| |
| Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die vorläufige Regelung des Sorgerechts für das Kind L. M., geboren am ... Bezüglich der Feststellungen wird zunächst auf die am 09.10.2020 und 16.11.2020 erlassenen Beschlüsse des Familiengerichts Bruchsal Bezug genommen. Ergänzend ist festzustellen, dass das Familiengericht im Hauptsacheverfahren (Az.: 1 F 1096/20) zur Vorbereitung der Entscheidung ein psychiatrisches Gutachten zur Abklärung der Frage eines Betäubungsmittelmissbrauchs durch die Mutter und ein Gutachten zur Abklärung einer psychischen Erkrankung der Mutter in Auftrag gegeben. L. wurde am 09.10.2020 in Obhut genommen. |
|
| Das Familiengericht hat den Eltern mit am 09.10.2020 erlassenem Beschluss ohne mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten, das Umgangsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Beantragung öffentlicher Leistungen für ihren Sohn L. entzogen und im Umfang der Entziehung Ergänzungspflegschaft angeordnet. Der teilweise Sorgerechtsentzug wurde nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 16.11.2020 aufrechterhalten. |
|
| Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Familiengericht im Wesentlichen aus, zu seiner Überzeugung sei bei L. zumindest von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen. Die Mutter neige zu erheblichen Impulsdurchbrüchen, auch körperlicher Art. Zwischen dem am 01.07.2004 geborenen L. und der Mutter sei es im Juni 2020 zu einer häuslichen Auseinandersetzung gekommen, bei der die Mutter L. mit einem Küchenmesser bedroht und möglicherweise auch verletzt habe. L. habe daraufhin um seine Inobhutnahme gebeten und mitgeteilt, es käme seit rund 1 1/2 Jahren zu körperlichen und verbalen Übergriffen der Mutter. In der Folgezeit habe L. für drei Wochen nicht im Haushalt der Mutter gelebt. |
|
| Am 22.06.2020 sei eine Familienhilfe mit 40 Stunden im Monat sowie eine Schulbegleitung für L. in der Familie installiert worden. In der Folgezeit sei die Mutter für Familienhilfe, Schule und Verfahrensbeistand nicht erreichbar gewesen. Die Schule habe am 08.10.2020 mitgeteilt, dass die Mutter nicht erreichbar sein. Ansprechpartner für die Schule sei der 15jährige A. L. erscheine täglich mit verschmutzter und nicht dem Wetter angepasster Kleidung. Es komme öfter vor, dass L. zuhause vor verschlossener Tür stehe. Er verfüge über eine sehr geringe Frustrationstoleranz und sei gegenüber seinen Mitschülern verbal (“Ich zünde den ganzen Spielplatz an, damit ihr keinen mehr habt“ und körperlich (Werfen einer Schere nach einem Mitschüler) übergriffig. Zudem reagiere er mit einem totalen körperlichen Rückzug. |
|
| Die Instabilität der Mutter werde insbesondere durch die fachärztliche Expertise des Sachverständigen Prof. G. vom 11.11.2020 dokumentiert. |
|
| Auch dem Vater sei das Sorgerecht teilweise zu entziehen. Er sei seit Februar 2019 in der Familie nicht mehr präsent. Es bestehe nahezu kein Kontakt zu den Kindern. Seine Haftentlassung stehe zum 03.02.2021 an. Aufgrund des dysfunktionalen Familiensystems müsse im Falle einer Ausübung des Sorgerechts durch den Vater von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden. |
|
| Die Mutter hat gegen den ihr am 16.11.2020 zugestellten Beschluss vom 16.11.2020 mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30.11.2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen, Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Beschlüsse vom 09.10.2020 und 16.11.2020 insoweit aufzuheben, als ihr das Sorgerecht entzogen und Ergänzungspflegschaft angeordnet wurde. Zudem sucht sie um Verfahrenskostenhilfe für ihre Rechtsverfolgung nach. |
|
| Die Mutter trägt im Wesentlichen vor, ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt. Ihr sei mit Beschluss vom 11.11.2020 ein Schriftsatzrecht bis 15.11.2020, einem Sonntag, eingeräumt worden. Die Frist sei daher erst am 16.11.2020 abgelaufen. Das Familiengericht habe seine Entscheidung somit vor Fristablauf erlassen. |
|
| Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses vom 09.10.2020 sei die Situation in der Familie wieder einigermaßen normalisiert gewesen, so dass eine Herausnahme des Kindes diesem mehr schade als nützte. An dem Ergebnis des vorliegenden Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G. bestünden Zweifel. Der Sachverständige habe nach einem rund fünfzehnminütigen Gespräch den Raum verlassen, ohne ihr mitzuteilen, ob das Gespräch weitergeführt werden solle. Nachdem der Sachverständige sie nahezu eine halbe Stunde ohne weitere Information habe warten lassen, habe sie ebenfalls den Raum verlassen. Dem Sachverständigen sei es während der kurzen Explorationszeit nicht möglich gewesen, sich ein Bild von ihrem psychischen Zustand zu machen. Drogen habe sie nie konsumiert. Die subjektiven Schilderungen der Mitarbeiter des Jugendamts beruhten darauf, dass sie mit ihrer eigenwilligen Persönlichkeit nicht zurecht käme. |
|
| Eine erhebliche Kindeswohlgefährdung lasse sich auch nicht aus der positiven Entwicklung des Kindes nach seiner Herausnahme aus dem mütterlichen Haushalt schließen. Eine positive Entwicklung hätte auch eintreten können, wenn vorher keine Kindeswohlgefährdung stattgefunden hätte. Soweit L. Sozialkontakte zu Gleichaltrigen in der Schule habe, handele es sich nicht um neue Bekanntschaften, sondern um die Kinder, die in seiner Nachbarschaft wohnen und mit denen er sonst auch gespielt habe. |
|
| Die „Situation mit ihrem Stalker“ habe sich entspannt. Ein Umzug in ein Frauenhaus sei kein Thema mehr. Sie habe seit Juli 2020 keinen „aktiven Kontakt“ mehr zu Herrn M. |
|
| Sie habe in der Vergangenheit im Wesentlichen alle wichtigen Termine wahrgenommen so gut es ihr möglich gewesen sei. Sie könne allerdings nicht jeden beliebigen Termin der ihr zugemutet werde einhalten, da sie vier Kinder zu betreuen habe, die sie teilweise zur Schule begleite und abhole. Zudem habe sie sich um eine Teilzeitbeschäftigung bemüht, um die finanzielle Lage der Familie zu verbessern. |
|
| Die Wohnungssituation der Familie habe sich nicht verschlechtert. Eine Kündigung stehe nicht mehr im Raum. |
|
| Aufgrund des starken Zusammenhalts zwischen ihr und ihren Söhnen stelle die Herausnahme ein traumatisches Erlebnis dar. |
|
| Das Jugendamt trägt vor, der Verdacht eines Drogenkonsums der Mutter sei bereits anlässlich diverser Polizeieinsätze im Haushalt der Mutter von den an den Einsätzen beteiligten Beamten geäußert worden. Die Konflikte zwischen der Mutter und ihrem (Ex)-Lebensgefährten Herrn M. hätten sich aktuell beruhigt. Es sei jedoch davon ausgehen, dass weiterhin Kontakt zwischen der Mutter und Herrn M. bestehe. Die Polizei zweifele die Glaubwürdigkeit der Angaben der Mutter bezüglich der Vorfälle mit Herrn M. an. Die Vermieterin habe erklärt, dass die Mutter nur in der Wohnung bleiben könne, falls es zu keinen weiteren Ruhestörungen mehr komme, die Mutter den Umgangston gegenüber ihren Kindern ändere und diese nicht mehr so vulgär beschimpfe. Nach neuesten Informationen seien die Mietzahlungen eingestellt worden. |
|
| Es handele sich um einen äußerst komplexen Fall. Um mehr Klarheit zu erhalten seien die Ergebnisse der im Hauptsacheverfahren in Auftrag gegebenen Gutachten abzuwarten. Die Herausnahme der Kinder sei verhältnismäßig. |
|
| Der Verfahrensbeistand hat erstinstanzlich erklärt, er sehe eine akute Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Mutter. Die Situation der Mutter sei nicht geklärt. Er mache sich „allergrößte Sorgen“, weil er die Familie schon so lange kenne und sich dafür eingesetzt habe, dass die Familie eine Chance erhalte. Aktuelle sehe er eine überforderte Mutter, die sich kontinuierlich der Familienhilfe entziehe. Mittlerweile habe A. die wesentliche Betreuung seines Bruders L. übernommen. Die gesundheitliche Situation der Mutter sei völlig ungeklärt. Er appelliere ausdrücklich dafür, L. derzeit im Heim zu belassen. Im Beschwerdeverfahren hat sich der Verfahrensbeistand nicht geäußert. |
|
| Die Akten des Hauptsacheverfahrens (Amtsgericht Bruchsal Az.: 1 F 1096/20) und des Verfahrens betreffend J. M. (Amtsgericht Bruchsal 1 F 1294/20) wurden beigezogen. |
|
| |
| Ein Eingriff in die Personensorge setzt nach §§ 1666, 1666a BGB das Vorliegen einer erwiesenen Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls voraus und den Umstand, dass die Eltern nicht bereit oder nicht in der Lage sind, diese Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Da Eltern gemäß Art. 6 GG die primäre Entscheidungszuständigkeit in Belangen ihrer Kinder zusteht, ist der Staat nicht bei jedem Versagen oder jeder Nachlässigkeit der Eltern berechtigt, den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder zu entziehen. Es gehört nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramtes, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung ihrer Kinder zu sorgen. Vielmehr zählen die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Ein Eingriff in das Sorgerecht der Eltern erfordert daher eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefährdung des Kindeswohls. Die Gefahr muss in einem solchen Maße vorhanden sein, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Die konkrete Gefährdung als Voraussetzung eines Eingriffs ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festzustellen. Dabei muss die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Gefährdung auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (vgl. BGH FamRZ 2019, 598 ff, Rz. 18). |
|
| Einstweilige Anordnungen können gemäß § 49 FamFG ergehen, wenn sie nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges gerichtliches Einschreiten besteht. In Kindschaftssachen besteht ein dringendes Bedürfnis zu sofortigem, einstweiligen Einschreiten, wenn eine Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die den Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, obwohl die Gefahrenlage besteht, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch eine vorläufige Maßnahme eintreten können, die trotz fehlender Gefahrenlage ergeht. Bei der erforderlichen Abwägung ist insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und dessen Ausmaß zu berücksichtigen. Im Eilverfahren bleiben die möglichen Aufklärungsmöglichkeiten in der Regel hinter den im Hauptsacheverfahren bestehenden Möglichkeiten zurück. Trotzdem ist ein Sorgerechtsentzug im Eilverfahren nicht ausgeschlossen. Allerdings muss die Tatsachengrundlage des Eingriffs umso gesicherter sein, je schwerer die auferlegte Belastung wiegt und je unabänderlicher sie ist (vgl. BVerfG FamRZ 2014, 907, Rn. 20 ff; BVerfG FamRZ 2018, 1087 ff Rn. 28). |
|
| Nach diesem Maßstab hat das Amtsgericht der Mutter im Ergebnis zu Recht vorläufig Teile des Sorgerechts entzogen. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtig nur durch einen vorläufigen Sorgerechtsentzug abwendbaren Kindeswohlgefährdung. |
|
| Nach den bisher durchgeführten Ermittlungen muss davon ausgegangen werden, dass das körperliche und psychische Wohl des Kindes bei einer derzeitigen Rückkehr in den Haushalt seiner Mutter gefährdet wäre. Es ist jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren davon auszugehen, dass die Mutter derzeit ihren Versorgungs- und Erziehungsaufgaben nicht nachkommen kann. Der im Hauptsachverfahren beauftragte Sachverständige Prof. Dr. med. G. hat die Mutter zwar nicht ausführlich begutachtet, aufgrund seiner Beobachtungen und der ihm vorliegenden Unterlagen jedoch in seinem Gutachten vom 11.11.2020 nachvollziehbar ausführt, dass er die Mutter „als mit hoher Wahrscheinlichkeit chronisch psychisch krank erlebt mit formalen und inhaltlichen Denkstörungen, wahnhafter Realitätsverkennung, dissozial-grenzüberschreitendem Verhalten, einer sehr hohen Impulsivität, einem hohen Aggressionspotential, extremen Stimmungsschwankungen (innerhalb einer Minute) und einem abklärungsbedürftigen Suchtpotential“. Diese Feststellungen des Sachverständigen stehen in Übereinstimmung mit den Angaben des zuständigen Jugendamtes. Das Jugendamt berichtet von mehreren Einsätzen der Polizei in der Wohnung der Mutter, nachdem diese, auch im Beisein ihrer Kinder, von ihrem ehemaligen Freund angegriffen worden sei. Zudem sei von mehreren Nachbarn berichten worden, die Mutter falle durch aggressives Schreien, Beleidigungen und verbalen Aggressionen gegenüber ihren Kindern auf. Bei dieser Sachlage bestehen hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtigen, nur durch einen vorläufigen Sorgerechtsentzug abwendbaren, Kindeswohlgefährdung. Die endgültige Abklärung der Erziehungsfähigkeit der Mutter muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten blieben. Das Ergebnis der Gutachten zur Prüfung einer psychischen Erkrankung der Mutter und eines Drogenkonsums der Mutter kann im vorliegenden Eilverfahren nicht abgewartet werden. |
|
| Entgegen den Behauptungen der Mutter liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie lediglich in eine vorübergehende Krise geraten ist. Wie dem Senat aus dem Verfahren 20 UF 156/18 bekannt ist, kam es bereits während des Zusammenlebens der Mutter mit dem Vater der Kinder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, in die die Kinder involviert wurden. Zudem hat L. im Juni 2020 berichtet, es käme seit rund 1 1/2 Jahren zu verbalen und körperlichen Angriffen der Mutter auf die Kinder. Der Sachverständige, Jugendamt und Schule haben noch Monate nach der (angeblichen) Beendigung der Beziehung der Mutter zu Herrn M. festgestellt, dass die Mutter aufgrund psychischer Auffälligkeiten nicht in der Lage ist, ihre Kinder angemessen zu versorgen und zu schützen. |
|
| Es liegen erhebliche Anhaltspunkte für eine bereits eingetretene Gefährdung der seelischen Gesundheit des Kindes vor. Nach dem Bericht seiner Klassenlehrerin der Schulleitung vom 08.10.2020 zeigt L. Auffälligkeiten in der Schule, die auf eine „starke Vernachlässigung“ durch die Mutter hinweisen. Auch für die Schule sei die Mutter telefonisch nicht erreichbar. Sie erscheine auch nicht zu vereinbarten Elterngesprächen. Für die Schule sei A., der 15jährige Bruder des Kindes, ein Ansprechpartner. Obwohl L. dringend Hilfe benötige, habe die Mutter, entgegen ihrer entsprechenden Zusage, die Diagnose ADHS nicht bei der Kinderpsychiaterin abklären lassen. Es sei auffällig, dass L. täglich mit verschmutzter und nicht dem Wetter angepasster Kleidung in die Schule komme. Seine Schuhe seien kaputt oder nicht passend. Es sei auch bereits vorgekommen, dass L. nach Schulschluss die Wohnung nicht habe betreten können, weil seine Mutter nicht zuhause gewesen sei. Durch die familiäre Situation und die starke Vernachlässigung durch die Mutter zeigten sich in der in der Schule im Verhaltens-, Sozial- und Lernbereich große Defizite des Kindes. L. habe eine sehr geringe Frustrationstoleranz und zeige ein aggressives Verhalten. Er spucke andere Kinder an und schotte sich ab, in dem er sich beispielsweise die Kapuze über den Kopf ziehe. Er sei in keiner Weise zugänglich oder gesprächsbereit. Er beleidige (“blöde Kuh“), beschimpfe, unterstelle Unwahrheiten (“Ihr seid Diebe“) und drohe (“Ich zünde den ganzen Spielplatz an, damit ihr keinen mehr habt“). |
|
| Zudem muss aufgrund des von dem Sachverständigen festgestellten und vom Jugendamt berichteten hohen Aggressionspotentials der Mutter und der im Juni 2020 erfolgten Bedrohung L.s mit einem Messer davon ausgegangen werden, dass auch das körperliche Wohl des Kindes im Haushalt ihrer Mutter gefährdet ist. Insgesamt haben sich die Erkenntnisse so verdichtet, dass ein sofortiges Einschreiten zur Abwendung einer weiteren seelischen und körperlichen Gefahr für L. im summarischen Verfahren erforderlich ist, um eine weitere Kindeswohlgefährdung abzuwenden und die Gesamtsituation des Kindes, trotz der mit der Herausnahme verbundenen psychischen Belastung, zu verbessern (vgl. BVerfG FamRZ 2020,1562 Rz. 25). Die konkrete Feststellung von Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der Kindeswohlgefährdung (vgl. BVerfG a.a.O. Rz. 23) ist bei dieser Sachlage dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten. |
|
| Der teilweise Sorgerechtsentzug ist verhältnismäßig. Eine Zusammenarbeit der Mutter mit dem Helfersystem war in den vergangenen Monaten nicht möglich. Die Mutter war immer wieder für Schule, Jugendamt und Familienhelferin nicht erreichbar. |
|
| Ob der Senat auf die Beschwerde der Mutter hin auch den Sorgerechtsentzug des Vaters zu überprüfen hat (vgl. hierzu A. Fischer in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl 2018, § 69 Rn. 33) kann dahin stehen, da der teilweise Sorgerechtsentzug des Vaters jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren gerechtfertigt ist. Der Vater ist derzeit noch inhaftiert und schon aus diesem Grund zur Betreuung der Kinder nicht in der Lage. Wie er bei seiner Anhörung am 11.11.2020 erklärt hat, vertritt er die Auffassung, die Kinder seien im Haushalt der Mutter am besten aufgehoben. Der teilweise Sorgerechtsentzug des Vaters ist daher erforderlich, um derzeit eine Rückführung J.s in den Haushalt der Mutter zu verhindern. |
|
| Der Senat hat gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 und 3 FamFG in der Sache zu entscheiden. Das Familiengericht hat zwar durch die Entscheidung vor Ablauf (§§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 2 ZPO) der mit Beschluss vom 11.11.2020 gesetzten Frist das rechtliche Gehör der Mutter verletzt, eine Zurückverweisung wurde jedoch nicht beantragt. Zudem konnte das rechtliche Gehör ohne aufwendige oder umfangreiche Beweisaufnahme im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. |
|
| Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 68 Abs. 3 FamFG verzichten. Eltern und Kind wurden erst im November 2020 vor dem Familiengericht angehört. Da im Beschwerdeverfahren keine Umstände vorgetragen wurden oder ersichtlich sind, die Anhaltspunkte für eine Veränderung der kindeswohlgefährdenden Situation bieten, konnte von einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren abgesehen werden (vgl. BVerfG FamRZ 2018, 1084 ff Rz. 29). |
|
| |
| 2. Der Antrag der Mutter auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückzuweisen, §§ 76 FamFG, 114 ZPO. |
|
| Gemäß §§ 76 FamFG, 114 ZPO erhält ein bedürftiger Beteiligter Verfahrenskostenhilfe, falls die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Auch in Amtsverfahren darf Verfahrenskostenhilfe nur bei hinreichender Erfolgsaussicht bewilligt werden (vgl. Viefhues in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018 Rn. 23, 35). Zwar ist Eltern für erstinstanzliche Verfahren nach § 1666 BGB i.d.R. Verfahrenskostenhilfe zu gewähren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2005 - 10 WF 295/05 m.w.N.; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 706). Dies folgt bereits aus dem Gesichtspunkt der notwendigen Verfahrensbeteiligung. Etwas anderes gilt aber für ein von dem bedürftigen Elternteil eingeleitetes Beschwerdeverfahren. Hier hat es bei der gesetzlichen Regelung der §§ 76 FamFG, 114 ZPO zu verbleiben. |
|
| Eine Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des die Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 114 ZPO Rn. 22 m.w.N.). Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient allerdings nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der Verfahrenskostenhilfe zu verlagern. Deshalb ist Verfahrenskostenhilfe schon dann zu gewähren, wenn (nur) eine hinreichende Erfolgsaussicht für das beabsichtigte Verfahren besteht, ohne dass der Erfolg schon sicher sein muss (vgl. Groß in: Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 114 Voraussetzungen Rn. 37). Die Mutter hat im Beschwerdeverfahren jedoch keine Umstände vorgetragen, mit denen sich das von ihr gewünschte Ergebnis begründen lässt (s.o. unter Ziffer 1). |
|
| 3. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 70 Abs. 4 FamFG (einstweilige Anordnung), §§ 76 Abs. 2 FamFG , 127 Abs. 2 Satz2 ZPO analog (Verfahrenskostenhilfe). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt in Verfahren, in denen die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe, wie im vorliegenden Fall, mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt wird nicht in Betracht (BGH NJW 2003, 1126 f. Rz. 8). |
|