Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 7 U 95/19
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin – das am 26.03.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (9 O 223/18) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Herstellerin Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines mit dem Motor X1 EU5 ausgestatteten und vom sog. „Abgasskandal“ betroffenen Neuwagens Pkw ZZ1.
4Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird zunächst wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz einschließlich der gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
5Ergänzend hat der Senat folgende Feststellungen getroffen:
6Die Klägerin hatte das Fahrzeug mit dem Kaufvertrag vom 18.03.2014 (Brutto-Kaufpreis 35.470,79 Euro) nicht als Privatfahrzeug, sondern als Inhaberin eines – nach dem Renteneintritt ihres Ehemannes von diesem übernommenen – Einzelunternehmens (Großhandel für Baustoffe) für den Betrieb erworben und war insofern vorsteuerabzugsberechtigt.
7Nachdem auch die Klägerin Rentnerin geworden war, wurden das Unternehmen aufgelöst und die Firma gelöscht. Der PKW wurde in diesem Zuge durch die Klägerin zum 31.12.2017 dem Betriebsvermögen entnommen. Ausweislich eines DEKRA Gutachtens wurde der Wert des Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt mit 19.500 Euro bemessen.
8Die aktuelle Laufleistung betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 75.099 km (Stand 17.03.2020). Die im Jahr 2014 erworbenen Winterreifen sind noch vorhanden und befinden sich derzeit auf dem Fahrzeug.
9Der Rechtschutzversicherer der Klägerin hat die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gezahlt und die Klägerin mit Schreiben vom 28.05.2018 ermächtigt, diese im Klageverfahren im eigenen Namen und zur Zahlung an sich geltend zu machen.
10Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Bielefeld die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 26.211,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs ZZ1, Fahrzeugident.-Nr. X123, zu zahlen. Zudem wurde festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte wurde desweiteren verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2018 freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
11Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Schadenersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Die Beklagte habe mit dem Inverkehrbringen des Motors unter Verschweigen der installierten Motorsteuersoftware schädigend im Sinne des § 826 BGB gehandelt. Die Klägerin habe einen Schaden erlitten. Der Kaufvertrag stelle eine ungewollte Verbindlichkeit dar. Bei lebensnaher Betrachtung würde kein informierter und wirtschaftlich denkender Mensch ein Fahrzeug mit einer solchen Software erwerben, die unterschiedliche Abgasrückführungsmodi für den Prüfstand und den realen Fahrbetrieb aufweise und deren Zulässigkeit zweifelhaft sei. Dies gelte auch für die Klägerin, wie diese in der persönlichen Anhörung glaubhaft bestätigt habe.
12Die Schädigung sei auch sittenwidrig, weil die Beklagte im eigenen Profitinteresse mit der Motorsteuersoftware die gesetzlichen Abgaswerte außer Acht gelassen und ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber Aufsichtsbehörden und Verbrauchern geschaffen habe.
13Die schädigende Handlung sei der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen. Es sei davon auszugehen, dass die Entwicklung und der Einsatz der Software den Vorstandsmitgliedern der Beklagten bekannt gewesen und entweder von ihnen selbst veranlasst oder zumindest gebilligt und mitgetragen worden seien. Die Darlegungs- und Beweislast trage insofern die Klägerin, die jedoch den ihr zumutbaren Vortrag erbracht habe. Die Beklagte habe diesen Vortrag nicht hinreichend substantiiert und nicht ihrer sekundären Darlegungslast entsprechend bestritten. Die gesetzlichen Vertreter hätten auch vorsätzlich und in Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gehandelt; die Software sei bewusst verschleiert und die entsprechende Täuschung der Verbraucher jedenfalls billigend in Kauf genommen worden.
14Der Schadensersatzanspruch sei auf das negative Interesse gerichtet. Die Klägerin sei so zu stellen, als sei sie den Kaufvertrag nicht eingegangen. Der Kaufpreis sei gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Im Wege der Vorteilsausgleichung seien die durch die Klägerin gezogenen Nutzungen anzurechnen. Diese hat das Landgericht ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 Euro anhand der gefahrenen Kilometer und des Bruttokaufpreises von 35.470,79 Euro auf 9.259,29 Euro geschätzt (§ 287 ZPO).
15Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Winterreifen bestehe nicht, weil diese auch angefallen wären, wenn die Klägerin ein anderes Fahrzeug erworben hätte.
16Es bestehe ein Anspruch auf Verzugszinszahlung seit der außergerichtlichen Aufforderung, die Voraussetzungen eines weiteren Zinsanspruchs wegen eines etwaigen früheren Verzugsbeginns oder aus § 849 BGB seien nicht gegeben.
17Der Annahmeverzug der Beklagten sei festzustellen, nachdem die Klägerin außergerichtlich die Übergabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises angeboten habe.
18Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien Teil des Schadens und die Klägerin ausgehend von einem Streitwert von bis zu 30.000 Euro und einer 1,3 Geschäftsgebühr (§§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG) entsprechend freizustellen. Eine höhere Gebühr sei nicht gerechtfertigt.
19Die Feststellungsklage im Hinblick auf den Ersatz weiterer Schäden sei unzulässig, weil die im Rahmen des § 256 BGB erforderliche Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadenseintritts nicht dargetan sei.
20Hiergegen richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien.
21Die Klägerin führt zur Begründung aus, dass, da der Geldbetrag des Kaufpreises durch Täuschung entzogen worden sei, ein Zinsanspruch aus § 849 BGB auf 4% Zinsen seit Kaufpreiszahlung bestehe.
22Zudem ist sie der Ansicht, dass ihr als Aufwendungsersatz der Kaufpreis für die Winterreifen in Höhe von 929,98 Euro zustehe. Diese hätte sie, den Kaufvertragsabschluss hinweggedacht, nicht erworben.
23Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Wert der aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen nicht zu berücksichtigen sei, weil dies unbillig und mit dem Grundgedanken des § 826 BGB unvereinbar sei. Insofern bestünden auch Wertungswidersprüche zum Verbrauchsgüterkauf (§ 475 Abs. 3 S. 1 BGB), zu § 817 S. 2 BGB im Rahmen des Bereicherungsrechts, zum Eigentümerbesitzerverhältnis, in dem der gutgläubige Besitzer im Gegensatz zum bösgläubigen schutzwürdig sei, sowie zum Aufrechnungsverbot des § 393 BGB bei vorsätzlicher unerlaubter Handlung. Das Verbot des Handels mit Fahrzeugen ohne Typengenehmigung verliere entgegen dem Grundsatz des „effet utile“ (Art. 4 Abs. 3 EUV) an Durchschlagskraft.
24Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass jedenfalls die durch das Landgericht nach § 287 ZPO getroffene Schätzung unzutreffend sei. Es sei eine Gesamtlaufleistung von 350.000 km zugrunde zu legen, ggf. sei hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen.
25Der Feststellungsanspruch bestehe wegen drohender Steuernachzahlungen.
26Rechtsverfolgungskosten und Zinsen müssten dem Streitwert des Klageantrages entsprechend zugesprochen werden.
27Die Klägerin beantragt,
28das Urteil teilweise abzuändern und
29die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 10.189,27 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2018 zu zahlen, sowie
30die Beklagte zu verurteilen, weitere außergerichtliche Anwaltskosten 232,05 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2018 zu zahlen,
31festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Schäden, welche ursächlich mit dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zusammenhängen, zu ersetzen.
32Die Beklagte beantragt,
33das Urteil im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen
34sowie
35die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
36Die Klägerin beantragt,
37die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
38Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags insbesondere aus, dass das Landgericht zu Unrecht vom Vorliegen eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten, insbesondere einer beabsichtigten manipulativen Beeinflussung der Kaufentscheidung der Klägerin durch die – am Kaufvertrag unbeteiligte – Beklagte ausgegangen sei. Auch die Klägerin selbst sei nach ihren Angaben beim Verkaufsgespräch nicht anwesend gewesen.
39Zudem habe das Landgericht im Hinblick auf den Vorsatz bezüglich der sittenwidrigen Schädigung die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast verkannt.
40Das Landgericht sei unzutreffend und unter Übergehung des Vortrags und Beweisangebotes der Beklagten vom Vorliegen eines nachteiligen Vertragsschlusses ausgegangen. Das Softwareupdate habe keine negativen Folgen und das Fahrzeug hierdurch keinen Wertverlust erlitten. Auch im Falle der normativen Korrektur der Differenzhypothese fehle ein Schaden, weil die Klägerin das Fahrzeug ausgiebig für den subjektiven Vertragszweck habe nutzen können und (nach damaligem Stand) etwa 69.000 km damit gefahren sei.
41Das Landgericht sei zu Unrecht und ohne ausreichende Begründung vom Vorliegen der Kausalität zwischen der angeblich sittenwidrigen Handlung und dem Vertragsschluss ausgegangen. Der Verweis auf die allgemeine Lebenserfahrung sei unzureichend, zumal das Fahrzeug durchweg in der zutreffenden Emissionsklasse EU5 eingeordnet gewesen sei. Die Darlegungs- und Beweislast für die „Transaktionskausalität“ liege, ohne dass Beweiserleichterungen oder eine Vermutung eingriffen, in jedem Einzelfall beim jeweiligen Käufer. Im Falle der Klägerin lasse sich aus ihrer persönliche Anhörung nicht ableiten, dass die NOx-Werte des Fahrzeugs Einfluss auf die Kaufentscheidung gehabt hätten.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Berufungs- und Erwiderungsvortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
43Der Senat hat die Klägerin gemäß § 141 ZPO persönlich und den Ehemann der Klägerin informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 17.03.2020 (Anlage zum Protokoll, Bl.467 d.A.) verwiesen.
44II.
45Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
46Eine Berufung ist begründet, wenn das Urteil des Landgerichts auf Rechtsfehlern beruht oder wenn die gemäß §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere – für den jeweiligen Berufungsführer günstigere – Entscheidung rechtfertigen.
47Dies ist hier aufgrund der bindenden Feststellungen des Landgerichts und den ergänzenden Feststellungen des Senats zugunsten der Beklagten der Fall. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz und die geltend gemachten Nebenforderungen im Zusammenhang mit dem erworbenen PKW ZZ1 zu.
481.
49Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB.
50Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm und einer Vielzahl weiterer Obergerichte kann dem Käufer eines vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb aufgewendeten Kaufpreises (unter Anrechnung seiner Nutzungsvorteile) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zustehen, sofern er durch die heimliche Verwendung einer als unzulässigen Abschalteinrichtung zu qualifizierenden Software zu einem Vertragsschluss veranlasst worden ist, den er in Kenntnis der möglichen Konsequenzen der Software für die straßenverkehrsrechtliche Zulassung des Fahrzeugs nicht abgeschlossen hätte (OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, juris; OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2020 – 13 U 476/18 –, Rn. 11, juris; OLG Celle, Beschluss vom 29. April 2019 – 7 U 159/19 –, Rn. 11, juris).
51Jedoch gibt es für einen solchen Anspruch keinen Automatismus, der durch den schlichten Erwerb eines vom sog. Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeugs ausgelöst wird. Im Falle der Klägerin konnte die von ihr nach dem Maßstab des § 286 ZPO darzulegende und zu beweisende Kausalität zwischen der sittenwidrigen Handlung und dem Vertragsschluss nicht festgestellt werden. Soweit des weiteren auch Zweifel am Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem zugrunde zu legenden Erwerbszeitpunkt und an der Berechnung der Höhe des Anspruchs anhand des Bruttokaufpreises bestehen sowie ein Anspruchsuntergang aufgrund einer Erfüllungswirkung infolge der Akzeptanz des Softwareupdates in Betracht kommt, kam es hierauf letztlich nicht mehr an. Im Einzelnen:
52a)
53Die Klägerin hat die erforderliche haftungsbegründende Kausalität zwischen der Täuschung und dem Eintritt eines subjektiven Schadens nicht bewiesen. Der Senat vermochte nicht die erforderliche, vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugung zu gewinnen, dass die Klägerin den Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Z1 ohne die Täuschung der Beklagten nicht abgeschlossen hätte und ihr täuschungsbedingt durch den Abschluss des Vertrages ein Schaden entstanden ist.
54aa)
55Der Senat unterstellt mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten.
56Die Sittenwidrigkeit und Verwerflichkeit eines Verhaltens kann sich im Rahmen des § 826 BGB auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird in den Fällen des sog. „Abgasskandals“ ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten darin gesehen, dass im Inverkehrbringen der mit manipulierter Software ausgestatteten Fahrzeuge eine konkludente Täuschung des Käufers liegt (OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – I-13 U 149/18 –, Rn. 44 - 45, juris). Mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs gebe ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz dieses Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist, d.h. insbesondere, dass das Fahrzeug über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt (OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – I-13 U 149/18 –, Rn. 44 - 45, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019, 13 U 142/18, Rn. 11, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 22, juris). Daran fehle es in Bezug auf den (auch streitgegenständlich verbauten) Motor des Typs X1 EU5, weil die Manipulationen an der Motorsteuerungssoftware als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren seien, vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Dies habe zur Folge, dass ohne das Aufspielen des später von der Beklagten entwickelten Software-Updates – zumindest latent – ein Widerruf der Typengenehmigung und eine damit einhergehende Stilllegung des Fahrzeuges gedroht hätten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – I-13 U 149/18 –, Rn. 44 - 45, juris; OLG Celle, Beschluss vom 29. April 2019 – 7 U 159/19 –, Rn. 11, juris).
57bb)
58Die Eingehung eines ungewollten Vertrages – hier des Kaufvertrages über den streitgegenständlichen Pkw ZZ1 – kann unter bestimmten Voraussetzungen auch einen (ersatzfähigen) Schaden darstellen.
59Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Vielmehr ist auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Differenzhypothese muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Erforderlich ist also eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1986 - GSZ 1/86, Rn. 26, juris; BGH, Urteil vom 10. Juli 2007 - VI ZR 192/06, Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03, Rn. 16, juris).
60Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden erleiden. Aus dieser subjektbezogenen und den Schutzzweck der Haftung sowie die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigenden Betrachtung folgt grundsätzlich, dass auch allein die Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung einen zu ersetzenden Schaden darstellt, wenn der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dessen Leistungsgegenstand für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275, 276 Rn. 17 f. m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 94/18 –, Rn. 41, juris; OLG München, Urteil vom 15. November 2019 – 13 U 4071/18 –, Rn. 51, juris).
61Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 –, Rn. 17 - 19, juris, m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 94/18 –, juris).
62In den Fällen des sog. „Abgasskandals“ kann sich die subjektive Nachteiligkeit des damit auch ungewollten Fahrzeugkaufvertrages insbesondere daraus ergeben, dass das Fahrzeug durch die vorhandene Abgasmanipulationssoftware zum Kaufzeitpunkt mit einem Mangel behaftet war.
63Nach Maßgabe des Hinweisbeschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, juris, Leitsätze Ziff. 1a und 1b) ist ein Fahrzeug nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine - den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende - Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG installiert ist, die gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig ist (so auch OLG Celle, Beschluss vom 29. April 2019 – 7 U 159/19 –, Rn. 11, juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 –, juris).
64Der Mangel in Form der fehlenden Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB beruht danach darauf, dass die – zumindest latente – Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist (BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, juris, Leitsätze Ziff. 1a und 1b; so auch OLG Celle, Beschluss vom 29. April 2019 – 7 U 159/19 –, Rn. 11, juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 –, juris).
65Übertragen auf den Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB können davon ausgehend eine subjektive Nachteiligkeit des Kaufvertrages und eine fehlende volle Brauchbarkeit der Kaufsache für den Erwerber in Betracht kommen, wenn der Käufer wegen der Manipulationssoftware eine Betriebsuntersagung fürchtet. In diesem Sinne wäre der Leistungsgegenstand (Fahrzeug) für die Zwecke des Käufers nicht voll brauchbar.
66cc)
67Die (hier unterstellte) mit dem Inverkehrbringen einhergehende konkludente Täuschung der Beklagten (denn eine solche und nicht das Inverkehrbringen als solches ist haftungsbegründend) und die Eingehung des etwaig ungewollten subjektiv nachteiligen Vertrages durch die Klägerin müssen demnach kausal miteinander verknüpft sein. Auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss kann im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden (BGH, Urteil vom 04. Juni 2013 – VI ZR 288/12 –, Rn. 25, juris). Die haftungsbegründende Kausalität muss die Klägerin darlegen und nach dem Maßstab des § 286 Abs. 1 ZPO beweisen. Dies ist ihr jedoch nicht zur Überzeugung des Senats gelungen.
68Bei der Kausalität zwischen der Täuschung und der Eingehung eines „ungewollten“ und subjektiv nachteiligen Vertrages geht es um die Feststellung einer inneren Tatsache im Wege des Indizienbeweises (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 05.03.2009 – III ZR 17/08 – juris unter Rn 21). Auf das Vorliegen innerer, dem Beweis nur eingeschränkt zugänglicher Tatsachen kann nur mittelbar aus in der Regel auf äußeren Tatsachen basierenden Indizien geschlossen werden. Daher ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf diese Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil v. 12.05.1995, V ZR 34/94, juris Rn. 17).
69Die für den Vertragsschluss bedeutsamen Umstände stellen mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die jedoch eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen gesetzlicher Tatbestände hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/15 –, Rn. 12, juris BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08. Dezember 2017 – 15 U 37/16 –, Rn. 25, juris). Entscheidend ist die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 01. August 2017 – 9 U 59/16 –, Rn. 22, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08. Dezember 2017 – 15 U 37/16 –, Rn. 25, juris).
70Eine Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO setzt nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus. Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 – VI ZR 164/18 –, Rn. 8, juris, m.w.N., BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91 –, Rn. 16, juris; OLG Hamm, Urteil vom 01. August 2017 – 9 U 59/16 –, Rn. 21, juris).
71In dieser Aufforderung zur lebensnahen Würdigung vorhandener Beweisanzeichen liegt jedoch keine Absenkung des erforderlichen Beweismaßes der vollen Überzeugung. Der Tatrichter muss aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält; er darf sich nicht mit einer bloßen, wenn auch erheblichen Wahrscheinlichkeit begnügen (vgl. BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 – VI ZR 164/18 –, Rn 9, juris, m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 01. August 2017 – 9 U 59/16 –, Rn. 23, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08. Dezember 2017 – 15 U 37/16 –, Rn. 26, juris).
72§ 286 ZPO stellt dabei nur darauf ab, ob der Tatrichter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewissheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei wie ausgeführt nicht voraus. Insofern kann die objektiv erhebliche Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Geschehens zwar im Einzelfall zur Begründung der persönlichen Gewissheit des Tatrichters ausreichen, wenn dieser an sich mögliche Zweifel überwindet. Von der Erlangung der persönlichen Gewissheit des Richters von der Wahrheit darf jedoch nicht abgesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 – VI ZR 164/18 –, Rn. 7 - 9, juris; BGH, Urteil vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, NJW 2014, 71 Rn. 7; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, Rn. 72, juris). Hält der Tatrichter ein bestimmtes Geschehen selbst nur für hinreichend oder überwiegend wahrscheinlich, ohne sich dessen gewiss zu sein, kann dies für eine Überzeugungsbildung nur im Rahmen des - hier jedoch nicht anwendbaren - § 287 ZPO genügen (vgl. BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 – VI ZR 164/18 –, Rn. 9, juris, m.w.N.).
73Hier vermag sich der Senat nach den vorgenannten Grundsätzen bei einer Gesamtschau aus den objektiven Umständen des Einzelfalles sowie dem Vortrag und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Klägerin die zweifelsfreie Überzeugung von der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität nicht zu bilden.
74Zwar hält es der Senat – wie auch das Landgericht angenommen hat – im Grundsatz für lebensnah, dass ein Kunde ein Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darauf hingewiesen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung durch das Kraftfahrtbundesamt bis hin zum Entzug der Betriebserlaubnis rechnen müsse. Die berechtigten Erwartungen eines Käufers eines Fahrzeugs gehen nämlich grundsätzlich dahin, dieses uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen zu können, ohne dass jederzeit eine Betriebsbeschränkung oder sogar eine Betriebsuntersagung droht (so auch: Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 94/18 –, Rn. 42 - 44, juris).
75Diese allgemeinen Erwägungen allein lassen jedoch im konkreten Fall einen Schluss auf die Kausalität zwischen einem der Beklagten zuzurechnenden Verhalten und einem Schaden der Klägerin in Form eines subjektiv nachteiligen Vertragsschlusses nicht zu. Vor allem reicht allein die pauschal verneinende Antwort der Klägerin auf die zum Ende der erstinstanzlichen Anhörung schließlich zugespitzt geschlossen gestellte Frage, ob sie das Fahrzeug erworben hätte, wenn sie gewusst hätte, dass eine manipulierte Software aufgespielt worden ist, zur Überzeugungsbildung nicht aus.
76Denn aus den Erklärungen der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in erster Instanz und im Senatstermin ergeben sich ansonsten keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sie im Falle der Kenntnis der tatsächlichen Sachlage von dem Kaufvertragsabschluss Abstand genommen hätte. Es ist auch nicht festzustellen, dass ein Fall vorliegt, in dem der Leistungsgegenstand wegen der (Täuschung über die) „Umschaltlogik“ für die Zwecke der Klägerin nicht voll brauchbar gewesen ist.
77Im streitgegenständlichen Einzelfall ist zunächst bereits nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin ausgehend von der konkludenten Täuschungshandlung der Beklagten überhaupt in einem Irrtum befunden hat und insofern ihre Willensentschließung, was aber erforderlich wäre, von der Täuschung der Beklagten überhaupt berührt war (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juni 2013 – VI ZR 288/12 –, Rn. 25, juris). Denn aus der persönlichen Anhörung hat sich auch noch in der Berufungsinstanz insofern ergeben, dass aus Sicht der Klägerin insbesondere die passende Größe des Fahrzeugs und der hohe Einstieg maßgebliche Kriterien gewesen sind, während weder von ihr vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sie sich ansonsten überhaupt Gedanken über das Fahrzeug und dessen Eigenschaften gemacht hat. Vielmehr hat sich nach ihren Angaben praktisch allein ihr Ehemann um die Auswahl des Fahrzeugs und Vertragsverhandlungen mit dem Verkäufer gekümmert, während sie sich, wenngleich sie Kaufvertragspartei gewesen ist, für den Erwerb gar nicht näher interessiert hat. Dass die Klägerin die Auswahl des Fahrzeugs insofern allein ihrem Ehemann überlassen hat, spricht bereits dagegen, dass der Kauf des Fahrzeugs bei ihr durch bestimmte konkludente Erklärungen des Herstellers beeinflusst gewesen ist. Die Eigenschaften, für die die Klägerin sich zum Zeitpunkt des Kaufvertrags überhaupt interessiert hat, wies das Fahrzeug unstreitig auf. Nimmt man zu Gunsten der Klägerin an, dass ihr Ehemann ihr Verhandlungsbevollmächtigter war, der in maßgebender Weise auf den Inhalt des Kaufvertrages eingewirkt hat, ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 166 BGB nichts anderes; denn dass die Klägerin dessen Willensbildung in Bezug auf den durch eine Täuschung veranlassten Kaufvertragsschluss vertraut und sie übernommen hat, lässt sich auf der Basis ihrer v.g. Angaben gemäß § 141 ZPO gerade nicht feststellen. Noch nicht einmal in der Berufungsinstanz hat sie anklingen lassen, dass sie in Kenntnis dessen, dass das Fahrzeug nur formal über eine EG-Typgenehmigung verfügte, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohten, den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte.
78Auch wenn Zweck des Autokaufs grundsätzlich der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr ist, vermag eine daraus folgende allgemeine Erwartung allenfalls eine „generelle“ (Dauer-)Kausalität zu begründen, was aber unter Schutznormaspekten nicht ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juni 2013 – VI ZR 288/12 –, Rn. 25, juris). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich das Absehen vom Kauf auch bei Kenntnis von der Abgasmanipulation nicht grundsätzlich als alternativlos darstellt(e); denn es lag letztlich „nur“ ein Sachverhalt (im rechtlichen Sinne einer „Mangelanlage“, eines Grundmangels) vor, der erst in Verbindung mit weiteren Umständen (vor allem einer Entscheidung beziehungsweise Äußerung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde) dazu führen konnte, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder – beschränkung nach § 5 Abs. 1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, NJW 2019, 1133, beck-online unter Rn. 20). Angesichts der Vielzahl möglicher Beweggründe (Ausstattung, Laufleistung, Verbrauch etc.) und Abwägungen bei der Entscheidung über den Kauf eines bestimmten Fahrzeugs einerseits und andererseits dem Umstand, dass im Hinblick auf die durch die Beklagte verbaute Motorsteuerungssoftware nicht zwingend von einer Stilllegung der Fahrzeuge auszugehen war, weil dem Kraftfahrtbundesamt neben der Stilllegung der Fahrzeuge durch Widerruf der Typengenehmigung gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV auch mildere Mittel wie die Anordnung von Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV zur Verfügung standen, bestand auch die ebenfalls nicht völlig lebensfremde Entscheidungsalternative, darauf zu setzen, dass insbesondere aufgrund der Vielzahl der betroffenen Fahrzeuge eben keine Stilllegung, sondern – wie tatsächlich erfolgt – lediglich der Erlass von Nebenbestimmungen erfolgen werde, und das Fahrzeug im Hinblick auf andere, als vorteilhaft bewertete Eigenschaften dennoch zu erwerben. Tatsächlich hat die Beklagte auch nach Bekanntwerden des sog. Dieselskandals unstreitig weiterhin Fahrzeuge verkauft und haben sich demnach Käufer(innen) gefunden, die trotz Kenntnis von der Manipulationssoftware zum Erwerb eines betroffenen Fahrzeugs bereit gewesen sind. Dass die Klägerin bei Kenntnis den Vertrag zumindest nicht „so“ abgeschlossen hätte, ist weder von ihr dargelegt noch sonst ersichtlich.
79Hier spricht auch das Verhalten der Klägerin nach Bekanntwerden der Betroffenheit des erworbenen Z1 vom sog. Dieselskandal dagegen, dass die (fehlende) Kenntnis von der verbauten Motorsteuerungssoftware entscheidenden Einfluss auf die Kaufvertragsentscheidung gehabt hat. Insoweit ist es anerkannt, dass sich relevante Indizien für die (fehlende) Kausalität der Täuschung auch aus dem Verhalten nach Kenntniserlangung von der Täuschung ergeben können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08. Mai 2012 – XI ZR 262/10 –, juris unter Rn. 50).
80Gefragt nach dem Rückrufschreiben der Beklagten hat die Klägerin angegeben, das habe sich „nicht gut angehört“, aber sie habe sich auch nicht so ausgekannt, es habe wohl etwas mit der Abgasentwicklung nicht gepasst. Aus ihren Angaben in der persönlichen Anhörung geht gerade nicht hervor, dass sie nach Bekanntwerden der Betroffenheit ihres Fahrzeugs eine – nach der Rechtsprechung des BGH den aufklärungsbedüftigen Mangel begründende – mögliche Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs befürchtet oder sich mit dieser Frage überhaupt beschäftigt hat. Auch hat sie sich nach Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs nicht etwa an ihren Verkäufer oder die Beklagte gewandt, sondern ist untätig geblieben. Unterstellt man, dass die Thematik der Abgasmanipulation einen Einfluss auf den Kaufvertragsschluss gehabt hat, ist das fehlende Interesse der Klägerin an der Bedeutung und an den Folgen des Rückrufschreibens nicht erklärlich. Vielmehr lässt das fehlende Interesse an der Thematik umgekehrt den Rückschluss zu, dass auch bei der damaligen Kaufentscheidung ein Einfluss nicht bestanden hat, und steht als Indiz der Annahme der haftungsbegründenden Kausalität entgegen.
81Dies gilt auch für den weiteren Geschehensablauf. Nach dem Aufspielen des Softwareupdates im November 2016 hat die Klägerin bis Frühjahr 2018, also knapp eineinhalb Jahre nichts weiter unternommen. Die Entscheidung, sich im April 2018 an einen Rechtsanwalt zu wenden, beruhte nach Angaben der Klägerin darauf, dass man eine entsprechende Anzeige in der Zeitung gesehen und gehofft habe, vielleicht die Möglichkeit zu haben, an dem erworbenen Fahrzeug „etwas zu ändern und vielleicht ein neues Fahrzeug zu bekommen“. Nach ihren Angaben hat es bis heute keinerlei Probleme mit dem Fahrzeug gegeben. Auch konnte sie auf Nachfrage keinerlei Nachteil benennen, der bestanden hat oder ihr aus ihrer Sicht im Falle des Behaltens des Fahrzeugs entstehen würde. Insbesondere fand auch in diesem Zusammenhang die (zurückliegende oder gegenwärtige) Befürchtung einer drohenden Stilllegung des Fahrzeugs oder sonstiger mit der Manipulationssoftware in Zusammenhang stehender Nachteile keinerlei Erwähnung.
82Als Grund für den Wunsch, das Fahrzeug abzugeben, und als Anlass für die außergerichtliche und nunmehr gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ist insofern keine durch die Eigenschaften oder einen (behobenen) Mangel des Fahrzeugs bedingte innere Motivation der Klägerin erkennbar. Dafür, dass eine bestimmte (fehlende) Eigenschaft des Fahrzeugs den Kaufentschluss entscheidend beeinflusst hat, würde es sprechen, wenn diese auch als Anlass zur Geltendmachung von Ansprüchen benannt würde, z.B. weil den Käufer das Fehlen einer bestimmten Eigenschaft oder das Vorliegen eines bestimmten Mangels nachhaltig stört; dies ist bei der Klägerin wie aufgezeigt jedoch gerade nicht der Fall. Im Gegenteil wurde der Anstoß zum Tätigwerden der Klägerin nicht durch die Unzufriedenheit mit dem konkreten Fahrzeug oder eines Mangels desselben, sondern erst „von außen“ durch eine Zeitungsanzeige und erhoffte Vorteile hervorgerufen.
83Im Falle der Klägerin kommt noch als weiterer Umstand hinzu, dass sie das Fahrzeug zum 31.12.2017 dem bis dato geführten Einzelunternehmen entnommen und als Privatfahrzeug weiter genutzt hat, ohne dass die Betroffenheit des Fahrzeugs vom sog. Dieselskandal hierbei erkennbar irgendeine Rolle gespielt hätte. Vielmehr bestätigt sich hierin erneut, dass die Klägerin den Erwerb eines ursprünglich wegen der verheimlichten „besonderen“ Abgassoftware sachmangelbehafteten Fahrzeugs offensichtlich nicht als nachteilig angesehen hat.
84Der Senat verkennt nicht, dass ein Abwarten mit der Geltendmachung von Ansprüchen oder das Ausnutzen der Verjährungsfrist legitim ist. Ein solches Verhalten der Klägerin steht jedoch nicht in Rede. Die vorgenannten Umstände und das Verhalten der Klägerin, die sich mit den technischen Gegebenheiten ihres Fahrzeugs zu keinem Zeitpunkt ernsthaft beschäftigt hat, sondern es beanstandungsfrei genutzt und sich schließlich ohne irgendeinen konkreten das Fahrzeug betreffenden Anknüpfungspunkt zur Geltendmachung von Ansprüchen entschlossen hat, stellen vielmehr äußere Indizien im Rahmen der Kausalitätsfeststellung dar, die aus Sicht des Senats in entscheidendem Maße gegen das Vorliegen des erforderlichen inneren Zusammenhangs zwischen der Täuschungshandlung der Beklagten und dem Kaufentschluss der Klägerin sprechen.
85Soweit die Klägerin eher beiläufig geäußert hat, dass man sich auch „ein bisschen betrogen“ gefühlt habe, ist dies nachvollziehbar und spricht als Indiz eher dafür, dass ein manipuliertes Fahrzeug nicht gekauft worden wäre. Allerdings kann diesem Indiz im konkreten Fall keine besondere Bedeutung zugemessen werden, weil aus diesem Gefühl, wie aufgezeigt, keinerlei Konsequenzen folgten – außer der, das „bewährte“ Fahrzeug aus dem Einzelunternehmen zur weiteren ausschließlich privaten Nutzung zu entnehmen.
86In der vorzunehmenden Gesamtschau aller Umstände des Falles kann damit nicht mit der erforderlichen Überzeugung der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin in Kenntnis des sich aus der Manipulationssoftware ergebenden Mangels das Fahrzeug nicht erworben hätte. Auch unter Beachtung der allgemeinen Einschätzung, dass ein Käufer vom Kauf eines Fahrzeugs mit der Motorsteuerungssoftware bei Kenntnis üblicherweise absehen würde, ergeben sich im konkreten Fall insbesondere aufgrund der Schilderungen der Klägerin zu den Umständen des Erwerbs und aufgrund ihres nachvertraglichen Verhaltens erhebliche Zweifel, die zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin gehen.
87dd)
88Auch unter der Annahme, dass für die haftungsbegründende Kausalität ein Anscheinsbeweis oder eine tatsächliche Vermutung dahingehend eingriffe, dass ein Käufer ein Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darauf hingewiesen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung durch das Kraftfahrtbundesamt bis hin zum Entzug der Betriebserlaubnis rechnen müsse, wären diese im vorliegenden Fall aufgrund der vorgenannten Umstände erschüttert.
89Gegen das Vorliegen eines Anscheinsbeweises spricht bereits, dass es sich beim Kauf eines Fahrzeugs um einen individuell geprägten Willensentschluss handelt, der üblicherweise auf einem Bündel von Motiven wie Motor- und Laufleistung, Preis, Ausstattung, Kraftstoffverbrauch etc. beruht, wovon das Abgasverhalten bzw. etwaige Konsequenzen daraus für die Typengenehmigung nur eines bildet, mit der Folge, dass ein typisches Verhalten oder ein typischer Geschehensablauf bereits nicht festgelegt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 218/03, juris; auch: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18, juris). Wie bereits ausgeführt, bestand für einen (potentiellen) Käufer durchaus die Entscheidungsalternative, ein unzweifelhaft formal typ-zugelassenes Fahrzeug trotz Motorsteuerungssoftware zu erwerben, weil es sich aus anderen Gründen als besonders attraktiv darstellte und/oder weil der Käufer beispielsweise wegen der Vielzahl betroffener Fahrzeuge darauf vertraut hat, dass eine Stilllegung am Ende angesichts des Massenphänomens ohnehin nicht durchgeführt werden würde. Auch der unstreitige Umstand, dass Z-Diesel-Fahrzeuge auch nach Bekanntwerden der Verwendung der Motorsteuerungssoftware und des sog. Abgasskandals noch gekauft worden sind, sich also Käufer in Kenntnis einer nur formalen Typ-Zulassung für den Kauf eines Z-Fahrzeugs entschieden haben, spricht dagegen, das Absehen vom Kauf als typisches Verhalten oder typischen Geschehensablauf anzunehmen.
90Selbst wenn man einen Anscheinsbeweis für die haftungsbegründende Kausalität im o.g. Sinne bejaht, ist dieser im vorliegenden Fall insbesondere angesichts des fehlenden Interesses der Klägerin an den Eigenschaften des Fahrzeugs bei dessen Erwerb und nach Erhalt des Rückrufschreibens sowie ihres nachvertraglichen Verhaltens einschließlich der Entnahme des Fahrzeugs aus dem Betrieb, zudem unter Berücksichtigung der geschilderten Motivation zur Geltendmachung von Ansprüchen erschüttert. Auf die vorangegangenen Ausführungen wird Bezug genommen.
91ee)
92Soweit obergerichtliche Rechtsprechung maßgeblich auch darauf abstellt, dass sich die mit der Software-Manipulation verbundene Gefahr für die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs haftungsbegründend kausal negativ auf den Vermögenswert des Fahrzeugs auswirkt (vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 - 18 U 70/18 - NJW-RR 2019, 984, 986 f.), fehlt es nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen jedenfalls an der haftungsausfüllenden Kausalität.
93b)
94Nachdem der Anspruch mangels Kausalität scheitert, bedarf es keiner Entscheidung, ob in der vorliegenden Konstellation der Entnahme des Fahrzeugs durch eine Privatperson aus dem - personenidentischen - Einzelunternehmen, ein Anspruch der Klägerin auch oder bereits deshalb ausscheidet, weil für das Vorliegen einer sittenwidrigen Täuschung als Zeitpunkt des Fahrzeugserwerbs durch die Klägerin nicht das ursprüngliche Bestelldatum 30.03.2014, sondern das Datum der – erst nach dem Aufspielen des Softwareupdates vom 09.09.2016 erfolgten – Entnahme am 31.12.2017 zugrunde zu legen sein könnte.
95Die ursprüngliche Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung rechtfertigt den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung des Käufers nämlich nicht, wenn er den Pkw erst zu einem Zeitpunkt erworben hat, als diese unzulässige Abschalteinrichtung durch das vom Kraftfahrtbundesamt geprüfte und für ausreichend erachtete Update bereits entfernt worden war (OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2020 – 13 U 476/18 –, Rn. 12, juris).
96Bei Zugrundelegung des 31.12.2017 als Erwerbszeitpunkt entsprach das Fahrzeug der Klägerin im Hinblick auf eine etwaige Abschalteinrichtung dem genehmigten Typ, nachdem die Beklagte die durch das Kraftfahrt-Bundesamt als nach § 2 Abs. 1 EG-FGV zuständiger Behörde erlassene nachträgliche Nebenbestimmung gemäß § 4 Abs. 5 EG-FGV umgesetzt hatte, so dass (weitere) Maßnahmen nach § 25 EG-FGV - insbesondere eine Betriebsuntersagung - aufgrund der bei der Herstellung des Fahrzeugs verwendeten Software nicht (mehr) drohten (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2020 – 13 U 476/18 –, Rn. 12, juris; dort zu einem Erwerb des Geschäftsführers und Kommanditisten von einer GmbH & Co KG).
97Das Aufspielen des Softwareupdates vom 09.09.2016 war der Klägerin auch bekannt, zumal das Fahrzeug zu dieser Zeit in ihrem Besitz war.
98Ob hier (anders als im vorgenannten Fall des OLG Hamm) wegen der Personenidentität der Klägerin als in 2014 erwerbende Einzelunternehmerin und in 2017 erwerbender Privatperson dennoch auf den ursprünglichen Kaufvertrag und somit den Erwerbszeitpunkt 2014 abzustellen ist, kann offen bleiben, weil selbst bei Zugrundelegung des ursprünglichen Kaufdatums, wie bereits ausgeführt, kein Anspruch besteht.
99Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die daran anknüpfende Frage, ob im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens der Kaufpreis aus 2014 zu Grunde gelegt werden kann oder ob insofern auf den (niedrigeren) Wert bei der Entnahme in 2017 abzustellen wäre, wobei die Berechnung der Klägerin in der Klageschrift jedenfalls insofern unzutreffend ist, als dabei ohne Berücksichtigung der, wie erst im Senatstermin vorgetragen wurde, in 2014 bestehenden Vorsteuerabzugsberechtigung der (Brutto-)Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer zugrunde gelegt worden ist.
100c)
101Erwogen, aber letztlich nicht (mehr) tragend ist, ob im vorliegenden Fall (auch) eine Annahme des durch die Beklagte angebotenen Softwareupdates im Rahmen des Schadensersatzes an Erfüllung statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB gegeben ist.
102Eine solche Leistung an Erfüllungs statt setzt eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien voraus. Sie kann auch stillschweigend vereinbart werden, wie etwa dadurch, dass der Gläubiger die an Erfüllungs statt angebotene Sache in Gebrauch nimmt. Dabei muss das Verhalten des Gläubigers allerdings den rechtsgeschäftlichen Willen erkennen lassen, die Ersatzleistung als Erfüllung anzunehmen (Kerwer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 364 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt- Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 364 BGB, Rn. 2; BAG, Urteil vom 11.07.1975, 5 AZR 273/74, Rn. 29, juris).
103Die Klägerin hat hier nach dem Rückrufschreiben nicht nur gezwungenermaßen das Softwareupdate aufspielen lassen, sondern das „bewährte“ Fahrzeug in Kenntnis des bereits im September 2016 aufgespielten Updates mit einem festgestellten Wert von 19.500 Euro Ende 2017 ins Privatvermögen übernommen und privat weitergenutzt.
104Dies kann nach dem gemäß §§ 133, 157 BGB maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Beklagten, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie nach Durchführung des Updates bescheinigt hatte, das Fahrzeug entspreche nun vollumfänglich den gesetzlichen Vorschriften, dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin die angebotene Maßnahme vorbehaltlos als Schadenskompensation akzeptiert hat.
1052.
106Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen.
107a)
108Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB setzt eine – hier in der Eingehung des Kaufvertrags liegende – Vermögensverfügung voraus, die durch einen mittels Täuschung hervorgerufenen Irrtum veranlasst worden ist. Auch für diesen Anspruch kann jedoch ein Irrtum der – nach ihren Angaben an den Verkaufsverhandlungen nicht näher beteiligten – Klägerin und insbesondere die erforderliche Kausalität, also der innere Zusammenhang zwischen dem etwaigen Irrtum über das Vorliegen der Abgassoftware und dem Kaufvertragsentschluss der Klägerin, nicht zur Überzeugung des Senats (§ 286 BGB) festgestellt werden. Auf die obigen Ausführungen wird insofern Bezug genommen.
109b)
110Ebenfalls scheidet ein etwaiger Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 aus.
111aa)
112Die vorgenannten Vorschriften sind keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 - 8 U 1449/19, Rn. 78, juris; OLG Celle, Beschluss vom 1. Juli 2019 - 7 U 33/19, Rn. 37 ff.; OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 - 7 U 134/17, Rn. 137 ff. juris).
113Ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Norm nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (ständige Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10 –, Rn. 21; BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03 –, Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 27. November 1963 – V ZR 201/61 –, Rn. 1).
114Nach § 27 Abs. 1 FG-FGV darf ein Neufahrzeug im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn es mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist. Der Hersteller eines Fahrzeugs ist aufgrund von § 6 Abs. 1 EG-FGV verpflichtet, für jedes einem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen.
115Diese Vorschriften verfolgen die Umsetzung der europarechtlichen Richtlinie 2007/46/EG vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie), die ausweislich der einleitenden Erwägungen (insb. Ziff. 2 und 23) der Richtlinie die Vollendung des europäischen Binnenmarktes und hierbei die Sicherstellung eines hohen Sicherheits- und Umweltschutzniveaus der dort in Verkehr gebrachten Fahrzeuge und ihrer Bauteile (Ziff. 14) zum Ziel hat. Dagegen bezwecken die Richtlinie und damit einhergehend §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht die Wahrung von Individualinteressen wie das Vermögensinteresse von Erwerbern von Kraftfahrzeugen (OLG Celle, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 7 U 33/19 –, Rn. 39, juris; OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17 –, Rn. 138 ff., juris; OLG München, Urteil vom 04. Dezember 2019 – 3 U 2420/19 –, Rn. 62, juris).
116Dies gilt auch für die Regelungen der VO (EG) 715/2007 vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen, in deren Artikel 5 das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen geregelt ist. Ausweilich der einleitenden Erwägungen ist das Ziel der Verordnung (Ziff. 1 und 27) die Harmonisierung und Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen soll als Teil einer Gesamtstrategie zur Reinhaltung der Luft angegangen werden (Ziff. 4). Davon ausgehend, dass sich die Festlegung von Emissionsgrenzwerten auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller auswirken, soll die frühzeitige Festlegung einer Stufe für die Reduzierung der Stickstoffoxidemissionen den Automobilherstellern eine langfristige, europaweite Planungssicherheit geben (Ziff. 6 und 7). Aus den gesamten Erwägungen, insbesondere den vorgenannten Ziffern, ergibt sich, dass es nicht um individuelle Interessen oder Rechte der Verbraucher geht, sondern um eine umweltpolitische Gesamtstrategie und in diesem Rahmen um die Schaffung einheitlicher Bedingungen für den europäischen Kraftfahrzeugmarkt. Dass der europäische Gesetzgeber dem einzelnen Verbraucher die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der in dieser Verordnung zur Umsetzung dieser Ziele geregelte Verbote übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt, geht aus den Vorbemerkungen hingegen nicht hervor und ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Verordnungsvorschriften nicht. Die Regelungen der VO (EG) 715/2007 weisen auch selbst keinen Bezug zu Individualinteressen des einzelnen Bürgers auf. Insbesondere enthält die Richtlinie keine ausdrückliche Bestimmung, die Individualrechte gewährt (so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17 –, Rn. 138 ff., juris; OLG München, Urteil vom 04. Dezember 2019 – 3 U 2420/19 –, Rn. 62, juris).
117bb)
118Zudem ist auch kein Verstoß gegen die §§ 6, 27 EG-FGV gegeben, da sowohl die Übereinstimmungsbescheinigung als auch die zugrundeliegende Typgenehmigung trotz der Abschaltvorrichtung (formell) wirksam bleiben (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17 –, Rn. 107 ff., juris; i.E. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Februar 2020 – 9 U 272/19 –, Rn. 47, juris, jeweils m.w.N.). In § 25 EG-FGV sind Maßnahmen wie die Erteilung von Nebenbestimmungen, die Rücknahme oder der Widerruf der Genehmigung geregelt, die das Kraftfahrzeugbundesamt zur Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ ergreifen kann (und hier mit der Anordnung von Nebenbestimmungen auch ergriffen hat). Eine Unwirksamkeit tritt hingegen nicht ipso iure ein.
119cc)
120Schließlich fehlt es auch bei diesem Anspruch an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Täuschung oder Verstößen der Beklagten beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV und dem Kaufentschluss der Klägerin. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen.
1213.
122Im Hinblick darauf, dass der Klägerin keine Schadensersatzforderungen zustehen, war auch ihren Feststellungsbegehren nicht zu entsprechen und scheiden Ansprüche auf Zinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus.
123III.
124Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
1251.
126Der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben.
127Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Norm kommt einer Rechtssache dann zu, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist und das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Juli 2002 – V ZR 75/02 –, Rn. 4 - 7, juris, m.w.N.). Hier fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, weil die Voraussetzungen zur Feststellung einer inneren Tatsache und zur Kausalität im Rahmen des § 826 BGB höchstrichterlich geklärt sind. Hingegen sind die Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu würdigen. Die Revision ist nur dann zuzulassen, wenn der konkrete Fall Anlass geben könnte, diese Rechtsprechung in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise zu ergänzen, zu ändern oder zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Juli 2002 – V ZR 75/02 –, Rn. 4, juris). Dies ist hier jedoch nicht ersichtlich.
1282.
129Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO.
130Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer höherrangigen Entscheidung, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Juli 2002 – V ZR 75/02 –, Rn. 6, juris; m.w.N.). Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Juli 2002 – V ZR 75/02 –, Rn. 7, juris, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall, da der Senat von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen ist und dieser entsprechend eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles vorgenommen hat.
131Auch Abweichungen von obergerichtlicher Rechtsprechung bestehen nicht. Insbesondere die an den Oberlandesgerichten uneinheitlich beantwortete Frage, ob durch das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit eingebauter Abschaltautomatik die rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne der §§ 826, 31 BGB gegeben sind (verneinend OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019, 7 U 134/17; bejahend u.a. OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019, I-13 U 149/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019, 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 1. März 2019, 16 U 146/18), bedurfte aufgrund der im Einzelfall nach Anhörung der Partei nicht festzustellenden haftungsbegründenden Kausalität keiner Entscheidung.
132IV.
133Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
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- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 2x
- 9 O 223/18 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 434 Sachmangel 1x
- VI ZR 536/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 EG-FGV 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 6, 27 EG-FGV 2x (nicht zugeordnet)
- 15 U 37/16 3x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 18 U 70/18 1x
- 13 U 4071/18 1x (nicht zugeordnet)
- 13 U 476/18 3x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 306/03 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 201/61 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZR 238/91 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 1x
- BGB § 849 Verzinsung der Ersatzsumme 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- 7 U 134/17 5x (nicht zugeordnet)
- BGB § 31 Haftung des Vereins für Organe 1x
- § 27 Abs. 1 FG-FGV 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 262/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 166 Willensmängel; Wissenszurechnung 1x
- § 27 Abs. 1 EG-FGV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 3x
- II ZR 218/03 2x (nicht zugeordnet)
- 2 U 94/18 3x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 15/14 2x (nicht zugeordnet)
- 13 U 142/18 3x (nicht zugeordnet)
- V ZR 34/94 1x (nicht zugeordnet)
- 13 U 149/18 5x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 51/10 1x (nicht zugeordnet)
- 7 U 33/19 2x (nicht zugeordnet)
- 5 U 1318/18 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 164/18 4x (nicht zugeordnet)
- 7 U 159/19 4x (nicht zugeordnet)
- IX ZR 159/06 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV 4x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 44/12 1x (nicht zugeordnet)