1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019 (3 O 281/19) wird zurückgewiesen.
2) Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3) Das Urteil des Senats sowie das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019 sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4) Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 23.800,- EUR.
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| Der Kläger verlangt von der Beklagten als Herstellerin eines von ihm erworbenen Personenkraftwagens Schadensersatz, da das Fahrzeug vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen ist. |
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| Der Kläger hat aufgrund Kaufvertrags vom 16.6.2016 vom Autohaus W... in S... G... einen Gebrauchtwagen V... T..., Erstzulassung 23.4.2014, bei einem Kilometerstand von 26856 zum Kaufpreis von 23.800,- EUR (brutto) erworben (Anlage K 1, Bl. 39). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Beklagten der Baureihe EA 189 ausgestattet und unterliegt der Schadstoffnorm Euro 5. Die Beklagte hat eine Übereinstimmung des Fahrzeugs mit einer vorliegenden EG-Typgenehmigung bestätigt. |
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| Die Motorsteuerung des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet, die erkannt hatte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfahren hat. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert („Modus 1“). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Bei „normalem Straßenbetrieb“ war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher („Modus 0“). |
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| Die Beklagte hatte am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht, wonach bei weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hochdruck daran arbeite, die Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) stehe. |
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| Mit Bescheid des Kraftfahrtbundesamts vom 15.10.2015 wurde die Beklagte verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Beklagte bot daraufhin den betroffenen Fahrzeughaltern ein kostenloses Software-Update an, mit welchem aus ihrer Sicht den Anforderungen des Kraftfahrzeugbundesamts genügt wird. |
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| Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24.4.2019 hat der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend gemacht und forderte sie auf, bis zum 9.5.2019 sich zu möglichen Vergleichsverhandlungen zu erklären (Anlage K 2, Bl. 39). |
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| Mit seiner Klage vom 3.7.2019 hat der Kläger geltend gemacht, ihm stünden gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus §§ 311, 241 Abs. 2, 826, 31, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB bzw. Vorschriften der EG-FGV und der Richtlinie 2007/46/EG bzw. § 16 UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF zu. Die Beklagte habe das Fahrzeug mit einer nicht erlaubten Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 EG-VO 715/2007 ausgestattet. Der Vorstand und weitere Mitarbeiter der Beklagten hätten Kenntnis vom Einsatz der unzulässigen Software gehabt. |
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| Ein so genanntes Software-Update wurde auf dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug aufgespielt. |
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| Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei es wesentlich auf die von der Beklagten auch besonders beworbene, tatsächlich aber nicht vorliegende Umweltfreundlichkeit des gekauften Fahrzeugs angekommen. |
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| Die Beklagte schulde daher Schadensersatz, den der Kläger aber noch nicht beziffern könne, weswegen er primär auf Feststellung klagen müsse und dürfe, zumal auch die Höhe der Nutzungsentschädigung völlig offen sei. Nur hilfsweise hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitbefangenen Fahrzeugs in Anspruch genommen. |
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| Die Beklagte hat eingewandt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil er das Fahrzeug zu einem Zeitpunkt erworben habe, als die Beklagte die Verwendung der vom Kläger als unzulässig bezeichneten „Umschaltlogik“ der ursprünglichen Software längst öffentlich bekannt gemacht und konkrete Schritte zur Überarbeitung der Motorsteuerungssoftware eingeleitet gehabt habe. Angesichts der großflächigen und lang andauernden Medienberichterstattung müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache, dass besagte Software installiert war, gekauft habe. Zum Erwerbszeitpunkt am 16.6.2016 habe keine Entziehung der Typengenehmigung und auch keine Stilllegung des Fahrzeugs gedroht. Zum Zeitpunkt des Kaufs könne der Kläger nicht mehr damit argumentieren, dass es ihm auf Umweltfreundlichkeit angekommen sei; lebensnaher sei vielmehr, dass es ihn nicht interessiert habe. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags habe jedenfalls kein Schädigungsvorsatz der Beklagten bestanden. |
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| Das Landgericht Ellwangen hat mit dem angefochtenen Urteil die für zulässig erachtete Klage als - sowohl in den Hilfsanträgen als auch in den Hauptanträgen - unbegründet abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass es im Blick auf das Kaufdatum an dem dem Kläger obliegenden Nachweis einer kausalen Täuschung im Sinne von § 263 StGB bzw. einer kausalen sittenwidrigen Schädigung des Klägers seitens der Beklagten fehle, weil zum Kaufzeitpunkt auf Grund der öffentlichen Bekanntmachung der Vorgänge nicht mehr die ansonsten für einen Käufer streitende tatsächliche Vermutung angenommen werden könne, wonach ein Käufer jedenfalls keinen PKW erwerben wolle, der den gesetzlichen Vorschriften nicht entspreche, ihm daher durch den Kauf eines Fahrzeugs mit manipuliertem Motor ein Schaden entstanden sei. Dem Kläger sei der Kausalitätsbeweis nicht gelungen, weil er im Rahmen seiner Anhörung lediglich angegeben habe, keine Tageszeitung zu lesen und auch sonst kaum Nachrichten zu sehen. Das reiche zum Vollbeweis nicht aus, dass der Kläger über ein 3/4 Jahr nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals nichts davon „mitbekommen“ habe, zumal der Erwerb eines PKW eine erhebliche Investition darstelle, in deren Vorfeld gewöhnlich zumindest rudimentäre Informationen eingeholt würden. |
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| Auch die anderen in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen scheiterten zumindest an der fehlenden Kausalität. |
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| Der Kläger verfolgt mit seinem Rechtsmittel die erstinstanzlichen Anträge weiter und führt zur Begründung aus, das Landgericht habe „grob fehlerhaft“ angenommen, dass der Kläger die „ad-hoc-Mitteilung“ der Beklagten bzw. deren Presserklärung gekannt habe. Eine „fehlende Kenntnis“ gehöre nicht zum Tatbestand des Betrugs und auch nicht der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Zeitlicher Anknüpfungspunkt für die deliktischen Tatbestände sei nicht der des Kaufs, sondern der des Inverkehrbringens des Fahrzeugs. Es wäre Sache der Beklagten gewesen darzulegen und zu beweisen, dass ihre vorsätzlichen Schädigungen nicht kausal für den Eintritt des Schadens gewesen seien. Dazu sei kein substantiierter Vortrag erfolgt. Das Landgericht beschreite einen „völlig abwegigen dogmatischen Weg“, wenn es darauf abstelle, dass der Kläger Nachforschungen bezüglich des VW-Abgasskandals hätte anstellen müssen. Ungeachtet der prozessual rechtswidrigen Feststellung einer Kenntnis des Klägers von der „ad-hoc-Mitteilung“ bzw. der Presserklärung der Beklagten wäre eine diesbezügliche Kenntnis völlig ungeeignet, die Täuschung bzw. die sittenwidrige Schädigung auszuschließen. Der Kläger bezieht sich jeweils ergänzend auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 10.9.2019, 13 U 149/18. |
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| Der Kläger stellt daher folgende Anträge: |
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| Das Urteil des LG Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019, Az. 3 O 281/19 wird aufgehoben und der Rechtstreit an das LG Ellwangen (Jagst) zurückverwiesen. |
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| Hilfsweise für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt: |
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| Das Urteil des LG Ellwangen (Jagst) vom 6.9.2019, Az. 3 O 281/19 wird wie nachfolgend abgeändert: |
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| 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug V... T... 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr. |
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| 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA 189, des Fahrzeugs V... T... 2.0 TDI, FIN: ... eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickstoffemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, sodass es zu einem höheren Nox-Ausstoß führt. |
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| 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.899,24 EUR freizustellen. |
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| 1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 23.800,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.5.2019 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW V... T... 2.0 TDI, FIN: .... |
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| 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug V... T... 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr. |
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| 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ EA 189, des Fahrzeugs V... T... 2.0 TDI, FIN: ... eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickstoffemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, sodass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt. |
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| 3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klagantrag Ziffer 1 genannten PKW im Annahmeverzug befindet. |
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| 4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.899,24 EUR freizustellen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Sie verteidigt das angefochtene Urteil. |
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| Ergänzend wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.5.2020 sowie zum erstinstanzlichen Vorbringen und die dort gestellten Anträge auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 06.09.2019 verwiesen. |
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| Die (letztlich gerade noch) zulässige (s.u. A.) Berufung des Klägers ist nicht begründet (s.u. B.). |
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| Die Berufung ist (gerade noch) zulässig. |
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| Ob mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung der Kläger die notwendigen Anforderungen an eine inhaltliche Ausgestaltung einer Berufungsbegründung eingehalten hat, wonach eine solche auf den Streitfall zugeschnitten sein muss (vgl. z.B. BGH NJW 2013, 174, RN 10), könnte zwar zweifelhaft sein. Es könnte sich durchaus der Eindruck aufdrängen, dass die Klägervertreter mit - angesichts der vielen Hundert Fälle, mit denen sie befasst sein dürften, verständlicherweise erstellten - Textbausteinen gearbeitet haben (wiederholt wird „Klägerin“ statt „Kläger“ genannt) und vor diesem Hintergrund (Schreib- oder Diktat-) Fehler in der Berufungsbegründung entschuldbar sein könnten, vor allem aber die maßgebliche Begründung des LG, dass und warum sich hier die Beweislast für die Kausalität wieder zum Kläger gewendet hat und der Kläger den ihm nach Auffassung des Landgerichts (wieder) obliegenden Beweis nicht erbracht hat, in der Berufungsbegründung nicht näher behandeln, vielmehr von angeblichen Feststellungen des Landgerichts (insbesondere zu einer angeblichen Kenntnis des Klägers) ausgehen, die so gar nicht getroffen wurden. Letztlich meint der Senat jedoch der in der Berufungsbegründung auch enthaltenen Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 10.9.2019 (13 U 149/18) entnehmen zu können, dass der Kläger doch die Grundlagen der Kausalitätsüberlegungen des Landgerichts angreifen will und damit einen (gerade noch) tauglichen Angriff auf die inhaltliche Begründung des Landgerichts unternimmt, was für die Zulässigkeit der Berufung ausreicht. |
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| Die Berufung ist jedoch nicht begründet. |
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| Es besteht kein Grund und keine Veranlassung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Ellwangen. Denn es liegt keiner der in § 538 Abs. 2 ZPO geregelten Fälle vor (was im Übrigen auch die Klägervertreter nicht ansatzweise darlegen), sodass der Senat gemäß § 538 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung in der Sache berufen ist. |
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| Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt die gegen die Beklagte geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Weil dem so ist, kann im vorliegenden Fall das Bestehen eines Feststellungsinteresses für die primär gestellten Feststellungsanträge dahin gestellt bleiben, an deren Bestimmtheit ansonsten der Senat keine Zweifel hat (vgl. BGH NJW 2012, 1209, RN 45). |
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| Zwar hat die Beklagte, wie der Senat inzwischen wiederholt (vgl. Senatsurteile vom 19.2.2020, 4 U 149/19, und vom 22.4.2020, 4 U 500/19) und nun auch der BGH im Urteil vom 25.5.2020 (VI ZR 252/19) entschieden hat, beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit einem Motor der Baureihe EA 189, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war, jedenfalls vorsätzlich sittenwidrig i. S. v. § 826 BGB gehandelt. |
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| Durch weitgehende Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit, die die Beklagte seit September 2015 unternommen hat, ist jedoch jedenfalls der Zurechnungszusammenhang zu einem etwaigen Schaden des Klägers bei Abschluss des Kaufvertrages am 16.6.2016 weggefallen. Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen steht ihm gegen die Beklagte nicht der geltend gemachte Schadensersatz zu. |
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| Ein vorsätzliches sittenwidriges Handeln der Beklagten im Sinne von §§ 826, 31 BGB lässt sich zum Zeitpunkt des Kaufvertrags vom 16.6.2016 nicht mehr feststellen, weshalb es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen früherem sittenwidrigen Inverkehrbringen des Fahrzeugs und Kaufentschluss des Klägers fehlt. |
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| Dies beruht auf den seit der Ad hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 veröffentlichten Informationen, insbesondere auch auf der breit publizierten Abfragemöglichkeit betroffener Fahrzeuge auf einer Internet-Seite anhand der Fahrzeug-Identnummer (FIN). |
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| Zwar ist die mit dem Inverkehrbringen der betroffenen Fahrzeuge begangene Täuschung potentieller Fahrzeugkäufer nicht dadurch weggefallen, dass die Beklagte seit 22.09.2015 verschiedene Informationen veröffentlicht hat (so wohl OLG Koblenz, Urt. v. 04.07.2019, 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289). Auch fällt ein bei Inverkehrbringen gegebener Schädigungsvorsatz der Beklagten nicht nachträglich durch die genannten Informationsmaßnahmen weg (so aber wohl OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.11.2017, 7 U 69/17, BeckRS 2017, 147936). |
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| Die Ad hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 lässt für sich genommen auch noch nicht die Kausalität einer Täuschung für den Kauf des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs nach diesem Zeitpunkt entfallen. Ein Kunde hat regelmäßig keine Kenntnis davon, wie ein Hersteller intern einen Motor bezeichnet, und konnte der Ad hoc-Mitteilung oder unmittelbar auf diese gestützte Presseberichten nicht entnehmen, ob das von ihm zu erwerbende Fahrzeugmodell von Unregelmäßigkeiten betroffen ist (OLG Köln, Urt. v. 04.10.2019, 19 U 98/19, BeckRS 2019, 30559). Allerdings ist die Kausalität der in dem Inverkehrbringen liegenden ursprünglichen Täuschungshandlung für einen Vertragsschluss, der nach der ausführlichen Presseberichterstattung in den Wochen und Monaten nach dem 22.09.2015 erfolgt ist, zweifelhaft, wenn sich ein Käufer trotz eines konkreten Verdachts, das Fahrzeug könne von der Abgasproblematik betroffen sein, nicht danach erkundigt und sich darüber Klarheit verschafft. In einem solchen Fall spricht viel dafür, dass ein (mögliches) Betroffensein des Fahrzeugs von der Abgasproblematik keinen wesentlichen Einfluss auf die Kaufentscheidung gehabt hat, zumal wenn im Zeitpunkt des Kaufs bereits publik war, dass die Zulassungsbehörden eine vom Hersteller auf seine Kosten zur Verfügung gestellte technische Maßnahme, insbesondere ein Software-Update, genügen lassen und bei Ausführung des Updates keine Stilllegung des Fahrzeugs angeordnet werden wird (OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019, 24 U 5/19, BeckRS 2019, 13405; OLG München, Urt. v. 20.01.2020, 21 U 5072/19, BeckRS 2020, 197; Urt. v. 16.12.2019, 21 U 2850/19, BeckRS 2019, 34379 Rn. 21; OLG Dresden, Urt. v. 20.08.2019, 9 U 851/19, BeckRS 2019, 21364; Urt. v. 24.07.2019, 9 U 2067/18, BeckRS 2019, 19566; OLG Saarbrücken, Urt. v. 28.08.2019, 2 U 94/18, NJW-RR 2019, 1453). |
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| Die näheren Umstände zur Kausalität können im vorliegenden Fall jedoch dahin stehen, da es jedenfalls an der objektiven Zurechnung der sittenwidrigen Täuschung der Beklagten bei Inverkehrbringen des Fahrzeugs im April 2014 zu dem erst am 16.6.2016 erfolgten (Gebrauchtwagen)Kauf durch den Kläger fehlt. |
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| Im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs fehlte es an einem auf eine sittenwidrige Täuschung gerichteten Vorsatz der Beklagten i. S. v. § 826 BGB. Der Zurechnungszusammenhang eines früheren Schädigungsvorsatzes ist durch das zwischenzeitliche Verhalten der Beklagten unterbrochen worden. |
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| Nach allgemeiner Meinung haftet der Schädiger nicht für alle im naturwissenschaftlichen Sinn (condicio sine qua non) durch das schadensbegründende Ereignis verursachten Folgen (äquivalente Kausalität). Vielmehr ist die Verantwortlichkeit des Schädigers durch weitere Zurechnungskriterien einzuschränken, um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu verhindern (BGH, Urt. v. 06.06.2013, IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345, 2346 Rn. 20 ff.; Urt. v. 11.09.1999, III ZR 98/99, NJW 2000, 947 m. w. Nachw.). Eine Haftung scheidet aus, wenn der durch das Verhalten des Schädigers in Gang gesetzte Kausalverlauf bei wertender Betrachtung durch später hinzu getretene Umstände unterbrochen wurde, weil diese im Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund treten, dass die Erstursache vollständig verdrängt wird bzw. der geltend gemachte Schaden nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht, denn ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang genügt nicht (BGH, Urt. v. 09.04.2019, VI ZR 89/18, NJW-RR 2019, 1187, 1189 Rn. 18; Urt. v. 22.09.2016, VII ZR 14/16, NJW 2016, 3715, 3716 Rn. 14 ff.; Oetker in Münchener Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 249 Rn. 142 ff. Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Auf. 2020, vor § 249 BGB Rn. 24 ff. m. w. Nachw.; vgl. zu vorigem auch OLG Frankfurt, Urt. v. 27.11.2019, 17 U 313/18, BeckRS 2019, 30840 Rn. 18 ff.). Macht der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden, dann reicht es nicht aus, dass der Täter die Möglichkeit eines solchen Kausalverlaufs erkannt und gebilligt hat. Vielmehr trifft ihn der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deshalb vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Anderenfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht. Zutreffenderweise ist in diesen Fällen deshalb für die Beurteilung des Verhaltens als sittenwidrig auf den Zeitpunkt der Schadensherbeiführung abzustellen (BGH, Urt. v. 07.05.2019, VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; Urt. v. 04.06.2013, VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448, 1450 Rn. 14, 23; Urt. v. 20.02.1979, VI ZR 189/78, NJW 1979, 1599, 1600; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2019, 7 U 156/19; Urt. v. 26.11.2019, 10 U 338/19, BeckRS 2019, 29975; Urt. v. 26.11.2019, 10 U 199/19, BeckRS 2019, 29977; Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326; OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 01.07.2019, 7 U 33/19, BeckRS 2019, 14988; Hinweisbeschl. v. 27.05.2019, 7 U 335/18, BeckRS 2019, 14991; Beschl. v. 29.04.2019, 7 U 159/19, juris; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.11.2019, 13 U 156/19, BeckRS 2019, 27981; OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019, 24 U 5/19, BeckRS 2019, 13405, Rn. 38; OLG Koblenz, Urt. v. 02.12.2019, 12 U 1044/19, BeckRS 2019, 32689; Urt. v. 04.07.2019, 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289). |
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| Für die Bewertung der vorwerfbaren Handlung der Beklagten als sittenwidrig ist im vorliegenden Fall somit nicht nur auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs im April 2014 abzustellen; vielmehr muss das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit auch die Veranlassung des Geschädigten zur Vornahme einer ihn schädigenden eigenen Handlung umfassen und damit auch im Zeitpunkt des Kaufs vom 16.6.2016 noch vorliegen. Zu diesem Zeitpunkt war eine besondere Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten jedoch nicht mehr gegeben. |
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| Die Beklagte hat seit 22.09.2015 Versuche unternommen, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass (wenn auch womöglich nicht sie selbst, so doch) die maßgeblichen Behörden von einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Abgassteuerung von Millionen von Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ausgehen. |
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| Dass die erste Information vom 22.09.2015 in Form einer Ad hoc-Mitteilung erging und damit formal an Kapitalanleger gerichtet war, ändert hieran nichts. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Veröffentlichungen großer Kapitalgesellschaften, die formal ihren Anlegern dienen, eine allgemeine Presseberichterstattung nach sich ziehen. Im vorliegenden Fall war bei einer ausdrücklich als solcher bezeichneten „Gewinnwarnung“ eines großen deutschen Automobilherstellers, der ankündigt, für notwendige Servicemaßnahmen an weltweit rund elf Millionen betroffenen Motoren ca. 6,5 Milliarden Euro zurückzustellen, ein größeres Presseecho zu erwarten, wie es in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang in Presse- und Fernsehnachrichten über einen längeren Zeitraum hin geschehen ist. |
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| Darüber hinaus hat die Beklagte - was allgemein und gerichtsbekannt ist - am 22.09.2015 auch eine Pressemitteilung herausgegeben, wonach Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen auffällig seien, bei denen eine Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei. |
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| Ebenfalls Gegenstand weitreichender Presseberichterstattung war der Umstand, dass die Beklagte Anfang Oktober 2015 eine Webseite freigeschaltet hat, auf der durch Eingabe der Fahrzeug-Identifikationsnummer überprüft werden kann, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung versehen ist bzw. bereits eine „technische Maßnahme“ durchgeführt worden ist. Darüber hinaus hat die Beklagte ihre Vertragshändler und Servicepartner über die Problematik informiert. |
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| Am 15.10.2015 informierte das Kraftfahrtbundesamt, später auch die Beklagte, in einer Pressemitteilung über eine Anordnung über den Rückruf von 2,4 Millionen Kraftfahrzeugen mit Euro 5 Dieselmotoren mit einem Hubraum von 1,2 l, 1,6 l und 2,0 l. Diese seien mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und es müssten geeignete Maßnahmen getroffen werden, um einen vorschriftsmäßigen Zustand herzustellen. Die betroffenen Halter würden durch den Hersteller zeitlich gestaffelt angeschrieben und aufgefordert, ihr Fahrzeug in einer Werkstatt vorzuführen (hierzu auch OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 10 U 338/19, BeckRS 2019, 29975). |
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| Die sich aus diesen Informationsquellen ergebenden Kenntnisse in der breiten Öffentlichkeit sind bei der Beurteilung der Anstrengungen der Beklagten zu berücksichtigen, den seit dem Inverkehrbringen der mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Fahrzeuge fortdauernden Sittenwidrigkeitsvorwurf zu beseitigen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann jedenfalls im Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Fahrzeugkaufs nicht mehr von einer weiterhin als sittenwidrig anzusehenden Veranlassung der Beklagten ausgegangen werden, die Käufer von Fahrzeugen (weiterhin) zu schädigen, wie dies beim Inverkehrbringen der Dieselfahrzeuge mit dem von der streitgegenständlichen Software betroffenen Motor EA 189 noch der Fall gewesen war. Die Beklagte hat in der Zeit ab dem 22.09.2015 Maßnahmen getroffen, um die Öffentlichkeit und die Besitzer betroffener Dieselfahrzeuge über das Vorhandensein einer von den Behörden als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung zu informieren und dadurch die weiteren Auswirkungen ihres – ehedem – sittenwidrigen Verhaltens einzudämmen. Unter Berücksichtigung der Berichterstattung in der Presse und die damit verbundene Unterrichtung der Öffentlichkeit waren die Informationen geeignet, das Fortwirken des Sittenwidrigkeitsverdikts zu verhindern (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2019, 7 U 156/19; Urt. v. 26.11.2019, 10 U 338/19, BeckRS 2019, 29975; Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326; Urt. v. 26.11.2019, 10 U 199/19, BeckRS 2019, 29977; OLG Celle, Beschl. v. 01.07.2019, 7 U 33/19, BeckRS 2019, 14988; Hinweisbeschl. v. 27.05.2019, 7 U 335/18, BeckRS 2019, 14991; OLG Koblenz, Urt. v. 02.12.2019, 12 U 1044/19, BeckRS 2019, 32689; Urt. v. 25.10.2019, 3 U 348/19, BeckRS 2019, 31003 Urt. v. 04.07.2019, 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289; OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019, 24 U 5/19, BeckRS 2019, 13405; OLG München, Urt. v. 20.01.2020, 21 U 5072/19, BeckRS 2020, 197; Urt. v. 16.12.2019, 21 U 2850/19, BeckRS 2019, 34379; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.11.2019, 117 U 313/18, BeckRS 2019, 30840; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.11.2019, 1 U 32/19, BeckRS 2019, 33012). |
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| Die Beklagte hat damit das ihr subjektiv und objektiv Mögliche getan, um das Entstehen etwaiger Schäden im Rahmen eines Weiterverkaufs betroffener Gebrauchtwagen zu vermeiden. Da der ursprüngliche Sittenwidrigkeitsvorwurf gegenüber der Beklagten gerade darauf gründet, dass mit der Herstellung und dem Inverkehrbringen des in Rede stehenden Motortyps konkludent die – tatsächlich nicht zutreffende – öffentliche Erklärung gegenüber einem potentiellen Erwerberkreis verbunden war, sein Einsatz sei uneingeschränkt zulässig, spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob die Beklagte mit ihren Aufklärungsmaßnahmen tatsächlich alle Gebrauchtwagenkunden erreicht hat. Der Sittenwidrigkeitsvorwurf entfällt bereits dann, wenn sie – gleichsam in Rückgängigmachung ihrer ursprünglichen Täuschungshandlung – gleichwertige, an die Öffentlichkeit gerichtete Maßnahmen mit demselben Wirkungsgrad ergriffen hat, um den potentiellen Erwerberkreis über die ursprüngliche Täuschung aufzuklären. Maßstab ist deshalb nicht, dass sämtliche Kaufinteressenten hiervon hätten Kenntnis nehmen müssen. Angesichts des Umstandes, dass der potentielle Erwerberkreis gerade nicht feststeht und damit notwendigerweise auch dessen konkrete Informationsgewohnheiten der Beklagten nicht bekannt sind, reicht das Ergreifen solcher Aufklärungsmaßnahmen aus, von denen sämtliche potentielle Kaufinteressenten mit üblichen Informationsgewohnheiten hätten Kenntnis nehmen können. Hiervon ist aufgrund der zahlreichen Pressemitteilungen der Beklagten, der Internetseite zur FIN-Abfrage und der Information der Vertragshändler auszugehen (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.11.2019, 13 U 156/19, BeckRS 2019, 27981 Rn. 29 f.). Der Gegenauffassung, die für die Beseitigung des Sittenwidrigkeitsvorwurfs gem. § 826 BGB auf eine Kenntnis des Käufers abstellt (OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019, 13 U 149/18, NJW-RR 2019, 1428 Rn. 53; OLG Köln, Urt. v. 04.10.2019, 19 U 98/19, BeckRS 2019, 30559, wie hier andererseits OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019, 24 U 5/19, BeckRS 2019, 13405), schließt sich der Senat deshalb nicht an. Die Beklagte durfte schließlich weiter davon ausgehen, dass die von ihr informierten Fahrzeughalter bei einem Verkauf ihres Fahrzeugs den Erwerber auf die erhaltene Information hinweisen werden. Der Zurechnungszusammenhang in Bezug auf Schäden wegen danach verkaufter Fahrzeuge wurde auf diese Weise unterbrochen (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2019, 7 U 156/19; Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326). |
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| Von einer fortwirkenden vorsätzlichen Täuschungshandlung der Beklagten, die Voraussetzung eines Betrugs im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs wäre, ist nicht auszugehen. Die Gründe, die zur Verneinung einer sittenwidrigen Veranlassung des Kraftfahrzeugkaufs führen, gelten hier entsprechend. |
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| Die bis zum Herbst 2015 fortwirkende Täuschungshandlung der Beklagten dahingehend, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß die EG-Typgenehmigung erhalten habe und diesbezüglich keine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV drohe, hat durch die anschließende Offenlegung des „Dieselskandals“ sein Ende gefunden. Eine Unkenntnis des Klägers von einem Betroffensein ihres gekauften Fahrzeugs von der streitgegenständlichen Software ginge jedenfalls nicht zurechenbar auf eine fortwirkende Täuschung der Beklagten zurück, sondern würde darauf beruhen, dass er sich trotz des beabsichtigten Erwerbs eines Dieselfahrzeugs nicht mit der öffentlich breit diskutierten Abgasproblematik befasst und eine Erkundigung eingezogen hätte, ob das ins Auge gefasste Fahrzeug betroffen war. |
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| Nach § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 i. V. m. Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen. Nach der Definition in Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/EG ist eine Übereinstimmungsbescheinigung „das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht“. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung vorgeschrieben ist, im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Hinsichtlich der Übereinstimmungsbescheinigung ist von einem formellen Gültigkeitsbegriff auszugehen. Danach ist die Bescheinigung dann gültig, wenn der Hersteller sie unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ausgestellt hat und wenn sie fälschungssicher sowie vollständig ist. Ein tatbestandlicher Verstoß gegen die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ist damit im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Darauf, ob ein Fahrzeug bei Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung dem genehmigten Typ entspricht, kommt es nicht an (OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 10 U 338/19, BeckRS 2019, 29975; Urt. v. 26.11.2019, 10 U 199/19, BeckRS 2019, 29977; Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.11.2019, 13 U 156/19, BeckRS 2019, 27981; OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019, 7 U 134/17, ZIP 2019, 837 Rn. 112), zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass eine Abweichung des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom genehmigten Typ gegeben ist (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2019, 7 U 156/19). Spätestens dadurch, dass das Kraftfahrtbundesamt die Typgenehmigung nicht gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV widerrufen, sondern nach § 25 Abs. 2 EG-FGV eine Nebenbestimmung dahin erlassen hat, dass die Abschalteinrichtung zu entfernen ist, sind rechtliche Probleme der Typgenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung beseitigt (OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.11.2019, 1 U 32/19, BeckRS 2019, 33012). Im vorliegenden Fall kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetze. S. v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind (ablehnend OLG München, Urt. v. 20.01.2020, 21 U 5072/19, BeckRS 2020, 197; OLG Koblenz, Urt. v. 02.12.2019, 12 U 1044/19, BeckRS 2019, 32689; OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 01.07.2019, 7 U 33/19, BeckRS 2019, 14988; Hinweisbeschl. v. 27.05.2019, 7 U 335/18, BeckRS 2019, 14991), deshalb dahinstehen. |
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| Zudem hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.5.2020 (VI ZR 252/19) hierzu folgendes ausgeführt (RN 76): |
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| „Der Kläger - Käufer eines gebrauchten, nach wie vor zugelassenen Fahrzeugs - verlangt von der Beklagten nicht etwa Erstattung von Schäden, die ihm durch eine verzögerte Erstzulassung oder auch durch das aufgrund der Nebenbestimmungen zu der Typgenehmigung erforderlich gewordene Software-Update entstanden seien. Inhalt seines Vorwurfs ist vielmehr, dass er von der Beklagten zu der Übernahme einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei; dementsprechend verlangt er von der Beklagten die Erstattung des von ihm an den Verkäufer entrichteten Kaufpreises. Aus diesem Vorwurf kann der Kläger aber in Bezug auf § 823 Abs. BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 EG-FGV nichts für sich herleiten. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der Norm. Die Revision des Klägers zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen; solche sind auch nicht ersichtlich.“ |
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| Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. |
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| Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB, wonach das deliktische Handeln eines etwaigen Verrichtungsgehilfen der Beklagten zuzurechnen wäre, kommt aus den genannten Gründen nicht in Betracht (OLG Stuttgart, Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.11.2019, 13 U 156/19, BeckRS 2019, 27981; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.11.2019, 1 U 32/19, BeckRS 2019, 33012). |
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| Zwar kann ausnahmsweise die Haftung eines Dritten auch dann in Betracht kommen, wenn er an einem Vertragsschluss ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst hat (Grüneberg in Palandt, 79. Aufl. 2020, § 311 BGB Rn. 60 m. w. Nachw.). Von einem besonderen wirtschaftlichen Interesse der am streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht beteiligten Beklagten ist jedoch nicht auszugehen, ein besonderes persönliches Vertrauen nicht ersichtlich. Das Ausstellen einer Übereinstimmungserklärung, der lediglich öffentlich-rechtliche Wirkung zukommt, genügt hierfür nicht (OLG Stuttgart, Urt. v. 07.08.2019, 9 U 9/19, BeckRS 2019, 21326; OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 01.07.2019, 7 U 33/19, BeckRS 2019, 14988; OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019, 7 U 134/17, ZIP 2019, 837 Rn. 87 ff. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.11.2019, 13 U 156/19, BeckRS 2019, 27981). Darüber hinaus hat die Beklagte im vorliegenden Fall kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch den Vertragsabschluss des Klägers mit dem verkaufenden Autohaus erheblich beeinflusst. |
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| Zum einen verlangt § 16 UWG die „Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen“. „Besonders günstig“ ist es (das Angebot) zwar bereits dann, wenn die vom Verkehr aufgrund der Werbeaussage erwarteten Vorteile nicht (nur) die allgemein Üblichen sind (Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 16 Rn. 17), das Produkt muss also mehr als das allgemein Übliche bieten (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage, 2020, § 16 Rn. 19). Hieraus leitet Kühl zu Recht das Erfordernis ab, dass der Täter irgendeinen Vorzug seines Produkts gegenüber der Branchenüblichkeit herausstellen muss (WRP 2019, 573, 581 unter 4., Rn. 59). Eine Werbung, wonach das Fahrzeug bestimmte Abgasnormen (Euro 5) einhält, die auch die Fahrzeuge anderer Hersteller üblicherweise einhalten, ist dann schon keine Werbung mit „besonderen Vorteilen“. Die Angaben in den Übereinstimmungsbescheinigungen zum NOx-Ausstoß sind schon keine Werbung (Kühl, a.a.O., Rn. 44). Mit der Verneinung eines „besonderen Vorteils“ haben denn auch bspw. die Landgerichte Darmstadt und Braunschweig (zu Recht) Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG verneint (LG Darmstadt, Urteil vom 30.05.2018, 7 O 137/17, juris Rn. 33; LG Braunschweig, Urteil vom 17.01.2018, 3 O 1138/16, juris Rn. 60). |
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| Mit den vom Kläger schon in der Klageschrift (Blatt 20 ff) in Bezug genommenen Werbeaussagen hat die Beklagte auch ganz offensichtlich im Verständnis des Klägers (bzw. seiner Prozessbevollmächtigten) nichts weiter getan, als (u.a.) das später vom Kläger erworbene Fahrzeug als eines zu bewerben, das die „EU-5-Norm“ (vgl. so insbesondere Blatt 21 f) einhalte. Einen besonderen Vorteil gegenüber anderen Fahrzeugherstellern, die mit ihren Produkten auch die fragliche EU-Abgasnorm einhalten, pries die Beklagte damit nicht an. |
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| Zum anderen fehlte die von § 16 UWG vorausgesetzte Absicht jedenfalls im Kaufzeitpunkt aus denselben Erwägungen wie der Täuschungsvorsatz im Sinne des § 263 StGB und der Schädigungsvorsatz im Sinne von § 826 BGB (s.o.). Zwischen einer etwaig früher vorhanden gewesenen Absicht im Sinne von § 16 UWG (die möglicherweise zu einer Strafbarkeit verantwortlich tätiger Vorstandsmitglieder der Beklagten geführt haben mag) und dem Kaufentschluss des Klägers fehlt allemal der auch hier notwendige Zurechnungszusammenhang. |
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| Die Normen des Lauterkeitsrechts (und also auch § 4 Nr. 11 UWG aF bzw. § 3a UWG nF) bezwecken keinen Individualschutz im Vertikalverhältnis für Verbraucher und sonstige Marktpartner. Ein Schadensersatzanspruch lässt sich auch nicht auf dem Umweg über § 823 Abs. 2 BGB begründen. § 3 UWG stellt kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB dar (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, RN 1.10 zu § 9 UWG mwN). |
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| Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie auf die geltend gemachten Nebenforderungen, namentlich Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. |
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| Die Revision wird aufgrund der zitierten teilweise abweichenden Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte zugelassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). |
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