ist dabei rechtlich unerheblich. Sie verkennt, dass mangels wirksamer Klauseln zur Verlegerbeteiligung im Verteilungsplan zu keiner Zeit eine Rechtsgrundlage für die entsprechenden Zahlungen bestanden hat. Soweit die Klägerin also eine unzulässige Rückwirkung einwendet, ist dies rechtsirrig.
65Das „EBV“ der Beklagten stellte ein geordnetes Verfahren zur nachträglichen Schaffung eines Rechtsgrundes dar. Da die Klägerin sich hieran unstreitig nicht beteiligt hat, ließ sie die Gelegenheit, einen Rechtsgrund zu schaffen, ungenutzt. Hierfür ist nur sie selbst verantwortlich. Es bestand zwar keine Pflicht der Klägerin zur Teilnahme, die negativen Folgen der Nichtteilnahme – hier die Perpetuierung des fehlenden Rechtsgrundes der gezahlten Verlegerbeteiligungen – hat die Klägerin jedoch wie bei einer Obliegenheitsverletzung hinzunehmen.
66(3) Der Einwand der Klägerin, eine AGB-Kontrolle der Klauseln zur pauschalen Verlegerbeteiligung in den für die streitgegenständlichen Jahren anwendbaren Verteilungsplänen müsse vorliegend ausscheiden, weil es sich um eine Preisvereinbarung handele (vgl. hierzu auch Ventroni, ZUM 2017, 187, 190 m.w.N. zum Streitstand), überzeugt nicht. Bei den Regelungen des Berechtigungsvertrags handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Verteilungsplan ist Bestandteil des Berechtigungsvertrags (§ 6 lit. a des Berechtigungsvertrags). Die Bestimmungen des Verteilungsplans einschließlich seiner Ausführungsbestimmungen sind daher gleichfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH GRUR 2016, 606 Rn. 17 – Allgemeine Marktnachfrage; GRUR 2013, 375, Rn. 13 – Missbrauch des Verteilungsplans, m.w.N.; von Ungern-Sternberg, GRUR 2020, 923, 932ff.). Zu beachten ist, dass die hier maßgeblichen Klauseln nicht im Sinne einer materiellen Verteilungsregel die konkrete Höhe eines Entgelts zwischen den Parteien betreffen und folglich keine Preisvereinbarung im engeren Sinne darstellen. Insbesondere geht es vorliegend nicht um eine nicht über die AGB-Kontrolle gerechtfertigte Preiskontrolle. Die Klauseln stellen vielmehr die Konkretisierung von nach § 7 S. 1 WahrnG aF bzw. § 27 VGG gesetzlich gebotenen Regeln zur Verteilung der Einnahmen der Beklagten an die Wahrnehmungsberechtigten dar. Diese Klauseln unterfallen demnach der Klauselkontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Sie stellen eine ergänzende Regelung zu den o.g. Rechtsvorschriften dar. Hinzu kommt, dass vorliegend bei der Verlegerbeteiligung im Verhältnis der Parteien zueinander nicht von einem Entgelt ausgegangen werden kann. Die Beklagte ist nicht Nutzer von Werken für die sie ein „Lizenzentgelt“ zu entrichten hätte. Die Beklagte zieht vielmehr bei den Nutzern von urheberrechtlich geschützten Werken Zahlungen ein und verteilt diese dann an die Urheber bzw. Verlage. Diese Ausschüttungen sind demnach weder rechtlich noch tatsächlich ein von der Beklagten zu zahlendes Entgelt für eine Überlassung von Rechten ihrer Mitglieder. Ob hierin ein Entgelt der Urheber an die Verlage für die Verlagstätigkeit zu sehen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, weil die Beklagte keine Ansprüche der Urheber, sondern eigene Ansprüche durchsetzt.
67(4) Ein anderer Rechtsgrund für die Leistung ist nicht ersichtlich. Eine vertragliche Grundlage liegt mangels anderer vertraglicher Vergütungsklauseln im Berechtigungsvertrag der Beklagten mit der Klägerin nicht vor. Die Satzung der Beklagten enthält entgegen des Vorbringens der Klägerin ebenfalls keine Grundlage für die hier konkret zu beurteilende Zahlung. Die Klägerin vermag insoweit schon keine konkrete Regelung der Satzung vorzutragen, aus welcher sich die konkrete Höhe der Ausschüttung der Verlegerbeteiligung ergeben soll. Dabei verkennt die Kammer auch nicht, dass die Beklagte für die Bemessung der Erlösanteile der einzelnen Berechtigten ein Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Berechtigungsvertrag i.V.m. §§ 675, 667 BGB zusteht (BGH GRUR 2005, 757, 759 – PRO-Verfahren). Insoweit sind die Verteilungspläne nur ein Teil der Leistungsbestimmung im geordneten Verfahren, nicht Leistungsbestimmung selbst (vgl. von Ungern-Sternberg, GRUR 2020, 923, 934). Die Leistungsbestimmung für den streitgegenständlichen Zeitraum ist durch Abrechnung und Ausschüttung der Beklagten gegenüber der Klägerin zunächst erfolgt. Nach Wegfall der unwirksamen Passagen im Verteilungsplan fiel sodann aber auch die Leistungsbestimmung weg. Eine neue Leistungsbestimmung nach den Grundsätzen von § 315 BGB, d.h. nach billigem Ermessen, und von § § 7 S. 1 WahrnG aF bzw. § 27 VGG, d.h. willkürfrei, war geboten. Um diese vorzunehmen benötigte die Beklagte die Mitwirkung der Verlage, die sie im Rahmen des „EBV“ einforderte. Mangels Teilnahme der Klägerin an diesem „EBV“ war die Beklagte aber gehindert eine neue Leistungsbestimmung vorzunehmen. Jede Leistungsbestimmung ohne Mitwirkung der Klägerin wäre wiederum nicht nach billigem Ermessen und nicht willkürfrei gegenüber den übrigen Mitgliedern und Ausschüttungsberechtigten der Beklagten gewesen.
68Auch der Verweis der Klägerin auf die Verlagsverträge zwischen ihr und ihren Autoren ist nicht geeignet als Rechtsgrund der Zahlung zu dienen, weil hierdurch die Beklagte nicht vertraglich gebunden ist. Wie oben dargestellt ist die Beklagte nicht Stellvertreter oder Abrechnungsstelle der Urheber, sondern eigenständig als Treuhänderin tätig. Auch ein Anerkenntnis durch Zahlung der Beklagten ist nicht anzunehmen, weil die Beklagte durch die bloße Ausschüttung nicht die unwirksamen Stellen des Verteilungsplans faktisch heilen konnte und dies offenbar auch nicht wollte.
69(5) Ein Rechtsgrund kann auch nicht im Gewohnheitsrecht erkannt werden. Für den Bereich der gesetzlichen Vergütungsansprüche hatte der BGH bereits ausgeführt, dass etwaig bestehendes Gewohnheitsrecht wegen entgegenstehender gesetzlicher Normen außer Kraft gesetzt worden wäre (GRUR 2016, 596, Rn. 84 ff. – Verlegeranteil). Diese Wertung kann auch auf hiesigen Fall übertragen werden. Doch auch mit Blick auf die hier zum Großteil maßgeblichen Ausschüttungen auf Nutzungsrechte kann die Kammer auf Grundlage des hierfür maßgeblichen Klägervortrags kein Gewohnheitsrecht erkennen. Die Entstehung von Gewohnheitsrecht erfordert eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine tatsächliche Übung, die von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Notwendig ist mithin die Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen (BGH GRUR 2016, 596, Rn. 85 – Verlegeranteil). Insoweit ist die Klägerin, weil dieser Umstand für sie vorteilhaft ist, darlegungs- und beweisbelastet. Über pauschale Ausführungen zur langjährigen Praxis der Verlegerbeteiligung hinaus ist aber nicht zu erkennen, dass alle Beteiligten, insbesondere Urheber, die Verlegerbeteiligung auch ohne Regelung im Verteilungsplan als verbindliches Recht ansahen. Die bloße Duldung entsprechender Ausschüttungen genügt hierfür nach Ansicht der Kammer nicht. Hinzu kommt, dass auch ein etwaiges dahingehendes Gewohnheitsrecht nicht den gesetzlichen Wertungen in § 7 S. 1 WahrnG aF (jetzt § 27 VGG) widersprechen darf, da insoweit dem formellen Gesetz Vorrang einzuräumen ist. Dann aber wiederholen sich auch an dieser Stelle die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der AGB-Kontrolle nach § 307 BGB.
70(6) Dieses Ergebnis, wonach die Klägerin trotz zur Wahrnehmung übertragener Rechte ganz ohne Gegenleistung verbleibt und sozusagen „leer ausgeht“, ist auch im Einzelfall nicht unbillig. Denn die Klägerin hätte am „EBV“ teilnehmen und dadurch nachträglich ihre Legitimation nachweisen können. Dies hat laut unbestrittenem Vortrag der Beklagten auch eine Vielzahl der Musikverlage getan, weshalb nur ein geringer Prozentsatz der Verlegerbeteiligungen rückabgewickelt werden mussten. Die Einwände der Klägerin, dass sie es nicht eingesehen habe, den Aufwand des „EBV“ zu erfüllen, führen nicht dazu, dass der Klägerin – etwa aus Billigkeitserwägungen – ausgeschüttete Beteiligungen verbleiben müssen. Denn nach dem Gesamteindruck des schriftlichen Vortrags der Klägerin nahm diese gegenüber dem „EBV“, das von der Mitgliederversammlung der Beklagten beschlossen worden ist, von Anfang an eine ablehnende Haltung ein. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den erforderlichen Angaben in diesem Nachweisverfahren erfolgte offenbar nicht. Im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens war es der Klägerin insoweit möglich eine gewisse Zahl von Verlagsverträgen vorzulegen. Warum im Rahmen des „EBV“ der Aufwand angeblich unzumutbar hoch gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls aber hat die Klägerin durch ihre grundsätzlich ablehnende Haltung derart gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verstoßen, dass es vorliegend angemessen erscheint, dass sie für den streitgegenständlichen Zeitraum keinerlei Ausschüttungen erhält bzw. behalten darf. Nichts anderes gilt auch bei Beachtung des Klägervortrags, dass die Klägerin durch Rechtsübertragungen in Jahren bis zum 31.12.1965 Urheber von Werken geworden ist. Ein etwaiger Anspruch nach § 32 UrhG auf angemessene Vergütung für diese Werke besteht angesichts § 132 Abs. 1 S. 1 UrhG nicht.
71cc) Die Klägerin ist folglich zur Herausgabe der Bereicherung, konkret zum Wertersatz der nach Banküberweisung erlangten Auszahlungsansprüche, verpflichtet (§ 818 Abs. 1, 2 BGB).
72Bei der Berechnung ist angesichts der zwischenzeitlichen Verrechnungen sowie der prozessualen Lage nach einseitig gebliebenen Erledigungserklärungen wie folgt vorzugehen:
73Rechtsgrundlose Ausschüttungen auf Nutzungsrechte 13.815,40 €
74Rechtsgrundlose Ausschüttungen auf ges. Vergütungsansprüche 840,01 €
75Zwischensumme 14.655,41 €
76abzüglich Verrechnung vor Widerklageerhebung 4.764,24 €
77abzüglich Verrechnung zum 28.02.2021 (siehe Bl. 586 GA) 4.545,80 €
78abzüglich Verrechnung Sperrkonto (siehe Bl. 713A GA) 1.714,37 €
79Verbleibende Bereicherung 3.631,00 €
80Der Betrag der rechtsgrundlosen Ausschüttungen auf Nutzungsrechte in Höhe von 13.815,40 € ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der vorgelegten Excel-Tabelle, die insoweit 1214 Buchungssätze enthält zu Werken, die die Klägerin verlegt. Dabei ist der Tabelle zu entnehmen, dass alle Buchungssätze in der maßgeblichen Zeit vom 01.07.2012 bis zum 23.12.2016 erfolgt sind, konkret betreffen die ältesten Buchungen das Datum „2012 07 01“ und die jüngsten Buchungen das Datum „2016 11 01“. In jedem Fall ist die Klägerin als Hauptkontoinhaberin mit der Rolle „4“ angegeben, was sich ausweislich des Schlüssels in Anlage B19, Bl. 473 GA, als Verleger auflösen lässt. In manchen Fällen ist kein Urheber angegeben, sodass dort ebenfalls die Klägerin als Urheberin erfasst ist. Diese Einträge betrafen Beträge, die zunächst auf ein Sperrkonto gebucht worden sind und sodann an die Klägerin ausgeschüttet worden sind. Anhand dieser Informationen erscheinen die Buchungen für die Kammer ausreichend nachvollziehbar. Die Stellungnahme der Klägerin vermag insoweit den Gesamtbetrag nicht in Zweifel zu ziehen. Soweit sie hier wiederum ihre Berechtigung für die Urheber Bülow und Hengstler und ihre Urhebereigenschaft für den Urheber Max Seiffert vorträgt, geht dies nach den obigen Ausführungen ins Leere. Diese Angaben hätten im „EBV“ gemacht werden können. Die Kritik an Zeile 228 der Excel Tabelle, dort das Werk „Verloren“ betreffend den Urheber Brozat, ändert auch nichts. Zum einen betrifft dies nur eine einzige von 1214 Buchungen mit einem Ausschüttungswert zugunsten der Klägerin von 0,37 €. Zum anderen bleibt der Vortrag zur angeblich nicht vereinnahmten Ausschüttung substanzlos, weil nur auf das Fehlen des Verlagsvertrags verwiesen wird. Der Beklagten lagen bei der pauschalen Ausschüttung nach Verteilungsplan unstreitig keine Verlagsverträge vor, sodass insoweit eine Ausschüttung ggf. materiell zu Unrecht erfolgt sein könnte. Der Klägerin hätte es aber oblegen anhand ihrer Unterlagen nachzuvollziehen, ob sie die 0,37 € am 01.01.2014 erhalten hat oder nicht.
81Der Betrag der rechtsgrundlosen Ausschüttungen auf gesetzliche Vergütungsansprüche in Höhe von 840,01 € ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Anlagen B26 – B29 (Bl. 592 – 643 GA). Diesen Abrechnungen ist die Klägerin nicht ausreichend qualifiziert entgegen getreten.
82Vor diesem Hintergrund war die Verrechnung vor Widerklageerhebung mit einem Betrag in Höhe von 4.764,24 € berechtigt. Dasselbe gilt für die Verrechnung zum 28.02.2021 in Höhe von 4.545,80 € (betrifft Widerklageantrag zu 2.). Die Verrechnung von 1.714,37 € vom Sperrkonto kommt der Klägerin zugute und vermindert die Widerklageforderung, ohne dass dazu eine prozessuale Erklärung erfolgt wäre und mithin ein Teilunterliegen der Beklagten vorliegt.
83Der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ist als verspätet nach § 296a ZPO unbeachtlich. Dieser wurde erstmals nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 04.11.2021 im Schriftsatz vom 02.12.2021 erklärt, obwohl dieser Schriftsatz insoweit nicht nachgelassen war (der Nachlass betraf nur die Inhalte der Excel-Tabelle, siehe Protokoll der Sitzung vom 04.11.2021, Bl. 708R). Angesichts des Umstands, dass die Beklagte ihre Widerklage von Beginn an auf § 812 BGB stützte, hätte die Klägerin den Einwand jedenfalls vor Schluss der mündlichen Verhandlung erheben können. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war wegen dieses Vortrags nicht geboten. Hinzu kommt, dass die Klägerin mit Erklärung vom 10.11.2015 gegenüber der Beklagten auf „die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB“ verzichtete (Anlage B24, Bl. 497).
84dd) Entgegen der Ausführungen der Klägerin ist der Verhalten der Beklagten nicht rechtsmissbräuchlich. Allein der Umstand, dass die Beklagte sich beim oben mehrfach zitierten Verfahren beim KG gegen die Klage verteidigt hat und die Verlegerbeteiligung im Verteilungsplan für rechtmäßig hielt, führt nicht dazu, dass sie sich nunmehr nach Anerkennung der rechtlichen Ausführungen des rechtskräftigen Urteils sowie entsprechender Willensbildung zum „EBV“ und zur etwaigen Rückabwicklung durch die zuständigen Organe der Beklagten nicht auf die neue Rechtsansicht berufen darf. Anderenfalls würde sich die als rechtswidrig erkannte Ausschüttungspraxis zwangsläufig verfestigen, was gerade nicht Folge des KG-Urteils sein soll.
85ee) Die Einrede der Verjährung der Klägerin gegen die Widerklageforderung hat keinen Erfolg. Mit Erklärung vom 10.11.2015 (Bl. 497 GA) hat die Klägerin für die hier streitgegenständliche Forderung seit Juli 2012 sowie für zukünftige Ausschüttungen auf die Einrede der Verjährung verzichtet und zwar „bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage“. Wann diese abschließende Klärung der Rechtslage eingetreten ist, bedarf der Auslegung nach § 133, 157 BGB. Nach der Argumentation der Klägerin ist diese Rechtslage bis heute nicht geklärt, was sich in der massiven Kritik des Urteils des KG niederschlägt. Dann wäre der Verjährungsverzicht jedenfalls bis zur Widerklagezustellung anwendbar. Nach dem aber maßgeblichen objektivierten Empfängerhorizont und unter Beachtung der formularvertraglichen Vereinbarung ist damit der Zeitpunkt der Rechtskraft des zuvor zitierten Urteils des KG zu verstehen. Der Beschluss des BGH, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist, datiert auf den 18.10.2017.
86Die Widerklage ist der Klägerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten (und Geschäftsführers) ausweislich ihres Schriftsatzes vom 29.06.2020 am 18.05.2020 zugegangen (Bl. 510 GA). Die Verjährung des Rückforderungsanspruchs ist demnach rechtzeitig durch Widerklage gehemmt geworden nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei kann im Ergebnis offenbleiben, wann die gem. § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist begonnen hat. Selbst wenn man dieses Datum auf den 18.10.2017 festlegen wollte, weil zu diesem Zeitpunkt „die abschließende Klärung der Rechtslage“ eingetreten ist, erfolgte die Verjährungshemmung innerhalb der drei Jahre.
87Der Verjährungsverzicht hält auch einer AGB-Kontrolle stand. Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Es handelt sich in Ansehung der bahnbrechenden Rechtsprechung von BGH (betreffend die VG Wort) und des KG um eine ausgewogene Regelung, die die Klägerin im Übrigen nicht unterzeichnen musste. Dann hätte sie aber schon früher mit einer Rückforderung rechnen müssen. Durch den Verjährungsverzicht hat die Beklagte den Verlagen zudem die Möglichkeit gegeben, sich am „EBV“ zu beteiligen und damit eine Rückforderung zu vermeiden. Dass die Klägerin diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat, ist von ihr wie oben ausführlich beschrieben selbst zu vertreten.
88Die Klausel ist auch nicht intransparent. Die Verwendung der unbestimmten zeitlichen Formulierung „bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage“ war angesichts der laufenden Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Urteil des KG auch für die Verlage ausreichend verständlich, wobei vorliegend zu beachten ist, dass der Geschäftsführer der Klägerin (und zugleich ihr Prozessbevollmächtigter) Rechtsanwalt ist.
89ff) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
90b) Antrag zu 2.
91Nach den obigen Ausführungen ist auch der Widerklageantrag zu 2.) auf Feststellung der Erledigung der Widerklage in Höhe der Verrechnung zum 28.02.2021 in Höhe von 4.545,80 € begründet.
922. Klage
93Wegen der Unzulässigkeit des Klageantrages zu 1.) bedarf es nur Ausführungen zum Klageantrag zu 2.). Nach den obigen Ausführungen ist dieser Klageantrag unbegründet.
94III. Prozessuale Nebenentscheidungen
95Die Kostenentscheidung folgt für den nicht übereinstimmend erledigten Teil aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war davon auszugehen, dass die Klage und die Widerklage wirtschaftlich identisch sind und demnach keine Streitwerterhöhung anzunehmen ist. Die Beklagte hat insoweit mit Blick auf die zugesprochene Widerklageforderung sowie die vorgerichtliche Verrechnung und die Verrechnung im Prozess, die Gegenstand des Widerklageantrags zu 2.) war, obsiegt, war jedoch mit Blick auf den eingeräumten Rechenfehler bei der Berechnung der Rückabwicklungsforderung und den nach Auflösung des Sperrkontos verrechneten Betrags unterlegen, sodass die Quote mit folgenden Beträgen zu berechnen war: 12.941,04 € ./. 16.369,78 €. Angesichts der wirtschaftlichen Identität hat die übereinstimmende Teilerledigungserklärung (§ 91a ZPO) mit Blick auf die Klage keine Auswirkung auf die Kostenentscheidung.
96Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2 ZPO.
97IV. Die Korrespondenz der Parteien nach der mündlichen Verhandlung hat die Kammer bei Abfassung des Urteils berücksichtigt. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht geboten.
98V. Der Streitwert wird auf 16.369,78 EUR festgesetzt.
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