Urteil vom Landgericht Stuttgart - 23 O 166/18

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Zulassungsbescheinigung Teil II betreffend den PKW Marke Mercedes Benz E 220 d, FIN: … an den Kläger herauszugeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12,00 EUR Akteneinsichtskosten und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2018 zu bezahlen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist hinsichtlich Tenor Ziff. 2 und 4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt nach einem Gebrauchtwagenkauf in Dortmund die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) für einen Mercedes Benz E 220 d und die Bezahlung von Nebenforderungen.
Widerklagend begehrt die Beklagte, eine Leasinggesellschaft, die Herausgabe des von ihr an einen Herrn Y… ursprünglich geleasten Mercedes Benz E 220 d vom Kläger als Besitzer.
Am 03.02.2018 schlossen die Beklagte als Leasinggeberin und Herr K… Y…, … Straße, 34127 Kassel, als Leasingnehmer einen Leasingvertrag über den streitgegenständlichen Mercedes Benz E 220 d (Anlage B 1, Bl. 44).
Am 19.02.2018 wurde Herr K… Y… in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) eingetragen (Anlage B 4, Bl. 51).
Am 24.04.2018 entdeckte der Kläger auf der Verkaufsplattform „mobile.de“ ein Inserat für den streitgegenständlichen Mercedes Benz E 220 d zum Kaufpreis von 29.900,00 EUR. Der Kläger fuhr am selben Tag mit seiner Ehefrau zum Verkäufer, der sich „A… F…“ nannte, nach Dortmund. Nach einer Besichtigung des streitgegenständlichen Mercedes Benz am 24.04.2018 abends und nach Preisverhandlungen kaufte der Kläger von Herrn „Amin Farin“ das streitgegenständliche Kraftfahrzeug. Der Kläger und Herr „A… F…“ schlossen einen schriftlichen Kaufvertrag für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug (Bl. 6). Hierin ist die „Pass-Nr.“ des Verkäufers vermerkt (Bl. 6). Im schriftlichen Kaufvertrag vom 24.04.2018 (Bl. 6) bestätigte der Käufer den Empfang der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief), der Zulassungsbescheinigung Teil I (Kfz-Schein), der Bescheinigung der letzten Hauptuntersuchung, der Bescheinigung der letzten Abgasuntersuchung, des Kraftfahrzeuges mit Schlüsseln und den Erhalt des amtlichen Kennzeichens. Unter „besondere Vereinbarungen“ haben der Kläger und Herr F… vereinbart: „Der 2. Schlüssel wird innerhalb einer Woche zugesendet!“ (Bl. 6).
Am 24.04.2018 erhielt der Kläger von Herrn F… die - wie sich später herausstellte - gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72).
Wie sich später aufgrund der Ermittlungen des Polizeipräsidiums Aalen und weiterer deutscher und österreichischer Ermittlungsbehörden herausstellte, hatten sich der Verkäufer mit dem Namen „A… F…“ und der Leasingnehmer der Beklagten, Herr „Y…“, mit anderen Mitgliedern im Wege der Bandenkriminalität zu fortgesetztem Betrug, Unterschlagung und Diebstahl von hochwertigen Kraftfahrzeugen zusammengeschlossen. Es handelte sich nach den polizeilichen Ermittlungen mutmaßlich um eine osteuropäische Bande, teilweise aus dem Roma-Milieu, die vornehmlich aus NRW agierten. Der Verkäufer, der sich mit dem Namen „A… F…“ ausgab, setzte sich in der Folge nach Bulgarien ab. Der Leasingnehmer Y… beging mit der sich mit ihm zusammengeschlossenen Bande weitere Unterschlagungen und Verkäufe im Bereich Ravensburg und Dortmund. Die Geschädigten finden sich in den genannten Städten und darüber hinaus in Bretten sowie Innsbruck (Anlage B 8, Bl. 60 ff.: Ermittlungsbericht der polizeilichen Ermittlungsbehörden).
Am 22.05.2018 ließ der Kläger beim Landratsamt Ostalbkreis in Aalen mit dem bis dahin unerkannt gefälschten und im Besitz des Klägers befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) den streitgegenständlichen Mercedes Benz mit dem neuen amtlichen Kennzeichen AA-Y … zu.
Am 22.05.2018, zwischen 10:00 und 11:30 Uhr, wurde das streitgegenständliche Kraftfahrzeug in der Tiefgarage des Klägers, wie laut des polizeilichen Ermittlungsberichts durch die osteuropäische Bande bei vielen Geschädigten üblich, gestohlen, um das Fahrzeug erneut verkaufen zu können.
10 
Der Kläger erstattete sofort nach Entdeckung des Diebstahls des streitgegenständlichen Mercedes-Benz, noch am 22.05.2018, beim Polizeipräsidium Aalen Strafanzeige (Anlage B. 7, Bl. 56 ff.).
11 
Am 27.05.2018 konnte die Polizei mittels eines im (ursprünglichen) Leasingfahrzeug, dem streitgegenständlichen Mercedes Benz, verbauten GPS-Ortungssystems, das streitgegenständliche Kraftfahrzeug in Dortmund auffinden und sicherstellen, ohne den Verkäufer dingfest machen zu können.
12 
Der Kläger meldete hieraufhin umgehend den streitgegenständlichen Mercedes Benz E 220 d beim Landratsamt Ostalbkreis in Aalen ab. Der gefälschte Kfz-Brief (Anlage B 9, Bl. 72) wurde von der Polizei einbehalten. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang erfahren, dass sich der Original-Kfz-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II) bei der Beklagten befindet.
13 
Am 11.06.2018 kündigte die Beklagte den Leasingvertrag gegenüber ihrem Leasingnehmer Herrn Y… (Anlage B 5, Bl. 52).
14 
Am 30.07.2018 forderte der Klägervertreter für den Kläger von der Beklagten die Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) heraus (Bl. 21 f.).
15 
Am 09.08.2018 forderte die von der Beklagten (Bl. 26) beauftragte und bevollmächtigte „AKM Deutschland GmbH“ vom Kläger den streitgegenständlichen Mercedes Benz heraus.
16 
Der Kläger behauptet, für ihn hätten sich beim Kauf und beim Erwerb des Mercedes-Benz in Dortmund keine Verdachtsmomente ergeben, die ihn von einem Erwerb und Kauf des Fahrzeugs hätten abhalten müssen. Das Kraftfahrzeug sei für 29.900,00 EUR und mit „Verhandlungsbasis“ inseriert gewesen. Er habe für die Fahrt aus Baden-Württemberg nach Dortmund bereits am Telefon einen Preisnachlass und für schon am Telefon angekündigte Mängel vom Verkäufer für „fällige“ Bremsen und Reifen einen Preisnachlass angeboten bekommen. Am Ende habe er für eine Bremsenreparatur, für die Kosten für neue Reifen und eine Karosseriebeschädigung oberhalb des rechten Frontscheinwerfers einen Preisnachlass erhalten, der zu einem Kaufpreis von 27.300,00 EUR, wie im schriftlichen Kaufvertrag festgehalten, geführt habe. Der Preisnachlass beruhe nicht nur auf der Karosseriebeschädigung, sondern auf allgemeinen Vertragsverhandlungen und den weiteren Mängeln bzw. abgefahrenen Reifen. Er sei beim Kauf und bei der Übergabe des Kraftfahrzeugs in Dortmund, wie auch seine Ehefrau, davon ausgegangen, dass der Verkäufer F… über das Kraftfahrzeug verfügen könne. Er habe keine Zweifel oder Argwohn gehabt, dass das streitgegenständliche Kraftfahrzeug nicht dem im gefälschten Kfz-Brief ausgewiesenen Eigentümer gehöre.
17 
Der Kläger beantragt:
18 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Zulassungsbescheinigung Teil II betreffend den Pkw Marke Mercedes Benz E 220 d, FIN: … an den Kläger herauszugeben.
19 
2. Die Beklagte wird verurteilt, als Nebenforderung an den Kläger 12,00 Akteneinsichtskosten und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
20 
Die Beklagte beantragt:
21 
Die Klage wird abgewiesen.
22 
Die Beklagte beantragt widerklagend:
23 
Der Kläger wird verurteilt, das Fahrzeug vom Typ Mercedes Benz E 220 d, amtliches Kennzeichen AA-Y …, Fahrzeugident-Nr. …, nebst den dazu gehörigen Schlüsseln, Kfz-Kennzeichen, Zulassungsbescheinigung Teil I (Kfz-Schein) an die Beklagte herauszugeben.
24 
Der Kläger beantragt:
25 
Die Widerklage wird abgewiesen.
26 
Die Beklagte behauptet, die Fälschung auf der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72) sei für den Kläger ersichtlich gewesen, weil der „Barcode-Aufkleber“ mit Fahrzeug-Identifikationsnummer gefehlt habe (Anlage B 9, Bl. 72). Weitere Verdachtsmomente für den Kauf und Erwerb des Fahrzeugs in Dortmund ergeben sich daraus, dass als Voreigentümerin nur „Mercedes Benz Niederlassung“ ohne Firmierung oder Ortsangabe im Kfz-Brief (Anl. B 9, Bl. 72) angegeben gewesen sei, der Kläger die Fahrgestellnummer nicht kontrolliert habe, der Kläger vom Verkäufer keine Vorlage von „COC-Papieren“ verlangt habe, ein Preisnachlass von 2.600,00 EUR gewährt worden sei und der Verkäufer den Zweitschlüssel nicht dabei gehabt habe und diesen vom über 100 Kilometer entfernten Wohnort nachsenden habe wollen.
27 
Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 eingehend angehört (Protokoll vom 04.12.2018, Bl. 80 ff.).

Entscheidungsgründe

 
28 
Die zulässige Klage ist begründet.
29 
Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
I.
1.
30 
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 985 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zum streitgegenständlichen Kraftfahrzeug Mercedes Benz E 220d. Der Kläger ist gem. §§ 929, 932 BGB Eigentümer des streitgegenständlichen Mercedes Benz geworden. Dem Kläger steht als Eigentümer demzufolge analog § 952 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe an der Zulassungsbescheinigung Teil II, die sich im Besitz der Beklagten befindet, zu, weil das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) dem Eigentum zum zugehörigen Kraftfahrzeug nachfolgt (Palandt, BGB, 77. Auflage, § 952 Rn. 7). Dem Vindikationsanspruch des Klägers gem. § 985 BGB steht kein Recht der Beklagten zum Besitz gem. § 986 BGB o. a. entgegen.
31 
Die Beklagte hat hingegen widerklagend keinen Anspruch auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs gem. § 985 BGB, weil sie ihr Eigentum durch den Erwerbsvorgang am 24.04.2018 gem. §§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren hat. Der Kläger hatte beim Erwerbsvorgang gem. § 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis, dass die Sache, das streitgegenständliche Kraftfahrzeug, nicht dem Veräußerer gehörte.
32 
Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit dem Verkäufer in Dortmund, einem Herrn „A… F…“ über den Übergang des Eigentums an dem Mercedes Benz geeinigt, der Verkäufer hat dem Kläger den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft und der Kläger war hierbei und bei Vollendung des Eigentumserwerbs gutgläubig, §§ 932 Abs. 1 Satz 1, 929 Satz 1 BGB. Der Kläger wusste nach 932 Abs. 2 BGB nicht, dass der Mercedes Benz nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten, der Beklagten, gehört. Das Kraftfahrzeug war auch nicht gem. § 935 Abs. 1 BGB abhanden gekommen, weil es vom Leasingnehmer Y… zum Nachteil der Beklagten als Leasingnehmerin unterschlagen worden war und unterschlagene Sachen bekanntlich gem. § 935 Abs. 1 BGB nicht abhanden gekommen sind.
a)
33 
Der Kläger hat sich mit dem Verkäufer am 24.04.2018 unstreitig über den Übergang des Eigentums an dem Fahrzeug geeinigt. Die Übergabe der Sache an den Käufer fand ebenfalls unstreitig am 24.04.2018 statt (vgl. auch Kaufvertrag vom 24.04.2018 mit Empfangs- und Übergabebestätigung, Bl. 6). Der Verkäufer F… hat dem Kläger damit unstreitig den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft.
b)
34 
Der Kläger war bei Vollendung des gerade genannten Eigentumserwerbs gutgläubig, § 932 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB.
aa)
35 
Die Darlegungs- und Beweislast verteilt sich wie folgt: Wer sich auf eigenen Eigentumserwerb gem. § 932 Abs.1 Satz 1 BGB beruft, muss die tatsächlichen Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, die hier unstreitig vorliegen. Wer den Eigentumserwerb bestreitet, hier die Beklagte, muss das Nichteigentum des Veräußerers und tatsächliche Umstände für die Bösgläubigkeit (z.B. das Bestehen einer besonderen Nachforschungspflicht) des Erwerbers, hier des Klägers, beweisen (OLG Hamm, NJW-RR 2014, 277, BGH NJW 1982, 38). Bestehen ausnahmsweise besondere Nachforschungspflichten, muss der, der sich auf den Erwerb beruft, die Bösgläubigkeit des Erwerbers substantiiert bestreiten, indem er die getätigten Nachforschungen darlegt und beweist (Palandt, BGB, 77. Auflage, § 932, Rn. 15).
bb)
36 
Nach Stimmen in der Literatur war und ist die Rechtsprechung zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen unübersichtlich (statt vieler: Staudinger/Wiegand, BGB (2017), § 932 Rn. 139). Dies liege zum Teil daran, dass die meisten Fälle bei den Oberlandesgerichten und häufig unterschiedlich entschieden würden. Die Entscheidung hänge letztendlich von den jeweils konkreten Einzelumständen ab, die aus den publizierten Urteilsgründen nicht immer entnommen werden könnten (Staudinger, a.a.O.).
37 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch die Frage, ob ein Erwerber einer Sache sich eine grobe Fahrlässigkeit gem. § 932 BGB vorwerfen lassen muss, im Wesentlichen eine Tatfrage. Maßgebend sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalles, die eine schematische Betrachtungsweise verbietet (BGH NJW 1994, 2022 ff. Rn. 15). Die Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt wurde oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (BGH NJW 1994, 2022 ff., Rn. 15; BGHZ 10, 14, 16; BGH NJW 1990, 899, 900 m.w.N.).
38 
Zu einem vom Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart - 3 U 140/12 = WM 2013, 1481) entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof in Bestätigung des Oberlandesgerichts Stuttgart einen gutgläubigen Erwerb des Käufers mit Urteil vom 13.12.2013 (BGH - V ZR 58/13 = BGHZ 199, 227 ff.) beispielsweise ohne Weiteres angenommen. Der Bundesgerichtshof führt in der genannten Entscheidung (V ZR 58/13, Rn. 4) aus, dass der Erwerber aufgrund der Antwort des Verkäufers auf die Frage nach dem Bordbuch und dem Servicescheckheft und auch nicht aufgrund der Umstände des Verkaufs habe misstrauisch werden müssen. Die Herabsetzung des Kaufpreises um 4.000,00 EUR von rund 46.000,00 auf 42.000,00 EUR sei angesichts der Laufleistung des Kraftfahrzeugs von rund 2.000 km angemessen gewesen. Dass der Verkäufer nicht als Halter eines Fahrzeugs in den Zulassungspapieren aufgeführt gewesen sei, sei nicht ungewöhnlich bei einem Händler, da die Voreintragung aufwändig sei und die Eintragung zusätzlicher früherer Halter zu Wertverlusten führe. In dem vom Bundesgerichtshof und vom Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden Fall (BGH und OLG, jeweils a.a.O.) war der Zweitschlüssel, das Bordbuch und das Scheckheft nicht im Fahrzeug, sondern diese Gegenstände wurden, insbesondere der Zweitschlüssel, vom Verkäufer an den dortigen Käufer und Erwerber des Fahrzeugs wenige Tage später, wie bei Übergabe des Fahrzeugs zugesagt, nachträglich zugesandt (BGH - V ZR 58/13).
39 
Auch das OLG Saarbrücken hat im Anschluss an das Landgericht unlängst bei einem ähnlichen Sachverhalt (gefälschter KFZ-Brief, Verkaufsgespräche nicht beim Verkäufer, sondern auf einem Anwohnerparkplatz in Bonn, bei der Übergabe fehlender Zweitschlüssel u. a.) eine Bösgläubigkeit des Erwerbers verneint (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 - 2 U 72/16, Rn. 34, 36, 38 ff., 42 ff., 45 ff.).
40 
Weder die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH - VIII ZR 151/73) gem. „§ 366 HGB, § 932 BGB“ im Falle eines „Kaufmanns“ (der hiesige Kläger ist Privatmann und Verbraucher), bei dem sich eine Erkundigungspflicht beim letzten eingetragenen Halter eines Fahrzeugs aufdrängen sollte (BGH - VIII ZR 151/73) noch der von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hinweisbeschluss des 12. Zivilsenats (12 U 10/17, Anlage B 10, Bl. 90 ff.) des Oberlandesgerichts Stuttgart zu einem dem Gericht hinsichtlich des Sachverhalts, der erstinstanzliche Feststellungen sowie etwaige Aussagen im Detail eines nicht bekannten Einzelfalls enthält, hindert einen gutgläubigen Erwerb im konkreten Einzelfall hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.
cc)
41 
Gemessen an diesen Grundsätzen der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung und vornehmlich nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls konnte der Kläger die von der Beklagten vorgebrachten Umstände, die zu einer besonderen Nachforschungspflicht führen könnten, zur Überzeugung des Gerichts im Einzelnen und in der Gesamtschau eingehend entkräften, § 286 ZPO. Der Kläger hatte weder Kenntnis noch grobfahrlässige Unkenntnis vom nicht bestehenden Eigentum des Verkäufers.
42 
Der Kläger hat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 (Bl. 81 ff.) aufgrund seines persönlichen Eindrucks, indes auch aufgrund seiner detaillierten und überzeugenden Angaben keine Hinweise oder Anhaltspunkte gegeben, dass von einem bösgläubigen Erwerb des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs auszugehen sein könnte. Der Kläger konnte umgekehrt zur Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO etwaige Verdachtmomente oder fehlende Nachforschungen/-fragen, die eine grobfährlässige Unkenntnis des Klägers beweisen könnten, glaubhaft widerlegen.
43 
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 (Bl. 81 ff.) angegeben, dass er das Inserat für den Mercedes Benz E 220 d am 24.04.2018, also am Tag des Kaufs, in „mobile.de“ gefunden habe. Im Inserat habe ein Kaufpreis von 29.900,00 EUR gestanden und der Kaufpreis sei gekennzeichnet gewesen mit dem Zusatz „Verhandlungsbasis“. Man habe bereits in dem Telefonat am 24.04.2018 über Mängel und etwaige Preisnachlässe gesprochen. Der Verkäufer F… habe bereits im Telefonat angegeben, dass der Kläger für die Fahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund einen Preisnachlass von rund 500,00 EUR erhalten werde und darüber hinaus noch Preisverhandlungen und Preisnachlässe vom Verkäufer für Mängel oder Verschleißerscheinungen (Bremsen und Reifen) möglich und Nachverhandlungen vor Ort möglich seien. Der Verkäufer gab dem Käufer, dem Kläger, am Telefon an, dass er direkt von der Arbeit käme und deshalb der Käufer vor Ort unter Umständen etwas warten müsse. Der Kläger wurde vom Verkäufer auf 19 Uhr zu der Örtlichkeit in Dortmund einbestellt, wohin er mit seiner Ehefrau am 24.04.2018 auch gefahren ist (Bl. 82).
44 
Der Verkäufer kam dann mit einer kleinen Verspätung mit dem inserierten Mercedes Benz E 220d und hat wegen Platzmangels gebeten, von der befahrenen Straße auf den gegenüberliegenden PKW-Parkplatz zu fahren. Man habe sich dann über das Auto unterhalten und verhandelt. Der Kläger habe sich das Fahrzeug angesehen und bemerkt, dass die Bremsbeläge abgefahren waren, weil die Warnleuchte im Cockpit für die abgefahrenen Bremsen leuchtete. Auch die Reifen seien weitgehendst abgefahren gewesen. Der Verkäufer habe dann für die Kosten für eine Bremsreparatur, für die Kosten für neue Reifen und eine Karosseriebeschädigung oberhalb des rechten Frontscheinwerfers nach Preisverhandlungen auf einen Kaufpreis von 27.300,00 EUR nachgegeben, den er am Ende am 24.04.2018 nach Vertragsschluss auch bar bezahlt habe.
45 
Der Kläger hat sich vom Verkäufer, A… F…, bei Kaufvertragsabschluss auch den Pass zeigen lassen. Er hat gesehen, dass der Verkäufer des Kaufvertragsformular ausgefüllt, die Passnummer des Verkäufers abgelesen und im Kaufvertrag eingetragen worden ist.
46 
Nach Überzeugung des Gerichts musste der Kläger auch keinen Argwohn hegen oder zu seinem Nachteil eine grobfahrlässige Unkenntnis bestehen, weil er sich darauf einließ, ihm den zweiten Kfz-Schlüssel noch nachsenden zu lassen (dies hinderte im Übrigen auch im Fall BGH - V ZR 58/13, Rn. 2, 4, 7 einen gutgläubigen Erwerb nicht). Der Kläger hat dies bei den Verkaufsgesprächen und vor Übergabe des PKW thematisiert und der Verkäufer hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass er einen Umzug gehabt habe und der Zweitschlüssel erst nach Ausräumen der Umzugskartons innerhalb einer Woche dem Kläger nachgesendet werden könne. So habe man es auch in dem schriftlichen Kaufvertrag vereinbart und fixiert (Bl. 6). Hierbei habe der Kläger, was für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar ist, nichts Böses dabei gedacht, weil Menschen (manchmal) umzögen. Das sei für den Kläger völlig „normal“ (Bl. 82).
47 
Auch das von der Beklagten genannte Verdachtsmoment, dass sich der Kauf des PKW und der Fahrzeugerwerb auf einem öffentlichen Parkplatz abgespielt habe, kann keine Bösgläubigkeit bei Betrachtung dieses Gesichtspunkts und in der Gesamtschau belegen. Es ist nicht unüblich, dass Kraftfahrzeuge auch auf öffentlichen Parkplätzen verkauft werden, weil dort mehr Platz besteht und das Fahrzeug häufig besser besichtigt werden kann. Der Kläger hat auch überzeugend angegeben, dass er bereits einmal ein Fahrzeug von einem Arzt gekauft habe, wobei der Kauf auch auch auf einem öffentlichen Parkplatz stattgefunden habe. Der vom Verkäufer gegebene Erklärung, sich auf den öffentlichen Parkplatz zu begeben, weil dort mehr Platz sei, musste der Kläger nicht misstrauen. Ebensowenig mussten sich grobfahrlässige Verdachtsmomente aufdrängen, dass der Verkäufer dem Kläger angab, er komme direkt von der Arbeit und wolle sich deshalb an der vom Verkäufer genannten Örtlichkeit treffen.
48 
Es ist unstreitig, dass der Kläger sich keine „COC-Papiere“ hat vorlegen lassen, was für das Gericht jedoch keinerlei Hinweise für eine irgendwie geartete mangelnde leichte oder grobe Fahrlässigkeit beim Gutgläubigkeitserwerb belegt. Weder dem Kläger noch dem Gericht war bekannt, dass es solche Papiere gibt oder dass es einer irgendwie gearteten Üblichkeit entspricht, sich sog. „COC-Papiere“ bei Gebrauchtwagenkäufen vorlegen zu lassen.
49 
Hingegen hat der Kläger sich die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II, also den Kfz-Brief und den Kfz-Schein, von Herrn F… zeigen und zur Kontrolle aushändigen lassen. Diese Dokumente hat er auch kontrolliert und diese waren korrekt, was auch die Beklagte nicht bestreitet. Er hat das Kennzeichen und die grüne Plakette an der Windschutzscheibe mit den Zulassungsbescheinigungen abgeglichen, was alles in Ordnung und identisch gewesen war. Allenfalls um eine leichte Fahrlässigkeit und keineswegs um eine grobfahrlässige Unkenntnis im Rahmen von 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB könnte es sich handeln, wenn bei der Übergabe und beim Eigentumserwerb, wie hier, nicht die Fahrzeugidentifikationsnummer durch Öffnung der Motorhaube und Abgleichung der Fahrzeugidentifikationsnummer vorgenommen wird, was im Übrigen beim Gebrauchtwagenkauf häufig nicht stattfindet. Zudem hätte dadurch auch kein weiterer Erkenntnisgewinn für den Kläger bestanden, weil sowohl in der echten Zulassungsbescheinigung Teil II (Bl. 51: Kopie) als auch in der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72) die korrekte und mit dem Fahrzeug identische Fahrzeugidentifikationsnummer ausgewiesen ist (Bl. 2, 26, 37, 51, 72). Auch dies hatte die osteuropäische Bande bei Begehung ihrer Straftaten und bei den guten Fälschungen der Dokumente bedacht. Das von der Beklagten dem Kläger vorgehaltene Versäumnis hätte demnach, auch wenn man ein solches zu Lasten des Klägers unterstellte, nie kausal werden können.
50 
Die teilweise weiteren Umstände, die die Beklagte vortragen lässt, dass etwa als Voreigentümerin nur „Mercedes Benz Niederlassung“ ohne Firmierung oder Ortsangabe in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72) angegeben gewesen sei und dass sich ein Barcode-Aufkleber mit Fahrzeugidentifikationsnummer nicht auf der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 82) befunden habe, scheinen dem Gericht nahezu konstruiert und lebensfremd. Diese Umstände hätte wohl überhaupt kein Käufer/Erwerber entdeckt und führten nicht einmal zu einer leicht fahrlässigen Unkenntnis vom Nichteigentum eines Veräußerers.
51 
Hingegen ist es ein zunächst beachtlicher Einwand der Beklagten, dem Kläger habe auffallen müssen, dass der im gefälschten Kfz-Brief aufgeführte Eigentümer Y… (Anlage B 9, Bl. 72) nicht identisch gewesen ist mit dem Verkäufer und Veräußerer am 24.04.2018, nämlich mit einem Herrn „F…“ (Bl. 6: Kaufvertrag vom 24.04.2018). Diesen Einwand beziehungsweise dieses Verdachtsmoment konnte der Kläger jedoch ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts entkräften. Der Kläger hat die Differenz zwischen der Zulassungsbescheinigung Teil II und dem schriftlichen Kaufvertrag bemerkt und beim Eigentumserwerb ausdrücklich angesprochen, wobei dem Kläger für diesen glaubhaft und überzeugend angeben wurde, dass die Person im Kfz-Brief der Freund des Verkäufers gewesen sei und der Verkäufer für Herrn Y…, der (auch) im gefälschten Kfz-Brief stand, das Kraftfahrzeug verkaufe. Dieser Umstand muss, wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (V ZR 58/13, Rn. 2, 4, 6 und 7) zeigt, kein zwingender und ausreichender Grund für eine Bösgläubigkeit beim Eigentumserwerb sein.
52 
Hinsichtlich der teilweise recht konstruierten Einwände der Beklagten (fehlender unzureichender Barcode-Aufkleber mit der Fahrzeugidentifikationsnummer auf der Zulassungsbescheinigung Teil II oder Auffälligkeiten bei der Voreigentümerin „M...-B… Niederlassung“) ist festzustellen, dass diese nach Auffassung der Beklagten „Auffälligkeiten“ auch der Zulassungsbehörde beim Kläger zu Hause, beim Landratsamt Ostalbkreis in Aalen, bei der Zulassung am 22.05.2015 nicht ansatzweise aufgefallen sind, sondern das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ohne Weiteres und ohne Beanstandungen unstreitig zugelassen wurde. Das Gericht geht davon aus, dass eine Zulassungsbehörde, die tagtäglich mit solchen Dokumenten umgeht, eine solche Unstimmigkeit, wenn es tatsächlich eine Unstimmigkeit wäre, aufgefallen wäre und hätte auffallen müsste. Dies war offensichtlich und augenscheinlich nicht der Fall, was dem Gericht einleuchtet.
53 
Der Kläger konnte zu den Fragen des Zweitschlüssels und zu den besonderen Vereinbarungen im schriftlichen Kaufvertrag (Bl. 6) und auch zu der Frage des Beklagtenvertreters, warum seine Adresse in dem klägerischen Kaufvertrags-Exemplar nicht aufgeführt worden sei, zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft ausführen und erklären, dass zwei Kaufvertragsformulare ausgefüllt worden seien und der Verkäufer sich beim Exemplar für den Kläger das Ausfüllen des Adressteils für den „Käufer“ teilweise „gespart“ hat (Bl. 84).
54 
Auch zu dem Preisnachlass von 2.600,00 EUR konnte der Kläger zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft angeben, dass bereits in der Anzeige „mobile.de“ angegeben war: „Verhandlungsbasis“. Alleine bei Angabe von „VHB“ oder „Verhandlungsbasis“ in einer Annonce ist davon auszugehen, dass ein Verkäufer bereit ist, einen kleineren oder unter Umständen beachtlichen Preisnachlass zu geben. Dies gilt erst recht im konkreten Einzelfall hier, weil nicht nur allgemeine Preisverhandlungen geführt wurden und dies bereits im Telefonat zwischen dem Kläger und dem Verkäufer, sondern auch wegen bestehender Mängel und der eingetretenen Verschleißerscheinungen bei den Reifen und den Bremsen. Ein Preisnachlass von 2.600,00 EUR bei einem Fahrzeug von rund 30.000,00 EUR ist deshalb naheliegend und alles andere als lebensfremd. Die Klägerseite hat den Preisnachlass, wie ausgeführt, somit nicht nur auf die „Bremsen und einen Kratzer am rechten Scheinwerfer“ gestützt, weshalb der Beweisbehauptung und dem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, ob (nur) diese beiden Punkte einen Preisnachlass von 2.600,00 EUR rechtfertigen könnten (Bl. 78 f.) nicht nachzugehen war. Der Preisnachlass erklärt sich ohne Weiteres und nach den überzeugenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgrund der allgemeinen Preisverhandlungen (“Verhandlungsbasis“) und den weiteren Umständen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, nämlich weiterer Preisnachlassmomente: Der abgefahrenen Bremsen, der Anfahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund u. a. Der Preisnachlass insgesamt war deshalb nach den überzeugenden Angaben des Klägers nicht nur auf die beiden unter Beweis gestellten Punkte der Beklagten gestützt, sondern auf andere Preisnachlasspunkte und mehr, so dass mit einem Sachverständigengutachten zu nur zwei Punkten nicht geklärt werden kann, ob ein Preisnachlass in der Summe wegen dieser und noch weiterer Punkte gerechtfertigt ist.
55 
Nach Bewertung aller Umstände und aller Einzelgesichtspunkte sowie der Bewertung in einer Gesamtschau ist eine grobfahrlässige Unkenntnis gem. § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB dem Kläger nicht zur Last zu legen, weshalb der Kläger am 24.04.2018 gutgläubig Eigentum gem. § 929 Satz 1, 932 Satz 1, Abs. 2 BGB erworben hat. Demzufolge ist der Kläger analog § 952 Abs. 1 BGB auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II, die er gem. § 985 BGB als Eigentümer vom Besitzer, der Beklagten, vindizieren kann. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB steht der Beklagten nicht zu.
2.
56 
Dem Kläger stehen sowohl gem. §§ 280 Abs. 1, 249 BGB als auch gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 ZPO die geltend gemachten Nebenforderungen in Form von notwendigen und erforderlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 12,00 EUR (Akteneinsichtskosten) und in Höhe von 1.209,35 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten zu. Der Zinsanspruch für die Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 04.10.2018 zugestellt (Bl. 33R). Folglich stehen dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen seit dem 05.10.2018 zu.
II.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
58 
Die Sicherheitsleistung findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe

 
28 
Die zulässige Klage ist begründet.
29 
Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
I.
1.
30 
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 985 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II zum streitgegenständlichen Kraftfahrzeug Mercedes Benz E 220d. Der Kläger ist gem. §§ 929, 932 BGB Eigentümer des streitgegenständlichen Mercedes Benz geworden. Dem Kläger steht als Eigentümer demzufolge analog § 952 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe an der Zulassungsbescheinigung Teil II, die sich im Besitz der Beklagten befindet, zu, weil das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) dem Eigentum zum zugehörigen Kraftfahrzeug nachfolgt (Palandt, BGB, 77. Auflage, § 952 Rn. 7). Dem Vindikationsanspruch des Klägers gem. § 985 BGB steht kein Recht der Beklagten zum Besitz gem. § 986 BGB o. a. entgegen.
31 
Die Beklagte hat hingegen widerklagend keinen Anspruch auf Herausgabe des Kraftfahrzeugs gem. § 985 BGB, weil sie ihr Eigentum durch den Erwerbsvorgang am 24.04.2018 gem. §§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren hat. Der Kläger hatte beim Erwerbsvorgang gem. § 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis, dass die Sache, das streitgegenständliche Kraftfahrzeug, nicht dem Veräußerer gehörte.
32 
Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit dem Verkäufer in Dortmund, einem Herrn „A… F…“ über den Übergang des Eigentums an dem Mercedes Benz geeinigt, der Verkäufer hat dem Kläger den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft und der Kläger war hierbei und bei Vollendung des Eigentumserwerbs gutgläubig, §§ 932 Abs. 1 Satz 1, 929 Satz 1 BGB. Der Kläger wusste nach 932 Abs. 2 BGB nicht, dass der Mercedes Benz nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten, der Beklagten, gehört. Das Kraftfahrzeug war auch nicht gem. § 935 Abs. 1 BGB abhanden gekommen, weil es vom Leasingnehmer Y… zum Nachteil der Beklagten als Leasingnehmerin unterschlagen worden war und unterschlagene Sachen bekanntlich gem. § 935 Abs. 1 BGB nicht abhanden gekommen sind.
a)
33 
Der Kläger hat sich mit dem Verkäufer am 24.04.2018 unstreitig über den Übergang des Eigentums an dem Fahrzeug geeinigt. Die Übergabe der Sache an den Käufer fand ebenfalls unstreitig am 24.04.2018 statt (vgl. auch Kaufvertrag vom 24.04.2018 mit Empfangs- und Übergabebestätigung, Bl. 6). Der Verkäufer F… hat dem Kläger damit unstreitig den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug verschafft.
b)
34 
Der Kläger war bei Vollendung des gerade genannten Eigentumserwerbs gutgläubig, § 932 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB.
aa)
35 
Die Darlegungs- und Beweislast verteilt sich wie folgt: Wer sich auf eigenen Eigentumserwerb gem. § 932 Abs.1 Satz 1 BGB beruft, muss die tatsächlichen Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, die hier unstreitig vorliegen. Wer den Eigentumserwerb bestreitet, hier die Beklagte, muss das Nichteigentum des Veräußerers und tatsächliche Umstände für die Bösgläubigkeit (z.B. das Bestehen einer besonderen Nachforschungspflicht) des Erwerbers, hier des Klägers, beweisen (OLG Hamm, NJW-RR 2014, 277, BGH NJW 1982, 38). Bestehen ausnahmsweise besondere Nachforschungspflichten, muss der, der sich auf den Erwerb beruft, die Bösgläubigkeit des Erwerbers substantiiert bestreiten, indem er die getätigten Nachforschungen darlegt und beweist (Palandt, BGB, 77. Auflage, § 932, Rn. 15).
bb)
36 
Nach Stimmen in der Literatur war und ist die Rechtsprechung zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen unübersichtlich (statt vieler: Staudinger/Wiegand, BGB (2017), § 932 Rn. 139). Dies liege zum Teil daran, dass die meisten Fälle bei den Oberlandesgerichten und häufig unterschiedlich entschieden würden. Die Entscheidung hänge letztendlich von den jeweils konkreten Einzelumständen ab, die aus den publizierten Urteilsgründen nicht immer entnommen werden könnten (Staudinger, a.a.O.).
37 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch die Frage, ob ein Erwerber einer Sache sich eine grobe Fahrlässigkeit gem. § 932 BGB vorwerfen lassen muss, im Wesentlichen eine Tatfrage. Maßgebend sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalles, die eine schematische Betrachtungsweise verbietet (BGH NJW 1994, 2022 ff. Rn. 15). Die Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt wurde oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (BGH NJW 1994, 2022 ff., Rn. 15; BGHZ 10, 14, 16; BGH NJW 1990, 899, 900 m.w.N.).
38 
Zu einem vom Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart - 3 U 140/12 = WM 2013, 1481) entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof in Bestätigung des Oberlandesgerichts Stuttgart einen gutgläubigen Erwerb des Käufers mit Urteil vom 13.12.2013 (BGH - V ZR 58/13 = BGHZ 199, 227 ff.) beispielsweise ohne Weiteres angenommen. Der Bundesgerichtshof führt in der genannten Entscheidung (V ZR 58/13, Rn. 4) aus, dass der Erwerber aufgrund der Antwort des Verkäufers auf die Frage nach dem Bordbuch und dem Servicescheckheft und auch nicht aufgrund der Umstände des Verkaufs habe misstrauisch werden müssen. Die Herabsetzung des Kaufpreises um 4.000,00 EUR von rund 46.000,00 auf 42.000,00 EUR sei angesichts der Laufleistung des Kraftfahrzeugs von rund 2.000 km angemessen gewesen. Dass der Verkäufer nicht als Halter eines Fahrzeugs in den Zulassungspapieren aufgeführt gewesen sei, sei nicht ungewöhnlich bei einem Händler, da die Voreintragung aufwändig sei und die Eintragung zusätzlicher früherer Halter zu Wertverlusten führe. In dem vom Bundesgerichtshof und vom Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden Fall (BGH und OLG, jeweils a.a.O.) war der Zweitschlüssel, das Bordbuch und das Scheckheft nicht im Fahrzeug, sondern diese Gegenstände wurden, insbesondere der Zweitschlüssel, vom Verkäufer an den dortigen Käufer und Erwerber des Fahrzeugs wenige Tage später, wie bei Übergabe des Fahrzeugs zugesagt, nachträglich zugesandt (BGH - V ZR 58/13).
39 
Auch das OLG Saarbrücken hat im Anschluss an das Landgericht unlängst bei einem ähnlichen Sachverhalt (gefälschter KFZ-Brief, Verkaufsgespräche nicht beim Verkäufer, sondern auf einem Anwohnerparkplatz in Bonn, bei der Übergabe fehlender Zweitschlüssel u. a.) eine Bösgläubigkeit des Erwerbers verneint (OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 - 2 U 72/16, Rn. 34, 36, 38 ff., 42 ff., 45 ff.).
40 
Weder die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH - VIII ZR 151/73) gem. „§ 366 HGB, § 932 BGB“ im Falle eines „Kaufmanns“ (der hiesige Kläger ist Privatmann und Verbraucher), bei dem sich eine Erkundigungspflicht beim letzten eingetragenen Halter eines Fahrzeugs aufdrängen sollte (BGH - VIII ZR 151/73) noch der von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hinweisbeschluss des 12. Zivilsenats (12 U 10/17, Anlage B 10, Bl. 90 ff.) des Oberlandesgerichts Stuttgart zu einem dem Gericht hinsichtlich des Sachverhalts, der erstinstanzliche Feststellungen sowie etwaige Aussagen im Detail eines nicht bekannten Einzelfalls enthält, hindert einen gutgläubigen Erwerb im konkreten Einzelfall hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.
cc)
41 
Gemessen an diesen Grundsätzen der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung und vornehmlich nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls konnte der Kläger die von der Beklagten vorgebrachten Umstände, die zu einer besonderen Nachforschungspflicht führen könnten, zur Überzeugung des Gerichts im Einzelnen und in der Gesamtschau eingehend entkräften, § 286 ZPO. Der Kläger hatte weder Kenntnis noch grobfahrlässige Unkenntnis vom nicht bestehenden Eigentum des Verkäufers.
42 
Der Kläger hat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 (Bl. 81 ff.) aufgrund seines persönlichen Eindrucks, indes auch aufgrund seiner detaillierten und überzeugenden Angaben keine Hinweise oder Anhaltspunkte gegeben, dass von einem bösgläubigen Erwerb des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs auszugehen sein könnte. Der Kläger konnte umgekehrt zur Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO etwaige Verdachtmomente oder fehlende Nachforschungen/-fragen, die eine grobfährlässige Unkenntnis des Klägers beweisen könnten, glaubhaft widerlegen.
43 
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 (Bl. 81 ff.) angegeben, dass er das Inserat für den Mercedes Benz E 220 d am 24.04.2018, also am Tag des Kaufs, in „mobile.de“ gefunden habe. Im Inserat habe ein Kaufpreis von 29.900,00 EUR gestanden und der Kaufpreis sei gekennzeichnet gewesen mit dem Zusatz „Verhandlungsbasis“. Man habe bereits in dem Telefonat am 24.04.2018 über Mängel und etwaige Preisnachlässe gesprochen. Der Verkäufer F… habe bereits im Telefonat angegeben, dass der Kläger für die Fahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund einen Preisnachlass von rund 500,00 EUR erhalten werde und darüber hinaus noch Preisverhandlungen und Preisnachlässe vom Verkäufer für Mängel oder Verschleißerscheinungen (Bremsen und Reifen) möglich und Nachverhandlungen vor Ort möglich seien. Der Verkäufer gab dem Käufer, dem Kläger, am Telefon an, dass er direkt von der Arbeit käme und deshalb der Käufer vor Ort unter Umständen etwas warten müsse. Der Kläger wurde vom Verkäufer auf 19 Uhr zu der Örtlichkeit in Dortmund einbestellt, wohin er mit seiner Ehefrau am 24.04.2018 auch gefahren ist (Bl. 82).
44 
Der Verkäufer kam dann mit einer kleinen Verspätung mit dem inserierten Mercedes Benz E 220d und hat wegen Platzmangels gebeten, von der befahrenen Straße auf den gegenüberliegenden PKW-Parkplatz zu fahren. Man habe sich dann über das Auto unterhalten und verhandelt. Der Kläger habe sich das Fahrzeug angesehen und bemerkt, dass die Bremsbeläge abgefahren waren, weil die Warnleuchte im Cockpit für die abgefahrenen Bremsen leuchtete. Auch die Reifen seien weitgehendst abgefahren gewesen. Der Verkäufer habe dann für die Kosten für eine Bremsreparatur, für die Kosten für neue Reifen und eine Karosseriebeschädigung oberhalb des rechten Frontscheinwerfers nach Preisverhandlungen auf einen Kaufpreis von 27.300,00 EUR nachgegeben, den er am Ende am 24.04.2018 nach Vertragsschluss auch bar bezahlt habe.
45 
Der Kläger hat sich vom Verkäufer, A… F…, bei Kaufvertragsabschluss auch den Pass zeigen lassen. Er hat gesehen, dass der Verkäufer des Kaufvertragsformular ausgefüllt, die Passnummer des Verkäufers abgelesen und im Kaufvertrag eingetragen worden ist.
46 
Nach Überzeugung des Gerichts musste der Kläger auch keinen Argwohn hegen oder zu seinem Nachteil eine grobfahrlässige Unkenntnis bestehen, weil er sich darauf einließ, ihm den zweiten Kfz-Schlüssel noch nachsenden zu lassen (dies hinderte im Übrigen auch im Fall BGH - V ZR 58/13, Rn. 2, 4, 7 einen gutgläubigen Erwerb nicht). Der Kläger hat dies bei den Verkaufsgesprächen und vor Übergabe des PKW thematisiert und der Verkäufer hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass er einen Umzug gehabt habe und der Zweitschlüssel erst nach Ausräumen der Umzugskartons innerhalb einer Woche dem Kläger nachgesendet werden könne. So habe man es auch in dem schriftlichen Kaufvertrag vereinbart und fixiert (Bl. 6). Hierbei habe der Kläger, was für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar ist, nichts Böses dabei gedacht, weil Menschen (manchmal) umzögen. Das sei für den Kläger völlig „normal“ (Bl. 82).
47 
Auch das von der Beklagten genannte Verdachtsmoment, dass sich der Kauf des PKW und der Fahrzeugerwerb auf einem öffentlichen Parkplatz abgespielt habe, kann keine Bösgläubigkeit bei Betrachtung dieses Gesichtspunkts und in der Gesamtschau belegen. Es ist nicht unüblich, dass Kraftfahrzeuge auch auf öffentlichen Parkplätzen verkauft werden, weil dort mehr Platz besteht und das Fahrzeug häufig besser besichtigt werden kann. Der Kläger hat auch überzeugend angegeben, dass er bereits einmal ein Fahrzeug von einem Arzt gekauft habe, wobei der Kauf auch auch auf einem öffentlichen Parkplatz stattgefunden habe. Der vom Verkäufer gegebene Erklärung, sich auf den öffentlichen Parkplatz zu begeben, weil dort mehr Platz sei, musste der Kläger nicht misstrauen. Ebensowenig mussten sich grobfahrlässige Verdachtsmomente aufdrängen, dass der Verkäufer dem Kläger angab, er komme direkt von der Arbeit und wolle sich deshalb an der vom Verkäufer genannten Örtlichkeit treffen.
48 
Es ist unstreitig, dass der Kläger sich keine „COC-Papiere“ hat vorlegen lassen, was für das Gericht jedoch keinerlei Hinweise für eine irgendwie geartete mangelnde leichte oder grobe Fahrlässigkeit beim Gutgläubigkeitserwerb belegt. Weder dem Kläger noch dem Gericht war bekannt, dass es solche Papiere gibt oder dass es einer irgendwie gearteten Üblichkeit entspricht, sich sog. „COC-Papiere“ bei Gebrauchtwagenkäufen vorlegen zu lassen.
49 
Hingegen hat der Kläger sich die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II, also den Kfz-Brief und den Kfz-Schein, von Herrn F… zeigen und zur Kontrolle aushändigen lassen. Diese Dokumente hat er auch kontrolliert und diese waren korrekt, was auch die Beklagte nicht bestreitet. Er hat das Kennzeichen und die grüne Plakette an der Windschutzscheibe mit den Zulassungsbescheinigungen abgeglichen, was alles in Ordnung und identisch gewesen war. Allenfalls um eine leichte Fahrlässigkeit und keineswegs um eine grobfahrlässige Unkenntnis im Rahmen von 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB könnte es sich handeln, wenn bei der Übergabe und beim Eigentumserwerb, wie hier, nicht die Fahrzeugidentifikationsnummer durch Öffnung der Motorhaube und Abgleichung der Fahrzeugidentifikationsnummer vorgenommen wird, was im Übrigen beim Gebrauchtwagenkauf häufig nicht stattfindet. Zudem hätte dadurch auch kein weiterer Erkenntnisgewinn für den Kläger bestanden, weil sowohl in der echten Zulassungsbescheinigung Teil II (Bl. 51: Kopie) als auch in der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72) die korrekte und mit dem Fahrzeug identische Fahrzeugidentifikationsnummer ausgewiesen ist (Bl. 2, 26, 37, 51, 72). Auch dies hatte die osteuropäische Bande bei Begehung ihrer Straftaten und bei den guten Fälschungen der Dokumente bedacht. Das von der Beklagten dem Kläger vorgehaltene Versäumnis hätte demnach, auch wenn man ein solches zu Lasten des Klägers unterstellte, nie kausal werden können.
50 
Die teilweise weiteren Umstände, die die Beklagte vortragen lässt, dass etwa als Voreigentümerin nur „Mercedes Benz Niederlassung“ ohne Firmierung oder Ortsangabe in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 72) angegeben gewesen sei und dass sich ein Barcode-Aufkleber mit Fahrzeugidentifikationsnummer nicht auf der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage B 9, Bl. 82) befunden habe, scheinen dem Gericht nahezu konstruiert und lebensfremd. Diese Umstände hätte wohl überhaupt kein Käufer/Erwerber entdeckt und führten nicht einmal zu einer leicht fahrlässigen Unkenntnis vom Nichteigentum eines Veräußerers.
51 
Hingegen ist es ein zunächst beachtlicher Einwand der Beklagten, dem Kläger habe auffallen müssen, dass der im gefälschten Kfz-Brief aufgeführte Eigentümer Y… (Anlage B 9, Bl. 72) nicht identisch gewesen ist mit dem Verkäufer und Veräußerer am 24.04.2018, nämlich mit einem Herrn „F…“ (Bl. 6: Kaufvertrag vom 24.04.2018). Diesen Einwand beziehungsweise dieses Verdachtsmoment konnte der Kläger jedoch ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts entkräften. Der Kläger hat die Differenz zwischen der Zulassungsbescheinigung Teil II und dem schriftlichen Kaufvertrag bemerkt und beim Eigentumserwerb ausdrücklich angesprochen, wobei dem Kläger für diesen glaubhaft und überzeugend angeben wurde, dass die Person im Kfz-Brief der Freund des Verkäufers gewesen sei und der Verkäufer für Herrn Y…, der (auch) im gefälschten Kfz-Brief stand, das Kraftfahrzeug verkaufe. Dieser Umstand muss, wie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (V ZR 58/13, Rn. 2, 4, 6 und 7) zeigt, kein zwingender und ausreichender Grund für eine Bösgläubigkeit beim Eigentumserwerb sein.
52 
Hinsichtlich der teilweise recht konstruierten Einwände der Beklagten (fehlender unzureichender Barcode-Aufkleber mit der Fahrzeugidentifikationsnummer auf der Zulassungsbescheinigung Teil II oder Auffälligkeiten bei der Voreigentümerin „M...-B… Niederlassung“) ist festzustellen, dass diese nach Auffassung der Beklagten „Auffälligkeiten“ auch der Zulassungsbehörde beim Kläger zu Hause, beim Landratsamt Ostalbkreis in Aalen, bei der Zulassung am 22.05.2015 nicht ansatzweise aufgefallen sind, sondern das streitgegenständliche Kraftfahrzeug ohne Weiteres und ohne Beanstandungen unstreitig zugelassen wurde. Das Gericht geht davon aus, dass eine Zulassungsbehörde, die tagtäglich mit solchen Dokumenten umgeht, eine solche Unstimmigkeit, wenn es tatsächlich eine Unstimmigkeit wäre, aufgefallen wäre und hätte auffallen müsste. Dies war offensichtlich und augenscheinlich nicht der Fall, was dem Gericht einleuchtet.
53 
Der Kläger konnte zu den Fragen des Zweitschlüssels und zu den besonderen Vereinbarungen im schriftlichen Kaufvertrag (Bl. 6) und auch zu der Frage des Beklagtenvertreters, warum seine Adresse in dem klägerischen Kaufvertrags-Exemplar nicht aufgeführt worden sei, zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft ausführen und erklären, dass zwei Kaufvertragsformulare ausgefüllt worden seien und der Verkäufer sich beim Exemplar für den Kläger das Ausfüllen des Adressteils für den „Käufer“ teilweise „gespart“ hat (Bl. 84).
54 
Auch zu dem Preisnachlass von 2.600,00 EUR konnte der Kläger zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft angeben, dass bereits in der Anzeige „mobile.de“ angegeben war: „Verhandlungsbasis“. Alleine bei Angabe von „VHB“ oder „Verhandlungsbasis“ in einer Annonce ist davon auszugehen, dass ein Verkäufer bereit ist, einen kleineren oder unter Umständen beachtlichen Preisnachlass zu geben. Dies gilt erst recht im konkreten Einzelfall hier, weil nicht nur allgemeine Preisverhandlungen geführt wurden und dies bereits im Telefonat zwischen dem Kläger und dem Verkäufer, sondern auch wegen bestehender Mängel und der eingetretenen Verschleißerscheinungen bei den Reifen und den Bremsen. Ein Preisnachlass von 2.600,00 EUR bei einem Fahrzeug von rund 30.000,00 EUR ist deshalb naheliegend und alles andere als lebensfremd. Die Klägerseite hat den Preisnachlass, wie ausgeführt, somit nicht nur auf die „Bremsen und einen Kratzer am rechten Scheinwerfer“ gestützt, weshalb der Beweisbehauptung und dem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, ob (nur) diese beiden Punkte einen Preisnachlass von 2.600,00 EUR rechtfertigen könnten (Bl. 78 f.) nicht nachzugehen war. Der Preisnachlass erklärt sich ohne Weiteres und nach den überzeugenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgrund der allgemeinen Preisverhandlungen (“Verhandlungsbasis“) und den weiteren Umständen, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, nämlich weiterer Preisnachlassmomente: Der abgefahrenen Bremsen, der Anfahrt von Baden-Württemberg nach Dortmund u. a. Der Preisnachlass insgesamt war deshalb nach den überzeugenden Angaben des Klägers nicht nur auf die beiden unter Beweis gestellten Punkte der Beklagten gestützt, sondern auf andere Preisnachlasspunkte und mehr, so dass mit einem Sachverständigengutachten zu nur zwei Punkten nicht geklärt werden kann, ob ein Preisnachlass in der Summe wegen dieser und noch weiterer Punkte gerechtfertigt ist.
55 
Nach Bewertung aller Umstände und aller Einzelgesichtspunkte sowie der Bewertung in einer Gesamtschau ist eine grobfahrlässige Unkenntnis gem. § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB dem Kläger nicht zur Last zu legen, weshalb der Kläger am 24.04.2018 gutgläubig Eigentum gem. § 929 Satz 1, 932 Satz 1, Abs. 2 BGB erworben hat. Demzufolge ist der Kläger analog § 952 Abs. 1 BGB auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II, die er gem. § 985 BGB als Eigentümer vom Besitzer, der Beklagten, vindizieren kann. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB steht der Beklagten nicht zu.
2.
56 
Dem Kläger stehen sowohl gem. §§ 280 Abs. 1, 249 BGB als auch gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 ZPO die geltend gemachten Nebenforderungen in Form von notwendigen und erforderlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 12,00 EUR (Akteneinsichtskosten) und in Höhe von 1.209,35 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten zu. Der Zinsanspruch für die Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 04.10.2018 zugestellt (Bl. 33R). Folglich stehen dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen seit dem 05.10.2018 zu.
II.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
58 
Die Sicherheitsleistung findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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