Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 18 UF 335/11

Tenor

1. Auf die Beschwerde der E. Pensionskasse AG (Beteiligte Ziffer 5) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 13.10.2011 (6 F 89/10) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23.11.2011 in Ziffer 2 Absatz 5 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der E. Pensionskasse AG (Vers.-Nr. … und …) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 5.455,40 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG, bezogen auf den 28.02.2010, begründet. Die E. Pensionskasse AG wird verpflichtet, diesen Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe des der Versorgung zugrundeliegenden Rechnungszinses von 2,75% vom 01.03.2010 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG zu zahlen.

2. Die Anschlussbeschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin werden als unzulässig verworfen.

3. Die Gerichtskosten trägt die E. Pensionskasse AG (Beteiligte Ziffer 5), außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.200 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Regelung des Versorgungsausgleichs.
Die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde auf den am 25.03.2010 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers durch Verbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 13.10.2011 (6 F 89/10) geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde dahingehend geregelt, dass die von den Eheleuten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften jeweils intern geteilt wurden. Hinsichtlich der betrieblichen Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Siemens AG hat das Familiengericht Konstanz das Anrecht „BSAV Besitzstand SAF i.V.m. EBB“ mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 5.087,51 EUR im Wege der externen Teilung ausgeglichen und von einem Ausgleich des Anrechts „BSAV Beitragsorientierte Siemens AV“ mit einem Ausgleichswert von 1.440,10 EUR nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen. Ebenfalls nach § 18 Abs. 2 VersAusglG von einem Ausgleich abgesehen hat das Familiengericht Konstanz hinsichtlich des betrieblichen Versorgungsanrechts des Antragstellers bei der E. Pensionskasse AG – der Beschwerdeführerin – mit einem Ehezeitanteil von 2.464,18 EUR und einem Ausgleichswert von 1.232,09 EUR sowie dem privaten Versorgungsanrecht der Antragsgegnerin bei der Cosmos Lebensversicherungs AG mit einem Ehezeitanteil von 1.877,76 EUR und einem Ausgleichswert von 848,88 EUR.
Die Beteiligte Ziffer 5, die E. Pensionskasse AG, hat gegen den am 24.10.2011 zugestellten Beschluss mit am 18.11.2011 beim Familiengericht Konstanz eingegangenem Schreiben vom 13.11.2011 eine als „Einspruch“ bezeichnete Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie angegeben, die richtige Bezeichnung des Versorgungsträgers laute nicht „V. Gruppen-Unterstützungskasse e.V.“, sondern „E. Pensionskasse AG“, worauf das Familiengericht Konstanz den angefochtenen Beschluss durch Beschluss vom 23.11.2011 insoweit berichtigt hat. Weiter hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, der „Ausgleichswert“ des bei ihr bestehenden betrieblichen Versorgungsanrechts des Antragstellers belaufe sich nicht auf 2.464,18 EUR, sondern auf 10.910,79 EUR. Es bestünden zwei Teilversicherungen mit „Ausgleichswerten“ (richtig: Ehezeitanteilen) von 2.464,18 EUR sowie 8.446,61 EUR, die zusammengefasst werden müssten, weil es sich um ein nur aus technischen Gründen unter mehreren Versicherungsnummern geführtes - einheitliches - Versorgungsanrecht handle. Die von der Beschwerdeführerin dem Familiengericht Konstanz unter dem 06.07.2010 erteilte Auskunft enthielt jedoch lediglich Angaben zur Teilversicherung mit einem Ehezeitanteil von 2.464,18 EUR und einem Ausgleichswert von 1.232,09 EUR (Vers.-Nr. …). Erst mit dem als Beschwerde auszulegenden Schreiben vom 13.11.2011 hat die Beschwerdeführerin eine vollständige Auskunft erteilt, die auch die zweite Teilversicherung mit einem Ehezeitanteil von 8.446,81 EUR und einem Ausgleichswert von 4.223,31 EUR umfasst (Vers.-Nr. …). Auf diesen Umstand wurde die Beschwerdeführerin vom Familiengericht Konstanz mit Verfügung vom 23.11.2011 hingewiesen. Die E. Pensionskasse AG hat die externe Teilung verlangt und den Rechnungszins mit 2,75 % mitgeteilt.
Der Antragsteller, dem die angefochtene Entscheidung am 21.10.2011 zugestellt wurde, und die Antragsgegnerin, der die angefochtene Entscheidung am 21.10.2011 zugestellt wurde, haben sich mit beim Oberlandesgericht am 22.12.2011 und am 20.01.2012 eingegangenen Schriftsätzen der Beschwerde angeschlossen und ebenfalls beantragt, die Entscheidung des Familiengerichts über das bei der Beschwerdeführerin bestehende Versorgungsanrecht abzuändern.
Die Verfahrensbeteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der E. Pensionskasse AG (Beteiligten Ziffer 5) ist begründet. Der Ehezeitanteil des bei ihr bestehenden Versorgungsanrechts des Antragstellers beläuft sich auf 10.910,97 EUR, der im Wege der externen Teilung auszugleichen ist. Die Anschlussbeschwerden der Ehegatten sind unzulässig, weil es jeweils am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Beschwerdeführerin beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG.
Eine Beschwer liegt bereits dann vor, wenn in eine Rechtsstellung eingegriffen wird, indem deren Ausübung gestört oder erschwert wird (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.05.2012, 18 UF 324/11; vgl. Bumiller/Harders, FamFG, 10. Auflage 2011, § 59 Rn. 4). Bei der Beschwerdeführerin besteht ein sich aus zwei Teilversicherungen zusammensetzendes - einheitliches - Versorgungsanrecht, welches auch in einheitlicher Weise auszugleichen ist (OLG Karlsruhe a.a.O.; Beschluss vom 20.04.2011, 18 UF 45/11; Beschluss vom 17.10.2011, 5 UF 162/11). Das Familiengericht hat über dieses Anrecht wegen der unvollständigen Auskunft nicht vollständig entschieden, sondern nur über einen nicht abtrennbaren Teil davon, während über den „vergessenen“ Anteil keine Entscheidung vorliegt. Durch die angefochtene Entscheidung wird die Beschwerdeführerin möglicherweise gezwungen, das einheitliche Versorgungsanrecht uneinheitlich zu behandeln. Denn während hinsichtlich eines Teils der Nichtausgleich gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG angeordnet wurde, droht hinsichtlich des „vergessenen“ Teils ein Wertausgleich nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff. VersAusglG (vgl. Borth, FamRZ 2012, 337, 339; Borth, Versorgungsausgleich, 6. Auflage 2012, Rn. 1174), der mit unmittelbaren Ansprüchen der Antragsgegnerin gegen die Beschwerdeführerin verbunden sein kann, vgl. § 25 Abs. 1 VersAusglG. Dies steht zwar noch nicht fest, für die Annahme einer Rechtsbeeinträchtigung reicht es jedoch aus, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs sich zum Nachteil des Versorgungsträgers auswirken kann (OLG Celle, Beschluss vom 15.11.2011, 10 UF 256/11 - zitiert nach Juris, Tz. 12 = NJOZ 2012, 449, 450). Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ausgleichs oder Nichtausgleichs nicht zuverlässig vorauszusagen sind. Wegen der Ambivalenz der Versorgungsschicksale der Ehegatten müsste die Beschwerdeführerin bei korrekter Durchführung des Versorgungsausgleichs möglicherweise weniger zahlen, z.B. falls der Antragsteller mehr Leistungen in Anspruch nimmt, als im Wege der externen Teilung zum Ausgleich zu zahlen wäre (vgl. hierzu OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 560). Auch darin ist eine Beschwer zu sehen.
10 
2. Die Beschwerde ist wirksam auf die Anfechtung des Ausspruches beschränkt, soweit das Familiengericht über den Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin entschieden hat (vgl. BGH FamRZ 2011, 547; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 991).
11 
Die vorliegende Anfechtung einer einzelnen Teilungsanordnung betrifft einen trennbaren Teil der angefochtenen Versorgungsausgleichsentscheidung, weil bei mehreren Anrechten der Ehegatten die Teilung innerhalb der einzelnen Versorgungen erfolgt (nach §§ 10 ff., 14 ff. VersAusglG) und die Entscheidungen zu den jeweiligen Anrechten nicht voneinander abhängig sind (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1163, 1214). Sie ergreift dabei das ganze bei der Beschwerdeführerin bestehende Versorgungsanrecht, weil dieses gerade nicht teilbar ist (vgl. oben). Die Entscheidung über die übrigen Anrechte der Ehegatten ist von der Beschwerde nicht betroffen und in Rechtskraft erwachsen (Ziffer 2, Absätze 1-4 und 6 des Beschlusses).
12 
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Das bei der Beschwerdeführerin bestehende betriebliche Versorgungsanrecht des Antragstellers ist im Wege der externen Teilung auszugleichen.
13 
In Ermangelung einer Vereinbarung der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin mit der Beschwerdeführerin über die externe Teilung, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG, ist diese nur durchzuführen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - vom Versorgungsträger verlangt wird und der Ausgleichswert gewisse Höchstbeträge nicht übersteigt. Der Ausgleichswert beläuft sich vorliegend auf 5.455,40 EUR (1.232,09 + 4.223,31 EUR) und übersteigt damit weder den Höchstbetrag nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG, der sich bei einem Kapitalwert als Bezugsgröße und einem Ehezeitende im Jahr 2010 auf 6.132 EUR (240% von 2.555 EUR nach § 18 Abs. 1 SGB IV) beläuft, noch den unter Umständen geltenden - noch höheren - Höchstbetrag aus § 17 VersAusglG.
14 
Gemäß § 15 Abs. 1 VersAusglG hat die Antragsgegnerin als ausgleichsberechtigte Person ein Wahlrecht hinsichtlich der Zielversorgung. Dieses Wahlrecht hat sie nicht ausgeübt, so dass gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VersAusglG jeweils ein Anrecht bei der Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG begründet wird.
15 
Das Anrecht des Antragstellers bei der E. Pensionskasse AG ist deshalb im Wege der externen Teilung durch Begründung eines Anrechts von 5.455,40 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen. Der zum Vollzug der externen Teilung nach § 14 Abs. 4 VersAusglG i.V.m. § 222 Abs. 3 FamFG vom Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlende Ausgleichswert ist grundsätzlich ab Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Höhe des Rechnungszinses der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen (vgl. BGH FamRZ 2011, 1785). Hierfür ist von der E. Pensionskasse AG an die Versorgungsausgleichskasse Pensionskasse VVaG ein Betrag von 5.455,40 EUR nebst Zinsen in Höhe des mitgeteilten Rechnungszinses von 2,75% für die Zeit vom 01.03.2010 (ab dem auf das Ende der Ehezeit am 28.02.2010 folgenden Tag, § 187 Abs. 1 BGB analog) bis zur Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung zu zahlen (vgl. BGH FamRZ 2011, 1785).
16 
4. Nachdem der Beschwerdegegenstand wegen des Hauptrechtsmittels der Beteiligten Ziffer 5 als Versorgungsträger einer umfassenden Prüfung durch den Senat unterliegt, fehlt es den gemäß § 66 Satz 1 FamFG statthaften Anschlussbeschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin am Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Münchener Kommentar/Stein, ZPO, 3. Auflage 2010, § 228, Rn. 8; BGH NJW 1985, 968, 969; OLG Bremen FamRZ 2011, 1296, 1297), weshalb diese als unzulässig zu verwerfen sind.
III.
17 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1227). Danach tragen die beteiligten Ehegatten zwar unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 150 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG grundsätzlich - sofern wie vorliegend ein Drittbeteiligter ein erfolgreiches Rechtmittel einlegt - die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens jeweils hälftig (§§ 91, 100 ZPO), während die außergerichtlichen Kosten - vorbehaltlich einer abweichenden Billigkeitsentscheidung - jeder Beteiligte auf sich behält. Beruht das Obsiegen des Drittbeteiligten jedoch auf neuem Vorbringen, das bei Anwendung der im Rechtsverkehr erforderlichen Sorgfalt unschwer bereits in einem früheren Rechtszug hätte geltend gemacht werden können, sind dem Drittbeteiligten in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen (Johannsen/Henrich-Markwardt, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 150 FamFG, Rn. 15; OLG Naumburg FamRZ 2002, 1631). Insofern ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin über einheitliche Versorgungsanrechte keine einheitlichen Auskünfte erteilt; dass die Versorgungsanrechte aus technischen Gründen unter mehreren Versicherungsnummern geführt werden steht einer einheitlichen Auskunftserteilung jedenfalls nicht entgegen. Da das Beschwerdeverfahren nur deshalb erforderlich wurde, weil die Beschwerdeführerin erstinstanzlich eine unvollständige Auskunft erteilt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass sie zumindest die Gerichtskosten zu tragen hat. Nachdem die Ehegatten jeweils unzulässige Anschlussbeschwerden eingelegt haben, entspricht es im Übrigen billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Gleiches gilt nach dem Rechtsgedanken des § 150 Abs. 3 FamFG für die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin, die diese ebenfalls selbst trägt.
18 
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren folgt - ausgehend von einem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen beider Ehegatten in Höhe von 12.000 EUR und einem mit 10% hiervon zu bewertenden Anrecht - aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen