Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 8/13

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Dezember 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.695,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr auf 4.578,59 EUR seit dem 6. Mai 2011, 4.282,46 EUR seit dem 17. Februar 2012, 1.229,77 EUR seit dem 10. Juli 2012 und 12.604,52 EUR seit dem 30. August 2013 sowie an das Land Sachsen-Anhalt 30.429,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr auf 9.660,67 EUR seit dem 17. Februar 2012, 6.200,00 EUR seit dem 10. Juli 2012 und 14.568,69 EUR seit dem 30. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 2/5 und die Beklagte 3/5. Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger zu ¼ und der Beklagten zu ¾ auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 70.572,76 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 7.12.2012 Bezug genommen.

2

Der nicht krankenversicherte Betreute erhielt seit September 1999 Leistungen der Sozialhilfe, die zumindest gegen Ende des Jahres 2000 auch Leistungen der häuslichen Pflege umfassten. Ab 1.1.2001 wurde die Pflegestufe III gewährt. In einem medizinischen Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 31.8.2001 (Anlage K9) ist u.a. festgestellt, dass der Betreute eines zweimaligen Verbandswechsels bedurfte. Seinen Allgemeinzustand beschrieb der Arzt als mäßig. Herr H. betreibe Alkoholmissbrauch und liege nur noch im Bett. Der Stütz- und Bewegungsapparat sei funktionell schwer beeinträchtigt. Im täglichen Leben sei der Betreute nur bedingt selbständig bis unselbständig.

3

Seit 2002 bestand - kurz unterbrochen - eine Betreuung. Mit Bescheid vom 1.3.2007 (Anlage K5) wurden im Namen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe mit Wirkung vom 1.1.2005 als Hilfe zur Pflege die Kosten einer besonderen Pflegekraft von monatlich 1.432,00 EUR übernommen. Dem lag ein amtsärztliches Gutachten vom 3.8.2006 zugrunde (Anlage K10), das einen täglichen Gesamtpflegebedarf von 302 Minuten feststellte. Weiter heißt es in dem Bescheid, dass der Betreute eine Erwerbsunfähigkeitsrente und ergänzend Sozialhilfe beziehe. In diesem Zusammenhang wurden durch den Kläger als örtlicher Sozialhilfeträger auch Hilfen zur Gesundheit erbracht, insbesondere die Behandlungskosten getragen bzw. der Krankenkasse nach § 264 SGB V erstattet.

4

Das medizinische Gutachten vom 3.8.2006 geht von einer möglicherweise schon seit dem Jahr 2000 bestehenden eingeschränkten Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung aus. Der Stütz- und Bewegungsapparat sei krankheitsbedingt schwer funktionell eingeschränkt. Bewegen könne sich der Betreute nur noch mit fremder Hilfe.

5

Der Kläger hat behauptet, mit dem Feststellungsbescheid vom 10.2.2009 habe zum 20.6.2008 die Möglichkeit zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V bestanden. Damit hätte gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI auch ein Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Pflegeversicherung begründet werden können, die ab dem 20.6.2010 Leistungen erbracht hätte. Die von den Krankenversicherungen in ihren Satzungen teilweise bestimmten Altersgrenzen, seien nicht überall anzutreffen. So mache die K. (Anlage K19) den Beitritt nicht von einer Altersgrenze abhängig. Auf Vorversicherungszeiten komme es nicht an, weil der Betreute wegen seiner Behinderung diese nicht habe erfüllen können. Herr H. sei zu keiner Arbeit in der Lage gewesen. Damit habe nur die von der Beklagten nicht gewahrte Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V dem Beitritt des Betreuten zur gesetzlichen Krankenversicherung entgegen gestanden.

6

Der auf den Kläger und den überörtlichen Sozialhilfeträger übergegangene Schadensersatzanspruch des Herrn H. sei auf Ersatz der aus den Mitteln der Sozialhilfe erbrachten Behandlungs- und Pflegekosten gerichtet, die der Kläger tabellarisch zusammengefasst hat (Bl. 7 ff., 50 ff. d.A.).

7

Die Beklagte hat behauptet, der Betreute habe zumindest in einer Behindertenwerkstatt arbeiten können. Für die nicht vorhandenen Vorversicherungszeiten sei nicht die Behinderung ursächlich, sondern allein die Tatsache, dass sich Herr H. im Jahr 1991 nach Ende seiner Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht freiwillig weiter versichert habe. Hierzu hat die Beklagte auf den Bescheid der O. vom 28.6.2012 (Anlage B3) verwiesen. Ein Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung scheide aus, wenn zuvor die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung ungenutzt geblieben sei.

8

Außerdem treffe die Beklagte kein Verschulden, da ihr die notwendigen Kenntnisse des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abzuverlangen seien. Zumindest hätte die Klägerseite Auskunfts- und Beratungspflichten verletzt.

9

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat die Klage mit Urteil vom 7.12.2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Beklagten als Einzelbetreuerin im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB seien keine besonderen (juristischen) Fachkenntnisse, wie sie z.B. für Betreuungsvereine gelten würden, vorauszusetzen. Deshalb sei der Kläger nicht von seinen Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten entbunden gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte ohne Hinweis des Klägers dazu Veranlassung gehabt hätte, an eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung des Betreuten zu denken. In dem Moment als der Kläger mit Schreiben vom 7.2.2011 auf die Möglichkeit der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung hingewiesen habe, habe die Beklagte dem mit ihrem an die O. gerichteten Antrag vom 10.3.2011 entsprochen. Dieser sei allerdings abschlägig beschieden worden. Das habe genügt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Beitrittsbedingungen von weiteren 200 Krankenkassen zu prüfen. Der Schadensersatz sei zudem keine Folge fehlender Mitwirkung im Sinne von § 66 SGB I.

10

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Seiner Auffassung nach sei die Beklagte als Betreuerin verpflichtet gewesen, für den Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung zu sorgen und dabei eventuelle Altersbeschränkungen in den Satzungen zu berücksichtigen. Hierzu habe sie sich im Vorfeld Klarheit über die Behandlungs- und pflegerische Situation des Betreuten verschaffen müssen. Der Beklagten sei ausweislich der Anlage BK20 (Bl. 122 rück d.A.), wie der Kläger nunmehr behauptet, auch durchaus klar gewesen, dass Gesundheitshilfe der Sozialhilfeträger gewährt werde. Die Bestellung einer natürlichen Person zum Betreuer habe keinen Einfluss auf die Betreuerpflichten, zumal es sich bei der Beklagten um eine Vereinsbetreuerin handele. Das Landgericht übersehe auch, dass der Kläger hier nicht der zur Beratung berufene Leistungsträger gewesen sei. Auskunftspflichtig sei er nur auf Anfrage gewesen.

11

Weiter behauptet der Kläger, die Beklagte habe mit dem Schwerbehindertenausweis des Herrn H. vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt ein Merkblatt (Anlage K23) ausgehändigt erhalten, aus dem sich eindeutig die Möglichkeit der freiwilligen Krankenversicherung erschließe, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

12

Die Voraussetzungen für den Beitritt zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung hätten vorgelegen. Insbesondere habe der Betreute die Vorversicherungszeit von drei Jahren wegen seiner erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung/Behinderung nicht erreichen können. Wie sich aus den medizinischen Gutachten vom 18.12.2000 (Anlage K28), 27.3.2001 (Anlage K29), 31.8.2001 (Anlage K9) und 2.8.2006 (Anlage K10) sowie den Sozialberichten vom 19.12.2001 (Anlage K26) und 22.1.2008 (Anlage K27) ergebe, hätten seit Oktober 2000 die Voraussetzungen der Pflegestufe III vorgelegen. Mindestens seit dem 8. 3. 1995 habe Herr H. keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen können. Ausweislich des Schreibens der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 29.8.2003 (Anlage K25) sei er seit dem 8. 3. 1995 voll erwerbsgemindert gewesen.

13

Der Kläger hat im Berufungsrechtszug zunächst seine Anträge aus erster Instanz weiter verfolgt (Bl. 108 d.A.). Nachdem Herr H. am 22.2.2013 verstarb, hat der Kläger die Leistungen des örtlichen und des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe abschließend abgerechnet. Unter Berücksichtigung der auch im Falle einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung aufzubringenden Beiträge seien das 25.606,73 EUR aus dem Bereich des örtlichen Sozialhilfeträgers und 44.966,03 EUR, für die der überörtliche Sozialhilfeträger die Verantwortung trage. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 15 ff. des Schriftsatzes vom 27.8.2013 verwiesen.

14

Der Kläger beantragt nunmehr,

15

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 7.12.2012 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.606,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 11.772,44 EUR seit dem 6.5.2011 und aus dem Betrag von 25.606,73 EUR seit Rechtshängigkeit sowie an die Sozialagentur Sachsen-Anhalt weitere 44.966,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 23.514,11 EUR seit dem 6.5.2011 sowie aus 44.966,03 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das Urteil des Landgerichts. Herr H. habe der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beitreten können, da er es 1991 unterlassen habe, sein gesetzliches Krankenversicherungsverhältnis aufrechtzuerhalten. Außerdem habe der Betreute die gesetzlich vorausgesetzte Vorversicherungszeit durch Arbeit in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte erfüllen können. Letztlich sei es vom Kläger versäumt worden, die Beklagte, nachdem sie ihn im Juni 2008 vom Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung informierte (Anlage B1), auf den möglichen und notwendigen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung aufmerksam zu machen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen verwiesen.

II.

20

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg. Die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Der Kläger und das Land Sachsen-Anhalt haben als Träger der Sozialhilfe einen nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X vom Betreuten auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte unterließ es als Betreuerin pflichtwidrig und schuldhaft, die sich mit dem Bescheid des Landesverwaltungsamtes vom 10.2.2009 über § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ergebende Möglichkeit des Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung für den Betreuten zu nutzen.

21

1. Der Kläger macht die Ansprüche des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe zulässigerweise im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft geltend.

22

Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehen gesetzliche Schadensersatzansprüche auf den Träger der Sozialhilfe über, der aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat. Für Leistungen der Sozialhilfe ist gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, soweit nicht die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers besteht. Örtlicher Träger sind die Kreise (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Die überörtlichen Träger bestimmen die Länder (§ 3 Abs. 3 SGB XII). Hierzu ist das AG SGB XII vom 11.1.2005 ergangen (GVBl. LSA S. 8). Gemäß § 2 Abs. 1 AG SGB XII ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe das Land Sachsen-Anhalt (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 2 AG SGB XII; das zur Aufgabenwahrnehmung die Sozialagentur bildete - vgl. Erlass des Ministeriums für Gesundheit und Soziales vom 14.6.2004 ).

23

Nach § 3 Nr. 2 AG SGB XII obliegen dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 bis 66 SGB XII (vgl. auch § 97 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII). Zur Durchführung dieser Aufgabe werden die örtlichen Träger der Sozialhilfe herangezogen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AG SGB XII). Dazu gehört auch das Klageverfahren zur Durchsetzung der im Sinne von §§ 93, 94 SGB XII auf den überörtlichen Träger übergegangenen zivilrechtlichen Ansprüche (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 19 Bst. a) SGB XII). Gemäß § 93 Abs. 4 SGB XII betrifft das auch den Anspruchsübergang nach § 116 SGB X.

24

Örtlicher Träger der Sozialhilfe sind die Landkreise, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 1 AG SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 SHÜTrADZustV LSA), hier also der Kläger.

25

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sieht sich die Beklagte dem Grunde nach einem Schadensersatzanspruch des Betreuten aus §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgesetzt.

26

a) Mit der Feststellung seiner Schwerbehinderung bestand für die Beklagte die Möglichkeit, den von ihr betreuten Sozialhilfeberechtigten als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterzubringen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und § 20 Abs. 3 SGB XI).

27

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Versorgungsamt mit Bescheid vom 10.2.2009 beim Betreuten eine Schwerbehinderung von 100% unter Bezugnahme auf § 69 SGB IX feststellte (Anlage K8). Schwerbehinderte Menschen können der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI sind freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig.

28

bb) Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Krankenversicherungen, in ihren Satzungen den Betritt von Schwerbehinderten von Altersgrenzen abhängig zu machen, hinderte einen Beitritt des Betreuten nicht. Der Kläger hat anhand der Satzung der K. belegt, dass nicht alle Versicherungen hiervor Gebrauch gemacht haben.

29

cc) Die Vorversicherungszeit von drei Jahren in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt konnte der Betreute wegen seiner Behinderung nicht erfüllen. Ursächlich muss nicht die Behinderung sein, die zur Anerkennung als schwerbehinderter Mensch führte (Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 77. EL 2013, § 9 SGB V Rdn. 33).

30

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Beitrittsmöglichkeit des Betreuten zur gesetzlichen Krankenversicherung mit Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld im Jahr 1991. Andere Gelegenheiten zum Beitritt verbieten es dem Schwerbehinderten nur dann, sich auf das behinderungsbedingte Fehlen von Vorversicherungszeiten zu berufen, wenn das anderweitige Beitrittsrecht in die Fünfjahresfrist (Rahmenfrist) des § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V fiel (BSG, Urteil vom 28.5.2008, B 12 KR 16/07 R - BeckRS 2008, 55776; Peters a.a.O.). Nur für die Dauer der Rahmenfrist kommt es auf die Ursächlichkeit der Behinderung für fehlende Vorversicherungszeiten an. Das Gesetz knüpft den Beitritt ausschließlich an in diesen Zeitraum fallende Vorversicherungsjahre. Für deren Entbehrlichkeit durch die Behinderung kann nichts anderes gelten.

31

Der Betreute konnte nach Überzeugung des Senats wegen seiner Behinderung in den letzten fünf Jahren vor der Beitrittsmöglichkeit keine Vorversicherungszeit von drei Jahren aufweisen. Er war nicht in der Lage, einer Arbeit - selbst in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte - nachzugehen (vgl. § 5 Abs. 1 Nrn. 1, 6, 7, 8 SGB V). Die gegenteilige Behauptung der Beklagten sieht sich durch die zu den Akten gereichten medizinischen Gutachten, Pflegeberichte und Bescheide widerlegt.

32

Die Rahmenfrist des § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von fünf Jahren reichte angesichts des Bescheides des Landesverwaltungsamtes vom Februar 2009 bis in das Jahr 2004 zurück. Die Schwerbehinderung wurde bereits zum 20.6.2008 festgestellt. Zwischen diesem Zeitpunkt und der eröffneten Beitrittsmöglichkeit hinderte den Betreuten also schon die Schwerbehinderung an einer versicherungspflichtigen Tätigkeit. Aber auch davor war die körperliche Verfassung des Betreuten selbst für eine Arbeit in einer Behindertenwerkstatt nicht mehr geeignet. So wurden Herrn H. mit Bescheid vom 8.2.2001 (Anlage K3) Leistungen nach der Pflegestufe III gewährt. Mit Bescheid vom 1.3.2007 (Anlage K5) kam es zur Übernahme der Kosten einer besonderen Pflegekraft, weil der Betreute nach ärztlicher Feststellung 302 Minuten pro Tag fremder Pflege, bestehend aus Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung, bedurfte. Der Pflegestufe III unterfallen Schwerstpflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Bereits das Gutachten vom 28.12.2000 stellte eine Versteifung beider Beine und der Fußgelenke sowie eine Atrophie der Beinmuskulatur fest. Herr H. sei bettlägerig und körperlich schwach. Das folgende Gutachten vom 27.3.2001 vermerkte zwar eine leichte Besserung des Allgemeinzustandes. An den grundlegenden Defiziten hatte sich aber nichts geändert. Im Gutachten vom 31.8.2001 wird dann im Wesentlichen die Unselbständigkeit des Betreuten festgestellt. Herr H. hielt sich zumeist im Bett auf, bedurfte des mehrfachen Verbandswechsels und war alkoholabhängig. Besserungen traten auch in der Folgezeit nicht auf. Vielmehr verschlechterte sich die Situation des Betreuten. Nach dem Gutachten vom 3.8.2006 konnte sich der Betreute nur noch mit fremder Hilfe bewegen. Es ist danach auszuschließen, dass Herr H. zwischen 2004 und 2009 einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen konnte. Was aus ihrer Sicht dementgegen für die Arbeitsfähigkeit des Betreuten sprechen soll, trägt die Beklagte nicht vor. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, den Beweisangeboten des Klägers nachzugehen, weil sich schon aus den unstreitigen Tatsachen die Vorversicherungszeiten ausschließende Behinderung ergibt (§ 286 ZPO).

33

b) Die Beklagte hat pflichtwidrig den rechtzeitigen Beitritt des Betreuten zur gesetzlichen Krankenversicherung unterlassen.

34

Gemäß § 1901 Abs. 1, Abs. 2 BGB hatte die Beklagte alles das zu tun, was durch rechtliches Besorgen der übertragenen Angelegenheiten zum Wohle des Betreuten erforderlich war. Dies umfasste die Pflicht, für einen ausreichenden Versicherungsschutz des Herrn H. im Falle der Krankheit und/oder der Pflege zu sorgen (BSG NJW 2002, 2413, 2414; OLG Brandenburg, Urteil vom 8.1.2008, 6 U 49/07 - BeckRS 2008, 09971; Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl., v. § 1896 Rdn. 16; Wagenitz, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1833 Rdn. 6; Erman/Saar, BGB, 13. Aufl., § 1833 Rdn. 7; Lafontaine, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 1833 Rdn. 13.1). Der schlechte gesundheitliche Zustand des Betreuten und seine bereits mit Bescheid vom 8.2.2001 (Anlage K3) erfolgte Einstufung in die Pflegestufe III gaben hierzu in erhöhtem Maße Anlass.

35

Bestand die Möglichkeit des freiwilligen Beitritts zur gesetzlichen Kranken- und damit Pflegeversicherung, musste diese im Interesse des Betroffenen auch dann wahrgenommen werden, wenn Hilfen zur Gesundheit und zur Pflege von den zuständigen Trägern der Sozialhilfe erbracht wurden. Der nicht versicherte Betreute hat für die Kosten seiner Gesundheit und Pflege selbst aufzukommen. Die Sozialhilfe ist nachrangig (§ 2 SGB XII). Sie erhält nicht, wer durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens oder seines Vermögens selbst für sich sorgen kann (so auch OLG Nürnberg NJW-RR 2013, 836, 837; OLG Hamm, Urteil vom 8.8.2009, 13 U 75/07 - BeckRS 2009, 87058).

36

Der Beitritt kann nur innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Behinderung nach § 68 SGB IX, der auf § 69 SGB IX verweist, angezeigt werden (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V). Diese Frist hat die Beklagte ungenutzt verstreichen lassen. Ihr Antrag an die O. stammt nach den Feststellungen des Landgerichts erst vom 10.3.2011.

37

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts trifft die Beklagte auch ein Verschulden.

38

Wenn das Landgericht seine Entscheidung im Wesentlichen darauf stützt, die Anforderungen an die Sorgfalt der Beklagten als Einzelbetreuerin nach § 1897 Abs. 1 BGB niedrig anzusetzen, übersieht es die unstreitige und von der Einzelrichterin übergangene Tatsache, dass die Beklagte die Betreuung berufsmäßig als Mitarbeiterin eines nach § 1908f BGB anerkannten Betreuungsvereins führte, es sich mithin um eine sog. Vereinsbetreuerin i.S.v. § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB handelte. An derartige Betreuer sind, was das Landgericht nicht verkannt hat, auch in Bezug auf Rechtskenntnisse weitaus strengere Anforderungen zu stellen, als an den Einzelbetreuer (Wagenitz, § 1833 Rdn. 4; Lafontaine, § 1833 Rdn. 47). Denn das Gesetz geht davon aus, dass diese Personen vom Verein beaufsichtigt, weitergebildet und haftpflichtversichert werden und untereinander einen Erfahrungsaustausch pflegen (§ 1908f Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BGB). Es besteht daher kein Grund, bei der im Interesse des Betreuten erforderlichen Sorgfalt Abstriche zu machen. Die Beklagte hat für jede, auch leichteste Fahrlässigkeit einzustehen.

39

Mit der Übernahme der Betreuung im Aufgabenkreis der Gesundheitssorge muss sich der Betreuer über die Gesundheits- und Pflegesituation des von ihm Betreuten Klarheit verschaffen. Die Inanspruchnahme von Hilfe zur Gesundheit und zur Pflege durch Herrn H. ergab sich aus den ergangenen Bescheiden. Schließlich teilte die Beklagte dem Kläger den Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung mit, womit ihr Leistungen der Sozialhilfe bekannt waren. Dass diese nur nachrangig gewährt werden, muss ein Vereinsbetreuer beachten und bei einem Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung im Auge behalten. Erhält er daraufhin ein Merkblatt ausgehändigt, aus dem die Möglichkeit des Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung unmissverständlich hervorgeht, muss er reagieren und im Interesse des Beitritts tätig werden.

40

Unabhängig davon hatte die Beklagte spätestens nach Erhalt des Merkblattes die Krankenversicherung ihres Betreuten zu prüfen und bei ihrem Fehlen rechtzeitig den Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erklären. Die für dieses sachgemäße Vorgehen notwendigen Kenntnisse sind bei einem Vereinsbetreuer vorauszusetzen. Zumindest muss er die Möglichkeiten der Beratung oder Auskunft nach §§ 14, 15 SGB I oder die Erfahrung des Betreuungsvereins nutzen. Das gilt natürlich auch für das Auffinden solcher Krankenversicherungen, die keine Altersgrenze vorsehen. Auch in diese Richtung blieb die Beklagte untätig. Das ihr vom Landgericht zu Unrecht zugestandene Kenntnis- und Beratungsdefizit geht damit gerade nicht auf den Kläger, sondern auf die Beklagte selbst zurück und würde ihr auch als Einzelbetreuerin zum Verschulden gereichen (OLG Nürnberg a.a.O.; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1908i Rdn. 23).

41

d) Die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten hat den Betreuten geschädigt.

42

Herr H. wurde nicht freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und damit der Pflegeversicherung (vgl. § 20 Abs. 3 SGB XI). Er musste weiterhin die Kosten für die Gesundheit und die Pflege selbst aufbringen. Die Leistungen der Sozialhilfe ließen den Schaden weder ganz noch teilweise entfallen. Sie sind nachrangige Hilfen für den Bedürftigen, die dem Schädiger nicht zugutekommen sollen; sie haben den Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Folge (Palandt/Grüneberg, vor § 249 Rdn. 85 m.w.N.).

43

e) Mit ihrer Bestellung als natürliche Person zur Betreuerin trafen die Beklagte die genannten Pflichten. Für deren Verletzung hat sie kraft des mit dem Bestellungsakt begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses (Wagenitz, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1833 Rdn. 1; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1908i Rdn. 23) auch persönlich einzustehen (so § 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB; kein Fall der §§ 1900 Abs. 1 Satz 1, 1908i Abs. 1 Satz 1, 1791a Abs. 3 Satz 2 BGB). Nicht umsonst wird der Betreuungsverein verpflichtet, eine angemessene Versicherung vorzuhalten (§ 1908f Abs. 1 Nr. 1 BGB).

44

3. Der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Betreuten gegen die Beklagte geht dem Übergang anderer Ansprüche im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB XII vor (§ 93 Abs. 4 SGB XII). Die sachliche und zeitliche Kongruenz zwischen den Sozialleistungen und dem schädigenden Ereignis ist unproblematisch gegeben. Gerade weil der Betreute weder Kranken- noch Pflegeversicherung besaß, mussten der örtliche und überörtliche Träger der Sozialhilfe Hilfe zur Gesundheit und zur Pflege leisten (so auch OLG Nürnberg NJW-RR 2013, 836 f.).

45

4. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe den Schaden verursacht, weil er sie nicht auf die Beitrittsmöglichkeit hingewiesen habe, ist nicht erheblich.

46

Zunächst erscheint es bereits fraglich, ob neben dem mitwirkenden Verschulden des Geschädigten (vgl. § 116 Abs. 3 SGB X) ein Mitverschulden des Sozialhilfeträgers Bedeutung gewinnen kann. Die Beklagte könnte dem Betreuten, um dessen Schadensersatzanspruch es hier geht, wohl kaum entgegen halten, der Kläger habe Beratungs- und Auskunftspflichten verletzt.

47

Im Ergebnis muss der Senat dies nicht weiter vertiefen. Es war die Beklagte, die entweder die notwendigen Kenntnisse haben oder sie sich durch eigene Initiative verschaffen musste. Unabhängig davon, ob es sich beim Kläger um den zuständigen Leistungsträger nach §§ 14, 15 SGB I handelte, setzte sein Tätigwerden das Verlangen der Beklagten nach Beratung oder Auskunft voraus. Zu einer Spontanberatung bestand kein Anlass. Denn allein aus der Mitteilung des Antrages an das Landesverwaltungsamt durch die Beklagte vom Juni 2008 im Zusammenhang mit dem Antrag auf Weiterzahlung von Grundleistungen, musste der Kläger bei einem Vereinsbetreuer nicht schließen, es werde sein Rat benötigt. Das Schreiben der Beklagten vermittelte im Gegenteil sogar eher den Eindruck, die Beklagte stelle den Antrag in Kenntnis der sich daraus ergebenden Möglichkeiten.

48

5. Durch den Schadensersatz ist der Betreute so zu stellen, als habe er eine gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung besessen. Ihre an Stelle der Versicherungen erbrachten Sozialleistungen können der Kläger und der überörtliche Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht gegenüber der Beklagten liquidieren (§ 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Ersatzansprüche schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf 22.695,34 EUR und 30.429,36 EUR. Grundlage ist die ausführliche Schadensdarstellung des Klägers in der Berufungsinstanz auf den Hinweis des Senats. Da die erbrachten Leistungen auf gesetzlicher Grundlage erbracht wurden und der Betreute schwer krank war, ist die Schadensentstehung in genannter Höhe wahrscheinlich.

49

a) Hilfen zur Gesundheit entsprechen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Nach seinem Vorbringen hat der Kläger insoweit die Aufwendungen der O. für die Behandlung des Betreuten gemäß § 264 SGB V getragen. Es geht um die Kopfpauschale, die Sprechstundenpauschale und die Kosten der häuslichen Krankenpflege. Die eingesparten Aufwendungen für die Kranken- und die Pflegeversicherung (§ 32 Abs. 2, Abs. 3 SGB XII) zieht der Kläger zu Recht von seinen Kosten ab, weil er diese Beiträge hätte aufbringen müssen (§§ 8 Nr. 1, 97 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 AG SGB XII).

50

Der Schaden des Klägers beträgt allerdings nicht 25.606,73 EUR, sondern nur 22.695,34 EUR und damit 2.911,39 EUR weniger. Der Betreute konnte zwischen Februar und Mai 2009 der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten. Dennoch verlangt der Kläger schon Ersatz für die Zeit ab 20.6.2008. Damit nimmt er ersichtlich den Feststellungszeitpunkt des Bescheides vom 10.2.2009 in Bezug. Eine rückwirkende freiwillige Krankenversicherung sieht das Gesetz aber nicht vor. Gemäß § 188 Abs. 1 SGB V beginnt die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts. Sonderregelungen enthält § 188 Abs. 2 SGB V, von der Schwerbehinderte i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht betroffen sind. Schadensersatz kann also erst ab Juni 2009 verlangt werden.

51

Soweit der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 13.9.2013 nunmehr die Auffassung vertritt, die Beklagte habe schon vor Feststellung der Schwerbehinderung den Beitritt erklären müssen, fehlt hierfür jeder tatsächliche Anknüpfungspunkt. Die Beklagte hätte dann mit einer rückwirkenden Feststellung rechnen und zudem die vom Kläger zitierte, mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Übereinstimmung stehende und auch vom oben genannten Merkblatt (Anlage K23) nicht gedeckte Kommentarstelle zu § 9 SGB V kennen müssen. Zumindest Letzteres überspannt auch die an einen Berufsbetreuer zu stellenden Anforderungen.

52

b) Für die Hilfe zur Pflege ist dem überörtlichen Sozialhilfeträger kein Schaden von 44.966,03 EUR entstanden. Sein Ersatzanspruch beschränkt sich auf 30.429,36 EUR.

53

Im Ausgangspunkt können sich nur die Kosten als Schaden niederschlagen, die der überörtliche Sozialhilfeträger an Stelle der gesetzlichen Pflegeversicherung für den Betreuten getragen hat. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB XI hätte die Pflegeversicherung erst nach zwei Versicherungsjahren geleistet. Wie oben ausgeführt, konnte der Betreute bis Mai 2009 freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung werden. Die zwei Jahre endeten also erst im Mai 2011. Der Kläger macht dementgegen schon ab dem 20.6.2010 den Ersatzanspruch geltend. Damit stellt er auf den festgestellten Zeitpunkt der Schwerbehinderung (vgl. Anlage K8) ab. Es geht also um die bereits unter a) aufgeworfene Problematik. Gibt es keine rückwirkende Krankenversicherung, kann für die hieran gekoppelte Pflegeversicherung (vgl. § 20 Abs. 3 SGB IX) nichts anderes gelten. Dementsprechend bestimmt § 49 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, dass die Mitgliedschaft bei einer Pflegekasse mit dem Tag beginnt, an dem die Voraussetzungen des § 20 SGB IX vorliegen. Es ist also allein der Tag der freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung maßgebend, für den es auf den Beitritt ankommt. Auch hier ist also ab Juni Ersatz zu leisten, allerdings des Jahres 2011.

54

Die Pflegeversicherung zahlt für die häusliche Pflege nach § 36 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI in der Pflegestufe III ab 1.7.2008 EUR 1.470, ab 1.1.2010 EUR 1.510,00 und ab 1.1.2012 EUR 1.550,00 pro Monat. Nach der tabellarischen Aufstellung des Klägers werden von Klägerseite zum Teil höhere Beträge verlangt, als sie die Pflegeversicherung erbringt. Ersichtlich handelt es sich bei den überschießenden Beträgen um die sog. Investivkosten, die sowieso der Pflegebedürftige zu tragen hat (§ 82 Abs. 4 SGB XI). Nach Darstellung des Klägers hätte die Pflegeversicherung zwischen Juni 2011 und Februar 2013 30.429,36 EUR gezahlt, die jetzt vom Land Sachsen-Anhalt aufgebracht wurden. Allein darin besteht der ersatzfähige Schaden.

55

6. Der Wegfall des Feststellungsantrages mit dem Tod des Betreuten und der daraufhin vorgenommenen Endabrechnung hat zu keiner Teilerledigung geführt. Der Übergang von der Feststellungsklage zum bezifferten Anspruch nach Abschluss der Schadensentwicklung ist eine Erweiterung des Klageantrages im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO.

56

7. Die Zinsforderung des Klägers beruht weitestgehend auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und §§ 261 Abs. 1, Abs. 2, 253 Abs. 1 ZPO. Auf die Mahnung vom 29.3.2011 (Anlage K13) lassen sich Verzugszinsen nur stützen, soweit diese auf Zahlung von 4.578,59 EUR an den Kläger gerichtet war (§§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB).

III.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 u. 2, 709 Satz 2 ZPO.

58

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung fordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

59

Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen