Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 593/10 - 184

Tenor

1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 2. Dezember 2010 – 4 O 333/07 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.325,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.054,42 EUR seit dem 1.6.2007 und aus weiteren 1.270,65 EUR seit dem 9.8.2010 zu zahlen.

b. Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 9.2.2007 bis zum 11.11.2010 ein Schmerzensgeld von 3.300 EUR zu zahlen.

c. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, der Klägerin 1/3 des ihr nach dem 12.11.2010 noch entstehenden immateriellen Schadens aus dem Unfallereignis vom 9.2.2007 in W. zu ersetzen.

d. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, der Klägerin 1/3 des ihr nach dem 12.11.2010 noch entstehenden materiellen Schadens aus dem Unfallereignis vom 9.2.2007 in W. zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

e. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 1/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und 1/3 der Gerichtskosten. Die Klägerin trägt 2/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3). Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 1/3, die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 2/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Unfallereignis in Feststellungs- und Zahlungsanspruch auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 9.2.2007 befuhr der frühere Beklagte zu 1) auf einer Dienstfahrt im Rahmen der Ableistung seines Zivildienstes mit dem auf die Beklagte zu 2) zugelassenen Transporter der Marke Fiat, damaliges amtliches Kennzeichen, welcher bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, den E. in W.. Hierbei handelt es sich um einen asphaltierten Feldweg, der zu einem Bauernhof führt. Die Klägerin war zusammen mit der Zeugin Cu. auf diesem Weg unterwegs. Beide Frauen führten Pferde an einer Longe. Der Beklagte zu 1) fuhr von hinten an die beiden Frauen heran und hielt an.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe das heranfahrende Fahrzeug gehört und versucht, das von ihr geführte Pferd „M...“ auf das angrenzende Wiesengelände zu führen. Allerdings habe sich M... erschreckt und sei ein Stück in die Wiese gesprungen, weil der Beklagte zu 1) erst spät abgebremst habe und dann in das Wiesengelände geraten sei. Er sei nur etwa 2 m hinter der Klägerin zum Stehen gekommen. Nachdem sich das Pferd wieder beruhigt habe, habe sie sich rechts des Weges befunden und habe das Pferd weiter in die Wiese hinein führen wollen. Dazu habe sie sich in Richtung des Fahrzeuges gedreht, um mit dem Pferd hinter das Fahrzeug zu gelangen. Jetzt sei der Beklagte zu 1) wieder angefahren, wobei die Räder seines Fahrzeugs auf dem schlammigen Untergrund durchgedreht hätten. Deswegen habe sich das Pferd erneut erschreckt, sei zur Seite gesprungen und habe die Klägerin mitgerissen. Hierbei habe sich die Klägerin das Knie verdreht. Im St. E.-Krankenhaus in seien im linken Kniegelenk eine vordere Kreuzbandruptur, ein Innen- und Außenmeniskushinterhornriss diagnostiziert worden, weshalb die Klägerin mehrfach operiert worden sei. Sie habe sich vom 19.2. bis zum 21.3.2007 in stationärer Behandlung befunden. Weiterhin sei sie am 27.8.2007, am 26.2.2008 und am 29.6.2010 operiert worden. Sie müsse befürchten, dass sich eine Gonarthrose entwickle.

Die Klägern hat im ersten Rechtszug Verdienstausfallschaden, Erstattung der Behandlungs- und Fahrtkosten sowie Kinderbetreuungskosten, Reinigungskosten und Erstattung von Unkosten begehrt, die ihr für die Betreuung ihres Reitpferdes entstanden seien. Hinsichtlich der Einzeldarstellung wird auf Seite 4 und 5 der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Weiterhin hat die Klägerin Erstattung von Lohnkosten begehrt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betrieb im Nebenerwerb ein Nagelstudio. Dieses Nagelstudio sei – so die Behauptung der Klägerin – einige Zeit vor dem Unfall eröffnet worden. Wegen ihrer unfallbedingten Verletzungen habe sie die Zeugin B-S als Vertretung beschäftigt und hierfür Lohnkosten in Höhe von 2.750 EUR aufgewandt. Das Nagelstudio habe dann im Jahr 2007 einen Gewinn von rund 3.000 EUR erzielt. Wegen ihres permanenten unfallbedingten Ausfalls habe die Klägerin das Nagelstudio im Jahr 2008 geschlossen.

Hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes hat die Klägerin die Auffassung vertreten, mit Blick auf die langwierige Behandlung und den Umstand, dass sie nach wie vor unter unfallbedingten Beeinträchtigungen leide, sei ein Schmerzensgeld von mindestens 8.000 EUR angemessen. In Anbetracht der Notwendigkeit weiterer Behandlungsmaßnahmen und dem möglichen Auftreten einer Arthrose sei auch das Feststellungsinteresse nachgewiesen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 7.024,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2007 aus 3.163,57 EUR bis zum 8.8.2010 und aus 7.024,15 EUR seit dem 9.8.2010 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 9.2.2007 zu ersetzen;

3. die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 8.000 EUR;

4. festzustellen, dass die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 9.2.2007 zu ersetzen.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten.

Die Beklagten haben vorgetragen, der frühere Beklagte zu 1) sei mit etwa 30 km/h unterwegs gewesen, als er bemerkt habe, dass das von der Klägerin geführte Pferd gescheut habe. Er habe deshalb sein Fahrzeug etwa 3 bis 5 m von der Klägerin entfernt angehalten und abgewartet, bis die Klägerin das Pferd an den Wegesrand geführt und den Weg frei gemacht habe. Erst dann sei er mit seinem Fahrzeug wieder angerollt, habe es nach links gesteuert und dann die Klägerin und das Pferd passiert. Von dem weiteren von der Klägerin vorgetragenen Vorfall habe er nichts mitbekommen. Als er mit seinem Fahrzeug wieder angerollt sei, habe die Klägerin das Pferd wieder unter Kontrolle gehabt.

Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung einer hälftigen Haftung stattgegeben und der Klägerin für die Zeit vom 9.2.2007 bis zum 2.12.2010 ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 EUR zugesprochen. Auf den Inhalt angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Die Berufung wendet sich zunächst dagegen, dass das Landgericht der Klägerin ein zeitlich bis zum 2.12.2010 begrenztes Teilschmerzensgeld zugesprochen habe. Die Beklagten vertreten die Auffassung, das Gericht habe der Klägerin etwas anderes zugesprochen, als diese beantragt habe. In jedem Fall sei es rechtsfehlerhaft, dass Teilschmerzensgeld auf den Zeitpunkt der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung und nicht auf den Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung zu beschränken.

Sodann wendet sich die Berufung gegen die Haftungsquote. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Anfahrvorgang überhaupt Auslöser für das Durchgehen des Pferdes gewesen sei. Das Landgericht habe übersehen, dass durch das Anbringen der Trense erheblicher Druck auf die Lefzen ausgeübt worden sei. Als Reaktion hierauf habe das Pferd versucht, nach vorne wegzukommen. Das Pferd sei nach dem ersten Erschrecken nervös und angespannt gewesen. Indem die Klägerin das Pferd in Richtung auf die Gefahrenquelle hin bewegt habe, sei die Ausweichreaktion des Pferdes eine alleinige Folge dieses reiterlichen Fehlers. Auch habe das Landgericht den Beweisantritt übergangen, den ausgeschiedenen Beklagten zu 1) als Zeugen über die Behauptung zu vernehmen, dass es beim Wiederanfahren nicht zu einem Durchdrehen eines Antriebsrades gekommen sei.

Hinsichtlich der Schadensberechnung wendet sich die Berufung gegen die zugesprochene Erstattung des Lohnaufwandes für die Einstellung der Ersatzkraft: Die Klägerin habe vor dem Unfallereignis keinerlei Gewinn aus dem Nagelstudio erwirtschaftet. Erstmals während der 12-monatigen Vertretungszeit habe die Klägerin einen Überschuss von circa 3.000 EUR erwirtschaftet. Dieser Überschuss sei ausschließlich auf die Tätigkeit der Zeugin zurückzuführen, weshalb der Klägerin durch den Unfall kein Gewinnausfall entstanden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin ohne den Unfall auch im Jahr 2007 keinerlei Gewinn erwirtschaftet hätte.

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 2.12.2010 – 4 O 333/07 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 21.2.2011 (GA III Bl. 540 ff.), der Berufungserwiderung vom 1.4.2011 (GA III Bl. 557 ff.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 26.4.2011 verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 25.10.2011 (GA III Bl. 574 f.) Bezug genommen.

II.

A.

Die zulässige Berufung hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die angefochtene Entscheidung war zum einen hinsichtlich der Haftungsquote zu korrigieren, da das Landgericht dem eigenen Verursacherbeitrag der Klägerin an der Schadensverursachung am Prüfungsmaßstab des § 513 Abs. 1 ZPO ein zu geringes Gewicht beigemessen hat: Der Vorwurf, dass der (ausgeschiedene) Beklagte zu 1) unangemessen rasant angefahren sei, war in der Beweisaufnahme nicht zu verifizieren. Mit Blick auf dieses Beweisergebnis waren die Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage einer Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zum Nachteil der Klägerin zu liquidieren. Zum andern zwingt die Dogmatik der Schmerzensgeldberechnung dazu, den Zeitraum für die Bemessung des Schmerzensgeldes auf den Schluss der letzten erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zu begrenzen.

1. Die Beklagten haften – dies zeigt das sogleich darzustellende Ergebnis der Beweisaufnahme – nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung (§ 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 und 2 PflVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung). Allerdings muss sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen: Gem. § 9 StVG findet die Vorschrift des § 254 BGB Anwendung, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt hat. Hierbei folgt die Haftungsabwägung den zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätzen: Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge sind nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 7; BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 24.6.1975 – VI ZR 159/74, VersR 1975, 1121). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Die Abwägung kann zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt (Hentschel/König/Dauer, aaO, Rdnr. 9; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 239; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 18 f.; Budewig/Gehrlein/Leipold, Der Unfall im Straßenverkehr, Rdnr. 99; Senat, MDR 2011, 537; KG, MDR 2011, 27; OLG Schleswig, MDR 2011, 846; vgl. auch OLG Hamm,Schaden-Praxis 2003, 84; OLG Koblenz, Urt. v. 11.12.2006 – 12 U 1184/04; OLG Köln, Schaden-Praxis 2002, 376).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist für den Ausgang des Rechtsstreits das Ergebnis der Beweisaufnahme von ausschlaggebender Relevanz. Der feststehende Sachverhalt stellt sich folgendermaßen dar:

a) Es ist unstreitig, dass die Klägerin und die Zeugin Cu. jeweils ein Pferd führten, als sich der Beklagte zu 1) mit dem von ihm selbst als „laut“ beschriebenen Fahrzeug von hinten näherte. Nach der eigenen Einlassung des Beklagten zu 1), die im Kern in Einklang mit den Angaben der Klägerin und der Zeugin Cu. steht, wurde das Pferd durch das herannahende Kraftfahrzeug erschreckt, weshalb es aufsprang. Sodann lenkte der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug an den linken Fahrbahnrand, während die Klägerin das Pferd in Richtung auf den PKW bewegte. Hierbei wählte sie eine Gehrichtung, die es ihr nicht ermöglichte, sich zwischen Pferd und Fahrzeug zu stellen. Auch hielt sie die Longe in einer Art und Weise fest, die es ihr unmöglich machte, dem Pferd für den Fall einer plötzlichen Bewegung mehr Leine zu lassen. Nach den Lichtbildern hätte die Klägerin das Pferd ohne weiteres von der Fahrbahn weg auf den Acker führen können. Als sich das Pferd neben dem Fahrzeug befand, fuhr Beklagte zu 1) wieder an, woraufhin das Pferd erneut scheute und die Klägerin mitriss.

b) Demgegenüber ist nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) besonders rasant anfuhr: Einziges Indiz für eine unangemessene Fahrweise könnte der Umstand sein, dass das linke Rad beim Anfahren durchdrehte und – so die Angabe der Klägerin – Steine aufwirbelte. Jedoch steht das Durchdrehen der Räder keineswegs fest: Die Angabe der Klägerin steht im Widerspruch zur Angabe des Beklagten zu 1), der in seiner persönlichen Anhörung (GA I Bl. 135) ausgesagt hat, es sei nicht zu einem Durchdrehen der Räder gekommen; jedenfalls habe er davon nichts mitbekommen. Die Zeugin Cu. konnte sich an den eigentlichen Unfallhergang nur eingeschränkt erinnern und hat keine spezifischen Angaben zum Unfallhergang gemacht.

c) Ein weiteres – wesentliches – Detail ist nicht bewiesen: Es steht nicht fest, ob die Klägerin das Pferd an dem Fahrzeug entgegen ihrer ursprünglichen Bewegungsrichtung vorbeiführen wollte und der Beklagte zu 1) noch während sich die Klägerin in dieser Bewegung befand, erneut anfuhr, oder ob die Klägerin seitlich neben dem Fahrzeug verharrte, um dem Beklagten zu 1) die Möglichkeit einzuräumen, nach vorne weiter zu fahren. Für einen solchen Sachverhalt spricht die Aussage des Beklagten zu 1) der unwiderlegt und durchaus glaubhaft dargestellt hat, die Klägerin habe das Pferd von der Straße weg geführt, und zwar zur rechten Fahrbahnseite hin. Dann sei die Klägerin allerdings stehen geblieben. Der Beklagte zu 1) habe dann die Klägerin und/oder die Zeugin Cu. angeschaut und die Sache als erledigt angesehen. Erst danach sei er wieder angefahren. Für diese Version spricht die Sachverhaltsschilderung, die die Sachverständige E. auf GA II Bl. 209 unter Bezugnahme auf die Angaben der Klägerin gefertigt hat: Die Klägerin hat gegenüber der Sachverständigen angegeben, sie habe den Wallach wieder auf den mit Gras bewachsenen Seitenstreifen geführt, wodurch die Hinterhand des Pferdes zur Hinterhand des von der Zeugin Cu. geführten Pferdes positioniert gewesen sei. M... habe sich parallel zum PKW der Beklagten zu 2), etwa in Höhe der Fahrzeugmitte, befunden, als der Beklagte zu 1) wieder angefahren sei. Nach dieser Sachverhaltsschilderung war die Ausweichbewegung der Klägerin auf den mit Gras bewachsenden Seitenstreifen beendet, als der Beklagte zu 1) wieder anfuhr.

3. Nach diesem Beweisergebnis steht zunächst fest, dass das Pferd infolge des beim Anfahren verursachten Geräuschs scheute. Mithin ereignete sich der Schaden i.S. des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des Kraftfahrzeugs. Zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs und dem Schaden besteht ein Zurechnungszusammenhang. Die Auffassung der Berufung, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Pferd aus anderen Gründen gescheut habe, etwa deshalb, weil die Trense unsachgemäß befestigt gewesen sei, vermag nicht zu überzeugen. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin, wonach das Pferd infolge des Anfahrgeräuschs gescheut habe, in Zweifel zu ziehen.

4. Für die Haftungsabwägung gilt folgendes:

a) In der Haftungsabwägung ist – insoweit ist dem Landgericht zu folgen – der Klägerin ein eigener fahrlässiger Verstoß gegen die im Umgang mit Pferden erforderliche Sorgfalt vorzuwerfen. Sie bewegte das Pferd nicht weit genug von der Gefahrenstelle weg, sondern auf die Gefahrenstelle zu. Zudem positionierte sie sich nicht zwischen Gefahrenquelle und Pferd, weshalb sie dem fliehenden Pferd geradezu im Wege stand. Der Senat folgt der Einschätzung der Sachverständigen E., dass der Klägerin unter den vorgenannten Aspekten reiterliche Fehler vorzuwerfen sind. Insbesondere vermögen die von der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht zu entkräften: Es muss einer hinreichend erfahrenen Reiterin möglich sein, die Gangrichtung eines Pferdes zu beeinflussen. Selbst wenn das Pferd bereits als Reaktion auf das herangefahrene Fahrzeug seinen Kopf in Richtung des Fahrzeugs gewandt haben sollte, bestand zumindest keine Notwendigkeit, das Pferd auf dem mit Gras bewachsenen Seitenstreifen parallel zur Straße mit Blick auf das Fahrzeug verharren zu lassen. Schließlich trug die Haltung der Longe dazu bei, dass die Klägerin dem Pferd nicht genug Leine geben konnte, weshalb sie zu Sturz kam.

Jedoch kann der Klägerin die Tiergefahr nicht zugerechnet werden, da sie selbst nicht Halterin des Pferdes war. Die Voraussetzung des § 834 BGB sind in der Person der Klägerin nicht nachweisbar erfüllt.

b) Dem Beklagten zu 1) ist kein nachgewiesenes Verschulden anzulasten: Bleibt die Intensität des Anfahrmanövers unbewiesen und bleibt ebenso unbewiesen, dass die Klägerin ihre Ausweichbewegung beendet hatte, so kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, zu früh angefahren zu sein. Auch ein eventueller Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 1 StVO), der darin liegen könnte, dass der Beklagte zu 1) angefahren sein mochte, ohne sich durch einen Blickkontakt mit der Klägerin darüber verständigt zu haben, ob eine gefahrlose Weiterfahrt möglich sei, ist nicht zu berücksichtigen, da die Unfallursächlichkeit dieses Unterlassens nicht feststeht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht zu widerlegen, dass die Klägerin ihre Ausweichbewegung mit der seitlichen Positionierung bereits zum Abschluss gebracht hatte, weshalb auch ein Blickkontakt zur Klägerin den Beklagten zu 1) nicht am Anfahren hätte hindern können.

c) Nach alldem ist in der Haftungsabwägung zum Nachteil der Beklagten lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu gewichten. Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen dafür, dass die Betriebsgefahr hinter das nachgewiesene Verschulden der Klägerin vollständig zurücktreten muss, nicht vor: In der Kasuistik tritt bei sog. Fußgängerunfällen die Betriebsgefahr insbesondere dann zurück, wenn dem Fußgänger ein grob fahrlässiges Verschulden vorgeworfen werden kann (Senat, MDR 2011, 557; KG, MDR 2011, 27; vgl. auch OLG Schleswig, MDR 2011, 846). Diese Grenze einer schwerwiegenden Missachtung der in eigenen Angelegenheiten zu beachtenden Sorgfalt wird nicht überschritten. Hinzukommt, dass dem Kleintransporter aufgrund seiner Masse und dem unstreitigen Umstand, dass die schadensursächlichen Fahrgeräusche besonders laut waren, eine gesteigerte Betriebsgefahr beizumessen war. Zusammenfassend erscheint es daher interessengerecht, den Haftungsanteil der Klägerin doppelt so stark zu gewichten, weshalb eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zum Nachteil der Klägerin festzusetzen war.

5. Ausgehend von der geänderten Quote sind alle materiellen Schadenspositionen entsprechend zu korrigieren. Hinsichtlich der Schadensberechnung im Einzelnen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 15 und 16 (I – IV) Bezug. Auch soweit das Landgericht die Lohnkosten für die Einstellung der Ersatzkraft für die Aufrechterhaltung des von der Klägerin betriebenen Nagelstudios zuerkannt hat, hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Berufung stand:

a) Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Kosten für die Einstellung der Ersatzkraft nicht im Wege des § 252 BGB als entgangenen Gewinn geltend macht. Auch will die Klägerin nicht den „abstrakten“ Ausfall ihrer Arbeitskraft liquidieren: In diesem Falle wäre der Klage – darin ist der Berufung zu folgen – nur stattzugeben, wenn die Klägerin darlegen könnte, dass ihr aus dem Verlust ihrer Arbeitskraft ein konkreter Vermögensschaden entstanden wäre (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 249 Rdnr. 65).

b) Vielmehr beansprucht die Klägerin die Kosten in unmittelbarer Anwendung des § 249 Abs. 2 BGB als Aufwendungserstattungsanspruch. Dieser Anspruch steht dem Geschädigten zu, wenn sein die Aufwendungen bedingender Willensentschluss, hier: Einstellung der Ersatzkraft, eine zweckentsprechende Maßnahme war, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für notwendig halten durfte (st. Rspr. BGH, statt aller: BGHZ 160, 377, 383; Urt. v. 14.10.2008 – VI ZR 30/07, NJW 2009, 58; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., v § 249 Rdnr. 44). Nach diesem Maßstab steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu:

Die Klägerin war nach dem Ausfall ihrer eigenen Arbeitskraft nicht dazu in der Lage, ihr Nagelstudio aufrechtzuerhalten. Sie stand deshalb vor der Entscheidung, den Betrieb entweder zu schließen oder durch Einstellung einer Ersatzkraft fortzuführen. In einer solchen Konfliktsituation muss der Schädiger die Entscheidung des Geschädigten, den Betrieb einstweilen fortzuführen, akzeptieren, solange die Aufrechterhaltung des Betriebs nicht augenfällig gegen jede wirtschaftliche Vernunft verstößt. Diese Grenze ist im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht erreicht: Allein der Umstand, dass das Nagelstudio in den letzten beiden Jahren vor dem Unfall keinen Gewinn erzielte, deutete nicht mit Zwangsläufigkeit darauf hin, dass auch in der im Jahr 2007 anzustellenden Prognose ein wirtschaftlicher Erfolg ausgeschlossen war. Immerhin gelang es der Klägerin, nach einem Verlust im Geschäftsjahr 2004 im Geschäftsjahr 2006 mit einem neutralen Ergebnis abzuschließen. Hinreichend valide Anhaltspunkte dafür, dass das positive Betriebsergebnis im Jahr 2007 alleine auf den persönlichen Einsatz der Ersatzkraft zurückzuführen sei und von der (gesunden) Klägerin nicht erzielt worden wäre, sind nicht ersichtlich.

Zusammenfassend beläuft sich die Summe der materiellen Schäden nach der zutreffenden Berechnung des Landgerichts auf 6.975,20 EUR, woraus unter Berücksichtigung der Haftungsquote ein erstattungsfähiger Betrag von 2.325,07 EUR verbleibt.

6. Hinsichtlich der Erstattung des immateriellen Schadens bedarf die Entscheidung im Ergebnis insoweit einer Korrektur, als das Mitverschulden auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen stärker zu gewichten ist:

a) Das Landgericht hat der Klägerin für alle bis zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung entstandenen gesundheitlichen Einbußen ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zugesprochen und hierbei die Auffassung vertreten, dass die zeitliche Beschränkung des Schmerzensgeldes deshalb erfolgen müsse, weil noch nicht abzusehen sei, mit welchen Änderungen des gesundheitlichen Zustandes noch zu rechnen sei.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung begegnet es keinen Bedenken, das Schmerzensgeld zeitlich zu begrenzen.

aa) Dem steht insbesondere nicht der Grundsatz entgegen, wonach das Schmerzensgeld einheitlich zu bemessen ist: Zwar ist nach der Lehre von der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (st. Rspr. BGHZ (GS) 18, 149; Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rdnr. 15). Diese ganzheitliche Betrachtung scheidet jedoch aus, wenn wegen einer ungewissen und nicht absehbaren Schadensentwicklung die tatsächlichen Grundlagen für die Gewichtung der das Schmerzensgeld determinierenden Faktoren nicht verlässlich bestimmt werden können. In einem solchen Fall führt kein Weg daran vorbei, dem Geschädigten zunächst denjenigen Betrag zuzusprechen, der dem Verletzten zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, um das Schmerzensgeld dann in einem Folgeprozess auf die volle Summe zu erhöhen, die der Verletzte auf Grund der dann verlässlichen Beurteilung der weiteren Entwicklung beanspruchen kann (BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243 unter Berufung auf RG, Warn. 1917 Nr. 99, S. 143 f.; vgl. MünchKomm(BGB)/Oetker, 5. Aufl., § 253 Rdnr. 61). Diese Durchbrechung des Grundsatzes von der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes eröffnet dem Kläger in den Fällen der noch nicht abgeschlossenen und unüberschaubaren Schadensentwicklung die Option zur Erhebung einer offenen Teilklage (Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rdnr. 15, 23; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 253 Rdnr. 69; Terbille, VersR 2005, 37, 40; Diederichsen, VersR 2005, 433, 440; Heß, NJW-Spezial 2004, 63 f.). Auch ein einheitlicher Anspruch ist im rechtlichen Sinne teilbar, solange er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist (BGH, NJW 2004, 1244).

Allerdings verlangt es dieses Interesse nicht, auch die zum Zeitpunkt der Entscheidung sicher zu prognostizierende Schadensentwicklung nur bis zum Stichtag zu beachten. Vielmehr sind sämtliche bis zum Stichtag bereits eingetretenen Schadensfolgen zugleich für die gesamte weitere Lebensentwicklung des Geschädigten zu gewichten (Senat, NJW 2011, 3169; OLG Celle, MDR 2009, 1273). Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie vorzugswürdig. Denn es erspart den Parteien einen Folgeprozess, wenn sich die unsichere Prognose nicht bestätigt. Demgegenüber wäre auf der Grundlage der Gegenauffassung (offensichtlich OLG Brandenburg, SB 2009, 71) ein Folgeprozess unvermeidlich, wenn bei der Schadensbemessung eine sichere Dauerfolge nur bis zu einem bestimmten Stichtag in die Berechnung des Schmerzensgeldes einbezogen werden könnte. Hierbei wird in einem Folgeprozess die spätere Entwicklung nicht isoliert zu betrachten sein. Vielmehr orientiert sich die im Folgeprozess zuzuerkennende Summe danach, welches Gesamtschmerzensgeld zu zahlen ist, wenn die spätere Unfallfolge von vornherein in die ursprüngliche Schmerzensgeldberechnung Eingang gefunden hätte (Senat, NJW 2011, 3169; OLG Celle, MDR 2009, 1273).

bb) Mit dieser Maßgabe durfte das Landgericht den unbeschränkten Schmerzensgeldanspruch im Urteilsausspruch aufgrund der unsicheren Schadensentwicklung auf diejenigen Unfallfolgen beschränken, die zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits eingetreten waren oder für den weiteren Lebensweg über den genannten Zeitpunkt hinaus sicher zu prognostizieren waren. Allerdings ist – dies rügt die Berufung mit Recht – unter dem Zeitpunkt der Entscheidung der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung, nicht das Verkündungsdatum zu verstehen (vgl. BGH, NJW 2004, 1243). Dies folgt bereits aus dem zivilprozessualen Verhandlungsgrundsatz, der es gebietet, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern. Konsequent bestimmt der Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 136 Abs. 4 ZPO) den maßgeblichen Zeitpunkt für die Aufklärung des tatsächlichen Streitstoffs, weshalb § 296a ZPO nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung den Vortrag neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur noch unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des §§ 156, 283 ZPO zulässt. Unter Beachtung dieser Vorgaben hat das Landgericht der Klägerin nicht unter Verstoß gegen § 308 ZPO ein „aliud“ zugesprochen. Vielmehr ist der zeitlich eingeschränkte Anspruch als Teil in dem umfassenden, auf einheitlichen Ausgleich gerichteten Schmerzensgeldanspruch enthalten, weshalb das Landgericht nach diesem Verständnis hinter dem Antrag zurückgeblieben ist.

Schließlich kann unerörtert bleiben, inwieweit der Zeitpunkt für die Schmerzensgeldberechnung auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu erstrecken ist: Die weitere gesundheitliche Entwicklung der Klägerin ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

c) Angewandt auf die gesundheitliche Situation der Klägerin ergibt sich Folgendes:

aa) Bei der Schmerzensgeldbemessung waren vor allem die nicht unerheblichen Primärverletzungen am Knie zu berücksichtigen. Die Versorgung dieser Verletzungen erforderte insgesamt drei Operationen und einen weiteren Eingriff zur Durchführung einer Arthroskopie, die ebenfalls mit einem stationären Krankenhausaufenthalt verbunden war. Die Stabilität des Kniegelenks ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht mehr wiederhergestellt worden. Dieser Zustand dauert seit dem Schadensfall über vier Jahre an. Hinzu kommen umfangreiche ambulante Behandlungsmaßnahmen sowie eine bereits jetzt zu diagnostizierende Arthrose, deren weiterer Verlauf freilich nicht verlässlich vorhergesehen werden kann. In Anbetracht dieser Leidensgeschichte erscheint – ungeachtet eines Mitverschuldens – ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR als angemessen.

bb) Dies gilt auch dann, wenn der Beklagten zu 2) keine das Schmerzensgeld erhöhende verzögerte Regulierungspraxis vorzuwerfen ist. Daran kann man im vorliegenden Sachverhalt zweifeln:

aaa) Zwar entspricht es anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen, dass die verzögerte Schadensregulierung als Bemessungsfaktor Beachtung findet. Dies setzt jedoch zunächst voraus, dass sich der leistungsfähige Schuldner einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt (Senat, Schaden-Praxis 2011, 13; Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rdnr. 17; vgl. OLGR Nürnberg, 2007, 112 = MDR 2007, 718; Naumburg, NJW-RR 2002, 672; 2008, 693; KG NZV 2007, 301). Mithin scheidet die verzögerte Regulierung überall dort als Bemessungsfaktor aus, wo die Rechtsverteidigung mit einigem Erfolg den Einwand erhebt, insbesondere auf der Ebene der Haftungsabwägung für die Folgen der Schädigung nicht einzustehen. Des Weiteren besitzt die Erhöhung des Schmerzensgeldes keinen Sanktionscharakter, sondern ist nur dann gerechtfertigt ist, wenn die verzögerte Zahlung das gem. § 253 BGB geschützte Interesse des Gläubigers beeinträchtigt. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn der Schuldner unter der langen Dauer der Schadensregulierung leidet. Aber auch dann, wenn der Gläubiger den Schadensersatz dazu verwenden wird, um die Auswirkungen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu lindern, kann die Verzögerung der Schadensregulierung eine Anhebung des Schmerzensgeldes verlangen.

bbb) Umstände, die den Schluss erlauben, dass die verzögerte Schadensregulierung die gesundheitliche Situation der Klägerin nachhaltig beeinflusste, hat das Landgericht nicht festgestellt. Zudem zeigen die Erwägungen zur Haftungsquote, dass der Beklagten zu 3) hinsichtlich ihrer Weigerungshaltung nicht jedes schutzwürdige Interesse abzuerkennen ist.

d) Zusammenfassend war unter Berücksichtigung des Mitverschuldens, welches nicht im Sinne einer mathematischen Quotierung, sondern lediglich als normativer Bewertungsfaktor zu berücksichtigen war (Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rndr. 20), zum Ausgleich der immateriellen Schäden ein Schmerzensgeld von 3.300 EUR zuzusprechen.

7) Der Feststellungsausspruch war an die geänderte Quotierung anzupassen.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1, § 288, § 291 BGB). Im Zinsanspruch war die landgerichtliche Entscheidung gem. § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen: Aus der im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Antragstellung und den Ausführungen auf LG-U. S. 17 ist zu ersehen, dass das Landgericht der Klägerin ab dem 9.8.2010 aus der vollen Urteilssumme Zinsen zugesprochen hat.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 97, § 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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