Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 16 UF 55/21

Tenor

1.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Biberach an der Riß vom 19.05.2021 wird

zurückgewiesen.

2.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren keine erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.525,00 EUR

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, geboren am … 1947, begehrt die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich, die anlässlich der Ehescheidung durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Biberach an der Riß vom 26.04.1985 (2 F 366/1984) getroffen worden war.
Die Ehe war am 26.10.1970 geschlossen worden. Das Scheidungsverfahren wurde am 04.10.1984 rechtshängig.
Während der Ehezeit (01.10.1970 bis 30.09.1984) hatten der Antragsteller Anrechte aus einer Beamtenversorgung beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg in Höhe von 815,16 DM monatlich und die Ehefrau Anrechte bei der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 209,50 DM monatlich erworben.
Zu Gunsten der Ehefrau wurde im Scheidungsurteil eine Rentenanwartschaft von monatlich 302,83 DM begründet.
Seit dem 30.09.2010 bezieht der Antragsteller vom Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg - dem jetzt zuständigen Versorgungsträger - eine Beamtenpension.
Die am 17.04.2017 verstorbene Ehefrau hatte bereits seit dem Jahr 2009 eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg erhalten.
Alleinerbin ist die gemeinsame Tochter ... Rentenrechtliche Ansprüche von Hinterbliebenen bestehen nicht.
Mit Antrag vom 16.03.2020 begehrte der Antragsteller die Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung dahingehend, dass ab dem 01.04.2020 ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Das Familiengericht holte bei den Versorgungsträgern entsprechend aktuelle Auskünfte ein.
10 
Für den Antragsteller ergab sich nunmehr ein Ehezeitanteil in Höhe von monatlich 905,54 DM, mithin 463,00 EUR, und damit ein Ausgleichswert in Höhe von monatlich 452,77 DM bzw. 231,50 EUR (Auskunft des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg vom 19.05.2020). Der korrespondierende Kapitalwert wurde mit 44.652,68 EUR angegeben.
11 
Für die verstorbene Ehefrau hatte sich ein Ehezeitanteil von 8,4283 Entgeltpunkten oder eine Monatsrente in Höhe von 141,74 EUR errechnet. Der Ausgleichswert betrug somit 4,2142 Entgeltpunkte bzw. 70,87 EUR monatliche Rente, was einem korrespondierendem Kapitalwert von 13.669,37 EUR entspricht (Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 01.10.2020).
12 
Durch Beschluss vom 19.05.2021 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers abgewiesen.
13 
Zwar lägen die Voraussetzungen einer Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach altem Recht grundsätzlich vor, da sich eine wesentliche Änderung beider Anrechte im Vergleich zur Ausgangsentscheidung ergeben hätte. Da sich jedoch der Gesamtausgleichssaldo zu Ungunsten des Antragstellers auswirken würde, wenn die Ehefrau noch lebte, wäre dem Antragsteller der Einstieg in das Abänderungsverfahren verschlossen. Im Übrigen wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
14 
Gegen die ihm am 26.05.2021 zugestellte Entscheidung legte der Antragsteller am 04.06.2021 Beschwerde ein. Er verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter. Es käme nicht auf den Saldo der maßgeblichen Anrechte an, sondern darauf, ob sich wenigstens eines der Anrechte wesentlich zu Gunsten des Antragstellers verändert habe. Dies sei bei demjenigen, das der verstorbenen Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg zustünde, der Fall. Das Abänderungsbegehren sei zulässig und führe dazu, dass ein Versorgungsausgleich ab April 2019 nicht mehr stattfände.
15 
Die übrigen Beteiligten haben sich zum Beschwerdevorbringen nicht geäußert.
16 
Die Akte des Amtsgerichts - Familiengericht - Biberach an der Riß (2 F 366/1984) war beigezogen.
II.
17 
Das Rechtsmittel des Antragstellers ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
18 
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die vom Antragsteller begehrte Abänderung unzulässig ist. Auf die überzeugende Begründung der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.
19 
Eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht kann nach § 51 Abs. 1 VersAusglG bei Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden, wobei auch Anrechte, die nicht dem Regelsicherungssystem angehören (§ 32 VersAusglG) davon erfasst werden (BGH FamRZ 2018, 1233).
20 
In einem Abänderungsverfahren gemäß § 51 VersAusglG sind die Vorschriften über den Tod eines Ehegatten gemäß § 31 VersAusglG grundsätzlich uneingeschränkt anzuwenden.
21 
Im Falle eines Vorversterbens des insgesamt Ausgleichsberechtigten kann die Abänderung deshalb dazu führen, dass der überlebende - insgesamt ausgleichspflichtige - Ehegatte sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ungeteilt zurückerhält (BGH FamRZ 2018, 1238).
22 
Die Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Abänderungsverfahrens scheitert indes an dessen Zulässigkeit.
23 
Gemäß §§ 51 Abs. 2 VersAusglG, 225 Abs. 2 und 3 FamFG muss wenigstens ein Anrecht eine wesentliche Änderung sowohl in relativer als auch in absoluter Hinsicht erfahren haben.
24 
Dies ist anhand der Rentenbeträge zu überprüfen, wenn es sich um die Abänderung einer unter der Geltung des bis zum 31.08.2009 gültigen Rechtszustands ergangenen Entscheidung handelt (BGH FamRZ 2018, 176).
25 
Diese Voraussetzung ist war vorliegend gegeben.
26 
Das auszugleichende Anrecht des Antragstellers aus seiner beamtenrechtlichen Versorgung hat sich von umgerechnet 208,39 EUR auf 231,50 EUR erhöht. Dies entspricht einer Veränderung von weit über 5 % sowie einer Erhöhung um 23,11 EUR, mithin mehr als 1 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen Bezugsgröße von umgerechnet 1.396,00 EUR.
27 
Das entsprechende Anrecht der verstorbenen Ehefrau stieg von 53,56 EUR auf 70,87 EUR, also um 17,31 EUR. Auch hierbei ist sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze überschritten.
28 
Der Antragsteller ist antragsberechtigt; ebenso ist die erforderliche Rentennähe gegeben (§ 226 Abs. 1 und 2 FamFG).
29 
Gleichwohl ist dem Antragsteller der Einstieg in das Abänderungsverfahren nach §§ 51 Abs. 5 VersAusglG, 225 Abs. 5 FamFG versperrt.
30 
§ 51 Abs. 5 VersAusglG verweist auf § 225 Abs. 5 FamFG, wonach sich die Abänderung zugunsten eines Ehegatten oder eines Hinterbliebenen eines Ehegatten auswirken muss. Die Vorschrift entspricht dem früheren § 10 a Abs. 2 Nr. 3 VAHRG und wurde nur sprachlich an die Terminologie des reformierten Versorgungsausgleichs angepasst. Mit dieser Vorschrift soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in erster Linie verhindert werden, dass ein antragsberechtigter Versorgungsträger eine Abänderung begehrt, die sich allein zu seinen Gunsten auswirken würde (BGH FamRZ 2020, 743). Der Anwendungsbereich von § 225 Abs. 5 FamFG ist aber nicht auf Abänderungsanträge von Versorgungsträgern beschränkt, sondern das Begünstigungserfordernis ist auch bei Abänderungsanträgen von Ehegatten oder von Hinterbliebenen eines Ehegatten zu beachten.
31 
Aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach sich die Abänderung zugunsten "eines" Ehegatten auswirken muss, wird zwar weiter gefolgert, dass es im Hinblick auf § 225 Abs. 5 FamFG unschädlich sei, wenn sich die von einem Ehegatten beantragte Abänderung nicht zugunsten des Abänderungsinteressenten, sondern zugunsten des anderen Ehegatten auswirke (Stein in: MüKo-FamFG, 3. Aufl., § 225 FamFG, Rz 34).
32 
Unabhängig davon, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Abänderungsantrag besteht, der sich allein auf die Vorteilhaftigkeit der Abänderung für den anderen Ehegatten oder dessen Hinterbliebene stützt, erlangt § 225 Abs. 5 FamFG aber jedenfalls in solchen Fällen praktische Bedeutung, in denen - wie hier - der andere Ehegatte verstorben ist und auf dessen Seite auch keine Hinterbliebenen vorhanden sind, die Anspruch auf eine Witwen- oder Waisenversorgung haben. Denn weil das Bedürfnis, sich gegen Einkommensausfälle infolge von Alter und Invalidität abzusichern, mit dem Tode entfallen ist und zugunsten eines Verstorbenen keine Versorgungsanrechte übertragen oder begründet werden können, ist es ausgeschlossen, dass sich die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich zum Vorteil des vorverstorbenen Ehegatten auswirken könnte. Sind auch keine versorgungsberechtigten Hinterbliebenen des verstorbenen Ehegatten vorhanden, können die Voraussetzungen des § 225 Abs. 5 FamFG bei einem Abänderungsantrag des überlebenden Ehegatten nur dadurch erfüllt werden, dass sich die begehrte Abänderung zu dessen Gunsten auswirkt (BGH a.a.O.).
33 
Bei Prüfung dieser Frage hat jedoch eine mögliche Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG im Abänderungsverfahren außer Betracht zu bleiben, auch wenn diese Norm - wie oben dargestellt - grundsätzlich im Rahmen des § 51 Abs. 1 VersAusglG zu beachten ist.
34 
Der insgesamt ausgleichspflichtige überlebende Ehegatte kann sich nicht auf solche Umstände stützen, die für ihn an sich ungünstig sind - wie beispielsweise eine wesentliche Erhöhung des Ausgleichswerts eines in den Ausgleich einbezogenen eigenen Anrechts -, im Ergebnis einer Totalrevision jedoch nur wegen der Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs insgesamt führen (BGH a.a.O.).
35 
Das Gesetz gewährt nämlich nur denjenigen Abänderungsinteressierten einen Zugang zum Abänderungsverfahren, die sich bezüglich eines in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts auf einen wesentlichen Wertunterschied im Sinne von § 51 Abs. 2 VersAusglG iVm § 225 Abs. 2 und 3 FamFG berufen können, obwohl eine in der Totalrevision nach § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG zu treffende Entscheidung in materieller Hinsicht nicht (mehr) durch die eingetretene Wertänderung, sondern nur durch das Vorversterben des insgesamt ausgleichsberechtigten Ehegatten beeinflusst wird. Die sich - dann zu Lasten des Versorgungsträgers - auswirkende Entscheidung, dem insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten seine Anrechte mit Wirkung für die Zukunft ungeteilt zurückzugewähren, wird dadurch legitimiert, dass dieser Personenkreis einerseits einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf hat, die für ihn günstigen Wertveränderungen der in die Ausgangsentscheidung einbezogenen Anrechte in einem Abänderungsverfahren geltend machen zu können, der Gesetzgeber aber andererseits das bisherige Ausgleichssystem einschließlich der darauf beruhenden Abänderungsmöglichkeiten (§ 10 a VAHRG) auch mit Wirkung für Übergangsfälle außer Kraft gesetzt und an seiner Stelle eine erneute Entscheidung über den Versorgungsausgleich angeordnet hat, die in ihren Wirkungen einer Erstentscheidung nach neuem Recht entspricht (BGH FamRZ 2018, 1496; BGH FamRZ 2018, 1238).
36 
Die Rückgängigmachung eines nach früherem Recht angeordneten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs ist aber nicht das primäre Ziel des Abänderungsverfahrens, so dass es sachwidrig wäre, beim Vorversterben des insgesamt ausgleichsberechtigten Ehegatten auch solchen überlebenden Ehegatten den Zugang zum Abänderungsverfahren zu eröffnen, für die sich aus dem Wegfall der Abänderungsmöglichkeiten nach früherem Recht keine oder keine wesentlichen Nachteile ergeben haben (BGH FamRZ 2020, 743).
37 
Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Antragsteller sich einerseits auf eine wesentliche Änderung seines Anrechts aus der Beamtenversorgung stützt - was wegen der Erhöhung ungünstig für ihn wäre -, andererseits aber auch auf das jetzt werthaltigere Anrecht der verstorbenen Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt, welches - isoliert betrachtet - für ihn vorteilhaft ist.
38 
Entscheidend ist indes auf die Gesamtbilanz abzustellen.
39 
Ein Abänderungsverfahren unter Lebenden wäre vom Antragsteller realistisch nicht durchgeführt worden, da sich ein Ausgleichsergebnis, das sich hypothetisch im Falle einer Totalrevision ohne Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG ergeben hätte, zu Ungunsten des Antragstellers ergeben hätte.
40 
Nach dem Regelungszweck des § 225 Abs. 5 FamFG und in Anbetracht der Möglichkeit einer Totalrevision muss für den Antragsteller durch die Abänderung im Hinblick auf den Saldo eine Verbesserung im Vergleich zur Erstentscheidung eintreten (Borth FamRZ 2020, 746; Götsche in: Götsche / Rehbein / Breuers, Versorgungausgleichsrecht, 3. Aufl., § 51 VersAusglG, Rz 59; Holzwarth in: Johannsen / Henrich / Althammer, Familienrecht, 7. Aufl., § 51 VersAusglG, Rz 24), wobei - wie oben dargelegt - § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG außer Betracht zu bleiben hat (OLG Rostock FamRZ 2021, 847; a. A. OLG Koblenz Beschluss vom 19.02.2021 - 11 UF 11/21 - veröffentlicht in , das die wesentliche Änderung eines Anrechts zu Gunsten des überlebenden Ehegatten genügen lässt).
41 
Soweit Zweifel an der Bewertungsmethode zur Feststellung einer dem Antragsteller günstigeren Gesamtbilanz geäußert werden (Schwamb NZFam 2020, 392, und Müller-Tegethoff in: BeckOGK, § 51 VersAusglG, Stand: 01.05.2021, Rz 105.3), braucht dies in Anbetracht der hier zu beurteilenden Anrechte aus einer Beamtenversorgung und aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vertieft werden.
42 
Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne die Durchführung eines weiteren Termins, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
43 
Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
44 
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 FamGKG.
45 
Im Hinblick auf die Frage, ob das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG für den überlebenden - insgesamt ausgleichspflichtigen - Ehegatten mit dem Ziel, gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG den Versorgungsausgleich - basierend auf dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht - insgesamt nicht mehr stattfinden zu lassen, dann nicht eröffnet ist, wenn sich zwar eine wesentliche Änderung eines Anrechts ergibt, die für den Überlebenden günstig ist, sich die Gesamtbilanz der Anrechte jedoch zu Ungunsten des überlebenden Ehegatten auswirkt, ist die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG) zuzulassen.

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