Urteil vom Landgericht Rostock (4. Zivilkammer) - 4 O 134/07

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 0,80 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 0,40 EUR seit dem 04.06.2005 und seit dem 04.07.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin und verlangt vom beklagten Rechtsanwalt rückständige Gewerbemieten. Streitig ist, ob eine vom Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin vereinbarte Mietminderung sowie eine Aufrechnung der Insolvenzanfechtung unterliegen.

2

Die spätere Insolvenzschuldnerin, die H. GmbH, vermietete mit Gewerberaummietvertrag vom 10.06.2004 Büroräume in der T.-Straße 12 in R. an den Beklagten zum Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei. Die monatliche Miete betrug 2.540,40 EUR inklusive einer Nebenkostenpauschale. Ebenfalls am 10.06.2004 schlossen der Beklagte und die Insolvenzschuldnerin einen Rechtsberatungsvertrag, der für ein Pauschalhonorar von monatlich 580,- EUR die ständige laufende Beratung der Insolvenzschuldnerin in zivilrechtlichen Angelegenheiten beinhaltete. Die Mietvertragsparteien hatten zunächst eine monatliche Miete von 1.960,40 EUR inklusive Nebenkosten vereinbart. Im Hinblick auf den Rechtsberatungsvertrag mit gleicher Laufzeit und Kündigungsfrist stimmte der Beklagte kurzfristig einer um 580,- EUR erhöhten monatlichen Miete zu, da die erhöhte Miete durch das Rechtsberatungshonorar kompensiert wurde.

3

Ab Februar 2005 minderte der Beklagte die monatliche Miete um 460,- EUR, weil die Vermieterin keine Büroreinigung, Gartenpflege, Müllentsorgung, Gehwegreinigung und keinen Winterdienst mehr ausführte. Den Minderungsbetrag von 460,- EUR haben die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit unstreitig gestellt.

4

Nachdem am 10.06.2005 (Eingang 13.06.2005) Insolvenzantrag gestellt wurde, untersagte das Amtsgericht Rostock mit Beschluss vom 15.06.2005 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Insolvenzschuldnerin, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, eröffnete mit Beschluss vom 29.11.2005 das Insolvenzverfahren und bestellte die Klägerin zur Insolvenzverwalterin.

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Ausgehend von einer monatlichen Miete in Höhe von 2.540,40 EUR sind unter Berücksichtigung der Mietminderung von 460,- EUR und der Zahlungen des Beklagten in Höhe von insgesamt 12.920,74 EUR folgende Mietzahlungen offen:

6

6/05

 2.080,40 EUR

7/05

 2.080,40 EUR

8/05

 2.080,40 EUR

9/05

 2.080,40 EUR

10/05

 2.080,40 EUR

11/05

 1.159,66 EUR

12/05

 580,40 EUR

1/06

 580,40 EUR

2/06

 580,40 EUR

3/06

 580,40 EUR

4/06

 580,40 EUR

5/06

 580,40 EUR

6/06

 580,40 EUR

7/06

 580,40 EUR

        

      16.204,86 EUR

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Der Rechtsberatungsvertrag des Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin wurde zum 31.05.2005 beendet. Der Beklagte vereinbarte deshalb mit der Insolvenzschuldnerin am 25.05./28.06.2005 eine Reduzierung der monatlichen Miete um 580,- EUR auf 1.960,40 EUR. Die Klägerin hat wegen dieser Mietreduzierung die Insolvenzanfechtung erklärt.

8

Mit Schreiben vom 27.09. und 23.11.2005 (Anlage K 7) erklärte der Beklagte gegen die offenen Mietforderungen die Aufrechnung mit unstreitigen Gebührenforderungen in Höhe von 8.079,26 EUR. Die entsprechenden Auftragserteilungen an den Beklagten erfolgten durch die Insolvenzschuldnerin überwiegend in den Jahren 2003 und 2004, die letzten beiden Aufträge wurden am 03.02. bzw. 03.03.2005 erteilt. Die Klägerin hat auch wegen der Aufrechnung die Insolvenzanfechtung erklärt.

9

Mit Beschluss vom 24.07.2006 ordnete das Amtsgericht Rostock die Zwangsverwaltung des Hausgrundstücks T.-Straße 12 in R. an und bestellte Rechtsanwalt F. zum Zwangsverwalter. Mit Beschluss vom 07.06.2007 wurde die Zwangsverwaltung wieder aufgehoben, für noch nicht eingezogene Forderungen aus der Zeit vor der Zuschlagserteilung am 16.05.2007 blieb die Beschlagnahmewirkung gegenüber der Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin jedoch erhalten.

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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe spätestens seit dem 30.03.2005 die tatsächlich bestehende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gekannt, dies ergebe sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 30.03.2005 (Anlage K 8).

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Die Klägerin hat die zunächst in Höhe von 24.144,86 EUR erhobene Klage in Höhe von 6.440,- EUR (14 x 460,- EUR monatliche Mietminderung) zurückgenommen. In Höhe von 1.500,- EUR haben die Parteien übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits erklärt, die Mietzahlung des Beklagten vom 24.07.2006 ist insoweit zwischen Anhängigkeit (18.07.2006) und Zustellung der Klage (24.08.2006) erfolgt.

12

Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 16.204,86 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.080,40 EUR seit dem 04.06.05, 04.07.05, 04.08.05, 04.09.05 und 04.10.05 sowie aus 1.159,66 EUR seit dem 04.11.05 und aus jeweils 580,40 EUR seit dem 04.12.05, 04.01.06, 04.02.06, 04.03.06, 04.04.06, 04.05.06, 04.06.06 und 04.07.06 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist bis auf einen durch einen Rechenfehler verursachten Restbetrag von 0,80 EUR unbegründet.

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Die geltend gemachte Mietzinsforderung in Höhe von 16.204,86 EUR ist in Höhe von 8.120,00 EUR (14 x 580,- EUR) nicht entstanden, weil insoweit eine unanfechtbare Mietreduzierung mit dem Beklagten vereinbart wurde (dazu I.). Infolge der berechtigten Minderung des Beklagten in Höhe von 460,- EUR verblieb nur eine Mietzinsforderung von 1.500,40 EUR monatlich (dazu II.). Diese Mietzinsforderung ist durch die ebenfalls nicht anfechtbare Aufrechnung des Beklagten in Höhe von 8.079,26 EUR erloschen (dazu III.). Die auf Grund eines Rechenfehlers bestehende Restforderung von 5,60 EUR (14 x 0,40 EUR) steht nur in Höhe von 0,80 EUR der Klägerin zu, da für die Mietforderungen ab August 2005 der Zwangsverwalter aktiv legitimiert ist (dazu IV.).

18

I. Die vom Beklagten vertraglich geschuldete monatliche Miete betrug ab Juni 2005 nur noch 1.960,40 EUR.

19

1. Durch Vereinbarung vom 25.05./28.06.2005 haben der Beklagte und die Insolvenzschuldnerin die monatliche Miete um 580,- EUR wegen des Wegfalls des parallel abgeschlossenen Rechtsberatungsvertrages reduziert.

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2. Diese Vereinbarung ist nicht gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Zwar erfolgte die Vereinbarung nach dem Insolvenzantrag, der am 13.06.2005 gestellt wurde. Die Mietreduzierung benachteiligt hingegen die Insolvenzgläubiger nicht (§§ 129, 132 Abs. 1 InsO), weil dem Beklagten auch ohne die Vereinbarung ein Anspruch auf Reduzierung der monatlichen Miete um 580,- EUR ab Juni 2005 zustand. Der Anspruch des Beklagten auf Vertragsanpassung folgte aus § 313 Abs. 1 BGB, weil in Höhe von 580,- EUR die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages weggefallen war. Schon bei Abschluss des Mietvertrages am 10.06.2004 war sich der Beklagte mit der Vermieterin einig, dass die monatliche Miete an sich nur 1.960,40 EUR betragen sollte. Nur im Hinblick auf den am selben Tag abgeschlossenen Rechtsberatungsvertrag mit einem Pauschalhonorar von 580,- EUR wurde die monatliche Miete um diesen Betrag auf 2.540,40 EUR erhöht. Wenn nun aber der Rechtsberatungsvertrag ab Juni 2006 ersatzlos wegfallen sollte, dann entfiel die Berechtigung für die um 580,- EUR überzogene monatliche Miete.

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II. Die vom Beklagten geschuldete monatliche Miete betrug letztendlich 1.500,40 EUR, weil dem Beklagten in Höhe von 460,- EUR ein Minderungsrecht wegen Mietmängeln (§ 536 Abs. 1 BGB) zustand.

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Die Höhe der Mietminderung haben die Parteien mit 460,- EUR monatlich unstreitig gestellt. Die resultierende Forderung beträgt allerdings 1.500,40 EUR monatlich, nicht wie vom Beklagten errechnet 1.500,- EUR.

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III. Die Mietzinsforderung der Insolvenzschuldnerin ist in Höhe von 8.079,26 EUR durch Aufrechnung des Beklagten erloschen (§§ 387, 389 BGB).

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1. Die vom Beklagten aufgerechneten Rechtsanwaltshonorare in Höhe von 8.079,26 EUR, aufgelistet in den Schreiben vom 27.09. und 23.11.2005 (Anlage K 7), sind unstreitig.

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2. Die Aufrechnung ist nicht gem. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ausgeschlossen. Die Aufrechnungslage entstand vor Insolvenzeröffnung (29.11.2005), denn die Honorarrechnungen des Beklagten wurden bis spätestens Oktober 2005 gestellt. Die geltend gemachten Mieten für den Zeitraum 6/05 bis 7/06 waren vor Insolvenzeröffnung fällig und erfüllbar.

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3. Im Fall einer vor Insolvenzeröffnung entstandenen Aufrechnungslage lässt sich ein Aufrechnungsverbot auch nicht aus § 394 BGB i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO herleiten (BGH, Urt. v. 29.06.04 - IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388; a.A. KG NZI 2000, 221).

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4. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung ist auch nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam:

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Die Begründung einer Aufrechnungslage kann eine anfechtbare kongruente oder inkongruente Rechtshandlung gemäß §§ 130, 131 InsO darstellen. Voraussetzung ist jedoch, dass die maßgebliche Rechtshandlung innerhalb der kritischen Zeit erfolgte. Das ist hier indes nicht der Fall. Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw. § 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, die innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. Der kritische Zeitraum datiert hier vom 13.03.2005 bis zum 12.06.2005. Die maßgeblichen Rechtshandlungen des Beklagten erfolgten hingegen spätestens bis zum 03.03.2005.

29

Maßgebliche Rechtshandlung ist bei Mietzinsansprüchen nach ständiger Rechtsprechung der Abschluss des Mietvertrages (BGH, Urt. v. 11.11.04 - IX ZR 237/03, ZIP 2005, 181; Urt. v. 14.12.06 - IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196; Urt. v. 21.12.06 - IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239; Urt. v. 14.6.07 - IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507). Mietzinsforderungen entstehen zwar nach § 163 BGB aufschiebend befristet erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraumes der Nutzungsüberlassung. Gemäß § 140 Abs. 3 InsO bleibt bei einer bedingter oder befristeten Rechtshandlung aber der Eintritt der Bedingung oder des Termins für die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme einer Rechtshandlung außer Betracht.

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Der maßgebliche Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung hinsichtlich der Honoraransprüche des Rechtsanwaltes ist der Abschluss des Anwaltsvertrages, das heißt die Erteilung des Mandates (vgl. OLG Rostock, Urt. v. 18.04.05 - 3 U 139/04, NZI 2006, 107). Der Honoraranspruch ist zwar aufschiebend bedingt durch die Erteilung einer Honorarrechnung, diese Bedingung bleibt indes gemäß § 140 Abs. 3 InsO wiederum außer Betracht. Die Mandatserteilungen an den Beklagten erfolgten durch die Insolvenzschuldnerin hier in den Jahren 2003 und 2004 sowie zuletzt am 03.02.2005 und 03.03.2005. Die Mandatserteilungen liegen damit nicht innerhalb der letzten drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrages. Soweit die Klägerin bestritten hat, dass die Mandatserteilungen mit wenigen Ausnahmen in den Jahren 2003 und 2004 erteilt worden sind, ergibt sich daraus nichts anderes. Zum einen ist ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) hier unzulässig, da die Klägerin als Insolvenzverwalterin aus den Unterlagen der Insolvenzschuldnerin erkennen kann, wann diese die entsprechenden Mandate an den Beklagten als Rechtsanwalt erteilt hatte. Zum anderen trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Anfechtungsvoraussetzungen, so dass die Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hätte, dass die maßgeblichen Mandatserteilungen nach dem 13.03.2005 und damit innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages erfolgt sind. Der Beklagte hat jedenfalls einer etwaigen sekundären Darlegungslast genügt, indem er die jeweiligen Zeitpunkte der einzelnen Mandatserteilungen anhand der Aktenzeichen dargestellt hat.

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5. Auf die Frage der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin und die behauptete diesbezügliche Kenntnis des Beklagten kommt es nach allem nicht an.

32

IV. Hinsichtlich der verbleibenden Restforderung von 5,60 EUR (14 x 0,40 EUR) ist die Klägerin nur für die Monate Juni und Juli 2005 (2 x 0,40 EUR = 0,80 EUR) aktivlegitimiert. Hinsichtlich der Mietforderungen ab August 2005 ist der Zwangsverwalter Rechtsanwalt F. aktivlegitimiert.

33

Mit Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 24.07.2006 wurde die Zwangsverwaltung des vermieteten Objekts angeordnet. Gemäß § 148 Abs. 1 ZVG umfasst die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung einhergehende Beschlagnahme des Grundstücks auch Miet- und Pachtzinsforderungen. Für rückständige Mietzinsforderung wird die Beschlagnahme durch § 1123 Abs. 2 BGB abgegrenzt. Gemäß § 1123 Abs. 2 BGB tritt Enthaftung der Mietzinsforderungen mit dem Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Fälligkeit ein. Die Mietzinsforderung für Juni 2005 wurde am 04.06.2005, die Mietzinsforderung für Juli 2005 am 04.07.2005 fällig. Demzufolge trat Enthaftung am 04.06.2006 bzw. 04.07.2006 ein, da erst am 24.07.2006 die Zwangsverwaltung und damit die Beschlagnahme angeordnet wurde. Zu einer Enthaftung der Mietzinsforderung für August 2005, die am 04.08.2006 eingetreten wäre, konnte es nicht mehr kommen.

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V. Die Zinsforderung ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

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VI. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, beruht die Kostenentscheidung auf § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Hinsichtlich der erledigten Teilforderung in Höhe von 1.500,- EUR (Restmiete für Juli 2006) hätte zwar der Beklagte isoliert betrachtet gem. § 91 a ZPO die Kosten zu tragen, weil die Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit eingetreten ist und der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hatte. Da das Teilunterliegen des Beklagten aber geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist, hat die Klägerin insgesamt sämtliche Prozesskosten zu tragen.

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VII. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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VIII. Streitwert: 24.144,86 € (16.204,86 € ab Teilrücknahme und Teilerledigungserklärung am 05.09.2007)

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