Urteil vom Landgericht Münster - 08 O 192/15
Tenor
Die einstweilige Verfügung vom 03.07.2015 wird aufrecht erhalten.
Dem Verfügungsbeklagten werden auch die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt.
1
Tatbestand:
2Die Verfügungsklägerin macht einen Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten geltend und begehrt die Unterlassung bis zum 31.07.2015, ihren Kunden vorformulierte Kündigungsschreiben zur Verfügung zu stellen und sie zur Kündigung der mit der Verfügungsklägerin geschlossenen Maklerverträge zu veranlassen.
3Die Verfügungsklägerin ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen, welches als Handelsmaklerin gemäß § 93 HGB tätig ist und sich unter anderem mit der Beratung, der Betreuung und der Vermittlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen befasst. Sie bedient sich hierzu der Hilfe von Finanzberatern, zu welchen sie ein Handelsvertreterverhältnis begründet. Die Maklerverträge, die Grundlage der Betreuung der Kunden in ihren Versicherungs- und Finanzdienstleistungsangelegenheiten sind, werden zwischen der Verfügungsklägerin, den jeweiligen Finanzberatern und den Kunden geschlossen.
4Seit dem 01.11.2007 war der Verfügungsbeklagte für die Verfügungsklägerin auf Grund eines Handelsvertretervertrages - zunächst auf Basis eines Vertrages vom 17.09.2007 (Anlage ASt 1), zuletzt auf Basis eines Vertrages vom 01.04.2014 (Anlage ASt 2) - tätig. Die Anlage 1, welche gemäß Ziff. 7.1. i. V. m. Ziff. 4 des Vertrages vom 01.04.2014 Bestandteil des Handelsvertretervertrages ist, sieht unter anderem in ihren Ziffern 3.1., 3.9. und 7.5. vor, dass der Verfügungsbeklagte sich für eine positive Bestandsentwicklung einzusetzen habe, die Interessen der Verfügungsklägerin zu wahren habe und dass er Personen nicht abwerben werde, welche zur Verfügungsklägerin in einem Vertragsverhältnis stehen oder diese zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses veranlassen werde. In verschiedenen Einzelgesprächen wurde dem Verfügungsbeklagten von Seiten der Zeugen C und K - zu einer Zeit, als diese Vorstandsmitglieder waren -, von Seiten des Zeugen T - dem Direktor der Verfügungsklägerin - sowie der Zeugen F und L - den Vorgesetzten des Verfügungsbeklagten - bestätigt, dass er bei seinem Ausscheiden die von ihm akquirierten Kunden übernehmen dürfe.
5Mit Schreiben vom 27.01.2015 kündigte der Verfügungsbeklagte den Handelsvertretervertrag fristgerecht zum 31.07.2015. Dem von ihm im selben Schreiben ausgesprochenen Wunsch auf vorzeitige Vertragsaufhebung zum 28.02.2015 stimmte die Verfügungsklägerin nicht zu und bestätigte mit Schreiben vom 02.05.2015 die Vertragsbeendigung zum 31.07.2015. Der Verfügungsbeklagte unterrichtete seine Kunden nach und nach von der Kündigung seines Finanzberatervertrages und davon, dass er ab August 2015 keine Beratungen mehr für die Verfügungsklägerin vornehmen würde. Dem Zeugen F übergab der Verfügungsbeklagte eine selbst angefertigte Tabelle, in welcher 190 seiner Kunden aufgelistet sind (Anlage 1). Ende Juni 2015 kam es zu 96 Kündigungen von Maklerverträgen durch Kunden der Verfügungsklägerin. Die Kündigungsschreiben, welche der Verfügungsbeklagte den jeweiligen Kunden vorformuliert zur Verfügung gestellt hatte, waren identisch in ihrem Aufbau, Schriftbild, in ihrem Text - unter anderem wiesen die Schreiben denselben Rechtschreibfehler auf - sowie im Zeitpunkt der gewünschten Vertragsbeendigung. Zudem enthielten die Kündigungsschreiben den Zusatz, dass sich die jeweiligen Kunden künftig vom Verfügungsbeklagten betreuen lassen würden. Sie gingen vom Faxanschluss des Verfügungsbeklagten aus bei der Verfügungsklägerin ein. Das Datum der jeweiligen Kündigungsschreiben wurde handschriftlich eingetragen. Unter dem 30.06.2015 forderte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten dazu auf, das aus ihrer Sicht vertragswidrige Verhalten, die Kunden durch vorformulierte Kündigungsschreiben zu einer Kündigung der geschlossenen Maklerverträge zu veranlassen, zu unterlassen und Auskunft über den Umfang seines Tätigwerdens zu erteilen. Dies lehnte der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 01.07.2015 mit der Begründung ab, ihm sei kein Pflichtverstoß vorzuwerfen.
6Die Verfügungsklägerin behauptet, der Verfügungsbeklagte habe bei den Kunden, welche Kündigungen eingereicht haben, den Entschluss hervorgerufen, die bestehenden Maklerverträge zu kündigen. Dadurch, dass er den Kunden von seinem Ausscheiden berichtet habe, habe er diese in eine Entscheidungssituation gebracht.
7Sie ist der Auffassung, der Verfügungsbeklagte habe gegen seine vertraglichen Pflichten sowie gegen seine Interessenwahrungspflicht als Handelsvertreter verstoßen. Er hätte vor Beendigung des Vertragsverhältnisses zu der Verfügungsklägerin nicht in Konkurrenz zu dieser treten dürfen. Auch wäre er verpflichtet gewesen, die zur Kündigung entschlossenen Kunden hiervon abzubringen. Der Verfügungsbeklagte habe sich durch sein Verhalten einen unredlichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Ob ihr ein Schaden eingetreten sei, sei für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch unerheblich; jedenfalls sei ein solcher aber darin zu sehen, dass sich der Wert des Unternehmens durch den Verlust der Maklerverträge gemindert habe.
8Entsprechend dem Antrag der Verfügungsklägerin vom 01.07.2015 hat die Kammer dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft im Falle der Zuwiderhandlung und einer weiteren Ordnungshaft im Falle der Wiederholung durch Beschluss vom 03.07.2015 untersagt,
9vor Ablauf des 31.07.2015
10selbst oder über Dritte Kunden der Antragstellerin, die mit dieser über einen
11Maklervertrag verbunden sind,
121. vorformulierte Schreiben zur Verfügung zu stellen, mit denen die Kündigung des zwischen dieser und dem Kunden geschlossenen Maklervertrages erklärt werden soll;
132. Kunden zur Kündigung der mit der Verfügungsklägerin abgeschlossenen Maklerverträge zu veranlassen beziehungsweise aufzufordern.
14Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 10.07.2015 Widerspruch eingelegt.
15Die Verfügungsklägerin beantragt,
16die einstweilige Verfügung vom 03.07.2015 aufrecht zu erhalten.
17Der Verfügungsbeklagte beantragt,
18die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einst-
19weiligen Verfügung zurückzuweisen.
20Der Verfügungsbeklagte behauptet, er habe den von ihm betreuten Kunden lediglich im Rahmen der mit diesen regulär geführten Kundengespräche mitgeteilt, dass er zu Ende des Monats Juli 2015 ausscheiden würde und ab August keine Beratung mehr für diese vornehmen würde. Keinesfalls habe er die Kunden dahingehend beeinflusst, dass sie sich von der Verfügungsklägerin abwenden sollten - das Vorbringen des Verfügungsbeklagten im Zusammenhang mit seinem Verhalten gegenüber den Kunden bestreitet die Verfügungsklägerin mit Nichtwissen. Der Verfügungsbeklagte behauptet, diejenigen Kunden, die sich selbständig und ohne seinen Einfluss dazu entschlossen hätten, sich auch künftig vom Verfügungsbeklagten beraten zu lassen - dies sei auf Grund der bestehenden emotionalen Bindung der Kunden geschehen - und das Vertragsverhältnis zur Verfügungsklägerin zu kündigen, hätten ihn von sich aus gefragt, ob er ihnen eine Kündigung zur Verfügung stellen könnte. Jedenfalls hätten diese sonst ohne Weiteres eigene Kündigungen verfasst. Der Schwiegervater des Verfügungsbeklagten, der Zeuge T1, sei bei einigen Kundengesprächen zugegen gewesen. Auch dieses Vorbringen bestreitet die Verfügungsklägerin mit Nichtwissen. In Bezug auf den Zeugen L1 behauptet der Verfügungsbeklagte, er habe mit diesem zu keiner Zeit über eine Kündigung gesprochen oder diesem einen Vordruck ausgehändigt, was die Verfügungsklägerin ebenfalls mit Nichtwissen bestreitet.
21Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten ist die einstweilige Verfügung vom 03.07.2015 aufrecht zu erhalten, da sie sich als in der Sache rechtmäßig darstellt, §§ 936, 925 Abs. 1 ZPO.
24Der zulässige Widerspruch - dieser war gemäß §§ 936, 922, 924 ZPO statthaft - ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung lagen auch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch vor: auch nach Durchführung der Hauptverhandlung ist glaubhaft im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs vorliegen.
25Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig - insbesondere ist das Landgericht das gemäß §§ 937, 943, 802 ZPO i. V. m. § 12 ZPO und §§ 23, 71 GVG, § 1 ZPO zuständige Gericht der Hauptsache; ein Unterlassungsanspruch ist behauptet - und begründet.
26I.
27Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch schlüssig dargelegt und im Sinne der §§ 936, 920 ZPO glaubhaft gemacht. Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus dem Vertrag vom 01.04.2014 i. V. m. der Anlage 1 zu. Die Ziffern 3.1., 3.9. und 7.5. der Anlage 1 begründen eine selbständige Nebenleistungspflicht gemäß § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Auslegung dieser Ziffern gemäß §§ 133, 157 BGB rechtfertigt die Annahme, dass diese im Falle der Nichteinhaltung einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf künftige Vertragsverletzungen begründen. Eine positive Formulierung spricht dem nicht entgegen, es ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften; vielmehr ist davon auszugehen, dass der wirkliche Wille der Parteien dahin ging, im Vertrag einklagbare Unterlassungspflichten zu begründen.
281.
29Gegen diese vertraglichen Pflichten hat der Verfügungsbeklagte verstoßen, indem er die Interessen der Verfügungsklägerin verletzt hat und zahlreiche Kunden dazu im Sinne der Ziffer 7.5. der Anlage 1 zum Vertrag vom 01.04.2014 veranlasst hat, das zu der Verfügungsklägerin bestehende Vertragsverhältnis zu beenden beziehungsweise diese abgeworben hat.
30Der Verfügungsbeklagte hat unstreitig den Kunden, welche Ende Juni - am 23., am 24. sowie am 29.06.2015 - ihre bei der Verfügungsklägerin bestehenden Maklerverträge gekündigt haben, vorformulierte Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt, aus welchen sich ergibt, dass diese zum 31.07.2015 kündigen und sich in ihren Vermögensangelegenheiten auch weiterhin vom Verfügungsbeklagten betreuen lassen wollen. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Verfügungsbeklagte die Kunden jedenfalls konkludent hierzu veranlasst hat. Der Verfügungsbeklagte hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausgesagt, dass er von Mitte März an seinen Kunden mitgeteilt habe, dass er ab August 2015 bei der Verfügungsklägerin ausscheiden würde und künftig als selbständiger Einzelmakler auf demselben Gebiet tätig sein würde. Dass dies nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der jeweiligen regulär zu führenden Kundenbetreuungsgespräche und nach eigenen Angaben aus dem Gespräch heraus erfolgt sei, ändert nichts an der Überzeugung, dass die Kunden dadurch zu einer Kündigung verleitet worden sind. Der Verfügungsbeklagte hat im Wissen um die emotionale Bindung und sein zu den Kunden bestehendes Vertrauensverhältnis gehandelt und die Kunden dadurch jedenfalls konkludent im Sinne der Ziffer 7.5. der Anlage 1 zum Vertrag vom 01.04.2014 dazu veranlasst, den Vertrag zu beenden, was ihm während des laufenden Vertragsverhältnisses untersagt war. Aus einer Gesamtbetrachtung der in der Anlage 1 aufgestellten Handlungs- und Unterlassungspflichten ergibt sich, dass der Begriff des „Veranlassens“ im Sinne der Ziffer 7.5. weit auszulegen ist: der Verfügungsbeklagte sollte jedwedes Verhalten unterlassen, welches auch nur mittelbar dazu geeignet ist beziehungsweise bewirkt, dass Vergütungen nicht der Verfügungsklägerin zufließen, sich in seinen Handlungen am Interesse dieser zu orientieren und für eine positive Bestandsentwicklung zu sorgen. Es wäre dem Verfügungsbeklagten unbenommen gewesen, sich bereits während des laufenden Vertragsverhältnisses um seine künftige Tätigkeit zu kümmern; dies allerdings nur, solange sichergestellt worden wäre, dass die beabsichtigte Konkurrenztätigkeit erst nach Ende der vertraglichen Verpflichtungen aufgenommen wird - ein Tätigwerden nach außen in der Form, dass er bereits frühzeitig gegenüber den Kunden für seine spätere Tätigkeit vorsorgend tätig wird und sich bereits darum kümmert, einen fließenden Übergang zu gewährleisten und die Kunden zu einer Kündigung des bestehenden Maklervertrages verleitet, war vertragswidrig. Das Vorbringen des Verfügungsbeklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung konnte die Überzeugung, dass der Verfügungsbeklagte die Kunden zur Kündigung veranlasst hat, nicht erschüttern: er hat vorgetragen, aus den jeweiligen Gesprächen heraus habe sich ergeben, dass die Kunden ihn gebeten hätten, ihm Kündigungsschreiben zur Verfügung zu stellen; wie genau es im Rahmen der einzelnen Gespräche dazu gekommen ist, wie eine Kündigung zur Sprache gekommen ist, von wem die Initiative ausgegangen ist und warum der Verfügungsbeklagte die Kündigugnsschreiben bereits frühzeitig vorbereitet hat, konnte er indes nicht - auch nicht anhand der im Rahmen seiner Anhörung beispielhaft zur Sprache gekommenen Kundengespräche mit den Zeugen Q und C1 - überzeugend darlegen. Dass der Verfügungsbeklagte ausgesagt hat, die Zeugin Q habe von sich aus gefragt, ob sie sich weiterhin von ihm betreuen lassen könne und ihn von sich aus gebeten, für sie ein Kündigungsschreiben vorzubereiten, um einen reibungslosen Übergang in der Betreuung zu gewährleisten, ändert hieran nichts. Auch bei unterstellter Richtigkeit dieses Vorbringens erscheint es unwahrscheinlich, dass auch weitere 95 Kunden sich aus eigener Initiative zu einer Kündigung entschlossen haben; auch ist es unwahrscheinlich, dass so viele Kunden ihren bestehenden Maklervertrag sowieso kündigen wollten. Dass der Verfügungsbeklagte dem Zeugen F eine Excel-Tabelle mit den Daten von 190 von ihm betreuten Kunden zur Verfügung gestellt hat, ändert hieran nichts. Entscheidend war das Verhalten gegenüber den Kunden; dass er diesen zumindest die ernsthafte Option aufgezeigt hätte, weiterhin in der Betreuung durch die Verfügungsklägerin zu bleiben und dass er ihnen aufgezeigt hätte, dass deren Betreuung weiterhin zuverlässig gewährleistet würde, konnte der Verfügungsbeklagte nicht überzeugend darlegen: er hat pauschal vorgetragen, den Kunden gesagt zu haben, dass sie sich weiterhin von für die Verfügungsklägerin tätigen Finanzberatern betreuen lassen könnten, konnte dies allerdings nicht beispielhaft an einzelnen Gesprächen erläutern; auf die Frage, ob er der Zeugin Q die Möglichkeit aufgezeigt habe, bei der G AG bleiben zu können, konnte der Verfügungsbeklagte nicht antworten, weil er daran keine Erinnerung mehr hatte; auf genauere Inhalte eines mit dem Zeugen C1 über sein Ausscheiden geführten Gesprächs wollte der Verfügungsbeklagte nicht eingehen. Vielmehr ist überwiegend wahrscheinlich, dass er die Kunden in einen Entscheidungskonflikt gebracht hat, indem er diesen - teilweise bereits Monate vor seinem Ausscheiden - hiervon berichtet hat und ihnen die Lösung von ihren Verträgen durch das Zurverfügungstellen vorformulierter Kündigungsschreiben wesentlich erleichtert hat.
31Darauf, dass dem Verfügungsbeklagten von Seiten der Zeugen K, C, T, F und L mitgeteilt worden war, er könne die von ihm akquirierten Kunden bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen übernehmen, kam es nicht an. Mit diesem Vorbringen ist schon nicht dargetan, dass eine Zusage dahingehend getroffen worden sei, dass er sich bereits vor Vertragsbeendigung mit der Verfügungsklägerin - nur hierauf kommt es an - um die spätere Übernahme der Kunden kümmern dürfe. Hieran ändert auch nichts, dass der Verfügungsbeklagte eine frühzeitige Vertragsauflösung zum 28.02.2015 begehrt hat und vor dem Hintergrund bereits frühzeitig, seit März 2015, seinen Kunden von seinem Ausscheiden berichtet hat; er musste bis zu der Bestätigung des Zeitpunktes der Beendigung des Vertrages von dessen Fortbestehen ausgehen. Die Annahme, dass die Kunden - jedenfalls schlüssig - zu einer Kündigung der Maklerverträge verleitet worden sind und nicht unabhängig vom Verfügungsbeklagten gekündigt haben oder hätten, wird gestützt durch die Tatsache, dass sämtliche Kündigungen innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgesprochen worden sind - der Verfügungsbeklagte hat ausgesagt, er habe die Kündigungen von den Kunden eingesammelt, um sie schließlich Ende Juni 2015 gesammelt an die Verfügungsklägerin zu schicken - und dass nach den Angaben des Verfügungsbeklagten mit diesen Kunden zwar noch keine schriftlichen Maklerverträge, aber bereits mündliche Abreden über eine künftige Betreuung durch ihn getroffen worden seien.
322.
33Durch sein Verhalten hat der Verfügungsbeklagte darüber hinaus gegen § 86 HGB verstoßen. Er hat gegen seine daraus herzuleitende Interessenwahrnehmungspflicht - diese umfasst die Verpflichtung, alles zu tun, was im Interesse des Unternehmens ist und all dasjenige zu unterlassen, was diesem widerspricht sowie die Verpflichtung, sich loyal zu verhalten - verstoßen. Aus dieser Pflicht lässt sich das Verbot der Nachteilszufügung herleiten, welches auch ohne besondere Vereinbarung ein Wettbewerbsverbot (vgl. OLG München, Beschluss vom 18.11.2010 – 23 U 3768/10) sowie das Verbot, Kunden dazu zu bewegen, geschlossene Verträge rückgängig zu machen, umfasst. (vgl. Löwisch, HGB, 3. Auflage 2014, § 86 Rn. 8) Eine Pflicht des Verfügungsbeklagten, seine Kunden von seinem Ausscheiden zu unterrichten, bestand auch erst nach Vertragsbeendigung. (vgl. Löwisch, § 86 Rn. 13)
34II.
35Darüber hinaus steht der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 i. V. m. 4 Nr. 10 UWG zu. Der Verfügungsbeklagte hat die Kunden im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG abgeworben. Er hat gegen seine gegenüber der Verfügungsklägerin bestehende Loyalitätspflicht verstoßen, indem er unter Ausnutzung seiner auf Grund des Handelsvertreterverhältnisses bestehenden Beziehungen und Kontaktmöglichkeiten während des laufenden Vertragsverhältnisses an die Kunden herangetreten ist, diesen frühzeitig von seinem Ausscheiden berichtet, mit ihnen über die Kündigung der bestehenden Maklerverträge sowie die Möglichkeit gesprochen hat, sie auch künftig betreuen zu können, sie dadurch schlüssig zu einer Kündigung verleitet hat und ihnen vorformulierte Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt hat. Zwar ist das Abwerben von Kunden nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig, es besteht kein Anspruch auf den Fortbestand des Kundenstamms. Vorliegend sind indes Umstände gegeben, welche das Verhalten des Verfügungsbeklagten als unlauter erscheinen lassen. Auch beziehungsweise gerade nach den Ausführungen des Verfügungsbeklagten, wonach eine künftige Zusammenarbeit zur Sprache gekommen sei sowie zur Sprache gekommen sei, dass er auch künftig in derselben Branche als Einzelmakler tätig sein würde, in dieser Funktion ab August 2015 die Kunden betreuen könne und eine emotionale Bindung zu seinen Kunden bestanden habe - beispielhaft hat er vorgetragen, die Zeugin Q habe auf seine Mitteilung über sein bevorstehendes Ausscheiden gemeint, sie hätte erwartet, über einen Zeitraum von 30 Jahren vom ihm betreut zu werden - steht zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass der Verfügungsbeklagte die Kunden unter Ausnutzung der über seine Tätigkeit für die Verfügungsklägerin bestehenden Kontaktmöglichkeiten zu den Kunden (vgl. Ohly/ Sosnitza, 6. Auflage 2014, UWG § 4 Rn. 10/57) für sein künftiges Unternehmen gewinnen wollte. Auch die Tatsache, dass der Verfügungsbeklagte einen nicht unwesentlichen Teil seiner Kunden - nach Angaben von Frau X im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung betreut der Verfügungsbeklagte nach einer Schätzung insgesamt circa 420 bis 500 Kunden - in diesem Sinne abgeworben hat, lässt sein Verhalten als unlauter erscheinen.
36III.
37Unabhängig davon, dass die Verfügungsklägerin dringend der sofortigen Erfüllung des Unterlassungsanspruchs bedarf, weil die Erfüllung des Handelsvertretervertrages gefährdet ist und die Unterlassung für den Zeitraum bis zum 31.07.2015 so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Verwirklichung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht mehr möglich ist, bedurfte es der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes gemäß § 12 Abs. 2 UWG jedenfalls nicht.
38Nach alledem ist die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es angesichts der Rechtsnatur der einstweiligen Verfügung nicht.
40Der Streitwert wird auf 30.000 € EUR festgesetzt.
41Unterschrift |
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als Einzelrichterin |
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Referenzen
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