Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (9. Zivilsenat) - 9 U 238/19
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5. November 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
- 1
Die Parteien streiten über den Ausschluss des Klägers aus dem beklagten Sportverein.
- 2
Der Kläger ist seit dem Jahr 2009 Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und Landesvorsitzender in X. seit dem Jahr 2016. Mitglied des beklagten Sportvereins mit Sitz in einer Gemeinde bei Y. ist er seit 2014.
- 3
Der Vorstand des beklagten Vereins kündigte mit Schreiben vom 22. September 2015 dem Kläger erstmals die Ausschließung aus dem Verein wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD an. Über deren Wirksamkeit konnte das vereinsinterne Ehrengericht nach dessen Anrufung durch den Kläger nicht entscheiden, weil hierzu geladene Spieler nicht zu der Anhörung des Klägers erschienen waren. Nach einer weiteren Ausschließung des Klägers mit Schreiben vom 25. April 2016 und nachfolgender Zustimmung durch das vereinsinterne Ehrengericht erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses. In zweiter Instanz stellte das Landgericht Itzehoe mit Urteil vom 23. Februar 2018 fest, dass der gegen den Kläger gerichtete Ausschluss vom 25. April 2016 wegen formeller Mängel unwirksam und der Kläger weiterhin Mitglied des beklagten Vereins sei.
- 4
Nachfolgend änderte der Beklagte seine Satzung auf der Mitgliederversammlung vom 19. April 2018. Die Eintragung der Satzungsänderungen erfolgte am 29. August 2018 in das Vereinsregister.
- 5
§ 2 der Satzung lautet nunmehr:
- 6
„Zweck und Aufgaben
1. Grundlage der Vereinsarbeit ist das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung. Der Verein lehnt Bestrebungen und Bindungen parteipolitischer, konfessioneller und wirtschaftlicher Art, sowie alle Formen militärischer Ausbildung ab. Der Verein tritt allen extremistischen Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder von extremistischen Organisationen gleich welcher politischen Ausrichtung, sowie Mitglieder rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen wie z. B. der NPD und ihre Landesverbände, können nicht Mitglied des Vereins werden.
2. Der Vereinszweck besteht in der Förderung der Allgemeinheit und insbesondere der Jugend in Z. und Umgebung auf dem Gebiet des Sports. In diesem Zusammenhang verpflichtet sich der Verein dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter können zu diesem Zweck vor Aufnahme ihrer Tätigkeit um die Erbringung eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses verpflichtet werden. Daneben hat jeder den Ehrenkodex des Landessportbundes Schleswig-Holstein zu unterzeichnen, zu dem sich der Verein ausdrücklich bekennt.“
- 7
§ 7 der Satzung lautet:
- 8
„Maßregelungen
1. Gegen Mitglieder, die gegen die Satzung oder gegen die Anordnungen bzw. Regelungen des Vorstandes und/oder der Abteilungsvorstände verstoßen oder sich vereinsschädigend verhalten, können nach vorheriger Anhörung vom Vorstand folgende Maßnahmen verhängt werden:
a) Verwarnung
b) Verweis
c) Sperren / Platz- / Hallenverbot
d) Ausschluss
Ein Mitglied kann insbesondere dann aus dem Verein ausgeschlossen werden, wenn es ein unehrenhaftes Verhalten innerhalb oder außerhalb des Vereins zeigt. Ein solches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn ein Mitglied an extremistischen oder anderweitigen diskriminierenden Veranstaltungen teilnimmt, bzw. eine solche Gesinnung z.B. durch das Tragen beziehungsweise Zeigen von u.a. rechtsextremen Kennzeichen und Symbolen zeigt oder Mitglied einer nach § 2 dieser Satzung genannten oder vergleichbaren Organisation ist.
2. Der Beschluss über die Maßregelungen zu b), c) und d) ist mit Einschreiben unter Angabe von Gründen sowie einer Rechtsmittelbelehrung versehen zuzustellen.
3. Der Betroffene kann innerhalb eines Monats nach Zustellung das Ehrengericht anrufen, dessen Entscheidung endgültig ist.
4. Bei Verstößen von Mitgliedern des Vorstands bzw. von Abteilungsvorständen wird auf Antrag von mindestens 5 % der stimmberechtigten Mitglieder bzw. Abteilungsmitglieder des TuS das Ehrengericht i.S. des Abs. 1 tätig.“
- 9
Auf die weiteren Einzelheiten der Satzung wird verwiesen (Anlage K 2, Bl. 32 ff. d.A.).
- 10
Mit Schreiben vom 5. Februar 2019 teilten der Vorstandsvorsitzende des Beklagten und sein Stellvertreter dem Kläger nach dessen Anhörung am 12. Januar 2019 den erneuten Ausschluss aus dem beklagten Verein mit. Der Kläger rief das Ehrengericht an. Nach nochmaliger Anhörung des Klägers am 21. März 2019 teilten die Mitglieder des Ehrengerichts dem Kläger mit Schreiben vom 27. März 2019 mit, dass die Ausschließung ordnungsgemäß erfolgt sei.
- 11
Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen den Vereinsausschluss gewendet und gemeint, der Vereinsausschluss sei formell rechtswidrig, weil das von der Vereinssatzung vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten sei. Schon im vorherigen Verfahren vor dem Landgericht Itzehoe (Az. 9 S 29/17) habe der dringende Verdacht bestanden, dass der Vorstandsvorsitzende den Ausschlussbeschluss allein gefasst habe. Dieser Verdacht sei nicht entkräftet, insbesondere kein Sitzungsprotokoll vorgelegt worden. Daher werde davon ausgegangen, dass der Vorstandsvorsitzende auch diesen Ausschlussbeschluss allein gefasst habe. Es fehle eine ordnungsgemäße Begründung des Vereinsausschlusses. Der Ausschluss sei auch materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen der „Extremismusklausel“ des Vereins seien nicht erfüllt, denn der Kläger habe kein vereinsschädigendes Verhalten aufgewiesen, sondern sich stets beanstandungsfrei im Verein verhalten. Die im Ausschlussschreiben aufgeführten Aspekte seien vor dem Hintergrund des auch im Vereinsstrafrecht geltenden Grundsatzes „nulla poena sine lege“ irrelevant. Die Entscheidung des Beklagten sei auch grob unbillig, objektiv willkürlich und rechtfertige demzufolge auch einen Entschädigungsanspruch des Klägers.
- 12
Der Kläger hat beantragt,
- 13
1. festzustellen, dass der gegen den Kläger gerichtete Vereinsausschluss des Beklagten vom 5. Februar 2019 unwirksam und der Kläger weiterhin Mitglied des Beklagten ist,
- 14
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 100,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 15
Der Beklagte hat beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen.
- 17
Der Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der Vereinsausschluss des Klägers formell und materiell rechtmäßig erfolgt sei, insbesondere habe der Verein auf seiner Vorstandssitzung am 4. Februar 2019 den Ausschluss durch den zuständigen Vorstand einstimmig beschlossen. Der Ausschluss sei ordnungsgemäß begründet worden und gerechtfertigt. Als Funktionär auf Landesebene in einer extremistischen, verfassungswidrigen Organisation entspräche der Ausschluss des Klägers der satzungsgemäßen Aufgabe des Beklagten.
- 18
Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
- 19
Mit Urteil vom 5. November 2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der von dem Beklagten gegen den Kläger gerichtete Vereinsausschluss vom 5. Februar 2019 wirksam sei. Vereinsrechtliche Disziplinar- und Ordnungsmaßnahmen unterlägen vor dem Hintergrund der Vereinsautonomie nur einer eingeschränkten Rechtskontrolle. In formeller Hinsicht sei der vom Beklagten vorgenommene Vereinsausschluss rechtmäßig. Denn das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren sei beachtet worden. Die Mitgliedschaft des Klägers in der NPD und seine Tätigkeit als Landesvorsitzender in X. stellten in der Kombination ein vereinsschädigendes Verhalten im Sinne des § 7 Abs. 1 der Vereinssatzung dar. Der Kläger sei auch nicht aus der NPD ausgetreten. Das Verhalten sei vereinsschädigend, denn das Bundesverfassungsgericht habe die NPD als verfassungswidrig eingestuft und der Beklagte verfolge den Inhalten der NPD entgegenstehende Ziele. Der Beklagte stünde für die Aufgabe der Gemeinnützigkeit und engagiere sich für Flüchtlingskinder. Er habe das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Grundlage seiner Vereinsarbeit gemacht. Der Ausschluss des Klägers erweise sich weder als offenbar unbillig noch als willkürlich. Der Beklagte habe die Satzung bei der Entscheidung über den Ausschluss auch in einer Weise ausgelegt, dass keine Grundrechtsverletzung des Klägers vorliege. Die Vereinszwecke des Beklagten stünden im offenen Widerspruch zu den vertretenen Zielen der NPD. Auch eine Entschädigung in Geld sei durch den Beklagten nicht an den Kläger zu leisten, denn eine Persönlichkeitsrechtsverletzung läge nicht vor.
- 20
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und trägt im Wesentlichen Folgendes vor: Der Vereinsausschluss sei formell und materiell grob rechtsfehlerhaft und damit unwirksam.
- 21
1. Gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung des Beklagten sei für die Verhängung von vereinsrechtlichen Maßregelungen der Vorstand zuständig. Der Vorstand des Beklagten habe einen derartigen Beschluss jedoch nicht gefasst. Es bestünde der dringende Verdacht, dass der Vorstandsvorsitzende den Ausschlussbeschluss alleine gefasst habe. Ein Unstreitigstellen durch den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei nicht erfolgt.
- 22
2. Die von dem Beklagten im Ausschlussschreiben vom 5. Februar 2019 aufgeführten Gründe dürften formell nicht berücksichtigt werden wegen des Grundsatzes „nulla poena sine lege“. Dem Ausschluss dürfe nur ein Verhalten des Klägers zugrunde gelegt werden, welches zeitlich nach dem Wirksamwerden der Satzungsänderung liege. Auf das passive Unterlassen des Klägers, unter Geltung der neuen Satzung nicht aus der NPD ausgetreten zu sein bzw. sein Vorstandsamt nicht niedergelegt zu haben, habe das Landgericht nicht abstellen dürfen. Ein Nachschieben von Gründen im Prozess sei unzulässig.Eine Parteimitgliedschaft stelle auch kein Verhalten des Klägers dar. Es handele sich nur um einen Zustand, der bereits vor Satzungsänderung vorlag.
- 23
3. Der Ausschluss könne nicht auf die Satzung gestützt werden, denn die satzungsrechtliche Grundlage gemäß § 7 Abs. 1 der Vereinssatzung sei wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG und den Grundsätzen über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte nichtig. Ein Vereinsausschluss allein wegen einer missliebigen Parteimitgliedschaft eines Vereinsmitglieds bedürfe einer Rechtfertigung durch besondere Sachgründe.
- 24
4. Der Ausschluss des Klägers sei grob unbillig und willkürlich. Ein sachlicher Grund, der Vereinsautonomie des Beklagten hier Vorrang zu gewähren, sei nicht erkennbar.Die Förderung von Flüchtlingen stelle kein satzungsmäßiges Ziel der Beklagten dar. Die Parteimitgliedschaft des Klägers wäre einer solchen Zielsetzung des Vereins auch nicht abträglich. Selbst wenn § 7 Abs. 1 der Vereinssatzung nicht nichtig wäre, müsste die Bestimmung verfassungsgemäß dahingehend ausgelegt werden, dass ein Ausschluss nur dann zulässig wäre, wenn die Parteimitgliedschaft zu spürbaren Beeinträchtigungen des Vereinslebens geführt habe. Dies sei nicht der Fall. Zwischen den Parteien herrsche Einigkeit darüber, dass das Verhalten des Klägers innerhalb des Vereins stets einwandfrei gewesen sei.
- 25
5. Der Vereinsausschluss sei unverhältnismäßig. Fallbezogen stünden die Möglichkeiten einer Verwarnung oder eines Verweises zur Verfügung. Aufgrund der umfangreichen Berichterstattung über den von dem Kläger zuvor geführten Prozess bezüglich seines Ausschlusses aus dem Verein des Beklagten sei ausgeschlossen, dass irgendein Sportverein in Schleswig-Holstein oder X. den Kläger nun freiwillig aufnehme. Die vorgelegten Regularien des DOSB seien nicht Bestandteil der Satzung des Beklagten. Der Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, wann und wie sich der Kläger in der Öffentlichkeit gegen Integration ausgesprochen habe. Ein Wahlkampfplakat aus Mai 2019 sei nicht geeignet, einen Vereinsausschluss vom Februar 2019 zu rechtfertigen. Das Plakat sei auch rechtlich unbedenklich.
- 26
6. Dem Kläger stünde ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen schuldhafter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Es handele sich hier um einen schwerwiegenden Eingriff, der eine Geldentschädigung rechtfertige.
- 27
Der Kläger beantragt,
- 28
das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 5. November 2019 abzuändern und
- 29
1. festzustellen, dass der gegen den Kläger gerichtete Vereinsausschluss des Beklagten vom 5. Februar 2019 unwirksam und der Kläger weiterhin Mitglied des Beklagten ist,
- 30
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 100,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
Der Beklagte beantragt,
- 32
die Berufung zurückzuweisen.
- 33
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil wie folgt: Der Kläger habe im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht unstreitig gestellt, dass der Beschluss in einer satzungsgemäßen Vorstandssitzung gefasst worden sei. Jedenfalls sei dies durch die Vorlage des Protokolls bewiesen. Der Kläger habe das Protokoll nicht substantiiert angegriffen. Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ sei berücksichtigt worden. Es seien keine rückwirkenden Tatsachen zugrunde gelegt worden, denn der Kläger sei – unstreitig – auch nach der Satzungsänderung Mitglied im beklagten Verein und zugleich Mitglied der NPD sowie deren Landesvorsitzender in X. gewesen. Der Beklagte habe sich deshalb in der Anhörung und auch in der Begründung des Ausschlussbeschlusses nur auf die Gegenwart bezogen. Ein Unterlassen habe das Landgericht nicht konstruiert, sondern auf ein aktives Tun des Klägers abgestellt. Dieses läge in seiner Tätigkeit als Landesvorsitzender der NPD in X., nicht alleine in seiner Parteimitgliedschaft begründet. Das Verhalten des Klägers, welches sich vereinsschädigend auswirke, sei in seinen Tätigkeiten außerhalb des Vereins begründet, insbesondere in den sozialen Medien.Der Kläger habe sich öffentlich klar gegen Integration ausgesprochen. Die durch das Landgericht vorgenommene Abwägung sei fehlerfrei. Der Beklagte sei als Sportverein eine Gemeinschaft, welche von Werten getragen sei, die übereinstimmend mit dem DOSB als bundesweitem Dachverband Geltung beanspruchten. Zu deren Förderung verpflichteten sich alle Mitglieder, so auch der Beklagte. Ausweislich der Präambel der Satzung des DOSB trete der Verband rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegen. Ausweislich § 2 Abs. 2 seiner Satzung bekenne der Beklagte sich auch zum Ehrenkodex des Landessportbundes Schleswig-Holstein, welcher am 24. November 2011 beschlossen und durch Beschluss der ordentlichen Mitgliederversammlung des Beklagten am 19. März 2015 in die Satzung des Beklagten aufgenommen worden sei. Die Werte seien also nicht mit der Satzungsänderung des Beklagten erst implementiert worden. Diese Ziele und Werte des Beklagten seien mit denen des Klägers unüberbrückbar unvereinbar.
- 34
Der Senat hat das Protokoll der Vorstandssitzung vom 4. Februar 2019 im Original beigezogen.
II.
- 35
Die Berufung hat keinen Erfolg.
- 36
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt.
- 37
Sie ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
- 38
1. Die Klage des Klägers ist - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - zulässig, insbesondere steht dem Kläger ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO an der fraglichen Wirksamkeit seines Vereinsausschlusses zu. Die Mitgliedschaft ist ein gegenwärtiges vereinsinternes Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 20. September 2016 – II ZR 25/15 –, BGHZ 212, 70 ff., juris Rn. 25; BGH, Urteil vom 23. April 2013 – II ZR 74/12 -, BGHZ 197, 162 ff., juris Rn. 27).
- 39
2. Der Feststellungsantrag des Klägers ist unbegründet. Der Ausschluss des Klägers aus dem beklagten Verein ist wirksam.
- 40
Vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen unterliegen der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte, die jedoch in grundsätzlicher Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einhalten muss. Gerichte können nachprüfen, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung findet, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet ist, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist. Auch haben die Gerichte darüber zu befinden, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt wurden, bei objektiver und rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind (BGH, Urteil vom 09. Juni 1997 – II ZR 303/95 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 30. Mai 1983 – II ZR 138/82 –, BGHZ 87, 337 ff., juris Rn.19).
- 41
Die Tatsachenermittlung im Vereinsausschlussverfahren ist nicht im Streit. Es ist vielmehr unstreitig, dass der Kläger Mitglied der NPD und auch Vorsitzender der NPD in X. ist.
- 42
a.) Die Ausschließung des Klägers als vereinsrechtliche Maßnahme einer „Maßregelung“ findet ihre Stütze in der Satzung des Beklagten, nämlich in § 7 Abs. 1 d.) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung in der Fassung vom 19. April 2018.
- 43
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der Vereinssatzung kann gegen Mitglieder, die gegen die Satzung verstoßen oder sich vereinsschädigend verhalten, nach vorheriger Anhörung vom Vorstand unter anderem der Ausschluss verhängt werden. Ein Mitglied kann gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der Vereinssatzung insbesondere aus dem Verein ausgeschlossen werden, wenn es ein unehrenhaftes Verhalten innerhalb oder außerhalb des Vereins zeigt. Ein solches Verhalten liegt nach den satzungsrechtlichen Normen dann (unter anderem) vor, wenn ein Mitglied des Vereins zugleich Mitglied einer der nach § 2 der Vereinssatzung genannten oder vergleichbaren Organisationen ist. Zu den in § 2 der Satzung genannten Organisationen gehören extremistische Organisationen gleich welcher politischen Ausrichtung, sowie Mitglieder rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen, wie zum Beispiel der NPD und ihrer Landesverbände.
- 44
Soweit der Kläger vorträgt, seine Mitgliedschaft in der NPD stelle als solches kein satzungsgemäßes „Verhalten“ dar und das Landgericht habe nicht auf das Unterlassen eines Austritts als tatbestandsmäßiges Verhalten abstellen dürfen, ergibt bereits der Wortlaut der Satzung, dass die fortdauernde Mitgliedschaft des Klägers in der NPD ein Umstand ist, der unter den Ausschließungstatbestand des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung fällt. Denn ausweislich der Satzung heißt es unmissverständlich, dass Mitglieder rassistisch oder fremdenfeindlich organisierter Organisationen … wie z.B. der NPD und ihrer Landesverbände, über § 7 der Satzung aus dem Verein ausgeschlossen werden können. Zudem ist der Kläger nicht nur ein einfaches Mitglied der NPD, sondern aktiv in hervorgehobener Position tätig als Landesvorsitzender der Partei in X..
- 45
b.) Der Verein durfte den Ausschluss des Klägers auf die Satzung stützen, denn die satzungsmäßige Grundlage ist rechtmäßig. Sie ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen und verstößt für sich genommen nicht gegen höherrangiges Recht.
- 46
aa.) Unstreitig ist die Satzungsänderung auf der Mitgliederversammlung vom 19. April 2018 formell ordnungsgemäß beschlossen worden und mit der Eintragung in das Vereinsregister am 29. August 2018 wirksam geworden. Der Ausschluss des Klägers erfolgte erst mehrere Monate nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Satzungsänderung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB, nämlich nach der Eintragung in das Vereinsregister, am 5. Februar 2019.
- 47
bb.) Soweit gemäß § 7 Abs. 1 der Vereinssatzung für die Verhängung von vereinsrechtlichen Maßnahmen der Vorstand des Beklagten zuständig ist, ist diese Regelung zulässig. Zuständig für die Verhängung von Vereinsstrafen ist gemäß § 32 BGB im Zweifel die Mitgliederversammlung. Die Satzung kann die Strafgewalt aber anderen Organen übertragen (vgl. nur Palandt-Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 25 Rn. 17). Die Ausnahme, dass der Vorstand eines Vereins nicht berechtigt ist, ein Vorstandsmitglied aus dem Verein auszuschließen, auch wenn ihm die Satzung allgemein das Recht zur Ausschließung von Vereinsmitgliedern zuweist (BGH, Urteil vom 06. Februar 1984 – II ZR 119/83 –, BGHZ 90, 92 ff., juris Rn. 11), ist vorliegend nicht betroffen.
- 48
cc.) Die für die Ausschließung des Klägers zur Grundlage gemachte Satzungsbestimmung ist auch nicht materiell rechtswidrig oder nichtig. Soweit der Kläger vortragen lässt, die geänderte satzungsrechtliche Grundlage sei wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG und den Grundsätzen über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte nichtig, greift dies nicht durch. Die Satzung als abstrakt-generelle Regelung steht mit der Drittwirkung der Grundrechte im Einklang.
- 49
Vorliegend kommt Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG mittelbare Wirkung für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem beklagten Verein zu. Nach ständiger Rechtsprechung können die Grundrechte im privaten Rechtsverkehr im Wege der mittelbaren Drittwirkung Wirksamkeit entfalten (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, BVerfGE 137, 273 ff., Rn. 109; BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 1976 – 1 BvR 671/70 –, BVerfGE 42, 143 ff., juris Rn. 11; BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 ff., juris Rn. 26 ff.). Danach verpflichten die Grundrechte die Privaten grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst. Sie entfalten jedoch auch auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen Ausstrahlungswirkung und sind von den Fachgerichten, insbesondere über zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, bei der Auslegung des Fachrechts zur Geltung zu bringen. Die Grundrechte entfalten hierbei ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als "Richtlinien" in das Zivilrecht ein (BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 –, BVerfGE 148, 267 ff., Rn. 32). Die Grundrechte zielen dabei nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind als Grundsatzentscheidungen im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Die Freiheit der einen ist dabei mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 –, BVerfGE 148, 267 ff., Rn. 32; BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 –, BVerfGE 129, 78 ff., Rn. 86).
- 50
Grundsätzlich entfaltet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG allerdings nur Drittwirkung zugunsten von der Ausschließung Betroffener, wenn für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entschieden wird. Denn Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen jeweils den Rechtfertigungsanforderungen des Gleichbehandlungsgebots unterlägen, folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Wege der mittelbaren Drittwirkung nicht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 – juris Rn. 6 f.; BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 –, BVerfGE 148, 267 ff., juris Rn. 40). Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG nur für spezifische Konstellationen ergeben, so etwa bei einem einseitigen, auf das Hausrecht gestützten Ausschluss von Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und der für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet. Gleiches gilt, wenn eine aus einem Monopol oder auf einer strukturellen Überlegenheit resultierende Entscheidungsmacht vorliegt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 –, juris Rn. 7). Eine solche spezifische Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Weder handelt es sich bei der fraglichen Mitgliedschaft in einem kleineren Sportverein um eine Entscheidung, die in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet, noch hat der beklagte Verein eine Monopolstellung oder weist er eine strukturelle Überlegenheit auf. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Amateur-Sportverein in einer kleineren Gemeinde Schleswig-Holsteins. In diesem wird Breitensport angeboten und betrieben, ohne dass eine herausragende Bedeutung des Vereins für deutschlandweite oder internationale Sportveranstaltungen bzw. eine sonstige Monopolstellung von dem Kläger vorgetragen oder sonst erkennbar wäre. Denn Sportvereine in X. und im Umkreis von X. gibt es zahlreiche.
- 51
Auch aus den speziellen Gleichheitsrechten des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG folgt keine Nichtigkeit der satzungsrechtlichen Bestimmungen. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sieht vor, dass niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Die Bestimmung ist im Rechtsverkehr zwischen Privaten jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 –, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 09. März 2012 – V ZR 115/11 –, juris Rn. 26). Selbst wenn sich aus der Regelung des Art. 3 Abs. 3 GG mittelbar weiterreichende und strengere Bindungen als aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ergeben sollten, führt dies nicht dazu, dass zwischen Privaten diesbezüglich ein absolutes Unterscheidungsverbot gelten könnte, sondern bedürfte es eines Ausgleichs mit entgegenstehenden Freiheitsrechten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 –, juris Rn. 11). Dieser Ausgleich führt nicht dazu, dass die vorliegenden satzungsrechtlichen Bestimmungen bei der gebotenen Abwägung gegenüber den ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen eines vom Vereinsausschluss betroffenen Mitglieds nichtig wären.
- 52
Gemessen daran ist § 7 Abs. 1 der Satzung des Beklagten mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 GG nicht zu beanstanden. Soweit die Satzung die Befugnisse des privaten Vereins gegenüber seinen Mitgliedern regelt, stehen die zivilrechtlichen Befugnisse des Vereins kraft seiner durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinsautonomie gegenüber seinen, durch die Grundrechte gleichfalls Schutz genießenden Mitgliedern in Frage. Die danach betroffenen Interessen des Beklagten und seiner Mitglieder hat die Satzung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Offenbleiben kann dabei, ob der Vereinsausschluss mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz lediglich einer Willkürkontrolle durch die Gerichte oder einer einfachen oder strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegt. Die Regelung in der Satzung zum Vereinsausschluss hat auch dann rechtlichen Bestand, wenn der Senat eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt.
- 53
Mit den Regelungen in §§ 2 und 7 der Vereinssatzung wird ein sachlicher Grund verfolgt. Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Damit garantiert es dem einzelnen Bürger die Freiheit, sich aus privater Initiative mit anderen zu Vereinigungen irgendwelcher Art zusammenzufinden, sie zu gründen, ihnen beizutreten, aber auch ihnen fernzubleiben und aus ihnen wieder auszutreten. Der Verein ist kraft der auch ihm zustehenden Privatautonomie grundsätzlich frei bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft; auch wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllt sind, kann der Verein in der Regel frei entscheiden, ob er einen Mitgliedschaftsbewerber aufnehmen will (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1987 – II ZR 295/86 –, BGHZ 101, 193 ff., juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 23. November 1998 – II ZR 54/98 –, juris Rn. 12). Da die interne Gestaltung Teil der Vereinsautonomie ist, der auch im Laufe der Zeit einem Wandel unterliegen kann, dürfen diese Bestimmungen nicht vollumfänglich durch staatliche Wertvorstellungen überprüft werden (OLG Hamm, Urteil vom 21. Dezember 2015 – 8 U 51/15 –, juris Rn. 44). Insoweit kann der beklagte Verein auch grundsätzlich Bedingungen für den Fortbestand und den Ausschluss der Mitglieder durch die Vereinssatzung festlegen. Die Festlegung der Ausrichtung des Vereins auf freiheitlich-demokratische Werte und integrative Bemühungen macht die Ablehnung von Mitgliedern, die rassistischen und extremistischen Organisationen angehören und sich zu diesen Grundsätzen gerade nicht bekennen, sachlich begründet.
- 54
Auch soweit in § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung die „NPD und ihre Landesverbände“ speziell als extremistische Organisation aufgeführt wird, deren Mitglieder nicht Mitglied des Vereins werden können, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Satzungsregelung. Denn bezüglich der NPD ist ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchgeführt worden, in welchem die Partei zwar wegen ihrer unbedeutenden Größe nicht verboten, jedoch die Verfassungswidrigkeit ihrer Ziele durch das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich festgestellt wurde:
- 55
„Die Antragsgegnerin (Anm. NPD) strebt nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären "Nationalstaat". Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar. Damit strebt die Antragsgegnerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern eine Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Die Antragsgegnerin arbeitet im Rahmen ihrer organisatorischen Möglichkeiten und auf der Grundlage eines strategischen Konzepts planmäßig auf die Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hin.“ (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –, BVerfGE 144, 20 ff., juris Rn. 633, 844, 846).
- 56
Soweit ein Verein dagegen nur Mitglieder aufzunehmen bereit ist, welche für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten und integrative Bestrebungen des Vereins unterstützen, ist es angesichts dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht unsachlich, in der Vereinssatzung auf die NPD als Beispiel für eine extremistische Organisation zu verweisen, welche die Vereinszwecke nicht erfüllt, sondern ihnen mit ihren Zielen diametral entgegensteht.
- 57
Die Möglichkeit, Mitglieder extremistischer Organisationen aus dem Verein auszuschließen, ist auch ein geeignetes Mittel, das im Einzelfall erforderlich sein kann, um die so bestimmten Vereinszwecke zu verfolgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass § 7 der Vereinssatzung keine starre Regelung enthält, sondern Entscheidungsmöglichkeiten des beklagten Vereins vorsieht, indem unterschiedliche Optionen einer Maßregelung in § 7 Abs. 1 a) bis d) der Satzung aufgestellt werden. Insoweit steht dem Verein ein Handlungsspielraum zu, der im Einzelfall zu einer angemessenen und im engeren Sinne verhältnismäßigen Entscheidung unter Wahrung der Rechte ihrer Mitglieder geführt werden kann.
- 58
Eine Berücksichtigung der Rechte der betroffenen Mitglieder wird zudem durch die Verfahrensgestaltung in der Satzung gesichert. Denn nach § 7 Abs. 1 der Satzung wird das betreffende Mitglied vor Verhängung der Maßnahme angehört und es hat zusätzlich die Möglichkeit gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung, das vereinsinterne Ehrengericht zwecks Überprüfung der Maßnahme anzurufen. Es ergibt sich auch insoweit kein unangemessener Automatismus eines Ausschlusses nach der Satzung, sondern ein Verfahren, in welchem es betroffenen Mitgliedern möglich bleibt, ihre eigene Sichtweise rechtzeitig geltend zu machen.
- 59
Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, ein Verein, welcher - wie der Beklagte ausweislich § 3 der Vereinssatzung - gemeinnützige Zwecke verfolge, dürfe in seiner Satzung nicht den Ausschluss von bestimmten Gruppen verbieten entsprechend einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH, Urteil vom 17. Mai 2017 – V R 52/15 –, BFHE 258, 124, BStBl II 2018, 218), ist diese Rechtsfolge der zitierten Entscheidung nicht zu entnehmen und eine Vergleichbarkeit jenes Verfahrens mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. In jenem Verfahren war streitgegenständlich, ob einer Vereinigung das steuerrechtliche Merkmal der Gemeinnützigkeit gemäß § 52 AO – mit der Folge steuerlicher Vergünstigungen – zukommt oder nicht. Folgen für die satzungsrechtliche Ausschlussmöglichkeit eines Vereinsmitglieds ergeben sich aus dieser Entscheidung jedoch nicht.
- 60
Soweit § 2 Abs. 1 der Satzung gerade auf die NPD als extremistische Gruppierung Bezug nimmt, liegt auch keine unzulässige Einzelfallnormierung vor, weil die Formulierung der Norm offen gehalten wird, hierbei allen fremdenfeindlich ausgerichteten oder extremistischen Organisationen eine Ablehnung erteilt wird und die NPD nur als Beispiel aufgeführt wird.
- 61
c.) Der Vereinsausschluss des Klägers aufgrund der satzungsgemäßen Normierung erfolgte formell rechtmäßig.
- 62
aa.) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das satzungsgemäße Verfahren beachtet wurde.
- 63
Die Verfahrensrechte des Klägers wurden gewahrt. Das von der Satzung vorgesehene und erforderliche rechtliche Gehör wurde dem Kläger gewährt. Die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Vereinssatzung notwendige Anhörung des Klägers vor seinem Ausschluss ist unstreitig erfolgt. Das Protokoll der Anhörung vom 12. Januar 2019 dokumentiert den Inhalt der Anhörung. Zudem überprüfte das Ehrengericht vereinsintern die Ausschließungsmaßnahme entsprechend § 7 Abs. 3 der Satzung nach dessen Anrufung durch den Kläger.
- 64
Der Ausschluss ist satzungsgemäß durch den Vorstand des Vereins beschlossen worden. Dies ergibt sich aus dem zur Gerichtsakte gereichten Original des Protokolls der Vorstandssitzung vom 4. Februar 2019. Nach dem Protokoll hat der Vorstand einstimmig den Beschluss über den Ausschluss des Klägers gefasst. Der Inhalt des Protokolls stützt die Darlegungen des Beklagten, dass alle Vorstandsmitglieder auf der Vorstandssitzung am 4. Februar 2019 anwesend waren und den Beschluss einstimmig beschlossen haben. Seiner prozessualen Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1967 – II ZR 211/65 -, BGHZ 49, 209 ff., juris Rn. 14) ist der Verein insofern nachgekommen, als sich aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 4. Februar 2019 ergibt, dass sieben Vorstandsmitglieder an dieser Sitzung teilnahmen, der Vorstand den Ausschluss des Klägers nach Ziffer 5 des Protokolls einstimmig beschloss und die Schriftführerin sowie der erste Vorsitzende das Protokoll eigenhändig unterschrieben. Die Echtheit des vorgelegten Protokolls hat der Kläger nach Vorlage der Originalurkunde nicht bestritten. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Klägers im Rahmen der ihm obliegenden prozessualen Erklärungslast konkret darzulegen, warum angesichts des vorliegenden Protokolls der „dringende Verdacht“ bestehen solle, dass der Vorstandsvorsitzende diesen Beschluss alleine gefasst habe. Dies hat der Kläger nicht getan.
- 65
bb.) Das Landgericht hat in der angegriffenen Entscheidung zutreffend begründet, dass und warum die Entscheidung des Beklagten für den Vereinsausschluss ausreichend gegenüber dem Kläger begründet wurde (Seite 9 des Urteils). Hiergegen wendet sich die Berufung nicht.
- 66
cc.) Der Ausschließungsbeschluss des Beklagten ist auch nicht deswegen formell rechtswidrig, weil Tatsachen zugrunde gelegt worden wären, die nach dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Der beklagte Verein durfte den Vereinsausschluss mit Schreiben vom 5. Februar 2019 aufgrund der am 29. August 2018 wirksam gewordenen Satzungsänderung begründen, obwohl der Kläger bereits seit dem Jahr 2009 Mitglied der NPD ist und Landesvorsitzender in X. seit dem Jahr 2016.
- 67
Soweit der Kläger vortragen lässt, sowohl die Mitgliedschaft in der NPD als auch seine Funktionärsstellung als Landesvorsitzender in X. seien Umstände, welche vor der Eintragung der neu in die Satzung eingeführten „Extremismusklausel“ in das Vereinsregister am 29. August 2018 vorgelegen hätten, führt dies nicht zu einer Unzulässigkeit ihrer Berücksichtigung.
- 68
Der Rechtssatz „nulla poena sine lege“ (Keine Strafe ohne Gesetz) hat Verfassungsrang (Art. 103 Abs. 2 GG) und begründet in seiner zeitlichen Dimension auch das Rückwirkungsverbot zu Lasten des Täters und damit ein weiteres Grundelement eines rechtsstaatlichen Strafrechts (Klaus Heitmann in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl. 2021, Zeitliche Geltung, Rn. 3_1; Dannecker in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 1 Keine Strafe ohne Gesetz, Rn. 360.). Zwar können die Grundsätze des Strafverfahrens auf das vereinsrechtliche Verfahren nicht übertragen werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. April 1967 – II ZR 142/65 –, BGHZ 47, 381 ff., Rn. 16 ff.). Rechtstechnisch handelt es sich jedoch um eine verfassungsrechtliche Anforderung hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereichs einer Sanktionsnorm. Denn eine echte Rückwirkung über § 7 der Vereinssatzung könnte dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen und damit unzulässig sein.
- 69
So liegt der Fall hier aber nicht. Es ist lediglich ein Fall der „unechten Rückwirkung“ gegeben und ein überwiegender Vertrauensschutz des Klägers, der der unechten Rückwirkung entgegenstehen könnte, greift nicht.
- 70
In der Rechtsprechung des BVerfG wird herkömmlich zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden: Echte Rückwirkung ist gegeben, „wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“ (BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 –, BVerfGE 101, 239 ff., juris Rn. 97; BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1960 – 2 BvL 4/59 –, BVerfGE 11, 139 ff. -149, juris Rn. 29; Maunz/Dürig/Grzeszick, 91. EL April 2020, GG Art. 20, Rn. 43 ff.), unechte Rückwirkung, wenn der Normgeber auf Rechtsbeziehungen einwirkt, die in der Vergangenheit begründet wurden, auf Dauer angelegt und noch nicht abgeschlossen sind (BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99/85 –, BVerfGE 72, 175 ff., juris Rn. 51; Dreier/Schulze- Fielitz, Grundgesetz, 3. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 156). Regelungen mit lediglich unechter Rückwirkung sind grundsätzlich zulässig. Jedoch ergeben sich für den Normgeber aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit verfassungsrechtliche Schranken, wobei eine Rechtssicherheit insoweit in erster Linie durch Vertrauensschutz gewährt wird. Das Vertrauen des Bürgers kann verletzt sein, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also auch bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Nur wenn die Interessenabwägung ergibt, dass das Vertrauen auf die Fortgeltung der bestehenden Lage den Vorrang verdient, ist die Regelung unzulässig (BFH, Urteil vom 14. Mai 1992 – V R 79/87 –, BFHE 168, 462, BStBl II 1992, 983, Rn. 17 ff.). Das BVerfG spricht davon, dass ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vertrauen rückwirkende Gesetzgebungsakte nicht hindere (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 1965 – 1 BvR 228/65 –, BVerfGE 19, 119 ff., juris Rn. 20; BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1971 – 1 BvR 757/66 –, BVerfGE 32, 111 ff., juris Rn. 40; Maunz/Dürig/Grzeszick, 91. EL April 2020, GG Art. 20 Rn. 73).
- 71
Die Einführung einer Ausschließungsmöglichkeit von Vereinsmitgliedern, die Mitglied einer extremistischen oder anderweitigen diskriminierenden, fremdenfeindlichen Organisation sind, beinhaltet in Bezug auf den Ausschluss des Klägers nur eine unechte Rückwirkung. Der Ausschluss des Klägers wird nicht rückwirkend auf einen Umstand in einem abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezogen, sondern auf die Fortdauer der aktiven Tätigkeit und Mitgliedschaft in der NPD ab der Wirksamkeit der Satzungsänderung. So hat der Kläger in seiner Anhörung am 12. Januar 2019 vor dem Vereinsausschluss erklärt, dass er Mitglied der NPD sei und der Verein davon ausgehen könne, „dass ich bis zu meinem Lebensende NPD-Mitglied bleiben werde“.
- 72
Das Vertrauen des Klägers, dass er unverändert Mitglied des beklagten Vereins bleiben könne, ist gegenüber der Befugnis des Vereins, in seiner durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Autonomie satzungsrechtliche Neuregelungen zu beschließen, nicht überwiegend schutzwürdig. Der Kläger weiß seit Jahren, dass seine politische Ausrichtung derjenigen des beklagten Vereins diametral entgegensteht. Bereits seine erste Ausschließung mit Schreiben vom 22. September 2015 wurde darauf gestützt, dass der Verein ihn wegen seiner Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Partei auszuschließen beabsichtige. Mit Schreiben des beklagten Vereins vom 25. April 2016 wurde der Kläger erneut aus dem Verein des Beklagten ausgeschlossen aus demselben Grund. Dass der beklagte Verein nach dem Scheitern des gerichtlich überprüften Ausschlusses des Klägers wegen formaler Mängel versuchen würde, eine formwirksame Satzungsänderung zu beschließen, um eine normative Grundlage für den Ausschluss extremistischer Vereinsmitglieder zu schaffen, konnte für den Kläger nicht überraschend gewesen sein. Mithin durfte er nicht darauf vertrauen, dass der Verein seine Ausschließung nicht erneut aussprechen würde, nachdem der Verein bereits zwei Mal erfolglos versucht hatte, ihn auszuschließen.
- 73
Zudem erscheint das Vertrauen des Klägers weniger schutzwürdig, weil er auf das die Ausschließung begründende Unterscheidungsmerkmal durch eigenes Verhalten hat Einfluss nehmen können, indem es ihm freistand, seine Mitgliedschaft und Aktivitäten in der NPD zu beenden. Er war der Entscheidung des Vereins nicht zwangsläufig ausgeliefert.
- 74
d.) Der Ausschluss des Klägers ist auch im Übrigen materiell rechtmäßig, insbesondere erscheint die in Anwendung der Satzung beschlossene Ausschließung des Klägers im vorliegenden Einzelfall nicht grob unbillig oder willkürlich, sondern verhältnismäßig.
- 75
Die aufgrund der Satzung durch den Beklagten getroffene Maßnahme verfolgt die in § 2 der Vereinssatzung niedergelegten Vereinszwecke. Soweit der beklagte Verein im Berufungsrechtszug das Vorliegen eines sachlichen Grundes durch die inhaltlichen Vorgaben seines Dachverbandes substantiiert, ist dies zulässig. Der Grundsatz, dass ein Verein den Ausschluss im Rechtsstreit über dessen Wirksamkeit nicht auf eine neue tatsächliche Grundlage stellen kann (BGH, Urteil vom 20. April 1967 – II ZR 142/65 –, BGHZ 47, 381 ff., juris Rn. 24),wird hiervon nicht betroffen. Es handelt sich insoweit nicht um ein unzulässiges Nachschieben neuer Ausschließungsgründe, sondern um eine Verdeutlichung und Substantiierung der Gründe, auf welche die Ausschließung des Klägers gestützt wurde. Denn es ist Sache des unter Berufung auf die Vereinsautonomie im Sinne von Art. 9 Abs. 1 GG Vereinsgewalt ausübenden Vereins, seinen insoweit unterworfenen Mitgliedern zu verdeutlichen, welche Rechte und gegebenenfalls Verpflichtungen er im Zusammenhang mit Regeln eines Dachverbands und bei Verstößen gegen dieselben hat (BGH, Urteil vom 20. September 2016 – II ZR 25/15 –, BGHZ 212, 70 ff., Rn. 46). Dies hat der Beklagte durch die Vorlage der Satzungen und Beschlüsse des übergeordneten Dachverbandes, des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ausweislich der Anlage BB1 (Bl. 226 ff. d.A.) getan. Auch in diesen ist die Zielsetzung des Beklagten in Form eines aktiven Entgegentretens gegen rassistische, verfassungs- und fremdenfeindliche Bestrebungen als Grundlage der Vereinsarbeit zur verpflichtenden Grundlage der Mitgliedschaft bestimmt worden, was die Umsetzung in der Satzung des Beklagten als untergeordnetem Verein und die Umsetzung der Satzung auf den Kläger sachlich begründet.
- 76
Der Ausschluss des Klägers ist eine geeignete Maßnahme, um den Vereinszielen zu entsprechen, weil damit ein Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen wird, dessen Werte im offenen Widerspruch zu denen des Vereins stehen.
- 77
Die Maßnahme der Ausschließung des Klägers ist auch erforderlich, weil ein milderes, gleich geeignetes Mittel nicht gegeben ist. Insbesondere sind die weiteren in § 7 Abs. 1 der Vereinssatzung vorgesehenen Maßregelungen in Form der Verwarnung, des Verweises, des Sperrens oder Platz- und Hallenverbots als mildere Maßnahmen nicht gleich geeignet, um die satzungsgemäßen Vereinszwecke zu wahren. Der Beklagte nimmt Anstoß an der grundsätzlichen Tätigkeit des Klägers in der NPD, nicht an einem konkreten Verhalten im Einzelfall. Verwarnung oder Verweis würden nicht dazu führen, dass der Kläger hinter den Zielen des Vereins steht.
- 78
Die durch den Verein beschlossene Ausschließung des Klägers erscheint im vorliegenden Einzelfall auch angemessen im Sinne einer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, weil im Rahmen der Abwägung zwischen der Vereinsfreiheit und dem Recht der im Verein organisierten Mitglieder einerseits und dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers andererseits die Rechte des Klägers nicht überwiegen.
- 79
Durch die Ausschließung des Klägers aus dem Verein ist der Kläger in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Der Eingriff ist aber moderat vor dem Hintergrund, dass es dem Kläger freisteht, sich weiterhin sportlich zu betätigen. Insoweit ist für den Senat auch beachtlich, dass der beklagte Verein nicht am Wohnort des Klägers belegen ist, sondern eine Stunde Fahrtweg mit dem Fahrzeug entfernt. Der Umstand, dass der Kläger bei diversen anderen Sportvereinen erfolglos um Aufnahme ersucht haben mag und möglicherweise auf grundsätzliche Schwierigkeiten stoßen könnte, einen Sportverein zu finden, der ihn aufnimmt, macht den streitgegenständlichen Ausschluss aus dem beklagten Verein aber nicht unverhältnismäßig. Denn einen Anspruch auf Aufnahme oder Verbleib in einem privaten Sportverein ohne Monopolstellung hat der Kläger nicht.
- 80
Soweit der Kläger meint, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG betroffen zu sein, ergibt sich für den Senat kein unverhältnismäßiger und damit rechtswidriger Eingriff. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Verfahrensrechte des Klägers hinreichend wahrte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 –, BVerfGE 148, 267 ff., Rn. 47). Eine explizite Stigmatisierung seiner Person im Zuge des Vereinsausschlusses legt der Kläger auch nicht dar. Vielmehr weiß er seit 2015, dass der Verein, in welchem er sich sportlich betätigen möchte, die Ziele und Ansichten der NPD gerade nicht teilt, sondern diese ablehnt. Ihm wurde durch die dem Ausschluss vorhergehende Anhörung ermöglicht, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und seine Rechte unter Darlegung seiner Sichtweise rechtzeitig in das Verfahren einzubringen. Auch wurde ihm eine Möglichkeit der vereinsinternen Überprüfung der Maßnahme gewährt und diese stattgehabten Maßnahmen wurden dokumentiert.
- 81
Auch soweit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vorsieht, dass niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 09. März 2012 – V ZR 115/11 –, juris Rn. 26; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 –, juris Rn. 9 - 11), führt dies vorliegend nicht dazu, dass sich das Interesse des Klägers, nicht auf Grund seiner politischen Überzeugung aus dem beklagten Verein ausgeschlossen zu werden, bei der gebotenen Abwägung gegenüber den ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Beklagten aus Art. 9 Abs. 1 GG durchsetzt. Denn angesichts der Position des Klägers in der NPD und seiner Aktivitäten als Landesvorsitzender geht es vorliegend nicht nur – wie der Kläger vortragen lässt - um eine „missliebige Parteimitgliedschaft eines Vereinsmitglieds“. Durch das Ergebnis der Anhörung des Klägers ergab sich zweifelsfrei, dass dieser als Landesvorsitzender der NPD in X. weiterhin gedenkt, aktiv tätig zu bleiben. Die verfassungswidrige Zielsetzung der NPD ist damit konkret auch dem Kläger zuzurechnen.
- 82
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung des Klägers vermisst hat im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wonach der Betreiber eines Hotels, welcher einem Mitglied der NPD eine Reisebuchung bestätigt hatte, sein Hausrecht nicht mehr frei ausüben könne, weil er vertraglich verpflichtet sei, den gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten (BGH, Urteil vom 09. März 2012 – V ZR 115/11 –, NJW 2012, 1725; nachfolgend BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 879/12 –, NJW 2019, 3769), ist eine Vergleichbarkeit zu dem vorliegenden Fall nicht gegeben (ebenso zu der fehlenden Vergleichbarkeit im Fall einer erworbenen Eintrittskarte für eine Therme:BGH, Urteil vom 29. Mai 2020 – V ZR 275/18 –, juris).Die Mitgliedschaft in einem Verein ist nicht vergleichbar mit den synallagmatischen Pflichten aus einem Reisevertrag. Die Mitgliedschaft ist kein gegenseitiger Vertrag, da die satzungsmäßigen Verpflichtungen des Mitglieds nicht durch Gegenleistungen des Vereins bedingt sind (Staudinger/Schwennicke (2019), BGB § 38 Rn. 9); die Aufnahme in den Verein ist vielmehr ein körperschaftlicher Akt (Westermann in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 38 BGB, Rn. 4).
- 83
Durch die Mitgliedschaft im beklagten Verein hat der Kläger sich gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung selbst zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den korrespondierenden Vereinszwecken zu bekennen. Die mitgliedschaftliche Sonderbeziehung legt dem Kläger nämlich eine Pflicht zur Förderung der Vereinsziele und -zwecke auf sowie, dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB entsprechend, erhöhte Loyalitäts-, Treue- und Förderpflichten (BGH, Urteil vom 12. März 1990 – II ZR 179/89 –, BGHZ 110, 323 ff., juris Rn. 15; BGH Beschluss vom 21. Mai 2019 – II ZR 157/18 –, juris Rn. 17, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Mai 2002, – 9 U 54/01 –, juris Rn. 18; Otto in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 22.10.2020, § 32 BGB Rn. 100). Dieser Treuepflicht kann der Kläger dem Beklagten gegenüber nicht nachkommen, weil die Ziele des Vereins denen der NPD eklatant widersprechen. Die Fortdauer der Mitgliedschaft des Klägers im Verein des Beklagten würde daher zu einer fortdauernden Verletzung seiner mitgliedschaftlichen Unterstützungs- und Treuepflicht gegenüber dem Verein führen, solange er sich zugleich den Zielen der NPD verpflichtet.
- 84
e). Ob der Ausschluss des Klägers, wie der Beklagte vortragen lässt, auch wirksam wäre, wenn sich der Ausschließungsbeschluss nicht auf die in der Satzung im einzelnen bezeichneten Gründe, sondern auf den auch im Vereinsrecht geltenden allgemeinen Grundsatz stützt, dass eine Lösung von Dauerrechtsverhältnissen zulässig ist, wenn in der Person des Betroffenen ein wichtiger Grund gegeben ist, der die weitere Fortsetzung des Rechtsverhältnisses nach Treu und Glauben unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 – II ZR 55/70 –, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 03. März 1971 – KZR 5/70 –, BGHZ 55, 381 ff., juris Rn. 22), kann dahinstehen. Denn der satzungsgemäße Ausschluss des Klägers ist wirksam.
- 85
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung in Geld wegen der Ausschließung aus dem beklagten Sportverein, denn die Ausschließung erfolgte rechtmäßig. Zudem ist eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Wahrung seiner Verfahrensrechte nicht gegeben. Mangels Anspruchs in der Hauptsache steht dem Kläger auch kein Zinsanspruch auf eine Geldentschädigung zu.
III.
- 86
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
- 87
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung beruht vielmehr auf der Anwendung in der verfassungsgerichtlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelter Maßstäbe betreffend die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten auf den vorliegenden Einzelfall. Unsicherheiten bei der rechtlichen Beurteilung der vom Kläger vorgetragenen Umstände oder ein Bedürfnis nach obergerichtlicher Klärung bestehen nicht.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- V R 52/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 2x
- II ZR 25/15 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 134 Gesetzliches Verbot 2x
- II ZR 138/82 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1916/09 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 2x
- II ZR 142/65 2x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 661/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvF 1/94 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 228/65 1x (nicht zugeordnet)
- 8 U 51/15 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 119/83 1x (nicht zugeordnet)
- 9 U 54/01 1x (nicht zugeordnet)
- V R 79/87 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 1 BvR 99/85 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- II ZR 295/86 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 546 Begriff der Rechtsverletzung 1x
- § 52 AO 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 115/11 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 32 Mitgliederversammlung; Beschlussfassung 2x
- 1 BvR 400/51 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 3080/09 4x (nicht zugeordnet)
- II ZR 157/18 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 179/89 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 671/70 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 879/12 6x (nicht zugeordnet)
- II ZR 303/95 1x (nicht zugeordnet)
- 9 S 29/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- ZPO § 513 Berufungsgründe 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- II ZR 211/65 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvB 1/13 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 55/70 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 256 Feststellungsklage 2x
- II ZR 54/98 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 74/12 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 275/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvL 4/59 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- BGB § 38 Mitgliedschaft 1x
- 1 BvR 757/66 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 71 Änderungen der Satzung 1x