Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 24 U 199/19
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24.10.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Beeinträchtigungen durch den Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) der Beklagten.
4Der Kläger ist seit 2014 Eigentümer der Immobilie A-Straße ## in B und bewohnt das dortige Einfamilienhaus. Die Beklagte betreibt in der Umgebung des klägerischen Grundstücks eine vom Kreis C mit Genehmigungsbescheid vom 30.12.2016, Az.: 000.0000/00/0.0.2, genehmigte WEA.
5Westlich des klägerischen Grundstücks, welches im Außenbereich liegt, befanden sich 2014 in ca. 1.300 m Entfernung drei WEA des Betreibers D (E GmbH & Co. KG). Noch weiter westlich schließt sich der Windpark „F“ (der Beklagten) an. Hier befanden sich ursprünglich in einer Entfernung zwischen 2.000 m und 2.500 m vom klägerischen Wohnhaus neun WEA, die sämtlich bereits vor 1999 errichtet worden waren. Diese Anlagen sind oder waren rund 100 m hoch. In der Folgezeit wurde von mehreren Betreibern das sog. Repowering – Ersatz einer oder mehrerer alter durch eine oder mehrere neue WEA – durchgeführt. In diesem Rahmen kam es zu folgenden Abläufen:
6Mit Bescheid vom 30.04.2013 erteilte der Kreis C der E GmbH & Co. KG eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer WEA vom Typ Enercon E-101 mit einer Gesamthöhe von 189,90 m zum Zwecke des Repowering von zwei WEA vom Typ Vestas V 44 und V 47, welche Zug um Zug mit der Errichtung der WEA E 101 zurückgebaut wurden. Die Bauarbeiten begannen am 04.04.2016. Der Kläger wandte sich gegen diese Genehmigungen auf dem verwaltungsgerichtlichen Weg, blieb dabei aber erfolglos.
7Mit Genehmigungsbescheid vom 30.12.2016 wurde die in Streit stehende WEA zu Gunsten des Herrn H, einem der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Beklagten, genehmigt. Es handelt sich um eine WEA vom Typ Enercon E 115 auf dem Grundstück G 01, etwa 1.970 m vom Grundstück des Klägers entfernt. Der Standort liegt im räumlichen Geltungsbereich einer aufgrund des Flächennutzungsplans der Stadt B aus dem Jahr 2012 ausgewiesenen Konzentrationszone für WEA. Vor Baubeginn wurden alle Rechte und Pflichten aus der streitgegenständlichen Genehmigung von Herrn H auf die Beklagte übertragen. Die Anlage hat eine Gesamthöhe von 206,94 m und einen Rotordurchmesser von 115 m; sie ist ab Juli 2018 gebaut und im Oktober 2018 in Betrieb genommen worden.
8Der Kläger ging im Wege der Anfechtungsklage (11 K 654/17 VG Minden) gegen den Kreis C gegen diese Genehmigung vor. Das Verwaltungsgericht Minden lud die Beklagte in diesem Verfahren mit Beschluss vom 12.10.2018 gemäß § 65 VwGO bei. Mit rechtskräftigem Urteil vom 05.12.2018 wies das Verwaltungsgericht Minden die Klage ab. Zur Begründung führte es aus:
915„…
10Die Klage hat keinen Erfolg.
11I. Sie ist bereits unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. An der Klagebefugnis i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO für die Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer oder mehrerer Windenergieanlagen fehlt es, wenn eine Beeinträchtigung materieller Rechte des Klägers im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung unter allen denkbaren Gesichtspunkten offensichtlich ausgeschlossen ist.
12…
13Dies ist hier der Fall. Das Gericht hat im Beschluss ... ausgeführt, dass auf Grund der Entfernung des Grundstückes des Klägers zum Standort der geplanten WEA von 1.970 m offensichtlich unzumutbare Immissionen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Form von Lärm oder Infraschall ebenso ausgeschlossen sind, wie eine von der Anlage ausgehende optisch bedrängende Wirkung für das Wohngrundstück. … Zwecks Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit auf seinen Beschluss … Bezug.
14…“
Der Kläger hat behauptet, dass die gesamte Wohnqualität seines Wohngrundstücks durch die mit dem Betrieb der WEA einhergehenden optischen und akustischen Immissionen empfindlich beeinträchtigt worden sei und auch zu einer Beschädigung seiner Gesundheit geführt habe. Die streitgegenständliche Anlage trage in wesentlicher Weise zu der Gesamtbelastung bei. Es gehe zum einen um die intensive und dauerhafte Störung seines Schlafs und seiner Nachtruhe. Einen erheblichen Anteil trügen dazu auch Schwingungen, Vibrationen und tieffrequente Geräusche bei, die sich über die Gebäudestruktur zu übertragen schienen und bei bestimmten Bedingungen eigenständig zusätzliche Beeinträchtigungen des Wohlbefindens durch einen entsprechenden Kopfdruck und Vibrations- und Schwingungsgefühle auslösten. Gepaart mit den ständigen Rotorbewegungen und der Nachtbefeuerung der Anlage habe sich das gesamte Lebens- und Wohnumfeld so dermaßen verschlechtert, dass es im Hinblick auf die dortige Lebensqualität vollständig ins Negative umgeschlagen sei. Er fühle sich gegenüber früheren Zeiten ungleich gestresst, reizbar, erschöpft und dauerhaft erheblich gestört. Die ständigen optischen und akustischen Belästigungen durch den Windpark, die dadurch ausgelösten Schlaf- und Befindungsstörungen sowie auch die ständige Präsenz des als Fremdkörper und Verursacher der entsprechenden negativen Entwicklung der Wohnsituation wahrgenommenen Windparks verursachten bei ihm einen ständigen Stress und psychologischen Druck, der sich ebenfalls schädigend auf seine Gesundheit und sein Wohlbefinden auswirkten und – erst recht auf längere Sicht – auch weiter auswirken würden. Die (Benutzungs-) Beeinträchtigungen seien mithin wesentlich, da sie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten, die er nicht dulden müsse.
16Die generelle Kausalität der Auswirkungen der WEA für die Beeinträchtigungen des Wohnumfelds des Klägers sei aufgrund der optischen und akustisch hörbaren Einwirkungen offensichtlich und ergebe sich hinsichtlich des Infraschalls aufgrund der zeitlichen Koinzidenz zwischen dem Zuzug des Klägers in die Gegend und dem Auftreten der Beschwerden einerseits sowie dem Umstand der Linderung der Beschwerden bei einer Entfernung aus dem Einwirkungsbereich der Anlagen andererseits. Zudem träten Auswirkungen wie hier geschildert bei einer wesentlichen Gruppe der betroffenen Bevölkerung regelmäßig auf und könnten daher schon aus diesem Grunde dem Betrieb der Anlagen zugerechnet werden.
17Es sei zudem erwiesen, dass der von WEA ausgehende Infraschall sich dadurch von sonstigem Infraschall unterscheide, dass er auf ganz bestimmten, diskreten Frequenzlinien auftrete, die durch den Rotordurchgang am Turm verursacht würden und die Flügelharmonischen repräsentierten. Die Wirkweise, die an mindestens 10 Standorten durch Messungen bestätigt worden sei, sei verallgemeinerungsfähig, da sie auf der gängigen Rotorgröße und der rotierenden Tätigkeit der Anlagen beruhe. Auch für sein Grundstück seien solche Einwirkungen belegt. Der Infraschall trete im üblichen Abstand zwischen den Anlagen und Wohnhäusern von ca. 300 Metern bis 2 km mit ganz erheblichen Schalldruckpegeln von mindestens 80-90 db (ungefiltert) auf.
18Beeinträchtigungen wie diejenigen, unter denen er leide, träten wissenschaftlich belegt bereits bei Pegeln ab 40 db bei 4 Hz (Salt et al. 2011) und ab 16 Hz (Waye 2001) und ab 75 db zwischen 2 und 32 Hz (Wysocki 1980) auf. Symptome wie vertikaler Nystagmus, Schwingungsgefühl, Müdigkeit, Benommenheit, Apathie, Depressionen, Konzentrationseinbußen und Schwingungen der inneren Organe würden übereinstimmend festgestellt, ebenso ein Anstieg des Blutdrucks und eine Herzratenveränderung. Dies beruhe medizinisch auf dem Druck, den die Infraschallwellen auf die Otolithenorgane ausübten, die für das Gleichgewichtssystem von Bedeutung seien. Besonders deutlich seien diese Phänomene in umbauten Räumen festzustellen. Zudem entfalteten Infraschallimmissionen, die unterhalb der subjektiven Wahrnehmungsschwelle lägen, pathologisch nachweisbare Auswirkungen auf die Hirnaktivität, die maßgeblich für die emotionale und autonome Steuerung des Organismus sei.
19Der Beweis, dass die von ihm geschilderten Beeinträchtigungen durch den Betrieb der Windanlagen der Beklagten ausgelöst würden, könne neben den medizinischen Studien zu Auswirkungen des Infraschalls auch aufgrund der Schilderung der Vielzahl der benannten Zeugen erbracht werden, bei denen die gleichen Belästigungen und gesundheitlichen Symptome seit Aufnahme des Betriebs benachbarter Windräder bestünden und sich bei Entfernung von der Anlage linderten. Jedenfalls erbrächten die Zeugenaussagen einen Prima-facie-Beweis für einen entsprechenden Wirkungszusammenhang, den die Beklagte durch Darstellung und Beweis eines alternativen Geschehensablaufs entkräften müsste.
20Schließlich gingen von der streitgegenständlichen Anlage auch optische Einwirkungen auf das klägerische Grundstück aus, die zu einer wesentlichen Gebrauchsbeeinträchtigung sowie zu einer Störung des gesundheitlichen Wohlbefindens bzw. zu körperlichem Unbehagen entsprechend den bereits vorgetragenen Belästigungen führten. Auch insoweit ließen sich die Beeinträchtigungen aufgrund der zeitlichen Koinzidenz der Beschwerden und Belästigungen mit der Inbetriebnahme der Anlage belegen und darüber hinaus auch aufgrund des Umstands, dass entsprechende Wirkzusammenhänge in verallgemeinerungsfähiger Art und Weise für WEA heutiger Bauart aufgrund zahlreicher Schilderungen betroffener Anwohner und entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse bekannt und belegt seien.
21Es sei im Rahmen der Vorschrift des § 906 BGB auch eine Betrachtung der durch all diese Einzelauswirkungen gemeinsam und in ihrem kumulativen Zusammenwirken ausgelösten Beschwerden und Belästigungen geboten.
22Unabhängig von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen liege eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung auch deswegen vor, weil ein verständiger, auch andere öffentliche und private Belange berücksichtigender Durchschnittsbenutzer seines Grundstücks nicht tolerieren würde, dass sein privates Umfeld von einer Störquelle beherrscht werde, die die gesamte Lebens- und Aufenthaltsqualität des privaten Wohnhauses dominiere. Denn er – der Kläger – sei gezwungen, seinen gesamten Lebenswandel umzustellen, etwa die Fenster nachts permanent zu schließen, um überhaupt Ruhe zu finden. Zudem gehe es ihm häufig so schlecht, dass er sein Wohnhaus temporär verlassen müsse, um dann keinerlei Beschwerden mehr wahrzunehmen.
23Sein Abwehranspruch sei nicht nach § 906 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Nutzung von WEA in der hier betroffenen Größenordnung nicht ortsüblich sei.
24Hilfsweise werde vorgetragen, dass die Einstellung des Betriebs für die Beklagte wirtschaftlich zumutbar wäre; in der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass es um konkrete und gravierende Gesundheitsbeschädigungen einer Vielzahl von Personen gehe, während die Betriebseinstellung für diese verschmerzbar sei, da die Anlage weiterveräußert bzw. abgeschrieben und steuerlich geltend gemacht werden könnte.
25Sollte wider Erwarten von einer Ortsüblichkeit und wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Betriebseinstellung auszugehen sein, werde die Klage hilfsweise auf § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gestützt.
26Soweit sich sein Abwehranspruch nach § 14 BImSchG zunächst auf geeignete Vorkehrungen richte, durch die die benachteiligenden Wirkungen ausgeschlossen werden sollten, sei zu berücksichtigen, dass wirksame Schutzmaßnahmen gegen durch Infraschall ausgelöste Immissionen nicht möglich seien. Auch zeitweise Betriebsbeschränkungen zur Nachtzeit oder am Wochenende würden die Beeinträchtigungen nur vermindern, nicht ausschließen. Gleiches gelte für eine Drosselung des Betriebs, zumal Infraschall sich bei langsam laufenden Rotoren sogar intensivieren könne.
27Er mache daher Schadensersatz geltend, wobei mit der vorliegend erhobenen Teil-klage über 35.000 EUR nur ein „äußerst geringer Teil“ des bereits entstandenen Schadens geltend gemacht werde; eine Minderung des Grundstückswertes in Höhe des geltend gemachten Betrages sei zweifellos gegeben. Vertiefter Erläuterungen zu dieser Wertminderung bedürfe es nicht. Jedenfalls sei eine Schadensschätzung durch das Gericht nach § 287 ZPO möglich bzw. geboten.
28Der Hilfsantrag wäre begründet, wenn die Kammer von der Möglichkeit wirtschaftlich vertretbarer Schutzvorkehrungen ausgehen sollte, die zum Ausschluss der benachteiligenden Wirkungen führen würde.
29Der Kläger hat beantragt,
30331. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
312. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zum Ersatz jedes weiteren ihm aus der Errichtung und dem Betrieb der mit Genehmigungsbescheid des Kreises C vom 30.12.2016, Az.: 000.0000/00/0.0.2 genehmigten Windenergieanlage bereits entstandenen und noch zukünftig entstehenden Schadens verpflichtet ist;
323. hilfsweise im Falle der Ablehnung des Antrags zu 1. den Betrieb der dort genannten Anlage zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen sowie bei Windrichtungen, die aus der Blickrichtung des klägerischen Grundstücks zu einer Rotorstellung zwischen 75 und 105 Grad führen, einzustellen sowie diese in den verbleibenden Zeiten ausschließlich so zu betreiben, dass Schallimmissionen im Infraschallbereich von nicht mehr als 40 dB (ungefiltert) auf das klägerische Grundstück auftreffen.
Die Beklagte hat beantragt,
3435die Klage abzuweisen.
Das Landgericht Detmold hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch nach § 906 BGB wegen des Betriebs der streitigen Windkraftanlage nicht zu. Der Kläger habe nicht dargetan und nicht ausreichend unter Beweis gestellt, dass von der Windkraftanlage ihn in nennenswerter Weise beeinträchtigende Immissionen ausgingen. Soweit der Kläger sich auf Infraschallimmissionen beziehe, sei es unstreitig, dass solche Immissionen von Windkraftanlagen ausgehen und auch gemessen werden könnten. Andererseits gebe es aber auch zahlreiche andere Quellen für Infraschall. Dass Infraschall von Windkraftanlagen dabei eine hervorgehobene und maßgebliche Rolle spiele und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könne, sei nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Forschung nicht erwiesen. Eine Beweisaufnahme, ob und gegebenenfalls inwieweit Infraschallimmissionen gesundheitliche Beeinträchtigungen auslösen können, könne im Rahmen des Zivilprozesses nicht durchgeführt werden. Das gelte auch, wenn man die Beweislast für die Gesundheitsschädlichkeit bei der Beklagten ansetze; eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten wäre nur dann möglich, wenn der von ihr zu führende Beweis grundsätzlich erbringbar wäre. Wenn die Beweisführung dagegen mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse unmöglich sei, könne auch eine Entscheidung gegen den grundsätzlich Beweisbelasteten nicht getroffen werden. Soweit sich der Kläger auf optische Beeinträchtigungen beziehe, fehle es an substantiiertem Sachvortrag. Der Feststellungsantrag bleibe mangels Ersatzpflicht ohne Erfolg. Dem Hilfsantrag auf teilweise Einstellung bzw. Beschränkung dürfe schon die erteilte Betriebsgenehmigung entgegenstehen. Im Übrigen fehle es an einem substantiierten Sachvortrag dazu, welche Beeinträchtigungen durch die genannten Maßnahmen behoben werden sollten.
36Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags seine erstinstanzlich gestellten Anträge gegen die Beklagte weiterverfolgt.
37Er rügt, das Landgericht habe die Anforderungen an substantiierten Parteivortrag überspannt; tatsächlich habe er die Anforderungen an die Substantiierung erfüllt. Soweit das Landgericht den angebotenen Zeugenbeweis für ungeeignet halte, verkenne es, dass der Beweis gesundheitsbeeinträchtigender Wirkungen des Betriebs von WEA nicht nur durch wissenschaftliche Gutachten, sondern auch durch alle übrigen in der ZPO vorgesehenen Beweismittel erbracht werden könne. Soweit für die negativen gesundheitlichen Auswirkungen Zeugenbeweis angetreten sei, sei zu berücksichtigen, dass es in rechtlicher Hinsicht auf die Wirkung auf einen relevanten Bevölkerungsanteil ankomme, während individuelle, besondere Empfindlichkeiten von Einzelpersonen irrelevant seien. Durch den Betrieb der streitgegenständlichen Anlage würden bei einer wesentlichen Bevölkerungsgruppe Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgelöst. Gleichzeitig seien die Immissionen von Windkraftanlagen, insbesondere im Infraschallbereich, konstruktionsbedingt und beruhten auf deren genereller Betriebsweise. Daher könne zum Beleg der gesundheitsschädlichen Auswirkungen nicht nur auf die Personen abgestellt werden, die in der Nähe der hier streitgegenständlichen Anlage wohnten, sondern auch auf solche Personen, die in der Nachbarschaft vergleichbarer Anlagen in vergleichbaren Entfernungen wohnten. Sollte eine Vielzahl von Zeugen glaubhaft und glaubwürdig schildern, dass mit der Aufnahme des Betriebs entsprechender Anlagen die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgetreten seien und sinnvolle Alternativursachen ausgeschlossen seien, sei ein Indizienbeweis zugunsten der für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe generell gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkung von WEA erbracht, jedenfalls in Form eines Prima-facie-Beweises. In diesem Fall wäre sogar irrelevant, aufgrund welcher Wirkzusammenhänge die Beeinträchtigungen aufträten, da die Kausalität bereits belegt wäre; dies würde selbst dann gelten, wenn die Beschwerden letztlich psychosomatischer Natur wären, solange sie bei einer größeren Bevölkerungsgruppe aufträten. Die angebotenen Beweismittel seien daher nicht ungeeignet, vielmehr stellten die Feststellungen des Landgerichts eine vorweggenommene Beweiswürdigung zu Lasten des Klägers dar und damit einen schweren Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs und einen Willkürverstoß.
38Richtigerweise müsse am Anfang der Beweisaufnahme eine sachverständige Ermittlung von Art und Umfang der auf das klägerische Grundstück einwirkenden Schallimmissionen stehen; soweit potentiell wirkrelevante Immissionen ermittelt würden, sei dann in einem zweiten Schritt über die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Immissionen durch Vernehmung der Zeugen Beweis zu erheben. „Wohl zu Recht“ vertrete das Landgericht die Auffassung, dass der Beweis der gesundheitlichen Auswirkungen nicht durch Sachverständigengutachten erbracht werden könne, da die Studienlage hierfür nicht ausreichend sei. Genau aus diesem Grund solle der Beweis hier „maßgeblich“ über Zeugenaussagen erbracht werden.
39Auch den Hilfsantrag habe das Landgericht zu Unrecht abgewiesen, was auf der rechtsfehlerhaften Unterlassung einer Beweisaufnahme im Hinblick auf die durch den Betrieb der Anlagen ausgelösten Gesundheitsbeeinträchtigungen beruhe.
40Er beantragt,
41unter Abänderung des angefochtenen Urteils
42451. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
432. festzustellen, dass die Beklagte ihm zum Ersatz jedes weiteren ihm aus der Errichtung und dem Betrieb der mit Genehmigungsbescheid des Kreises C vom 30.12.2016, Az.: 000.0000/00/0.0.2 genehmigten Windenergieanlage bereits entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schadens verpflichtet ist;
443. hilfsweise im Falle der Ablehnung des Antrags zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Betrieb der genannten Anlage zur Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6 Uhr, an Sonn- und Feiertagen sowie bei Windrichtungen, die zu einer aus der Blickrichtung des klägerischen Grundstücks zu einer Rotorstellung zwischen 75 und 105 Grad führen, einzustellen sowie diese in den verbleibenden Zeiten ausschließlich so zu betreiben, dass Schallimmissionen im Infraschallbereich von nicht mehr als 40 dB (ungefiltert) auf das klägerische Grundstück auftreffen.
Die Beklagte beantragt,
4647die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit weiteren Ausführungen.
48Sie ist der Auffassung, aufgrund der ganz herrschenden Meinung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei längst festgestellt, dass Infraschallbelastungen durch WEA bei den Entfernungen, wie sie hier vorlägen, nie eine solche Intensität erreichen könnten, dass durchgreifende Gesundheitsgefahren oder Belästigungen entstehen könnten. Jedenfalls sei letzteres nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht belegbar und es sei nicht Aufgabe der Gerichte, einen wissenschaftlichen Forschungsauftrag zu erteilen. Zudem sei die Beweisaufnahme überflüssig, da der BGH mit Urteil vom 27.11.2020 (V ZR 121/19, ZfBR 2021, 155) festgestellt habe, dass rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte die Beteiligten binden würden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden sei; zu den Beteiligten würden auch die nach §§ 63 Nr. 3, 65 VwGO Beigeladenen gehören. Das Verwaltungsgericht habe die Anfechtungsklage des Klägers gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung rechtskräftig abgewiesen, wobei sich die Bindungswirkung des Urteils nicht auf diese Feststellung beschränke, sondern auch die tragenden Gründe in materieller Rechtskraft erwüchsen, d.h. hier die Feststellung der materiellen Rechtmäßigkeit des Betriebs der WEA.
49Diesen Ausführungen tritt der Kläger entgegen; er führt aus, die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 05.12.2018 schließe einen Unterlassungsanspruch nach den §§ 1004, 906 BGB nicht aus, auch wenn bei Abweisung einer Anfechtungsklage gegen eine Genehmigung nicht nur festgestellt würde, dass er – der Kläger – keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung besitze, sondern auch, dass dieser ihn nicht in solchen Rechten verletze, deren Verletzung seine Aufhebung zur Folge haben müsste. Das gelte jedoch dann nicht, wenn eine Anfechtungsklage wegen Unzulässigkeit oder wegen fehlender Rechtsverletzung abgewiesen werde. Eine Bindungswirkung der Feststellungen scheide daher bereits deshalb aus, weil schon eine mögliche Rechtsverletzung und Klagebefugnis abgelehnt worden sei.
50Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nicht bestehe, weil ein Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht vorliege. Die Rechtskraft des Urteils erstrecke sich daher ohnehin nur auf den Ausspruch, dass er – der Kläger – keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung habe und dass kein Verstoß gegen die drittschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vorliege, weshalb die Genehmigung von der unmittelbaren Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gedeckt sei. Nicht von der Bindungswirkung erfasst werde hingegen die zu dieser Einschätzung führenden und in den Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang weiter beantworteten Vorfragen, namentlich, dass sich der von WEA ausgehende Infraschall grundsätzlich nicht gesundheitsschädlich auf die umliegenden Anwohner auswirken könne, jedenfalls in Entfernungen, in denen sich sein Wohnhaus zu der Anlage befinde. Insoweit gelte nichts anderes im Zivilprozessrecht, wo sich die Bindungswirkung ebenfalls nur auf den Streitgegenstand selbst, nicht aber auf die in diesem Zusammenhang beantworteten Vorfragen oder präjudiziellen Rechtsverhältnisse erstrecke.
51Von der Verneinung der Zulässigkeit und Klagebefugnis in Bezug auf die behaupteten Beeinträchtigungen durch Infraschall abgesehen könne die Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgericht den im hiesigen Verfahren geltend gemachten Ansprüchen daher auch nur dann entgegenstehen, wenn der Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit dem der wesentlichen Benutzungsbeeinträchtigung gemäß §§ 1004, 906 BGB vollständig deckungsgleich sei, was indes nicht der Fall sei. Das ergebe sich schon daraus, dass die Einhaltung oder Überschreitung der Richtwerte nach den technischen Verwaltungsvorschriften, wie der TA-Lärm, für die Beurteilung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bindend sei, während sie im Rahmen der §§ 1004, 906 BGB nur ein Indiz im Hinblick auf die Wesentlichkeit darstelle.
52Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen I vom 17.08.2021 nebst mündlicher Anhörung des Sachverständigen in dem Verfahren des Senats zu 24 U 1/20 im für beide Verfahren gleichzeitig durchgeführten Termin vom 26.04.2022, deren Ergebnis mit Einverständnis der Parteien auch im hiesigen Verfahren verwertet wird. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten sowie auf die Abschrift des Vermerks der Berichterstatterin des Parallelverfahrens verwiesen.
53II.
541) Die zulässige Berufung ist unbegründet; das Landgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
55a) Der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 35.000 EUR besteht nicht.
56aa) Er folgt nicht aus § 14 Satz 2 BImSchG, denn dem Kläger steht der insoweit von § 14 Satz 1 BImSchG vorausgesetzte privatrechtliche Anspruch zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen nicht, insbesondere nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 BGB zu. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass von der in Streit stehenden WEA der Beklagten Einwirkungen in Form von akustischen und optischen Immissionen und in Form von Infraschallimmissionen auf sein Grundstück treffen, die dieses in einer nach § 906 Abs. 1 BGB nicht zu duldenden Weise beeinträchtigen.
57(1) Der Kläger kann bereits aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 05.12.2018 (11 K 654/17) im Verhältnis zur Beklagten nicht mit der Behauptung gehört werden, von der WEA der Beklagten ginge eine Einwirkung aus, die eine grundsätzlich gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterlassende Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks darstellte.
58(a) Das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 05.12.2018 bindet gemäß § 121 Nr. 1 VwGO die Beteiligten, d.h., soweit hier von Interesse, den Kläger, der auch im verwaltungsgerichtlichen Prozess als Kläger aufgetreten ist (vgl. § 63 Nr. 1 VwGO), und die Beklagte, die im verwaltungsgerichtlichen Prozess beigeladen war (vgl. §§ 63 Nr. 3, 65 VwGO). Die materielle Rechtskraft des Urteils bindet auch andere Gerichte, einschließlich der Zivilgerichte in einem nachfolgenden Zivilprozess, mithin auch den Senat (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2020 – V ZR 121/19, ZfBR 2021, 155 Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 26.01.1996 – 8 C 19/94, NJW 1996, 2046 m.w.N.).
59(b) Die Wirkung der Rechtskraft des Urteils ist nicht deshalb eingeschränkt, weil das Verwaltungsgericht ausweislich seiner Urteilsbegründung die Anfechtungsklage des Klägers wegen fehlender Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO als unzulässig abgewiesen hat.
60(aa) Zwar geht der Bundesgerichtshof im Grundsatz von dem Standpunkt aus, dass die rechtskräftige Verneinung einer Prozessvoraussetzung nichts für die materielle Beurteilung des entschiedenen Falles hergebe. Vielmehr erwachse allein die Feststellung in Rechtskraft, dass für das konkrete Rechtsschutzbegehren keine Sachentscheidung zugelassen sei; falle das Prozesshindernis später weg, könne eine neue Klage angebracht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2007 – XII ZB 134/03, NJW-RR 2007, 578; Urteil vom 24.09.1986 – VIII ZR 320/85, NJW 1987, 592; Urteil vom 06.03.1985 – IVb ZR 76/83, NJW 1985, 2535). Dieser Standpunkt wird auch von dem Bundesverwaltungsgericht sowie von der herrschenden Auffassung in der zivil- und verwaltungsprozessualen Literatur geteilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.01.2012 – 7 C 5/11, NVwZ 2012, 1184; Beschluss vom 14.02.2011 – 7 B 49/10, NVwZ 2011, 509; Gottwald in MünchKommZPO, 6. Aufl., § 322 Rn. 172 und 174; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 322 Rn. 44 f.; Gruber in BeckOK ZPO, Stand: 01.03.2022, § 322 Rn. 35; G. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 322 Rn. 1a; Gehle in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 322 Rn. 35; Lindner in BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2021, § 121 Rn. 37; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 121 Rn. 22; Peter Unruh in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 121 VwGO Rn. 30; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, § 121 VwGO Rn. 91; Michael Kilian/Daniel Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 121 Rn. 69; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl., § 121 Rn. 15; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl., § 121 Rn. 15, jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung). Auch der Senat folgt dieser grundsätzlichen Auffassung.
61(bb) Etwas anderes gilt aber für den Sonderfall, dass die Prozessabweisung auf der Verneinung der von § 42 Abs. 2 VwGO für die Anfechtungsklage vorausgesetzten Klagebefugnis beruht. Wenn eine Anfechtungsklage abgewiesen wird, weil der Kläger so offensichtlich nicht in seinen Rechten verletzt ist, dass er nicht einmal die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO erfüllt, steht rechtskräftig fest, dass jedenfalls er nicht die Verletzung von Rechten im Hinblick auf den angefochtenen Verwaltungsakt geltend machen kann. Weitere auf das abgewiesene materielle Begehren gestützte prozessuale Möglichkeiten sind dann ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 10.04.1968 – IV C 160/65, NJW 1968, 1795; vgl. auch BGH, Urteil vom 06.03.1985 – IVb ZR 76/83, NJW 1985, 2535 für eine Prozessabweisung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses).
62Dem steht auch das von dem Kläger ins Feld geführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.08.2008 (7 C 7/08, NVwZ 2009, 120) nicht entgegen. Dort heißt es nach der Aussage, dass die Entscheidung über eine Anfechtungsklage sich nicht in dem Rechtsschluss erschöpfe, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig sei, sondern die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen der unmittelbaren Ermächtigungsgrundlage umfasse, dass „dies nur dann nicht [gelte], wenn eine Anfechtungsklage wegen Unzulässigkeit oder wegen fehlender Rechtsverletzung des Klägers abgewiesen [werde]“ (a.a.O. Rn. 18). Damit ist lediglich gemeint, dass einem rechtskräftigen Urteil bei einer Klageabweisung wegen fehlender Rechtsverletzung keine Aussage zur Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts entnommen werden kann; für die Frage der rechtskräftigen Feststellung der fehlenden Rechtsverletzung als solcher, gilt indes das oben Gesagte.
63(cc) Dies gilt auch im Verhältnis zur Zivilgerichtsbarkeit.
64Die Prozessabweisung wegen fehlender Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO findet im Zivilprozessrecht keine eigentliche Entsprechung; es handelt sich bei der Klagebefugnis als Prozessvoraussetzung um ein Spezifikum des Verwaltungsprozesses (vgl. Wahl/Schütz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 13 ff.). Vor dem Hintergrund aber, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Voraussetzungen der Klagebefugnis die Untersuchungsmaxime des § 86 VwGO nicht (uneingeschränkt) gilt, vielmehr der Kläger im Verwaltungsprozess seine Klagebefugnis im Einzelnen darlegen muss und die Klageabweisung erfolgt, wenn sich dem Klägervortrag nicht mit hinreichender Substanz entnehmen lässt, dass eine Rechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.07.1992 – 7 B 186/91, NVwZ 1993, 63; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2019, § 42 Rn. 210 ff.; Breunig in BeckOK VwGO, Stand: 01.01.2022, § 86 Rn. 29; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rn. 119; vgl. zu den vertretenen Positionen hinsichtlich des Maßes der erforderlichen Substantiierung Wahl/Schütz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 65 ff.), lässt sich eine verwaltungsgerichtliche Prozessabweisung wegen fehlender Klagebefugnis aus zivilprozessualer Sicht als Sachabweisung wegen fehlender Schlüssigkeit des Klagevortrags deuten. Damit lässt sich die im Urteil vom 10.04.1968 (IV C 160/65, NJW 1968, 1795) ausgesprochene Auffassung des Bundesverwaltungsgericht ohne weiteres auf den Zivilprozess übertragen.
65(c) Aufgrund der Rechtskraftwirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 05.12.2018 ist im Verhältnis der Parteien davon auszugehen, dass eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks aufgrund der behaupteten optischen und akustischen Immissionen und der behaupteten Infraschallimmissionen, die einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 BGB begründen könnten, nicht gegeben ist.
66(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, erwachsen bei einem klageabweisenden Urteil auch die tragenden Gründe des Urteils in materielle Rechtskraft, da nur sie Aufschluss darüber geben, weshalb ein geltend gemachter Anspruch verneint (oder bejaht) wurde (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2020 – V ZR 121/19, ZfBR 2021, 155 Rn. 21; Urteil vom 07.02.1992 – V ZR 246/90, NJW 1992, 1384; BVerwG, Urteil vom 07.08.2008 – 7 C 7/08, NVwZ 2009, 120 Rn. 16 ff.; Lindner in BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2021, § 121 Rn. 38; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, § 121 VwGO Rn. 80; Gottwald in MünchKommZPO, 6. Aufl., § 322 Rn. 88; Gruber in BeckOK ZPO, Stand: 01.03.2022, § 322 Rn. 43).
67(bb) Dies zu Grunde gelegt ist mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden rechtskräftig festgestellt, dass eine Beeinträchtigung materieller Rechte des Klägers aufgrund des Betriebs der in Streit stehenden WEA unter allen Gesichtspunkten offensichtlich ausgeschlossen ist; der Senat muss seiner Entscheidung mithin zu Grunde legen, dass von der Anlage auf das Grundstück des Klägers einwirkende Immissionen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Form von Lärm oder Infraschall nicht ausgehen und auch eine optisch bedrängende Wirkung der Anlage für das klägerische Grundstück nicht vorliegt.
68(cc) α) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass wesentliche Geräuschimmissionen i. S. von § 906 Abs. 1 BGB identisch mit den erheblichen Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. von §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG sind (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.04.1988 – 7 C 33/87, NJW 1988, 2396; Schulte/Michalk in BeckOK Umweltrecht, Stand: 01.01.2022, § 3 BImSchG Rn. 3; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 96. EL September 2021, § 3 BImSchG Rn. 45; Jarass, BImSchG, 13. Aufl., § 3 Rn. 24 und 54; vgl. auch Schmidt-Kötters in BeckOK Umweltrecht, Stand: 01.10.2019, § 5 BImSchG Rn. 13). Aufgrund der den Senat bindenden Feststellung des Verwaltungsgerichts Minden hinsichtlich der Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss er seiner Entscheidung daher auch zu Grunde legen, dass es jedenfalls unter den sowohl vor dem Verwaltungsgericht Minden als auch vor dem Senat geltend gemachten Gesichtspunkten an einer wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB fehlt.
69β) αα) Soweit die Klägerseite diesbezüglich die Auffassung vertreten hat, dass zwischen der öffentlich-rechtlichen und der zivilrechtlichen Immissionsschutzregelung ein Unterschied dahingehend bestehe, dass ein Verstoß gegen Grenzwerte etwa der TA Lärm im Regime des BImSchG zwingend zu der Annahme einer erheblichen Belästigung führen müsse, während ein solcher Verstoß bei § 906 BGB die Wesentlichkeit nur indiziere und die Grenzwerte des öffentlichen Rechts „nicht blind angewendet“ werden dürften, so dass eine Rechtskrafterstreckung wegen des unterschiedlichen Bemessungsspielraums nicht stattfinden könne, verfängt das nicht.
70ββ) Es trifft zwar zu, dass bei § 906 BGB auf die Sichtweise eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen ist und öffentlich-rechtliche Grenzwerte lediglich eine indizielle Bedeutung haben (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 143/17, NJW 2019, 773 Rn. 13; Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, NJW 1993, 925; Brückner in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 906 Rn. 21 und 73; Klimke in BeckOGK, Stand: 01.03.2022, § 906 BGB Rn. 83 ff.; Fritzsche in BeckOK BGB, Stand: 01.02.2022, § 906 Rn. 38 ff.; Roth in Staudinger, BGB (2020), § 906 Rn. 177; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 96. EL September 2021, § 3 BImSchG Rn. 45). Auf die Sichtweise eines verständigen Durchschnittsmenschen wird allerdings auch bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG abgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.05.1996 – 1 C 10/95, NVwZ 1997, 276; Urteil vom 07.10.1983 – 7 C 44/81, NJW 1984, 989; Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 96. EL September 2021, § 3 BImSchG Rn. 48; Schulte/Michalk in BeckOK Umweltrecht, Stand: 01.01.2022, § 3 BImSchG Rn. 51; Schmidt-Kötters in BeckOK Umweltrecht, Stand: 01.10.2019, § 5 BImSchG Rn. 59). Nach Punkt 3.2.1 der TA Lärm sind deren Immissionsrichtwerte darüber hinaus auch in ihrem Regime nur für den Regelfall entscheidend; Punkt 3.2.2 lässt ausdrücklich eine ergänzende Prüfung im Sonderfall zu, wenn besondere Umstände vorliegen. Soweit der Kläger seine Klage auf Beeinträchtigungen wegen Infraschallimmissionen stützt, ist darüber hinaus zu konstatieren, dass insoweit öffentlich-rechtliche Grenzwerte überhaupt nicht normiert sind.
71(d) Eine andere Beurteilung des Umfangs der Rechtskraftwirkung ist nicht wegen des Umstands erforderlich, dass es im Rahmen von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB der Beklagten als Anspruchsgegnerin obliegt, die Unwesentlichkeit einer Einwirkung zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18, NJW 2020, 2884 Rn. 69; Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, NJW 1993, 925; Klimke in BeckOGK, Stand: 01.03.2022, § 906 BGB Rn. 419; Brückner in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 906 Rn. 219), denn damit ist jedenfalls keine solche Abweichung des Beurteilungsmaßstabs im Verhältnis zur verwaltungsgerichtlichen Kognition verbunden, dass eine Bindung der Beteiligten an das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden in Frage zu stellen wäre.
72(aa) Dem Kläger als Anspruchsteller obliegt es im Rahmen seines Unterlassungsanspruchs die Einwirkung, d.h. die Beeinträchtigung seines Grundstücks im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB zu beweisen. Beeinträchtigung ist dabei mehr als ein physikalisch gegebenes, aber Körper oder Sache letztlich nicht beeinflussendes Phänomen; es muss sich vielmehr um einen dem Inhalt des Eigentums widersprechenden, den Eigentümer „störenden“ oder „beeinträchtigenden“ Zustand handeln (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18, NJW 2020, 2884 Rn. 69; Urteil vom 22.09.2000 – V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232; Herrler in Grüneberg, 81. Aufl., § 906 Rn. 4, 6; Klimke in BeckOGK, Stand: 01.02.2022, § 906 BGB Rn. 68; Spohnheimer ebenda § 1004 BGB Rn. 67 ff.; Fritzsche in BeckOK BGB, Stand: 01.02.2022, § 1004 Rn. 32 ff.; Roth in Staudinger, BGB (2020), § 906 Rn. 116; Thole ebenda § 1004 Rn. 40; Brückner in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 906 Rn. 67; Raff ebenda § 1004 Rn. 66). Die mithin von dem Kläger zu beweisende Beeinträchtigung muss ein bemerkbares Mindestmaß an Intensität erreichen. Eine andere Sichtweise würde namentlich in Fällen wie dem vorliegenden zu offenkundig unbilligen Ergebnissen führen. Der Sachverständige I hat in seiner Anhörung nämlich überzeugend erklärt, dass davon auszugehen sei, dass die rein physikalisch betrachtete Reichweite des von der Anlage der Beklagten erzeugten Infraschalls – wie jeder (Infra-) Schall – prinzipiell unbegrenzt sei, jedenfalls weit über die Entfernung zum klägerischen Grundstück hinausreiche. Ein messtechnisch exakter Nachweis auch nur des tatsächlichen Vorhandenseins der von der Anlage der Beklagten verursachten Infraschalleinwirkungen auf das Grundstück des Klägers sei aber, wie der Sachverständige zugleich nachvollziehbar und überzeugend bekundet hat, praktisch ausgeschlossen. Wollte man vor diesem Hintergrund dem Anspruchsgegner den Beweis der Unschädlichkeit im Sinne einer Unwesentlichkeit eines jeden physikalisch existenten Phänomens auferlegen, würde das eine wirtschaftliche Nutzung von Grundstücken jedenfalls im Rahmen von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB praktisch unmöglich machen.
73(bb) Dieser den Kläger treffenden Beweislast entspricht die ihm im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO obliegende Darlegungslast. Voraussetzung der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist nämlich, dass aufgrund des Vortrags des Klägers eine Verletzung seiner Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.1993 – 3 C 3/89, NJW 1994, 1604; Beschluss vom 21.01.1993 – 4 B 206/92, NVwZ 1993, 884; Urteil vom 10.04.1968 – IV C 160/65, NJW 1968, 1795; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2019, § 42 Rn. 172; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rn. 112). Die Verneinung der Klagebefugnis durch das Verwaltungsgericht Minden in seinem Urteil vom 05.12.2018, das im Übrigen ausdrücklich ausgeführt hat, dass „eine Beeinträchtigung materieller Rechte des Klägers … unter allen denkbaren Gesichtspunkten offensichtlich ausgeschlossen“ sei, und das namentlich auf die große Entfernung des klägerischen Grundstücks von der WEA abgestellt hat, lässt sich dies zu Grunde gelegt nur so verstehen, dass bereits eine Einwirkung im oben dargestellten Sinne – rechtskräftig – verneint worden ist.
74(2) Es kommt danach nicht darauf an, dass der Kläger über die behaupteten Infraschallimmissionen hinausgehende optische und akustische Immissionen schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat. Angesichts der Entfernung seines Grundstücks von der WEA von fast 2 km wäre allerdings von ihm zu verlangen gewesen, zur akustischen Wahrnehmbarkeit näher vorzutragen; auch der pauschale Hinweis auf die Sichtbarkeit der „Nachtbefeuerung“ stellt keine hinreichend substantiierte Darlegung dar.
75(3) Vor diesem Hintergrund sei lediglich ergänzend ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme einschließlich der in dem Parallelverfahren des Senats zu 24 U 1/20 durchgeführten Anhörung des Sachverständigen am 26.04.2022, deren Ergebnis mit Einverständnis der Parteien auch in diesem Verfahren verwertet werden kann, auch tatsächlich viel dafür spricht, dass von der streitgegenständlichen Anlage der Beklagten keine wesentliche Beeinträchtigung auf das klägerische Grundstück einwirkt, die Klage mithin auch dann keinen Erfolg haben könnte, wenn sie nicht bereits wegen der rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Minden scheitern würde.
76Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass die Hauptschallquelle bei WEA die Blattspitzengeräusche seien, d.h. die Geräusche, die die Spitzen der Rotorblätter erzeugten; diese lägen in einem Frequenzbereich von 400-800 Hz. Die Geräusche, die die Blätter über ihre Länge hinweg erzeugten, träten gegenüber diesem deutlich stärkeren Geräusch als untergeordnet zurück. Zusätzlich entstehe eine Frequenz im Infraschallbereich durch den Strömungsabriss, der entstehe, wenn ein Rotorblatt am Turm der Anlage vorbeiziehe; diese liege bei etwa 0,5 Hz. Bei einer rotierenden Anlage wie einer WEA entstünden darüber hinaus auch noch die „Harmonischen“ dieser genannten Grundschwingung von 0,5 Hz, d.h. 1,0 Hz, 1,5 Hz, 2,0 Hz etc., die auch „Flügelharmonische“ genannt würden. Bei der höchsten Leistung von Anlagen des hier betroffenen Typs (ENERCON E115) hätten Messungen ergeben, dass bei 1 Hz ein linearer Schallleistungspegel von 125 dB vorliege, bei 400-800 Hz liege dieser bei geschätzt 95 dB, bei 0,5 Hz bei etwa 130 dB.
77Dieser Schall schwäche sich, so der Sachverständige weiter, mit zunehmender Entfernung ab, weshalb sich pro Verdopplung der Entfernung der Pegel um 6 dB mindere und auf den ersten 40 m Abstand eine geometrische Minderung des Schalldruckpegels um 40 dB stattfinde. Ausgehend von 130 dB Schalldruck bei 0,5 Hz betrage der Schalldruckpegel in 40 m Abstand also noch 90 dB, bei 80 m Abstand 84 dB, bei 160 m 78 dB, bei 320 m 72 dB, bei 640 m 66 dB, bei 1280 m 60 dB und bei 2560 m 54 dB. Bei einer Entfernung von etwa 2 km von einer WEA des betroffenen Typs komme nur noch ein Schalldruck von etwa 57 dB bei einer Frequenz von 0,5 Hz an.
78Dieser Schalldruck sei mithin in einer Entfernung von etwa 2 km zu der WEA „noch da“, könne jedoch nicht mehr gemessen werden. Dies gelte sowohl für die „Grundschwingung“ bei etwa 0,5 Hz, als auch für deren „Harmonische“. Denn der vom Wind und windinduzierten Geräuschen hervorgerufene Schalldruck, der von einer Vielzahl sonstiger Schallquellen ausgehe, sei messtechnisch so viel größer als der von der WEA ausgegangene und bei einer Entfernung von 2 km noch ankommende Schalldruck, dass die von der Anlage ausgehende Schallwelle untergehe. Im Hinblick auf das klägerische Grundstück sei zudem zu berücksichtigen, dass der Bereich um das klägerische Grundstück nebst landwirtschaftlicher Nutzung von intensivem Bewuchs geprägt sei. Im gesamten östlichen Bereich sei dichter Wald vorhanden. Auch westlich des Gebäudes – in Richtung der streitgegenständlichen WEA – seien verschiedene Baumreihen und dichter Bewuchs feststellbar. In weiter westlicher Richtung würden sich Waldflächen mit der nächstgelegenen WEA, in einem Abstand von 1.360 m zum Wohnhaus des Klägers, abwechseln bis in etwa 2 km Entfernung die Windenergieanlage der Beklagte stünde. Diese liege neben anderen Anlagen an der Straße F-Straße, wobei sich unmittelbar östlich dieser Anlage ein dichter Waldgürtel befinde. Der Abstand des Grundstücks des Klägers zu der von der Beklagten betriebenen Anlage und die Geräuscheinwirkungen aus anderen Bereichen im Umfeld seines Grundstücks seien daher viel zu groß, als dass von der Anlage der Beklagten ausgehende akustische Auffälligkeiten im Infraschallbereich aus dem Grundgeräusch bei windiger Wetterlage heraus hör- oder fühlbar sein könnten.
79Der derart „überlagerte“ Schalldruck, der von der WEA seinen Ursprung genommen habe, liege zudem, so der Sachverständige weiter, in einer Entfernung von etwa 2 km zu der Anlage, d.h. im Bereich des klägerischen Hauses, deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen, d.h. unterhalb desjenigen Bereichs, in dem der Mensch Schall bewusst wahrnehmen könne. Diese Schwelle liege etwa für Infraschall einer Frequenz von 10 Hz bei 95 dB, für Infraschall einer Frequenz von 8 Hz bei 103 dB und bei einer Frequenz von 1 Hz bei mindestens 125 dB, wobei Schwankungen aufgrund individueller Sensitivität maximal um 5 dB stattfänden. Angesichts der bereits dargestellten Abschwächung des Schalls über längere Abstände müsste etwa im Frequenzbereich von 1 Hz angesichts einer Wahrnehmungsschwelle des Menschen von 125 dB in diesem Bereich bei einem Abstand von 1.970 m zu der Anlage eine Schallleistung der Anlage von 199 dB bestehen, um eine Wahrnehmung beim Menschen hervorzurufen. Eine derartige Größenordnung sei technisch von einer WEA nicht erreichbar, auch nicht durch mehrere WEA; erreichbar sei für eine WEA im Bereich von 1 Hz allenfalls eine Schallleistung von 119-129 dB. Auch dieser Wert unterschreite die für eine menschliche Wahrnehmung erforderlichen Werte noch um mehrere Größenordnungen. Es sei daher, so der Sachverständige überzeugend weiter, physikalisch auszuschließen, dass durch die hier betroffene WEA Schalldruckpegel in einem Abstand von 1.970 m im Infraschallbereich hervorgerufen werden könnten, die auch nur annähernd im Bereich der Wahrnehmungsschwelle des Menschen lägen. Infraschall unterhalb dieser Schwelle sei, so der Sachverständige weiter, nach der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnis nicht in der Lage, den menschlichen Körper zu schädigen. Hinsichtlich dieser Einschätzung ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Fachgebiet des Sachverständigen auf physikalischem und nicht auf biologisch/medizinischem Gebiet liegt.
80Soweit die Klägerseite gemeint hat, aus den – inzwischen in Übersetzung vorgelegten und im Auftrag des Klägervertreters durchgeführten – Untersuchungen einer „J“ aus Finnland ergebe sich eine gegenteilige Schlussfolgerung, hat der Sachverständige in seiner Anhörung durch den Senat eine Aussagekraft dieser Untersuchungen überzeugend verneint.
81Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, er habe sich mit diesen Messungen intensiv beschäftigt. Diese litten zuvorderst an dem Makel, dass nicht mitgeteilt werde, wo die Messungen durchgeführt worden seien, in welcher Weise bzw. mit welcher Methode, in welchem Abstand zu welchen Anlagen gemessen worden sei und wie viele Anlagen untersucht worden seien. Auch enthielten die vorgelegten Unterlagen keine Informationen über die verwandten Messinstrumente. Auf eine entsprechende Nachfrage seinerseits bei der „J“ habe er keine Antwort erhalten und es sei ihm nicht bekannt, dass die „J“ die ausweislich der vorgelegten Unterlagen von ihr angeblich entwickelten Geräte zur Messung und Aufzeichnung von von Windkraftanlagen ausgehendem Infraschall tatsächlich auf den Markt gebracht hätte. Über all diese Unklarheiten hinaus wiesen die Messungen ausweislich der vorgelegten Dokumentation mehrere massive Fehler auf, die ihnen jede Aussagekraft nähmen. Diese bestünden einerseits darin, dass es an jeglicher Erläuterung der vorgelegten farbigen Darstellung der Messungen fehle, weshalb unklar bleibe, welche Farbe welchem Pegel absolut entspreche und wie groß der relative Abstand zwischen den durch verschiedene Farben dargestellten Pegel sei. Darüber hinaus sei die Darstellung des von einer WEA ausgehenden Infraschalls unter Berücksichtigung der Flügelharmonischen der Grundfrequenz nicht – wie hier – durch Vorgabe gleichbleibend breiter Bereiche möglich, vielmehr hätten die dargestellten Linien der Flügelharmonischen gegenüber der Grundharmonischen breiter werden müssen. Insbesondere aber habe die „J“, wie die vorgelegten Erläuterungen der Messungen zeigten, bei diesen keinen „Aliasfilter“ verwendet, der verhindere, dass hohe Frequenzanteile als niedrigere Frequenzen gespiegelt und interpretiert würden. Dies stelle einen eklatanten Fehler dar, der die Ergebnisse verfälsche.
82Dass auf das klägerische Grundstück ein von den Anlagen der Beklagten ausgehender Infraschall einwirken würde, der aus dem „Hintergrundrauschen“ anderer Infraschallquellen herausragte und oberhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen läge, hat die Beweisaufnahme mithin nicht ergeben. Ob der Senat dennoch gehalten gewesen wäre, ein biologisch/medizinisches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob Infraschall auch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle in der hier beim Haus des Klägers in Betracht kommenden, von der WEA der Beklagten stammenden Ausprägung geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu beschädigen, erscheint zweifelhaft, braucht aber wegen der rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht entschieden zu werden.
83bb) Aus den ausgeführten Gründen scheitert auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
84b) Die mit dem Klageantrag zu 2 begehrte Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzverpflichtung der Beklagten scheidet ebenfalls aus.
85c) Nämliches gilt für das mit dem Klageantrag zu 3 hilfsweise geltend gemachte Begehren zur Verurteilung der Beklagten zur Vornahme bestimmter Maßnahmen zur Verhinderung resp. Minderung der behaupteten Beeinträchtigungen. Es kann dabei dahinstehen, ob die verlangten Maßnahmen sich in dem von § 14 Satz 1 Hs. 2 BImSchG zugelassenen Rahmen halten; jedenfalls fehlt es – wie rechtskräftig entschieden ist – an einer wesentlichen Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks, die Voraussetzung des Beseitigungs-/Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB ist.
862) Die Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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