Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (6. Zivilsenat) - 6 U 134/17

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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30.12.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Gründe

I.

1

Der Darstellung tatsächlicher Feststellungen i.S.d. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist; der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).

II.

2

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

3

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfüllt. Die Klägerin hat unter - erneuter - Darlegung ihrer Rechtsauffassung die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht gerügt und ausgeführt, warum sie die drei tragenden Elemente der Verjährungseinrede (Verjährungsfrist, Verjährungsbeginn und nicht erfolgte Hemmung) - anders als das Landgericht - nicht für gegeben erachtet. Dieses Vorbringen ist auf den Streitfall zugeschnitten und stellt keine lediglich formelhafte Berufungsbegründung dar (vgl. auch das von Klägerseite mit Schriftsatz vom 16.01.2018 vorgelegte Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 05.01.2018 - 4 U 85/17).

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2. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens nach § 16 Nr. 1 d) des Gesellschaftsvertrags zu. Es kann dahinstehen, in welcher Höhe sich ein negatives Abfindungsguthaben ergibt, denn jedenfalls ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch verjährt, vgl. § 214 Abs. 1 BGB.

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a) Der Anspruch der Klägerin verjährt innerhalb der dreijährigen Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt eine analoge Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist nach §§ 54 Abs. 4, 62 Abs. 3 AktG nicht in Betracht.

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aa) §§ 54, 62 AktG dienen dem Erhalt des Eigenkapitals einer Aktiengesellschaft als Kapitalgesellschaft. Nach der Rechtsprechung der Bundesgerichtshofs (BGH ZIP 2006, 703, Rdnrn. 24 f.; NJW-RR 2014, 147, Rdnr. 20 - alle Entscheidungen [soweit nicht anders angegeben] zitiert nach juris) ist ein - auch atypisch - stiller Gesellschafter wie der Beklagte im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsregeln nur dann wie der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zu behandeln, wenn er aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft weitgehend einem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft gleichsteht.

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bb) Der Beklagte ist aufgrund des Gesellschaftsvertrags (Anlage B 1, Bl. 37 ff. d. A.) jedenfalls hinsichtlich seines Einflusses auf die Geschicke der Klägerin - einer Aktiengesellschaft - nicht weitgehend einem Aktionär gleichgestellt. Zwar hat der Beklagte nach § 7 des Gesellschaftsvertrags das Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, auf denen er sich auch von Dritten vertreten lassen kann, doch handelt die Klägerin als Aktiengesellschaft nicht durch die Gesellschafterversammlung, sondern durch ihren Vorstand, der vom Aufsichtsrat kontrolliert wird, vgl. §§ 76 Abs. 1, 111 AktG. Die Aktionäre üben ihre Rechte gemäß §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 119 Abs. 1 AktG in der Hauptversammlung aus und beschließen dabei insbesondere über die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, die Verwendung des Bilanzgewinns sowie die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Der Beklagte als stiller Gesellschafter ist weder stimmberechtigter Teilnehmer der Hauptversammlung noch hat er Einfluss auf die Zusammensetzung von Vorstand, Aufsichtsrat oder Hauptversammlung als Organe der Klägerin. Eine Einflussnahme auf den laufenden Geschäftsbetrieb der Klägerin ist dem Beklagten damit nicht möglich; er hat nach § 5 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags im Rahmen der Gesellschafterversammlung lediglich die Möglichkeit, im Innenverhältnis zur Klägerin die Zustimmung zu Geschäften zu verweigern, die über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehen. Dementsprechend beschreibt § 1 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags die Stellung des Beklagten als der eines Kommanditisten (in einer KG) vergleichbar; eine aktive Gestaltung der Geschicke der Klägerin ist dem Beklagten nicht möglich.

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b) Der Lauf der Regelverjährung hat mit dem Schluss des Jahres 2011 begonnen, denn zu diesem Zeitpunkt war ein etwaiger Anspruch der Klägerin entstanden und fällig. Die Klägerin war bereits Ende des Jahres 2011 in der Lage, zumindest eine Feststellungsklage zur Geltendmachung ihres Anspruchs zu erheben; dies ist ausreichend für eine Entstehung des Anspruchs gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch die subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB lagen zu diesem Zeitpunkt vor.

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aa) Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die Kündigung des Beklagten zum Ende des Jahres 2011 wirksam geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsteht der Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben bzw. ein Verlustausgleichsanspruch mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und wird gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig, soweit eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist (vgl. BGH ZIP 2017, 517, Rdnr. 14; Urteil vom 06.12.2016 - II ZR 262/15, Rdnr. 13; ZIP 2010, 1637 Rdnr. 8).

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bb) Die Fälligkeit des (negativen) Abfindungsguthabens war nicht durch § 16 Nr. 1 f) Satz 1 des Gesellschaftsvertrags um ein Jahr nach dem Wirksamkeitszeitpunkt der Kündigung hinausgeschoben. Diese Regelung des Gesellschaftsvertrags betrifft nach ihrem klaren Wortlaut lediglich den Fall eines positiven Abfindungsguthabens, d.h. die Konstellation, dass dem ausscheidenden Gesellschafter ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zusteht und nicht umgekehrt. Nach Satz 2 der Klausel soll bei der Auszahlung von Abfindungsguthaben nämlich Rücksicht auf die Liquiditätslage der Klägerin genommen werden; bei einer gegebenenfalls notwendigen ratenweisen Auszahlung des Abfindungsguthabens sind die Restraten zu verzinsen. Die Regelung dient damit insgesamt ersichtlich dazu, der Klägerin einen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass sie das Abfindungsguthaben erst ein Jahr nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters auszahlen muss. Allein die systematische Stellung der Klausel unter § 16 des Gesellschaftsvertrags, der allgemein u.a. das „Abfindungsguthaben“ unter verschiedenen Gesichtspunkten regelt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Möglichkeit eines Anspruchs der Klägerin wegen eines negativen Auseinandersetzungsguthabens ist in dem gesonderten Gliederungspunkt § 16 Nr. 1 d) des Gesellschaftsvertrags auf derselben Gliederungsebene wie die hinausgeschobene Fälligkeit des (positiven) Abfindungsguthabens nach § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags geregelt. Das Hinausschieben der Fälligkeit eines von der Klägerin auszuzahlenden Auseinandersetzungsguthabens steht damit selbständig neben dem anderen Aspekt eines sich möglicher-weise ergebenden negativen Auseinandersetzungsguthabens; das eine ist nicht lediglich als Untergliederungspunkt im Rahmen des anderen statuiert. Vielmehr dient die in § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags enthaltene Fälligkeitsregelung allein dem Schutz der Vermögensinteressen der Klägerin (vgl. BGH ZIP 2017, 517, Rdnr. 15; Urteil vom 06.12.2016 - II ZR 262/15, Rdnr. 14).

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cc) Selbst wenn man § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags als dahingehend auslegungsfähig erachten wollte, dass er auch den Fall eines negativen Auseinandersetzungsguthabens betreffen soll, würden jedenfalls in Anlehnung an § 305 c Abs. 2 BGB die Zweifel bei der Auslegung zu Lasten der Klägerin als Verwender gehen (vgl. BGH ZIP 2016, 518, Rdnr. 14).

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(1) Nach der Unklarheitenregel ist zunächst zu prüfen, ob beide Auslegungsmöglichkeiten wirksam sind. Falls eine der beiden Auslegungen zur Unwirksamkeit der Klausel im Rahmen der Inhaltskontrolle führt, ist diese Auslegungsmöglichkeit als scheinbar kundenfeindlichste als die in Wahrheit dem Kunden günstigste maßgebend (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 305 c, Rdnr. 18 m.w.N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall; beide Auslegungsvarianten führen insbesondere nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten. Die Möglichkeit einer lediglich ratenweisen Auszahlung eines (positiven) Auseinandersetzungsguthabens gemäß § 16 Nr. 1 f) Satz 2 des Gesellschaftsvertrags stellt nur eine Ausprägung der gesellschafterlichen Treuepflicht des Beklagten dar.

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(2) Daher ist die in der konkreten Fallgestaltung für den Beklagten als Kunden günstigste Auslegung der Klausel maßgebend. Im Individualprozess gilt ein individuell-konkreter Maßstab für die Bestimmung der kundengünstigsten Deutungsmöglichkeit; von mehreren möglichen Deutungen ist derjenigen Geltung zu verschaffen, die sich in der konkreten Regelungssituation für den Kunden als die günstigste erweist (vgl. Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 305 c, Rdnr. 134 m.w.N. sowie das von Klägerseite mit Schriftsatz vom 16.01.2018 vorgelegte Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 05.01.2018 - 4 U 85/17, dort Seite 11 unten). Auch wenn es im Regelfall für einen ausscheidenden Gesellschafter, der ein negatives Auseinandersetzungsguthaben auszugleichen hat, günstiger sein mag, wenn die Fälligkeit des gegen ihn gerichteten Anspruchs in Anwendung von § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags um ein Jahr hinausgeschoben wird, wirkt es sich in der hier zu beurteilenden konkreten Konstellation günstig für den Beklagten aus, wenn man von einer sofort mit dem Ausscheiden des Beklag-ten aus der Klägerin fällig werdenden Anspruch der Klägerin ausgeht und § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags für den Fall eines negativen Auseinandersetzungsguthabens nicht für anwendbar erachtet. Der Beklagte hat sich auf Verjährung berufen; die frühere Fälligkeit führt zu einem früheren Verjährungseintritt und damit zu einem dauerhaften Leistungsverweigerungsrecht. Wenn § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags im vorliegenden Fall Anwendung fände, würde der Lauf der Verjährungsfrist frühestens mit dem Ende des Jahres 2012 beginnen mit der Folge, dass der noch im Jahr 2015 erlassene Mahnbescheid grundsätzlich geeignet gewesen wäre, die Verjährung zu hemmen. Geht man hingegen von der Unanwendbarkeit des § 16 Nr. 1 f) des Gesellschaftsvertrags aus, beginnt - dazu sogleich - die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit dem Schluss des Jahres 2011, so dass Verjährung bereits eingetreten war, als der Mahnbescheid im Jahr 2015 erlassen wurde.

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dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin beginnt die Verjährung bereits mit dem Schluss des Jahres 2011 und nicht erst mit Ablauf des Jahres 2012. Nach der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (ZIP 2017, 517; Urteil vom 06.12.2016 - II ZR 262/15) entsteht der einem Verlustausgleichsanspruch der Klägerin gleichstehende Anspruch auf Ausgleich eines negativen Auseinandersetzungsguthabens, der auf die Rückerstattung von Ausschüttungen hinausläuft, bereits mit der Beendigung der Gesellschafterstellung des Beklagten und wird auch sofort fällig i.S.d. § 271 Abs. 1 BGB, weil eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Die Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin ist nicht erst eine tatsächliche Sekunde nach Ablauf des Jahres 2011 am 01.01.2012 eingetreten, sondern lediglich - in rechtlicher Hinsicht - eine logische Sekunde später mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Klägerin noch im Jahr 2011. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 09.01.2018 betreffen andere Fallgestaltungen.

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(1) § 187 Abs. 1 BGB regelt die Berechnung einer Frist, nicht das Entstehen eines Anspruchs und dessen Fälligkeit.

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(2) „Sofort“ i.S.d. § 271 Abs. 1 BGB kann zwar bei Lieferverpflichtungen und ähnlichen Schulden nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte die Einräumung eines mäßigen Zeitraums zur Bewirkung der Leistung erlauben, dies gilt jedoch nicht im hier gegebenen Fall von Geldschulden (vgl. Staudinger/Bittner, BGB [2014], § 271, Rdnr. 26). Auch braucht ein Schuldner nicht zur Unzeit, im Regelfall also nicht nachts zu leisten (vgl. Staudinger/Bittner, a.a.O.), weshalb eine Leistungsaufforderung in der Nacht regelmäßig keinen Verzug auslösten dürfte, doch war die Klägerin als Gläubiger nicht gehindert, den Anspruch auf ein negatives Auseinandersetzungsguthaben jedenfalls dem Grunde nach durch Einreichung einer Feststellungsklage bereits am 31.12.2011 um 24.00 Uhr geltend zu machen. Dies ist für das Entstehen des Anspruchs i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB und den Eintritt der Fälligkeit ausreichend; es ist nicht erforderlich, dass die Forderung auch beziffert werden kann (vgl. BGH ZIP 2010, 1637, Rdnr. 8 m.w.N.; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 199, Rdnr. 3). Aufgrund der von der Klägerin zur Berechnung ihres Anspruchs mit den Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ...[G] vom 13.08.2013 und 22.06.2017 vorgelegten Unterlagen (Anlagen K 7 und BK 7) ergibt sich, dass bereits am 31.12.2011 feststand, dass sich in jedem Fall ein Rückforderungsanspruch der Klägerin ergeben würde. Das auf diese Dokumente gestützte Vorbringen der Klägerin hat sich der Beklagte für die Zwecke der Verjährungseinrede hilfsweise zu eigen gemacht.

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(a) Der als Ausgangspunkt für die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens bezeichnete Leasing-Substanzwert (“Auseinandersetzungswert“ i.S.d. § 16 Nr. 1 a) des Gesellschaftsvertrags) entwickelte sich seit dem Jahr 2005 negativ. Gegenüber dem für den Eintritt des Beklagten maßgeblichen Wert zum 31.12.2001 von 41,601 Mio. € hat sich der Leasing-Substanzwert bis zum 31.12.2010 um rund 30,6 Mio. € auf nur noch 11,038 Mio. € vermindert (vgl. Seite 8 f. des Schreibens vom 22.06.2017, Anlage BK 7). Aufgrund der vorläufigen Zahlen für das Jahr 2011, die dem Vorstand der Klägerin bereits im Verlauf dieses Jahres bekannt gewesen sein müssen, war zumindest ersichtlich, dass sich der Leasing-Substanzwert zum Ende des Jahres 2011 gegenüber dem Stand vom 31.12.2010 nicht mehr als verdreifachen würde, was notwendig gewesen wäre, um zu einem positiven Auseinandersetzungswert zu gelangen. Tatsächlich betrug der Leasing-Substanzwert zum 31.12.2011 11,271 Mio. €.

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(b) Auch nach der Entwicklung des Kapitalkontos des Beklagten, das neben dem (anteiligen) Auseinandersetzungswert für die Berechnung des Abfindungsguthabens maßgebend sein sollte (vgl. § 16 Nr. 1 c) des Gesellschaftsvertrags), war bereits zum Jahresende 2011 ersichtlich, dass sich beim Ausscheiden des Beklagten ein Anspruch der Klägerin ergeben würde (vgl. die mit der Anlage K 7 vorgelegten Kontenblätter). Das Einlagekonto des Beklagten (Konto 100) stand zu diesem Zeitpunkt fest, Gleiches gilt für das Privatkonto (Konto 300), bei dem die letzte Buchung vom 21.07.2011 datiert. Im Hinblick auf die Gewinn- und Verlustkonten (Konten 200 und 210) konnte ausgeschlossen werden, dass sich im Verlauf des Jahres 2011 eine so hohe Gewinnzuweisung für den Beklagten ergeben würde, dass sich daraus noch ein positives Abfindungsguthaben hätte ergeben können. Die letzte Haben-Buchung war beim Konto 200 zum 31.12.2007 erfolgt, beim Konto 210 zum 31.12.2004. Bereits zum 31.12.2010 lag ein negativer Saldo der Gewinn- und Verlustkonten in einer Größenordnung von 27.000 € vor. Im laufenden Geschäftsjahr 2011 war klar, dass jedenfalls kein substantieller Gewinn wie in den Jahren 2004 bis 2007 in einer Höhe zu erzielen sein würde, der diesen negativen Saldo hätte ausgleichen können. Im Gegenteil ist für das Jahr 2011 eine besonders hohe Verlustzuweisung erfolgt.

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(3) Unzutreffend ist auch die Annahme der Klägerin, auf der Grundlage der Auffassung des Senats käme es bei einem positiven Abfindungswert in der letzten Sekunde des Jahres 2011 zu einer Vermögensverdoppelung in der Person des Anlegers, weil er zum einen noch die werthaltige Beteiligung in seinem Vermögen hält, zum anderen bereits der Anspruch auf das (positive) Abfindungsguthaben als Surrogat entstanden wäre bei zeitgleichem Entstehen des Abfindungsanspruchs mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft. Zwischen dem Ausscheiden aus der Gesellschaft und dem Entstehen des Abfindungsanspruchs liegt eine logische - nicht: eine tatsächliche, als Zeiteinheit zu messende - Sekunde mit der Folge, dass bei rechtlicher Betrachtung eine Vermögensverdoppelung nicht stattfindet.

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ee) Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert nicht die Fälligkeit des Verlustausgleichsanspruchs der Klägerin bereits zum Ende des Jahres 2011.

21

(1) Bei Beendigung einer atypisch stillen Gesellschaft wird der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens - ebenso wie ein eventueller Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers - regelmäßig erst nach der Auseinandersetzung gemäß § 235 Abs. 1 HGB in Form der Durchführung einer Gesamtabrechnung fällig, die der Geschäftsinhaber allerdings nicht ungebührlich hinauszögern darf (vgl. BGH ZIP 2017, 517, Rdnr. 16; Urteil vom 06.12.2016 - II ZR 262/15, Rdnr. 15). Dies gilt jedenfalls im Fall einer Vollbeendigung der stillen Gesellschaft.

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(2) Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Grundsatz eine solche Durchsetzungssperre auch dann gilt, wenn lediglich ein Gesellschafter aus einer fortbestehenden mehrgliedrigen stillen Gesellschaft ausscheidet, ist im vorliegenden Fall die selbständige Geltendmachung eines Einzelanspruchs vor Beendigung der Auseinandersetzung aus-nahmsweise möglich, weil dadurch das Ergebnis der Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens nicht besteht (vgl. BGH ZIP 2015, 1116, Rdnr. 22 m.w.N.). Aufgrund der Ausführungen unter dd) (2) stand bereits zum 31.12.2011 mit Sicherheit fest, dass sich im Rahmen der (weiteren) Auseinandersetzung in jedem Fall ein negatives Auseinandersetzungsguthaben ergeben wird, das zu einem Zahlungsanspruch der Klägerin führt. Damit war bereits am 31.12.2011 klar, dass in jedem Fall nur noch ein Rückforderungsanspruch der Klägerin existieren konnte; die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens bestand unter diesen Umständen nicht mit der Folge, dass die Klägerin schon am 31.12.2011 den Ausgleichsanspruch im Wege einer Feststellungsklage hätte geltend machen können.

23

ff) Schließlich waren auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Beginn der Verjährung nach § 199 Satz 1 Nr. 2 BGB bereits mit Ablauf des Jahres 2011 gegeben. In Anbetracht der unter dd) (2) dargelegten Geschäftsentwicklung der Klägerin stand bereits am 31.12.2011 fest, dass sich irgendein Anspruch der Klägerin ergeben würde. Dies musste der Klägerin ohne grobe Fahrlässigkeit aufgrund der vorläufigen Zahlen für das Jahr 2011 bekannt gewesen sein. Aufgrund der spätestens im Jahr 2010 ausgesprochenen Kündigung des Beklagten war der Klägerin auch bekannt, dass dieser zum 31.12.2011 ausscheiden würde (vgl. § 15 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags). Einer exakten Berechnung des Anspruchs der Klägerin in einer Auseinandersetzungsbilanz bedurfte es zur Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nicht (vgl. BGH ZIP 2010, 1637, Rdnr. 9).

24

c) Da die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit dem Schluss des Jahres 2011 begonnen hatte, war sie schon abgelaufen, als die Klägerin unter dem 28.12.2015 einen Mahnbescheid erwirkte. Der Mahnbescheid war unter diesen Umständen von vornherein nicht geeignet, die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu hemmen. Auf die zwischen den Parteien streitige und vom Landgericht verneinte Frage, ob der Mahnbescheid in seiner konkreten Gestalt die geltend gemachte Forderung hinreichend individualisiert bezeichnet, kommt es danach nicht an.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

27

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

28

Insbesondere liegt auch unter Berücksichtigung des mit Schriftsatz der Klägerseite vom 16.01.2018 vorgelegten Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 05.01.2018 (4 U 85/17) ein Fall des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Fall ZPO nicht vor. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich, weil das Urteil des Senats und das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nicht divergieren. Eine Abweichung, die die Zulassung der Revision rechtfertigt, liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung. Dafür ist die Aufstellung eines abstrakten Rechtssatzes erforderlich, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. Münchener Kommentar/Krüger, ZPO, 5. Aufl., § 543, Rdnr. 14; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 14. Aufl., § 543, Rdnr. 8: Divergenz im strengen Sinne). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zwar geht das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil für eine vergleichbare Konstellation von einem Verjährungsbeginn erst mit dem Schluss des Jahres 2012, mithin vom Ablauf der Verjährungsfrist erst zum Ende des Jahres 2015 aus, doch ist die Entscheidung auf diesen Rechtssatz nicht tragend gestützt. Es kam für das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die Beurteilung des Verjährungsbeginns nicht entscheidungserheblich an, weil nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main der Mahnbescheid vom 28.12.2005 in Ermangelung einer hinreichend individualisierten Anspruchsbezeichnung gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geeignet war, die Verjährungsfrist zu hemmen. Allein diese Erwägung trägt das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.

29

Soweit auch unterhalb der Schwelle einer Divergenz im strengen Sinne die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sein kann, um zu vermeiden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen (vgl. Musielak/Voit/Ball, a.a.O., Rdnr. 8 a), sind die Anforderungen für eine Zulassung der Revision im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Entscheidung des Senats hat keine besondere Bedeutung für die Rechtsprechung im Ganzen und weicht - soweit erkennbar - nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Allein der Umstand, dass ein Gericht einen identischen Sachverhalt anders beurteilt als ein anderes gleichrangiges Gericht, begründet für sich allein noch nicht die Notwendigkeit, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (vgl. Musielak/Voit/Ball, a.a.O.).

30

Schließlich ergibt sich auch aus dem von Klägerseite in der Berufungsverhandlung vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 25.01.2008 (7 U 21/07) keine Divergenz. Das Oberlandesgericht Brandenburg teilt auf Seite 5, 2. Absatz seiner Entscheidung vielmehr die Auffassung des Senats, dass der geltend gemachte Anspruch bereits mit dem Ausscheiden des Beklagten fällig wird (vgl. Bl. 356 d. A.).

31

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 6.053,07 € festzusetzen.

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