Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 19 U 111/04

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 13.05.2004 - 14 O 317/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Unter Klagabweisung im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 265.699,44 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2003 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Räumung des Sondereigentums an der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 bezeichneten Wohnung im zweiten Obergeschoss im Gebäude A...ring 1, D., samt Balkon Nr. 9 und Kellerraum Nr. 9 sowie des Sondereigentums an dem im Aufteilungsplan mit Nr. TG 5 bezeichneten Tiefgaragenstellplatz, Flst.-Nr. 8377/3, und Bewilligung der Löschung der im Grundbuch von D., Blatt 6769, 6787, Bestandsverzeichnis Nr. 1, Abtl. 2 eingetragenen Auflassungsvormerkung.

Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten erster Instanz tragen der Kläger 6 %, die Beklagte 94 %, von den Kosten zweiter Instanz der Kläger 1 % und die Beklagte 99 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Wandelung des Vertrags über den Erwerb einer Eigentumswohnung sowie Zahlung der angefallenen Vertragskosten und notwendigen Verwendungen, die Beklagte widerklagend restlichen Werklohn.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung und der Verurteilung des Klägers auf Zahlung restlichen Werklohns fort.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Ansicht, dass der Kläger mit dem Anspruch auf Wandelung gemäß § 634 Abs. 3 BGB a.F. und nach § 7 Abs. 3 des notariellen Erwerbsvertrages ausgeschlossen ist, da sämtliche im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel geringfügiger Natur seien, insbesondere lediglich optisch beeinträchtigten und im Verhältnis zum Gesamtwerklohn nur geringfügige Mängelbeseitigungskosten verursachen würden. Teilweise seien die Mängel nach Ablauf der durch den Kläger gesetzten Frist beseitigt worden. Der Beklagten stehe das Nachbesserungsrecht weiterhin zu, weil sie sich immer zur Beseitigung der berechtigten Mängel bereit erklärt habe, insbesondere auch das selbständige Beweisverfahren, das durch den Kläger eingeleitet worden sei, der Feststellung der von dem Kläger gerügten Mängel gedient habe und im Übrigen, soweit die Ursache der Mängel in Gemeinschaftseigentum liege, der Kläger ohnehin nicht berechtigt sei, die Nachbesserung durch die Beklagte zu verweigern. Soweit der Kläger Schallisolierungsmängel geltend mache, liege ein Sachmangel nur insoweit vor, als die vertraglich vereinbarte DIN 4109 nicht eingehalten sei. Insoweit könnten die vom Sachverständigen festgestellten Mängel, soweit sie noch nicht beseitigt seien, ohne großen Kostenaufwand behoben werden. Für den Fall, dass dem Kläger ein Wandelungsanspruch zustehe, habe das Landgericht die Nutzungsentschädigung zu Unrecht mit 400 EUR monatlich berücksichtigt. Angemessen seien mindestens 600 - 650 EUR monatlich. Im Übrigen sei die Nutzungsentschädigung nicht nur bis zur Rechtshängigkeit der Klage zu gewähren, sondern bis zum Zeitpunkt der Rückgabe der Eigentumswohnung an die Beklagte. Außerdem sei im Rahmen der Nutzungsentschädigung der „Wertverzehr“ zusätzlich maßgeblich, wobei zwischenzeitlich eine Wertminderung in Höhe von mindestens 20 % des Kaufpreises, somit 50.000 EUR zu veranschlagen sei.
Neu trägt die Beklagte vor, dass sie nach im Rahmen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils erfolgter Rückgabe der Wohnung festgestellt habe, dass die Wohnung stark abgenutzt sei und in sämtlichen Wohnräumen Beschädigungen durch Dübellöcher, Bohrlöcher und Entfernen von Abdeckungen vorhanden seien. Bohr- und Dübellöcher seien nicht verschlossen, auch seien Dübel und Haken in den Wänden zurückgelassen worden. In der Küche seien Fliesen durch Bohrungen beschädigt und unsachgemäß Löcher von Fehlbohrungen verschlossen. Außerdem seien Elektrogeräte unsachgemäß entfernt worden, so dass im Elternschlafzimmer, Bad und Wohnzimmer Stromkabel bzw. das Antennenkabel ungeschützt aus den Wänden herausragten. Schließlich seien Sockelleisten beschädigt, ebenso Putzabplatzungen insbesondere im Flur festzustellen. Im Wohnzimmer, Bad und Gäste-WC seien dunkle Flecken an der Decke durch Staubablagerungen, die auf übermäßige Abnutzung zurückzuführen seien. Zur Instandsetzung seien Kosten in Höhe von 4.600,00 EUR aufzuwenden. Diese Beschädigungen könnten nicht zwischen dem Zeitpunkt der Überlassung der Wohnung an den Kläger bis zum 05.04.2002, dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, eingetreten sein, sondern müssten danach verursacht worden sein. Ab dem 05.04.2002 habe der Kläger jedoch mit besonderer Sorgfalt die Wohnung Nr. 9 behandeln müssen, da er mit dem selbständigen Beweisverfahren das Ziel der Wandelung verfolgt habe.
Außerdem ist die Beklagte der Ansicht, dass ihr die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht in vollem Umfange auferlegt werden dürften, da dort vom Kläger behauptete Mängel in großem Umfange nicht sachverständigenseits hätten festgestellt werden können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 13.05.2004 abzuändern, die Klage abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 8.640,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 30.11.2001 zu verurteilen.
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
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Der Kläger bestreitet das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 11.09.2004 und rügt insoweit Verspätung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 09.08.2004 (II, 65), den Schriftsatz der Beklagten vom 11.09.2004 (II 205) und die Berufungserwiderung vom 05.10.2004 (II, 157) Bezug genommen.
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Zum Verfahren 19 U 111/04 wurde das zwischen den Parteien ebenfalls anhängige Berufungsverfahren 19 U 177/04 verbunden, in welchem die Beklagte das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 13.08.2004 angreift, in dem dieses den Antrag der Beklagten auf Ergänzung des im Verfahren 19 U 111/04 angegriffenen Urteils des Landgerichts Freiburg im Kostenpunkt abgelehnt hat. Diesbezüglich verfolgt die Beklagte im führenden Berufungsverfahren 19 U 111/04 eine Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung weiter. Auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren 19 U 177/04 wird Bezug genommen.
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II. Die zulässige Berufung ist größtenteils unbegründet.
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1. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Einwilligung in die Wandelung des notariellen Kaufvertrags vom 10.05.2000 gemäß den §§ 634 Abs. 1, Abs. 4, 465 BGB für verpflichtet gehalten.
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Bei einem Vertrag auf Erwerb eines Grundstücks mit einem darauf vom Verkäufer zu errichtenden Bauwerk beurteilen sich die Rechte wegen Sachmängeln des Bauwerks nach Werkvertragsrecht (BGH NJW 1973, 1235). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall des Erwerbs einer neu zu errichtenden Eigentumswohnung.
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Zutreffend hat das Landgericht auch erkannt, dass ein Wandelungsanspruch des Klägers weder nach § 634 Abs. 3 BGB a.F., noch nach § 7 Abs. 3 der notariellen Urkunde ausgeschlossen ist.
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Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Wandelungsausschluss gemäß § 7 Abs. 3 der notariellen Urkunde gegen § 11 Nr. 10 b AGBG verstößt. Denn selbst bei Fehlschlagen der Nachbesserung geringfügiger Mängel im Sinne dieser vertraglichen Regelung sieht diese lediglich ein Minderungsrecht des Käufers vor. Gemäß § 11 Ziff. 10 b AGBG ist jedoch die Beschränkung der Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender auf ein Nachbesserungsrecht nur dann wirksam, wenn dem anderen Vertragsteil ausdrücklich bei Fehlschlagen der Nachbesserung das Recht vorbehalten wird, Herabsetzung der Vergütung oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Gewährleistung ist, nach seiner Wahl Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen. Da die Beklagte als Bauträgerin keine „Bauleistungen“ im Sinne des § 11 Ziff. 10 b AGBG erbringt (BGH NJW 2002, 511), ist der bloße Vorbehalt des Minderungsrechts bei Fehlschlagen der Nachbesserung unzureichend und macht den vertraglich geregelten Wandelungsausschluss bei geringfügigen Mängeln unwirksam (BGH a.a.O.).
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Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Regelung über den Wandelungsausschluss eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 AGBG darstellt, es sich also um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, deren Verwender die Beklagte ist. Entwickelt der Notar im Auftrag einer Partei ein Vertragsformular oder übernimmt er eine Klausel, die eine Partei ständig verwendet, unterfallen die unter diesen Voraussetzungen Vertragsinhalt gewordenen Regelungen dem Anwendungsbereich des § 1 AGBG (BGHZ 118, 229; NJW 85, 2477; OLG Köln VersR 2000, 730). Da die Parteien übereinstimmend von der Rechtsnatur einer allgemeinen Geschäftsbedingung im vorliegenden Falle ausgehen, ist, ohne dass es weiteren tatsächlichen Vortrags hierzu bedarf, anzunehmen, dass die fragliche Klausel von der Beklagten im vorbeschriebenen Sinne zur mehrfachen Verwendung entwickelt wurde.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob sämtliche unstreitigen Sachmängel den Kläger zur Wandlung berechtigt haben. Jedenfalls die sachverständigenseits festgestellten Schallisolierungsmängel weisen im vorliegenden Falle ein solches Gewicht auf, dass § 634 Abs. 3 BGB a.F. der Rückgängigmachung des Vertrages nicht entgegensteht. Bei dieser Beurteilung kann ebenfalls unberücksichtigt bleiben, ob aufgrund der vertraglichen Vereinbarung lediglich ein Schallschutz entsprechend der DIN 4109 (Baubeschreibung S. 19) geschuldet war oder aufgrund der vorhandenen und nach der Baubeschreibung geschuldeten Konstruktion des Bauwerks ein erhöhter Schallschutz, der bei sorgfältiger Ausführung des Bauvorhabens erzielbar gewesen wäre (insoweit BGHZ 139, 16). Es kann auch dahinstehen, ob und welchen Einfluss es hat, dass zum Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerks die vertraglich in Bezug genommene DIN-Norm nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprach.
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Die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abnahme (BGHZ 139, 16) gültige DIN 4109 enthält Werte, die Menschen in Aufenthaltsräumen bei vertretbarem Aufwand lediglich vor erheblichen Belästigungen durch Schallübertragungen schützt, wobei davon ausgegangen wird, dass in den benachbarten Räumen keine ungewöhnlich starken Geräusche verursacht werden. Hieraus folgt, dass die Einhaltung der DIN 4109 noch keine besondere Leistung darstellt und damit auch keinen höheren Komfort mit sich bringt, die Anforderungen dieser DIN-Norm vielmehr lediglich die Grenze zum Gesundheitsschädlichen bzw. Unzumutbaren markieren (Gutachten des Sachverständigen Dr. Ing. Müller S. 12). Im Hinblick darauf, dass der Kläger, wie die Bezeichnung des Wohnkomplexes mit „Wohnoase“ bereits ausweist, und der Erwerbspreis von 500.000 DM auch nahe legt, eine Wohnung - insbesondere bezogen auf die Wohnqualität - höheren Komforts erworben hat, stellt eine Verletzung des Schallschutzes nach der DIN 4109 einen erheblichen Mangel dar. Dies hat insbesondere auch deshalb zu gelten, weil bereits bei Veröffentlichung der DIN 4109 diese nicht mehr den Anforderungen an die allgemein anerkannten Regeln der Technik genügte (Gutachten S. 13).
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Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die von der Beklagten nicht angegriffen sind, sind die Anforderungen an die Trittschalldämmung nach der DIN 4109 in Bezug auf die Geschossdecke gegenüber dem Wohn-/Essbereich der Wohnung Nr. 11 im Dachgeschoss nicht erfüllt wie auch zwischen dem Treppenpodest des zweiten Obergeschosses zum Kinderzimmer der Wohnung des Klägers und schließlich entspricht der Schutz gegenüber Geräuschen aus dem Waschbecken des Bades der Wohnung Nr. 6 im ersten Obergeschoss in Bezug zum Schlafzimmer des Klägers nicht der DIN 4109.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten hat diese ihr Nachbesserungsrecht verloren. Der Kläger hat im Sinne des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. der Beklagten mit Schreiben vom 16.01.2002 und vom 21.03.2002 ausreichende Frist zur Mangelbeseitigung bis längstens 05.04.2002 mit der Erklärung gesetzt, dass die Mangelbeseitigung nach Fristablauf abgelehnt werde, ohne dass die Beklagte sich hinsichtlich der Schallisolierungsmängel zur Mangelbeseitigung bereit erklärt hat oder - bis auf die Einholung eines Privatgutachtens - die Mängelbeseitigung in Angriff genommen hat. Dabei hat der Kläger in den vorbezeichneten Schreiben den Mangel der Schallisolierung nach seinen Symptomen ausreichend bezeichnet. Die genaue Ursache des Mangels brauchte er nicht zu ermitteln (BGHZ 154, 119 m.w.N.). Dass die Beklagte über die Bezeichnung des Mangels nicht im Unklaren war, zeigt sich auch darin, dass sie selbst ein Schallisolierungsgutachten in Auftrag gegeben hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte sie also nicht erst nach Vorliegen des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren wirksam zur Mangelbeseitigung aufgefordert werden. Nach fruchtlosem Ablauf der vom Kläger gesetzten Nachbesserungsfristen war er berechtigt, über die Auswahl der ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche zu entscheiden. Ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte nur noch mit Einwilligung des Klägers berechtigt, dieses Wahlrecht durch Mangelbeseitigung zu Fall zu bringen bzw. nach Erklärung der Rückgängigmachung des Kaufvertrages die Wandelung durch Nachbesserung, die nicht dem Willen des Klägers entsprach, zu verhindern (BGHZ 154, 119; NJW 1996, 2647). Die teilweise nach der Behauptung der Beklagten erfolgte Nachbesserung oder deren Nachbesserungsbereitschaft lässt demnach das Wandelungsrecht des Klägers unberührt.
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Danach ist der Kläger berechtigt, gemäß den §§ 634 Abs. 4, 467, 346 - 348 BGB a.F. Zug um Zug gegen Rückübereignung des Wohnungseigentums von der Beklagten die Bezahlung des Kaufpreises nebst Vertragskosten (§ 467 Satz 2 BGB) und Verzinsung des Kaufpreises ab dem Zeitpunkt des Empfangs (§ 347 Satz 3 BGB) und Ersatz notwendiger Verwendungen (§ 347 Satz 3 BGB) unter Berücksichtigung der von ihm zu vergütenden Nutzungen (§ 347 Satz 2 BGB) zu verlangen.
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist mit der Berufung der Nutzungsvorteil nicht nach einem fiktiven Mietzins zu errechnen, sondern nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer („Wertverzehr“) (BGH NJW 1996, 250 m.w.N.).
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Der Senat ist in der Lage, die Nutzungsvorteile des Klägers zu schätzen (§ 287 ZPO). Ausgehend von dem Kaufpreis von 500.000 DM und einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 70 Jahren bei Mehrfamilienhäusern (Anlage 4 der Wertermittlungsrichtlinien 2002) ergibt sich bei einer zugrunde gelegten Nutzungsdauer bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von ca. 3 Jahren und 4 Monaten eine zeitanteilig lineare Wertminderung von 23.810 DM (12.173,86 EUR).
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Daneben entfällt eine weitere Nutzungsentschädigung in Höhe eines fiktiven Mietwertes.
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Der Beklagten stehen keine aufrechenbaren Gegenansprüche wegen Beschädigung der vom Kläger zurückgegebenen Eigentumswohnung in Höhe von 4.600,00 EUR zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses neue Vorbringen im Schriftsatz vom 11.11.2004 verspätet ist. Die Zulassung des darin enthaltenen Vorbringens scheitert jedoch weder an den in § 530 ZPO noch in § 531 ZPO genannten Voraussetzungen, da die Beklagte die entsprechenden Feststellungen erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist treffen konnte. Ob die Beklagte ihre allgemeine Prozessforderungspflicht deshalb verletzt hat, weil sie erstmals am 11.11.2004 entsprechenden Sachvortrag hielt (§§ 525, 282, 296 Abs. 2 ZPO), braucht nicht entschieden zu werden. Denn ein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 467, 347, 989 BGB steht der Beklagten nicht zu.
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Wegen Beschädigungen, die nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung oder zum Untergang der Kaufsache führen (§ 351 BGB), haftet der Rücktrittsberechtigte für von ihm verursachte Schäden bis zu dem Zeitpunkt, ab dem er mit dem Rücktritt rechnen musste, nicht auf Schadensersatz, sofern - wie im vorliegenden Falle - die Rückgängigmachung des Vertrages auf einem gesetzlichen Rücktrittsrecht beruht, weil die scharfe Haftung der §§ 347, 989 BGB das vertragliche Rücktrittsrecht betrifft, bei dem die Vertragsparteien ab Vertragsschluss mit dessen Geltendmachung rechnen müssen und deshalb insofern die scharfe Haftung bereits ab Übergabe der Kaufsache ihre Berechtigung hat (z.B. Westermann in Erman, BGB, 10. Aufl., § 347 Rdnr. 4 und 5 m.w.N.; BGHZ 53, 144). In diesem Zeitraum richtet sich die Rückabwicklung des Vertrages nach § 327 S. 2, 818 BGB (Westermann a.a.O., § 347 Rdnr. 5, § 327 Rdnr. 3; BGHZ 53, 144). Danach scheidet die Anwendung der Saldotheorie für diesen Fall aus, so dass vom Rücktrittsberechtigten lediglich die noch vorhandene Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) zurückzugewähren ist. Dieser Fall ist vorliegend gegeben. Abgesehen davon, dass der Kläger das Vorliegen jeglicher Schäden bestritten, die Beklagte ihre diesbezügliche Behauptung lediglich durch nicht verwertbares Privatsachverständigengutachten unter Beweis gestellt hat, hat die Klägerin hinsichtlich der einzelnen Mängel nicht bewiesen oder unter Beweis gestellt, dass diese nach dem Zeitpunkt der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel der Durchsetzung des Wandelungsbegehrens durch den Kläger verursacht wurden. Dies liegt auch nicht auf der Hand, da insbesondere Bohr- und Dübellöcher, aber auch die übrigen behaupteten Schäden zum Anfang der Nutzungszeit durch den Kläger aufgetreten sein können oder in dem Nutzungszeitraum von einem dreiviertel Jahr danach bis zum 05.04.2002.
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Unter Berücksichtigung des unstreitig bezahlten Kaufpreises in Höhe von 493.400 DM, mit der Berufung nicht mehr angegriffener Zinsen gemäß § 347 Satz 3 BGB a.F. in Höhe von 46.883 DM, unstreitig zu berücksichtigender Zahlungen auf Instandhaltungsrücklage in Höhe von 475,34 DM sowie unstreitiger Vertragskosten aus der Beurkundung des Kaufvertrages, der Eintragung der Auflassungsvormerkung und für Grundbuchabschriften in Höhe von 2.714,60 DM hat der Kläger unter weiterer Berücksichtigung des Nutzungsvorteils einen Zahlungsanspruch in Höhe von 419.662,94 DM (265.699,44 EUR).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Eine teilweise Auferlegung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auf den Kläger gem. § 96 ZPO kommt nicht in Betracht. Da auch das selbständige Beweisverfahren vom Kläger ausweislich der dortigen Antragsschrift mit dem Ziel der Wandelung eingeleitet wurde, es somit streitgegenständlich identisch mit dem Hauptsacheverfahren war, sind die dort angefallenen Kosten Gerichtskosten des Hauptsacheverfahrens (BGH NJW 2003, 1322 ff.). Auch wenn sich ein Großteil der im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens behaupteten Mängel der Eigentumswohnung als nicht bestehend erwiesen haben, trug die Verwendung des im selbständigen Beweisverfahren gewonnenen Beweismittels zum Erfolg der Hauptsacheklage bei. Im Hinblick darauf, dass es wegen der allerdings unwirksamen Regelung in § 7 Abs. 3 des notariellen Erwerbsvertrages unter Umständen auf eine Gesamtschau mehrerer vorhandener geringfügiger Mängel ankommen konnte, wäre der Kläger unter Umständen auf die Feststellung einer möglichst großen Anzahl geringfügiger Mängel angewiesen gewesen, so dass es ihm billigerweise kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn sich einzelne Mängel nicht nachweisen lassen, die festgestellten jedoch sein Wandelungsbegehren tragen. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 ZPO ist dessen Anwendung nicht zwingend; lediglich wenn es unbillig wäre, die Beklagte mit den angefallenen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu belasten, was jedoch nicht der Fall ist, hätte von der Möglichkeit der Kostentrennung gem. § 96 ZPO Gebrauch gemacht werden müssen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Mangels Vorliegens eines Grundes hierfür war die Revision nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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