Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 18 U 31/21
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.1.2021 verkündete Teilurteil des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
a) für den Zeitraum vom 1.7.2017 bis zum 31.10.2019 über die dem Kläger zustehenden Provisionen kalendermonatlich abzurechnen;
b) dem Kläger für den Zeitraum vom 1.7.2017 bis zum 30.11.2019 einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte, die zwischen Z A oder der Beklagten und Einzelhandelskunden mit Sitz in Deutschland, Österreich oder der Schweiz zustande gekommen sind, zu erteilten,
wobei der Buchauszug für jedes Geschäft folgende Angaben zu enthalten hat:
aa) Name des Kunden mit genauer Anschrift und Kundennummer,
bb) Datum und Umfang der Auftragserteilung,
cc) Datum der Auftragsbestätigung,
dd) Warenwert des Auftrags,
ee) Datum und Umfang der Lieferung,
ff) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag,
gg) etwaig gewährte Preisnachlässe, Skonti und sonstige Rabatte,
hh) Datum und Höhe der Kundenzahlungen,
ii) Gründe für eine etwaige Nichtausführung eines Geschäfts sowie die davon betroffene Menge und der betroffene Warenwert;
die weitergehende Klage auf Erteilung von Abrechnungen und des Buchauszugs wird zurückgewiesen;
die Berufung der Beklagten gegen die Feststellung, der Beklagten stünden keine Schadensersatzansprüche gegen den Kläger im Hinblick auf dessen Vertretung von Schuhen der Marke B zu, wird verworfen;
die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung wegen der Verurteilung zur Erteilung der Abrechnung und des Buchauszugs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € und wegen der Kosten in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die Berufung: bis zu 850.000,00 €
1
Gründe
2A.
3Der Kläger verfolgt Ansprüche aus einem Handelsvertretervertrag für Bekleidung und Schuhe, der zwischen ihm und dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem (nicht eingetragenen) Kaufmann (..) Z (..) A, ab dem 1.7.2017 galt.
4In diesem Vertrag heißt es u.a.:
5§ 2 Territorien
6(1) Der Handelsvertreter übernimmt in den Ländern Deutschland (D), Österreich (A) und Schweiz (CH) … die exklusive Alleinvertretung des Unternehmens. Das Unternehmen ist nicht berechtigt, innerhalb dieser Territorien weitere Handelsvertreter zu bestellen oder in diesen Territorien durch Beauftragte Kunden werben zu lassen. Hiervon unberührt bleibt das Recht des Unternehmens, im Rahmen des von ihm betriebenen Onlineshops weltweit Endkunden mit selbst gefertigten Bekleidungsartikeln der Marke „Z A“ zu beliefern.
7…
8§ 6 Provisionspflichtige Geschäfte
9(1) Dem Handelsvertreter steht ein Provisionsanspruch für die von ihm vermittelten und abgeschlossenen Geschäfte zu. Ihm steht ferner ein Provisionsanspruch für die Geschäfte zu, die ohne seine unmittelbare Mitwirkung mit Vertragspartnern zustande kommen, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Ein Provisionsanspruch … für Direktgeschäfte des Unternehmens aus § 87 Abs. 2 HGB besteht nicht.
10(2) …
11§ 7 Höhe der Provision, Abrechnung
12(1) Die Provision für Geschäftsabschlüsse mit Neukunden, die nicht in der Anlage 1 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, beträgt 15 % vom Netto-Umsatz des Unternehmens aus der jeweiligen Geschäftsvermittlung bzw. aus dem jeweiligen Geschäftsabschluss.
13(2) Die Provision für Geschäfte, die der Handelsvertreter mit Bestandskunden vermittelt oder abschließt, beträgt 7,5 % vom Netto-Umsatz des Unternehmens aus der jeweiligen Geschäftsvermittlung bzw. aus dem jeweiligen Geschäftsabschluss. Sobald in der ersten Saison das Volumen des vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mit allen Kunden einen Netto-Umsatz von mehr als 275.000,00 € … überschreitet, erhält der Handelsvertreter in diesen (sic) Geschäftsjahr eine Provision in Höhe von 15 % vom Netto-Umsatz. …
14A gründete mit Gesellschaftsvertrag vom 14.12.2017 die Z A UG, jetzige Beklagte, deren Alleingesellschafter er war bzw. ist. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 22.12.2017. Mit Beschluss vom 30.7.2018 brachte er im Rahmen einer Kapitalerhöhung sein „Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva mit Ausnahme der Marke Z A“ ein; er schloss am selben Tag einen Markenlizenzvertrag mit der Beklagten. Der Kläger übernahm im Frühjahr 2018 auch eine Vertretung für die Schuhmarke bzw. den Hersteller B, wovon er die Beklagte in Kenntnis setzte. Die Beklagte ermittelte die Provisionen des Klägers zunächst bis Januar 2019 auf der Grundlage eines einheitlichen Provisionssatzes von 15 %; Rechnungen des Klägers ab Nr. 19/2019 (vom 14.6.2019 über 66.823,06 €) bezahlte die Beklagte nicht mehr. Am 16.4.2019 trafen der Kläger, A und zumindest ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten an deren Sitz in C zusammen; der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Am 16.7.2019 erreichte den Kläger eine E-Mail, die im Anhang eine Kopie einer angeblich bereits per Einschreiben versandten Kündigung enthielt. Diese Kündigung ließ der Kläger am 22.7.2019 gem. § 174 BGB zurückweisen. Unter dem 29.7.2019 erklärte die Beklagte (in anwaltlicher Vertretung) „vorsorglich“ dem Kläger gegenüber erneut die Kündigung zum 31.10.2019; dieses Schreiben ging dem Kläger erst am 1.8.2019 zu. Mit Schreiben vom 28.8.2019 machte die Beklagte gegenüber dem Kläger Beträge in Höhe von 47.813,47 € (gem. ihrer Rechnung vom 24.6.2019) sowie von 833.374,35 € (gem. Rechnung vom 28.8.2019) geltend; den letztgenannten Betrag verlangte sie als Ersatz für ihre Schäden infolge der Übernahme der Vertretung der Schuhmarke B durch den Kläger. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.11.2019 ließ der KIäger Schadensersatzansprüche der Beklagten zurückweisen, machte einen Ausgleichanspruch sowie weitere Provisionsansprüche geltend und verlangte Abrechnung der Provisionen sowie einen näher spezifizierten Buchauszug.
15Der Kläger hat behauptet, in Abweichung von § 7 Abs. 2 des Vertrags sei bereits im Juli 2017 ein Provisionssatz von 15 % auch für die Umsätze mit Bestandskunden vereinbart worden, nachdem sich herausgestellt habe, dass der Umfang der Bestandskundenumsätze erheblich geringer sein werde als zunächst angenommen.
16Schuhe der Marke B beträfen ein anderes Kundensegment; die Beklagte sei mit der ihr angezeigten Übernahme der Vertretung dieser Marke im Frühjahr 2018 auch einverstanden gewesen.
17Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Handelsvertretervertrag sei erst mit Ablauf des 30.11.2019 ordentlich beendet worden.
18Er hat im Rahmen der von ihm unter dem 24.1.2020 rechtshängig gemachten Stufenklage beantragt,
191. die Beklagte zu verurteilen
20a) auf der Grundlage eines einheitlichen Provisionssatzes von 15 % über die ihm zustehenden Provisionen abzurechnen, die sich für die Zeit vom 1.7.2017 bis zum 30.11.2019 aus Geschäften zwischen der Beklagten und Einzelhandelskunden mit Sitz in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ergeben, wobei von dieser Verpflichtung Kunden ausgenommen sind, die nicht vom Kläger für Geschäfte gleicher Art geworben worden sind und die sich ohne aktives Zutun der Beklagten an diese gewandt haben,
21b) ihm einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte zu erteilen, welche in der Zeit vom 1.7.2017 bis zum 30.11.2019 zwischen der Beklagten und Einzelhandelskunden mit Sitz in Deutschland, Österreich oder der Schweiz zustande gekommen sind, wobei der Buchauszug für jedes Geschäft folgende Angaben zu enthalten hat:
22aa) Name des Kunden mit genauer Anschrift und Kundennummer,
23bb) Datum und Umfang der Auftragserteilung,
24cc) Datum der Auftragsbestätigung,
25dd) Warenwert des Auftrags,
26ee) Datum und Umfang der Lieferung,
27ff) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag,
28gg) etwaig gewährte Preisnachlässe, Skonti und sonstige Rabatte,
29hh) Datum und Höhe der Kundenzahlungen,
30ii) Gründe für eine etwaige Nichtausführung eines Geschäfts sowie die davon betroffene Menge und der betroffene Warenwert,
31jj) Angaben, ob der Kunde durch Herrn (..) D oder einen anderen Mitarbeiter oder Vertriebsmittler der Beklagten geworben wurde oder sich ohne aktives Zutun der Beklagten an diese gewandt hat;
323. festzustellen, dass der Beklagten keine Schadensersatzansprüche gegen den Kläger im Hinblick auf dessen Vertretung von Schuhen der Marke B zustehen.
33Die Beklagte hat beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Sie hat behauptet, den Kläger bereits am 16.1.2019 auf einer Messe in E wegen näher bezeichneten Fehlverhaltens abgemahnt zu haben. Bei dem Gespräch am 16.4.2019 in C habe sie gegenüber dem Kläger eine Kündigung ausgesprochen und eine schriftliche Kündigungserklärung übergeben („auf den Tisch gelegt“), deren Annahme der Kläger jedoch verweigert habe.
36Ansprüche auf Abrechnung seien bereits erfüllt; offene Zahlungsansprüche des Klägers gebe es nicht.
37Die Beklagte hat bestritten, dass es zu einer Vereinbarung eines Provisionssatzes von 15 % auch für Geschäfte mit Bestandskunden gekommen sei; soweit die Abrechnungen zunächst einheitlich auf der Basis von 15 % vorgenommen worden seien, sei dies nur vorläufig im Hinblick auf die Zusage des Klägers geschehen, er werde die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 2 des Handelsvertretervertrags erfüllen, wozu es jedoch nicht gekommen sei. Mit der Übernahme der Vertretung der Schuhmarke B durch den Kläger sei sie auch nicht einverstanden gewesen.
38Etwaige Ausgleichsansprüche scheiterten an § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB.
39Das Landgericht hat die Beklagte nach einer Beweisaufnahme über die Geschehnisse am 16.4.2019 im Wege eines Teilurteils verurteilt, dem Kläger die beantragten Abrechnungen sowie den verlangten Buchauszug zu erteilen. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagten keine Schadensersatzansprüche gegen den Kläger im Hinblick auf dessen Vertretung von Schuhen der Marke B zustehen.
40Mit ihrer am 22.4.2021 und damit innerhalb verlängerter Frist eingegangenen Berufungsbegründung hat die Beklagte ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und darauf verwiesen, die Marke „Z A“ sei nicht in die Z A UG eingebracht worden. Der Beklagten sei nur die Nutzung „der Rechte an der Marke“ gestattet, nicht aber die Nutzung der Marke. Sie meint, deshalb sei auch der Handelsvertretervertrag nicht auf die Beklagte übergegangen. Da die Einbringung des Einzelunternehmens des Z A in die UG erst am 30.7.2018 erfolgt sei, ergäben sich auch kürzere Fristen für die Kündigung des Handelsvertretervertrags, hier also schon mit Ablauf des 30.9.2019.
41Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft; jedenfalls in der E-Mail vom 23.5.2019 sei eine Kündigung zu sehen.
42Die Erwägungen zur Vereinbarung eines Provisionssatzes von 15 % seien unzutreffend. Seitens der Beklagten sei die Zahlung der 15 % stets als Vorschuss im Hinblick auf das Erreichen der vereinbarten Umsatzhöhe verstanden worden; eine Abänderung der Regelung in § 7 des Handelsvertretervertrags, bei dem es sich auch nicht um AGB „handeln dürfe“, da der Vertrag „nur zum Zwecke der Regelung der Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Kläger entworfen und verwendet worden sei“, habe sie nie gewollt.
43Die Beklagte beantragt,
44abändernd die Klage abzuweisen.
45Der Kläger beantragt,
46die Berufung zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.
47Er meint, die Begründung zeige nicht die Erheblichkeit der gerügten Rechtsverletzungen auf, weshalb das Rechtsmittel unzulässig sei. Der Vortrag zur fehlenden Passivlegitimation sei nicht damit zu vereinbaren, dass seit ihrer Gründung stets die Beklagte ihm gegenüber aufgetreten sei. Der Umstand, dass der Beklagten nur die Nutzung der Marke Z A überlassen sei, stehe der Passivlegitimation ohnehin nicht entgegen. Vor allem sei unstreitig gewesen, dass die Beklagte den Handelsvertretervertrag übernommen habe.
48Der Kläger verteidigt die Ausführungen des Landgerichts zur Kündigung und zur Höhe des Provisionssatzes. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf die Schriftformklausel im Vertrag. Dabei handele es sich, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt habe, um AGB.
49Das Teilurteil sei auch zulässig, soweit dem negativen Feststellungsantrag stattgegeben worden sei, denn diese Entscheidung beruhe darauf, dass die Beklagte nicht den Eintritt eines Schadens dargelegt habe.
50Im Schriftsatz vom 5.11.2021 vertritt die Beklagte die Auffassung, das Teilurteil sei unzulässig, soweit darin auch über die negative Feststellungsklage entschieden worden sei. Die Beklagte trägt nunmehr näher zu ihrem – angeblichen - Schaden vor, der sich durch die Tätigkeit des Klägers für die Marke B ergeben habe, und behauptet, bei „ordnungsgemäßer Werbung“ des Klägers für ihre Schuhe hätten sämtliche Kunden diese Produkte und nicht Schuhe der Marke B verkauft. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Umsatz eines jeden der 64 B-Kunden in Höhe von 30.448,46 € ergebe sich ein entgangener Gesamt-Umsatz von jährlich 1.948.701,44 €. Es sei von einem Gewinn in Höhe von 42 % auszugehen, so dass sich ein Schaden von rund 818.454,60 € ergebe.
51Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen. Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf das Sitzungsprotokoll und den Berichterstatter-Vermerk verwiesen.
52B.
53Die Berufung der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Erteilung der Abrechnung und des Buchauszugs wendet, zulässig und teilweise begründet, im Übrigen ist sie unzulässig.
54I. Abrechnungsanspruch
55Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Abrechnungsanspruch gem. § 87 Abs. 1 HGB bzw. gem. § 7 (5) des Handelsvertretervertrags nur teilweise und mit eingeschränktem Inhalt zu.
561.
57Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Erteilung der Abrechnungen ist zulässig.
58Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation u.a. bezüglich des zugesprochenen Anspruchs auf Abrechnung verneint und dies näher begründet. Dass diese Begründung nicht plausibel ist, hindert das Vorliegen einer ausreichenden Begründung als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Berufung nicht.
592.
60Die Beklagte schuldet dem Kläger dem Grunde nach (kalender-)monatliche Provisionsabrechnungen gem. § 87 c Abs. 1 HGB sowie gem. § 7 (5) des Handelsvertretervertrags.
61a)
62Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, ihre Passivlegitimation nicht länger in Abrede zu stellen.
63Ohnehin war ihr Vortrag, nicht aus dem Handelsvertretervertrag zu haften, unverständlich. Auch wenn kein Tatbestand des UmwG eingegriffen hat, weil Z A kein eingetragener Kaufmann war, ist der Tatbestand des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB erfüllt, weil die Beklagte die Firma des Z A fortgeführt hat.
64Danach haftet die Beklagte auch auf sämtliche Verbindlichkeiten und auch auf Forderungen, die nicht auf Geldleistungen gerichtet sind, mithin auch auf die Erteilung ausstehender Provisionsabrechnungen (s.a. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 4. Aufl., § 87c Rn. 30).
65b)
66Der Abrechnungsanspruch des Klägers besteht nicht im geltend gemachten, sondern lediglich in geringerem Umfang.
67aa)
68Der Kläger kann keine Abrechnung „auf der Grundlage eines einheitlichen Provisionssatzes von 15 %“ verlangen.
69Die nach § 87 c Abs. 1 HGB geschuldete Provisionsabrechnung enthält die Mitteilung des Unternehmers, in welcher Höhe einem Handelsvertreter nach der Auffassung seines Prinzipals ein Provisionsanspruch zusteht und wie er sich zusammensetzt und errechnet (BGH, Urt. vom 7.2.1990, Az. IV ZR 314/88, juris Tz. 8; Hervorhebungen d. Verf.; Münchener Kommentar HGB/Stöbl, 5. Aufl., § 87c Rn. 15).
70Daraus ergibt sich, dass im Rahmen dieses Anspruchs nicht zu klären ist, ob die Beklagte in diese Abrechnungen einheitlich einen Provisionssatz von 15 % einzustellen hat oder – wie sie meint – bei Bestandskunden nur einen solchen von 7,5 %. Vielmehr genügt sie ihrer Abrechnungspflicht, wenn sie von demjenigen Provisionssatz ausgeht, den sie für zutreffend hält. Gäbe es eine Verpflichtung der Beklagten zur Abrechnung auf der Basis anderer Provisionssätze, bedeutete dies, dass sie sich zu Provisionen verpflichten müsste, die sie nicht zu schulden meint, denn eine Abrechnung ist nach ständiger Rechtsprechung (BGH, a.a.O.) als (abstraktes) Schuldanerkenntnis zu werten.
71bb)
72Im Rahmen des Abrechnungsanspruchs kann der Beklagten aus den genannten Gründen auch nicht ein bestimmter Kreis von Geschäften vorgeschrieben werden, auf den sich die Abrechnungen zu erstrecken haben. Andererseits bedarf es auch keiner Einschränkung dahingehend, dass ein Abrechnungsanspruch nur bezüglich solcher Geschäfte gegeben ist, die auch ausgeführt worden sind, bezüglich derer der Kunde seiner Vorleistungspflicht genügt hat (§ 6 (3) Handelsvertretervertrag) oder die aus vom Unternehmer zu vertretenden Gründen ganz oder teilweise nicht so ausgeführt worden sind, wie sie abgeschlossen wurden (§ 87 a Abs. 3 S. 1 HGB).
73Denn es ist Sache des Unternehmers, sich selbst darüber klar zu werden, welche Provisionsansprüche des Handelsvertreters ihm gegenüber bestehen, über die er abzurechnen hat. Soweit der Unternehmer solche Ansprüche erkennt, muss die darüber zu fertigende Abrechnung allerdings dem Handelsvertreter ermöglichen, die (einzelnen) provisionspflichtigen Geschäfte zu identifizieren und die Berechnung der Provision zu überprüfen, so dass anzugeben ist, welche Geschäfte mit welchen Kunden im (jeweiligen) Abrechnungszeitraum durchgeführt worden sind, welches der Provisionswert (Warenpreis) ist und welchen Provisionsbetrag der Handelsvertreter zu fordern hat; von den aufsummierten Beträgen sind Vorschüsse und inzwischen, etwa nach § 87 a Abs. 2 HGB, entfallene Provisionsansprüche abzusetzen (Münchener Kommentar HGB/Ströbl, a.a.O., Rn. 16). Eines Hinweises im Tenor auf diesen Inhalt einer Abrechnung bedarf es nicht, da er einem Unternehmer bekannt sein muss.
74In diesem Sinne versteht der Senat auch den Antrag des Klägers und hat entsprechend tenoriert, ohne "mehr" oder "anderes" (§ 308 Abs. 1 ZPO) zuzusprechen.
75cc)
76Der Kläger kann mit den vorgenannten Einschränkungen (kalender-)monatliche Abrechnungen verlangen, und zwar grundsätzlich für den Zeitraum vom 1.7.2017 bis zum 30.11.2019. Dass sich die Parteien konkludent auf eine Abrechnung für längere Zeitabschnitte (etwa für eine bestimmte „Saison“) geeinigt hätten, ist nicht anzunehmen, weil die bloße Akzeptanz der von der Beklagten erstellten Abrechnungen durch den Kläger dazu nicht ausreicht, abgesehen von der Nichtabdingbarkeit gem. § 87 c Abs. 5 HGB.
77Die Auffassung des Landgerichts, es seien Abrechnungen bis einschließlich November 2019 zu erteilen, ist – vorbehaltlich der Erfüllung für den Monat November 2019 - zutreffend. Das Landgericht hat die Behauptung der Beklagten, es sei bereits am 16.4.2019 in C eine Kündigung ausgesprochen worden, verneint. An diese Feststellung des Landgerichts ist der Senat gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Beweiswürdigung begründen können, weder vorgetragen noch ersichtlich sind.
78Auch die Ausführungen des Landgerichts zum Zugang der Kündigungserklärung und zur Beendigung des Handelsvertretervertrags mit Ablauf des 31.10.2019 sind zutreffend; der Senat tritt den Erwägungen, im Hinblick auf etwaige Provisionen sei auch noch über den Monat November 2019 abzurechnen, bei.
79Die Regelung des § 7 (5) des Handelsvertretervertrags zur (kalender-)monatlichen Abrechnung beansprucht auch Geltung für die nachvertragliche Zeit, soweit es darin noch zur Entstehung von Provisionsansprüchen gekommen ist.
80dd)
81Die Beklagte kann sich lediglich für den Monat November 2019 auf Erfüllung der Abrechnungsansprüche berufen.
82(1)
83Für den Zeitraum von Juli 2017 bis einschließlich Oktober 2019 schuldet die Beklagte die Erstellung (kalender-)monatlicher Abrechnungen, zu denen sie sich nach § 7 (5) des Handelsvertretervertrags verpflichtet hat.
84Es sind, wie in der Verhandlung unstreitig wurde, lediglich vier Abrechnungen (im untechnischen Sinn) von der Beklagten erstellt worden; eine erste Abrechnung sieht die Beklagte in der „Rechnung-nr: 08/2017“ vom 30.12.2017, wobei es sich um eine von der Beklagten im Namen des Klägers an sie erstellte Rechnung über einen Betrag von 35.185,35 € handelt. Die nächste von der Beklagten erstellte Auflistung trägt die Überschrift „F – Provision bis 8.10.2018“, so dass der Beginn des abgerechneten Zeitraums unklar bleibt. Es schließt sich eine Auflistung „F – Provision 09.10.2018 – 19.03.2019“ und eine weitere weitere mit der Überschrift „ F – Provision Stichtag 18.10.2019“ an (sämtlich in den Anl. K2 und K11 zur Klageschrift). Soweit diesen Aufstellungen überhaupt ein konkreter Bezugszeitraum zu entnehmen ist, lassen sie jedenfalls einen Bezug zu den einzelnen Kalendermonaten vermissen.
85Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass es in einzelnen der umfassten Monate nicht zur Entstehung von Provisionsansprüchen gekommen sei.
86(2)
87Bezüglich des Monats November 2019 hat die Beklagte jedenfalls im Rahmen ihrer Berufungserwiderung erklärt, es seien keine Provisionsansprüche entstanden. Denn ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Kläger über die bereits erfolgten Abrechnungen hinaus nichts verlangen könne (Berufungserwiderung S. 8).
88Mit der Erklärung des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter, ihm keine Provision zu schulden, genügt er seiner Abrechnungspflicht (BGH, a.a.O.).
89ee)
90Die Geltendmachung der Abrechnungsansprüche durch den Kläger ist, soweit sie nicht erfüllt sind, auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
91Das wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn der Kläger entweder sämtliche Informationen, die er im Wege der Abrechnungen verlangen kann, bereits durch die ihm unstreitig zugegangenen Auflistungen der Beklagten erhalten hätte oder wenn er sie jedenfalls im Zusammenhang mit dem gesondert verfolgten Buchauszugsanspruch erhielte.
92Beides ist nicht anzunehmen. Soweit die Beklagte die Entstehung von Provisionsansprüchen einräumt, hat sie darüber auch in vertraglich vereinbarter Periode, jedenfalls aber quartalsweise (§ 87 c Abs. 1 S. 1, 2. Hs. HGB) abzurechnen. Dass der Kläger an einer derartigen (kalender-)monatlichen Aufstellung (und Abgrenzung) der Provisionsansprüche – namentlich unter steuerlichen Aspekten – keinerlei Interesse (mehr) hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch der Buchauszug ersetzt solche Abrechnungen nicht.
93II. Buchauszug
94Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs aus § 87c Abs. 2 HGB, wiederholt in § 7 (7) 1 des Handelsvertretervertrags, gegen die Beklagte zu, und zwar bis auf eine Randkorrektur im beantragten und zugesprochenen Umfang.
951.
96Auch insoweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Erteilung des Buchauszugs wendet, ist ihre Berufung zulässig. Auch hier gelten die unter Ziff. I. 1. genannten Erwägungen.
972.
98Die Berufung hat jedoch nur in einem Nebenpunkt Erfolg.
99a)
100Der Kreis der Geschäfte, die in den Buchauszug aufzunehmen sind, bedarf keiner Korrektur.
101Der Anspruch auf Buchauszug besteht auch im Hinblick auf solche Geschäfte, bezüglich derer zweifelhaft ist, ob dem Handelsvertreter dafür Provisionsansprüche zustehen, jedoch insoweit nicht, als es sich um zweifelsfrei nicht provisionspflichtige Geschäfte handelt (z.B. Küstner/Thume/Riemer, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 5. Aufl., Kap. VI Rn. 97f; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rn. 13).
102aa)
103Ob der Kläger Provision für sämtliche Geschäfte zwischen der Beklagten (bzw. ihrem Rechtsvorgänger) und Einzelhandelskunden mit Sitz in Deutschland, Österreich oder der Schweiz hat, ist allerdings fraglich.
104(1) Solche Ansprüche können sich aus der Regelung in § 2 (1) des Handelsvertretervertrags ergeben, wonach dem Kläger die „exklusive Alleinvertretung“ in den genannten Staaten übertragen worden ist, und zwar in Verbindung mit der gesetzlichen Provisionsregelung in § 87 Abs. 2 HGB.
105(2) Andererseits ist der Kreis der provisionspflichtigen Geschäfte in § 6 (1) des Handelsvertretervertrags näher umschrieben.
106Die – alleinige – Maßgeblichkeit der Regelungen in § 6 (1) des Handelsvertretervertrags für die Frage, für welche Geschäfte der Kläger Provision verlangen kann, setzt voraus, dass sie ihrerseits wirksam sind und sich gegenüber § 87 Abs. 2 HGB durchsetzen. Einer näheren Betrachtung bedürfen insoweit § 6 (1) S. 1 und S. 3.
107(a) Was die Regelung des § 6 (1) S. 1 des Handelsvertretervertrags („Dem Handelsvertretervertrag steht ein Provisionsanspruch für die von ihm vermittelten und abgeschlossenen Geschäfte zu.“) angeht, so bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit. Das könnte allerdings dann der Fall sein, wenn darin ein „Provisionsausschluss bei bloßer Mitverursachung“ vorgenommen würde (OLG München, Urt. vom 22.3.2012; Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., § 87 Rn. 48). Doch ist die genannte Formulierung nicht dahin zu verstehen, dass der Kläger eine Provision nur in dem Fall verdient, dass er selbst auch den Abschluss des betreffenden Geschäfts vollzieht. Vielmehr ist die Formulierung „und abgeschlossenen Geschäfte“ nur als Wiederholung der in § 87 Abs. 1 HGB genannten Voraussetzung für die Entstehung eines Provisionsanspruchs anzusehen, dass es überhaupt zu einem Geschäftsabschluss kommt. Das ergibt sich aufgrund einer Auslegung des Handelsvertretervertrags, bei dem es sich in § 6 um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (z.B. BGH, Urt. vom 9.4.2014, Az. VIII ZR 404/12; NJW 2014, S. 2269). Bereits aus § 5 (3) des Handelsvertretervertrags, wonach das Unternehmen u.a. die Verpflichtung trifft, dem Vertreter „die Annahme oder Ablehnung eines vermittelten Geschäfts“ mitzuteilen, folgt nämlich, dass der Provisionsanspruch auch dann besteht, wenn der Geschäftsabschluss selbst vom Unternehmer vollzogen wird.
108(b) Doch ist unklar, ob die Regelung in § 6 (1) S. 3 („Ein Provisionsanspruch des Handelsvertreters für Direktgeschäfte des Unternehmens aus § 87 Abs. 2 HGB besteht nicht.“), mit der § 87 Abs. 2 HGB abbedungen wird, Bestand hat, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmers vorgenommen wird (BGH, Urt. vom 24.4.2014, Az. VII ZR 163/13, ZVertriebsR 2015, S. 255; Baumbach/Hopt a.a.O.; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/Thume, HGB, 5. Aufl., § 87 Rn. 23). Dass es sich im vorliegenden Fall um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist anzunehmen, weil die Erklärungen der Beklagten zur Genese der betreffenden Formulierung nicht ausreichen, um von einer Individualvereinbarung bzw. einem Aushandeln des § 6 (1) S. 3 ausgehen zu können.
109Ist mithin unklar, ob sich die Provisionsansprüche des Klägers auf diejenigen Geschäfte beschränken, die er entweder selbst vermittelt hatte oder die zwar ohne seine Mitwirkung, aber mit solchen Kunden zustande gekommen sind, die er selbst bereits zuvor „für Geschäfte derselben Art“ geworben hatte, kommt eine entsprechende Einschränkung des Buchauszugs nicht in Betracht.
110b)
111Der Kläger verlangt den Buchauszug zwar nur im Hinblick auf Geschäfte der Beklagten mit Einzelhandelskunden im genannten Zeitraum, also nicht auch bezüglich solcher Geschäfte, die noch der Rechtsvorgänger der Beklagten abgeschlossen hat.
112Klageanträge sind jedoch auszulegen. Danach ergibt sich eindeutig, dass der Kläger, der (allein) die Beklagte letztlich auf Zahlung für seine Handelsvertretertätigkeit ab dem 1.7.2017 in Anspruch nehmen will, auch den Buchauszug für Geschäfte begehrt, die vom 1.7.2017 an abgeschlossen worden sind. Die undifferenzierte Benennung der Beklagten als Vertragspartei der vom Buchauszug erfassten Geschäfte ist daher als offensichtliches Versehen aufzufassen. Daraus folgt, dass der Buchauszug auch auf solche Geschäfte zu erstrecken ist, die noch mit Z A selbst zustande gekommen sind.
113c)
114Inhaltlich kann der Kläger hingegen nicht die unter lit. jj) bezeichnete Angabe („ ob der Kunde durch … D oder einen anderen Mitarbeiter oder Vertriebsmittler der Beklagten geworben wurde oder sich ohne aktives Zutun der Beklagten an diese gewandt hat“) verlangen.
115Es kann dahinstehen, ob sich derartige Angaben zur Anbahnung eines bestimmten Geschäfts überhaupt den Büchern der Beklagten entnehmen lassen. Jedenfalls ist der Kläger zur Überprüfung seiner Provisionsansprüche darauf nicht angewiesen. Zum einen kennt er die von ihm selbst akquirierten Kunden weiß mithin auch, in welchen Fällen es sich um andere Kunden handelt. Zum anderen ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Information darüber, ob eine Geschäftsbeziehung auf der Initiative eines Kunden der Beklagten oder auf deren eigener Akquisetätigkeit beruht, für einen etwaigen Provisionsanspruch des Klägers von Bedeutung ist.
116d)
117Der Kläger hat Anspruch auf einen Buchauszug für den verlangten Zeitraum vom 1.7.2017 bis zum 30.11.2019.
118Die Ausführungen im Rahmen des Abrechnungsanspruchs (s. Ziff. I.) gelten hier entsprechend; jedoch ist der Buchauszugsanspruch mit der Erklärung der Beklagten, dem Kläger keine weiteren Provisionen zu schulden, nicht erfüllt.
119III. negative Feststellung
120Die Berufung der Beklagten gegen die vom Landgericht ausgesprochene Feststellung des Nichtbestehens von Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegen den Kläger im Hinblick auf dessen Vertretung von Schuhen der Marke B ist mangels einer ausreichenden Berufungsbegründung unzulässig.
121In der mündlichen Verhandlung wurde die Frage, ob die Berufungsbegründung der Beklagten ausreichend sei, erörtert. Nach nochmaliger Würdigung der Berufungsbegründung hält der Senat an der in der mündlichen Verhandlung geäußerten vorläufigen Auffassung, das Leugnen der Passivlegitimation seitens der Beklagten könne auch gegenüber dem Urteil bezüglich der Feststellung des Nichtbestehens von Schadensersatzansprüchen der Beklagten genügen, nicht fest. Das ergibt sich aus Folgendem:
122Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (z.B. BGH, Beschl. vom 7.5.2020, Az. IX ZB 62/18, NZI 2020, 752, Tz. 11, beck-online).
123Da das Urteil des Landgerichts mehrere unterschiedliche prozessuale Ansprüche bzw. Streitgegenstände entscheidet, ist für jeden dieser Ansprüche eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung der Berufung erforderlich (BGH, Urt. vom 26. 1. 2006, Az. I ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1044, Rn. 22), hier also auch in Bezug auf die (negative) Feststelllung.
124Dem genügen die innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 22.4.2021 nicht. Es fehlt daran, dass die Begründung (auch) auf die negative Feststellung zugeschnitten ist. Der diesbezügliche Teil des Tenors wird in der Berufungsbegründung mit keinem Wort erwähnt. Die Beklagte stellt zwar ihre Passivlegitimation in Abrede, doch steht dies in Zusammenhang mit dem – aus Sicht der Beklagten – fehlenden Übergang des Handelsvertretervertrags auf die Beklagte (S. 6 der Berufungsbegründung: „… dürfte auch der Handelsvertretervertrag selber nicht auf die Beklagte übergegangen sein. Insoweit wird die fehlende Passivlegitimation gerügt.“, Hervorheb. d. Verf.). Sämtliche weiteren Ausführungen ranken sich um den Inhalt des Handelsvertretervertrags namentlich in Bezug auf die vereinbarte Provisionshöhe und um dessen Beendigungszeitpunkt.
125Die Geltendmachung fehlender Passivlegitimation in Bezug auf die vom Landgericht ausgesprochene negative Feststellung macht an dieser Stelle zudem keinen Sinn und ist aus sich heraus nicht mehr verständlich. Die Rüge fehlender Passivlegitimation ist bezüglich des Streitgegenstands der negativen Feststellungsklage sinnlos, weil sie bei wörtlichem Verständnis bedeutet, der Kläger sei gar nicht der "richtige" Verpflichtete bezüglich der erhobenen Schadensersatzansprüche. Verstünde man die Geltendmachung der fehlenden Passivlegitimation hingegen dahin, die Beklagte wolle sich darauf berufen, sie sei nicht die "richtige" Beklagte, bliebe auch dies unverständlich, weil die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche, auf die sich die negative Feststellung bezieht, ausschließlich von der Beklagten selbst – und nicht von ihrem Rechtsvorgänger – ausging. Auch dieser Umstand belegt im Übrigen, dass die Berufungsbegründung die negative Feststellung nicht betraf.
126Des Weiteren wird mit dieser Begründung der Beklagten ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien negiert, welches als Grundlage der erhobenen Schadensersatzforderungen deren zwingende Voraussetzung sein müsste.
127Ist die negative Feststellung mithin rechtskräftig geworden, stellt sich die Frage, ob darüber bereits im Rahmen des Teilurteils entschieden werden durfte oder ob insoweit ein unzulässiges Teilurteil vorliegt, nicht mehr.
128C.
129Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
130Es besteht keine Veranlassung zur Zulassung der Revision, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Befassung des Bundesgerichtshofs auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
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Referenzen
- IX ZB 62/18 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 314/88 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 87 6x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- I ZR 121/03 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 520 Berufungsbegründung 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VIII ZR 404/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 308 Bindung an die Parteianträge 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- HGB § 89b 1x
- HGB § 25 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- HGB § 87c 4x
- VII ZR 163/13 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten 1x
- HGB § 87a 2x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x