Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 U 42/21

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin und die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2021, Az. 11 O 538/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a.) Der Verfügungsbeklagten wird es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, zukünftig in Bezug auf die Verfügungsklägerin wörtlich oder sinngemäß die nachfolgend unterstrichenen Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:

aa.) „Er [gemeint: der Schulleiter] habe die Kunstlehrerin angestachelt. J...: ,Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt, weil ich wegen meiner chronischen Bronchitis keinen Mundschutz tragen kann. Hämisch sagte sie dann vor allen anderen: Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum.'",

wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 1 ersichtlich,

und / oder

bb.) „Andere Lehrkräfte akzeptieren dies [gemeint: das Nichttragen der Alltagsmaske] auch. Außer meine Kunstlehrerin, die mich letzten Mittwoch darauf angesprochen hat und mich diskriminiert hat, aus dem Unterricht gebannt hat. Und auch zum Schulleiter ging, der selbst keine Maske trägt. [Nach Schnitt] Hat ihn total akzeptiert, und ich wurde damit diskriminiert; das kann ich leider nicht verstehen“,

wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 2 ersichtlich.

b.) Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Verfügungsklägerin wird im Übrigen zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Verfügungsklägerin zu 75 Prozent und die Verfügungsbeklagte zu 25 Prozent.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
1. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die Unterlassung bestimmter Äußerungen der Verfügungsbeklagten in Zeitungsinterviews sowie einem Videobeitrag einer Zeitung.
Die Verfügungsklägerin ist als Kunstlehrerin am S...-G... in S... tätig und unterrichtete die Beklagte, die nebenberuflich als sog. Influencerin tätig ist. Am 14.10.2020 fand eine praktische Unterrichtsstunde im Fach "Kunst" statt. Ab diesem Tag galt am S...-G... aufgrund der Pandemielage eine Maskenpflicht auf dem gesamten Schulgelände sowie auch im Unterricht. Die Verfügungsbeklagte befand sich bei Eintreffen der Verfügungsklägerin bereits im Unterrichtsraum und trug keine Maske. Die Parteien führten hierüber zunächst ein Gespräch. Die Verfügungsbeklagte wies darauf hin, dass sie aufgrund eines ärztlichen Attestes, welches dem Schulleiter, dem Zeugen N..., bekannt sei, nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet sei. Die Parteien gingen dann zusammen zum Büro des Schulleiters, wo die Verfügungsklägerin ein kurzes Gespräch mit diesem führte. Im Anschluss daran gingen die Parteien zusammen zurück in den Unterrichtsraum. Nach einem weiteren kurzen Gespräch der Parteien nahm die Beklagte am weiteren praktischen Kunstunterricht dieses Tages an einem Tisch in einem an den Unterrichtsraum angrenzenden Nebenraum – bei geöffneter Tür – teil (vgl. Anlage Ast 5).
Am 23.10.2020 erschien in der „BILD-Zeitung“ unter dem Titel: „Wegen Lehrer-Mobbing Schönheits-Queen verklagt ihre Schule" ein Artikel (Anlage Ast 1), der u.a. folgenden Absatz enthält, in welchem die Verfügungsbeklagte zitiert wird:
„Er [der Rektor] habe die Kunstlehrerin angestachelt. J...: „Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt, weil ich wegen meiner chronischen Bronchitis keinen Mundschutz tragen kann. Hämisch sagte sie dann vor allen anderen: „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum!“
Am selben Tag erschien im Internetauftritt der „BILD-Zeitung" unter demselben Titel auch ein Videobeitrag (Anlage Ast 2) in welchem sich die Verfügungsbeklagte u.a. wie folgt äußert:
„Andere Lehrkräfte akzeptieren dies [Anm.: das Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes] auch. Außer meine Kunstlehrerin, die mich letzten Mittwoch darauf angesprochen hat und mich diskriminiert hat, mich aus dem Unterricht gebannt hat. Und auch zum Schulleiter ging, der selbst keine Maske trägt. [Anm.: Schnitt] Hat ihn total akzeptiert, und ich wurde damit diskriminiert; das kann ich leider nicht verstehen."
Am 27.10.2020 erschien in der „Ludwigsburger Kreiszeitung" unter dem Titel „Es gibt Heuchler und Neider" ein Interview mit der Verfügungsbeklagten (Anlage Ast 3), in dem diese u.a. von ihren Lehrern erzählt. In diesem Interview äußerte die Beklagte:
„Am S...-G... gab es früher tolle Lehrkräfte, die zu großen Teilen aber nicht mehr da sind. Meine Kunstlehrerin etwa hat mich vor den Herbstferien vor der ganzen Klasse beschimpft, weil ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen muss."
Mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2020 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 10.11.2020 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Verfügungsbeklagte reagierte hierauf nicht. Am 16.11.2020 ging der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom selbigen Tage bei Gericht ein.
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Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, sie könne von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verlangen, da sie die Verfügungsbeklagte in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Bei den angegriffenen Äußerungen handele es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen und nicht um Meinungsäußerungen der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsklägerin sei anhand der Angaben der Verfügungsbeklagten auch ohne Namensnennung eindeutig identifizierbar. Die über sie getroffenen Aussagen würden den Eindruck erwecken, dass sich die Verfügungsklägerin dienstpflichtwidrig verhalten habe, indem sie eine Schülerin herabgewürdigt und gegen deren Willen in einen anderen Raum gesetzt habe. Die angegriffenen Aussagen seien unwahr, ehrverletzend und geeignet, das Ansehen der Verfügungsklägerin in der Öffentlichkeit nachhaltig zu beschädigen. Der Begriff „anstacheln" werde im allgemeinen Sprachgebrauch nur im Zusammenhang mit regelwidrigem und unmoralischem Handeln verwendet und erwecke den Eindruck, dass sich die Verfügungsklägerin vom Schulrektor zu einem pflichtwidrigen Verhalten habe verleiten lassen. Die Verwendung des Begriffs „entfernt" erwecke den Eindruck eines dienstpflichtwidrigen Verhaltens, da ein Entfernen eines Schülers aus dem Unterricht nur bei Vorliegen sehr schwerwiegender Gründe in Betracht komme. Zudem werde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die Verfügungsbeklagte gegen ihren Willen „in eine Abstellkammer gesetzt“ worden sei. Durch die Verwendung der Begriffe „diskriminiert“ und „gebannt“ werde ferner der Eindruck erweckt, dass die Verfügungsbeklagte als Schülerin von der Verfügungsklägerin jenseits jeder pädagogischen und schulrechtlichen Gangbarkeit zum Objekt einer herabwürdigenden Maßnahme gemacht worden sei. Zudem sei der Begriff „beschimpfen“ derart zu verstehen, dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte beleidigt habe. Schließlich trage die Verfügungsbeklagte als Schädigerin und Unterlassungsschuldnerin nach der Beweislastregel des § 186 StGB die Beweislast für die Wahrheit ihrer Äußerungen.
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Die Verfügungsklägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt:
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Der Antragsgegnerin wird untersagt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zukünftig in Bezug auf die Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß die nachfolgenden - unterstrichenen - Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:
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1. „Er [gemeint: der Schulleiter] habe die Kunstlehrerin angestachelt. J...: „Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt, weil ich wegen meiner chronischen Bronchitis keinen Mundschutz tragen kann. Hämisch sagte sie dann vor allen anderen: Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum.", wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 1 ersichtlich,
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2. „Andere Lehrkräfte akzeptieren dies [gemeint: das Nichttragen der Alltagsmaske] auch. Außer meine Kunstlehrerin, die mich letzten Mittwoch darauf angesprochen hat und mich diskriminiert hat, aus dem Unterricht gebannt hat. Und auch zum Schulleiter ging, der selbst keine Maske trägt, [Nach Schnitt:] Hat ihn total akzeptiert, und ich wurde damit diskriminiert; das kann ich leider nicht verstehen, wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 2 ersichtlich,
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3. „Am S...-G... gab es früher tolle Lehrkräfte, die zu großen Teilen aber nicht mehr da sind. Meine Kunstlehrerin etwa hat mich vor den Herbstferien vor der ganzen Klasse beschimpft, weil ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen muss.", wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 3 ersichtlich.
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Die Verfügungsbeklagte hat erstinstanzlich beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagte trägt im Wesentlichen vor, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen weitgehend um Tatsachenbehauptungen handele, welche sich nur auf die Sozialsphäre beziehen. Soweit die Äußerungen auch wertende Elemente enthalten, so seien diese von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies gelte insbesondere für die Worte „entfernt“, „Abstellkammer“, „diskriminiert“, „gebannt“ und „beschimpft“. Weiter bedeute „beschimpfen“ nicht beleidigen, sondern sei im Sinne eines „diskriminieren“ zu verstehen, und die Verfügungsbeklagte habe bei Äußerung dessen auch berechtigte Interessen nach § 193 StGB wahrgenommen, da die Verfügungsbeklagte durch die Verfügungsklägerin sowie den Schulleiter in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Hinsichtlich der Äußerung „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum“ fehle es an einer Glaubhaftmachung der beweisbelasteten Verfügungsklägerin, dass diese die Äußerung nicht getätigt habe. Das Wort „hämisch“ stamme zudem nicht von der Verfügungsbeklagten.
19 
2. Das Landgericht ist dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung teilweise gefolgt. Im Wesentlichen hat es seine Entscheidung wie folgt begründet.
20 
Die Verfügungsklägerin habe gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der mit Antrag Ziffer 3 geltend gemachten Äußerung, die Verfügungsklägerin habe die Verfügungsbeklagte „vor den Herbstferien vor der ganzen Klasse beschimpft“, sowie der mit Klageantrag Ziffer 2 geltend gemachten Äußerung „meine Kunstlehrerin, die mich (...) aus dem Unterricht gebannt hat" aus §§ 1004 Abs. 1 (analog), 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Äußerungen sei der Antrag unbegründet.
21 
a.) Die Verfügungsklägerin sei zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert. Zu verneinen sei die Aktivlegitimation lediglich bei der Äußerung „Er [gemeint: der Schulleiter] habe die Kunstlehrerin angestachelt.", da sie hiervon nicht unmittelbar und individuell betroffen sei. Die Stoßrichtung des Angriffs der Verfügungsklägerin ziele, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergeben, auf den Schulleiter ab. Die Verfügungsklägerin als diejenige, die angestachelt worden ist, sei hiervon nur indirekt betroffen, was zur Begründung der Aktivlegitimation nicht genüge. Soweit die Verfügungsklägerin vortrage, die Äußerung erwecke den Eindruck, die Verfügungsklägerin habe sich vom Schulleiter zu einem rechtswidrigen Handeln „anstacheln“ lassen, ändere dies an der Beurteilung im Ergebnis nichts. Es würde sich dann allenfalls um eine verdeckte Aussage handeln. Diesbezüglich habe die Verfügungsklägerin allerdings schon nicht den zutreffenden Antrag gestellt; zudem dränge sich der Eindruck dem Leser auch nicht unabweisbar auf.
22 
b.) Hinsichtlich des mit Klageantrag Ziffer 1 angegriffenen Wortes „Hämisch“ fehle es schon an der Passivlegitimation der Verfügungsbeklagten, nachdem die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung an Eides statt versichert habe, dass das Wort „Hämisch“, mit dem sie zitiert wurde, von der BILD-Zeitung eingefügt worden sei und nicht von ihr stamme. Gegenteiliges habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht.
23 
c.) Der Verfügungsklägerin stehe ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Äußerung der Verfügungsbeklagten „Meine Kunstlehrerin etwa hat mich vor den Herbstferien vor der ganzen Klasse beschimpft“ zu, da diese die Verfügungsklägerin rechtswidrig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Hierbei handle es sich um eine Tatsachenbehauptung mit dem Sinngehalt, dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte vor der Klasse durch Kundgabe beleidigender Äußerungen iSd. § 185 StGB herabgewürdigt habe. Auf das Verständnis der Verfügungsbeklagten, welche vorgetragen habe, dass sie sich durch Aussagen der Verfügungsbeklagten „beschimpft“ im Sinne eines „gemobbt“, „schikaniert“ sowie „diskriminiert“ gefühlt habe, komme es hingegen bei der vorliegenden Beurteilung des Sinns einer Aussage nicht an. Für ein derartiges Verständnis des Begriffes „beschimpft“, gebe es aus Sicht eines unbefangenen Lesers keine Anhaltspunkte im Kontext des Interviews. Zu Gunsten der Verfügungsklägerin greife eine Beweislastumkehr, da die Behauptung geeignet ist, die Verfügungsklägerin in ihrem sozialen Geltungsbereich herabzuwürdigen. Die Verfügungsbeklagte sei jedoch ihrem Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast nicht nachgekommen, sodass die Behauptung als unwahr zu unterstellen ist. Bei der Abwägung überwiege der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin.
24 
d.) Die mit Klageantrag Ziffer 2 angegriffene Äußerung könne in zwei Teile aufgeteilt werden, welche zwar einen gemeinsamen Kontext teilen, jedoch hinsichtlich der rechtlichen Einordnung eigenständig sowie unterschiedlich zu beurteilen seien. Die Äußerung „meine Kunstlehrerin, die mich […] aus dem Unterricht gebannt hat“ stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die die Beklagte zu unterlassen habe. Aus Sicht eines verständigen Lesers beinhalte der Begriff „gebannt“ sowohl eine örtliche Komponente, wonach die Verfügungsbeklagte nicht mehr im Unterrichtsraum verweilen dürfe, als auch eine sachliche Komponente, wonach die Verfügungsbeklagte nicht mehr am stattfindenden Unterricht teilnehmen dürfe. Letzteres sei unstreitig unwahr, sodass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG überwiege.
25 
e.) Bei der Äußerung „meine Kunstlehrerin, die […] mich diskriminiert hat“ handele es sich um eine Meinungsäußerung mit wahrem Tatsachenkern. Das Wort „diskriminieren" sei vorliegend eine Wertung, welche sich als Schlussfolgerung aus einem mitgeteilten Tatsachenkern darstelle. Es handele sich im vorliegenden Kontext um eine Schlussfolgerung, die als richtig oder falsch bewertet werden könne. Aus dem mitgeteilten Kontext der Äußerung werde der Grund für diese Schlussfolgerung deutlich, nämlich der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte keinen Mund-Nasen-Schutz trage und aus diesem Grund anders behandelt wurde als ihre Mitschüler. Insofern enthalte sie eine wahre Tatsachengrundlage. Die Verfügungsklägerin müsse diese Kritik an ihrem Verhalten gegenüber der Verfügungsbeklagten hinnehmen.
26 
f.) Bei der Äußerung „J...: Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt, weil ich wegen meiner chronischen Bronchitis keinen Mundschutz tragen kann.“ fehle es an einem rechtswidrigen Eingriff. Es handele sich bei den angegriffenen Passagen um Tatsachenbehauptungen. Insoweit überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin aus Art. 2 Abs, 1 I. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht das Recht der Verfügungsbeklagten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG, da die mitgeteilten Tatsachen zum Teil unstreitig wahr seien und die Verfügungsklägerin im Übrigen deren Unwahrheit nicht glaubhaft gemacht habe. Die Äußerung einer Entfernung aus dem Unterricht sei aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Lesers im Kontext dahingehend zu verstehen, dass die Verfügungsbeklagte aus dem Unterrichtsraum „entfernt“ und in einen anderen Raum (die „Abstellkammer“) „gesetzt“ worden ist. Zudem komme für den verständigen Leser durch die Formulierung „hat mich […] entfernt zum Ausdruck, dass dies gegen oder ohne den Willen der Verfügungsbeklagten erfolgt ist, also das Sitzen im Nebenraum auf einer Anweisung der Verfügungsklägerin beruhe. Dass die Verfügungsbeklagte mit dieser Maßnahme einverstanden gewesen sei, habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft machen können. Eine Beweislastumkehr iSd. § 186 BGB komme nicht zur Anwendung. Der Äußerung sei insofern keine Ehrenrührigkeit zu entnehmen, da die streitgegenständlichen Äußerungen kein besonderes Gewicht habe und zudem nur die Sozialsphäre der Verfügungsklägerin betroffen sei. Deshalb sei die angegriffene Äußerung als wahre Tatsachenbehauptung zulässig.
27 
g.) Kein Unterlassungsanspruch bestehe hinsichtlich der Behauptung, die Verfügungsklägerin habe vor allen geäußert „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum!“. Hierbei handle es sich um eine Tatsachenbehauptung, deren Unwahrheit nicht glaubhaft gemacht worden sei. In ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 12.11.2020 gebe die Verfügungsklägerin nicht wieder, dass sie diesen Satz nicht gesagt habe. Auch die Angaben der präsenten Zeugen hätten dies nicht belegt. Die Zeugin B... habe zwar bekundet, dass sie den Satz nicht gehört habe und auch „viele andere oder alle Mitschüler“ ihn nicht mitbekommen hätten. Dies schließe jedoch nicht aus, dass der Satz gleichwohl so gefallen ist, sie ihn aber überhört habe. Bezüglich der anderen Schüler, die in der Vernehmung nicht näher konkretisiert wurden, kann die Zeugin ohnehin nur Angaben vom Hörensagen wiedergeben. Somit habe die Verfügungsklägerin die entgegenstehende eidesstattliche Versicherung der Beklagten nicht entkräftet. Das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiege insofern.
28 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu den Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.01.2021 Bezug genommen (Bl. 123 ff.; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
29 
3. Die Verfügungsklägerin verfolgt mit ihrer Berufung die gestellten Anträge weiter, soweit das Landgericht diese teilweise abgewiesen hat. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts:
30 
a.) Das Landgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, die Verfügungsklägerin sei hinsichtlich des angeblichen Anstachelns nicht aktivlegitimiert, weil sie nicht unmittelbar und individuell betroffen sei und in Bezug auf eine etwaige verdeckte Aussage den falschen Antrag gestellt habe. Das Landgericht missachte insofern den Gesamtzusammenhang der Äußerungen. Danach entnehme der Leser der angegriffenen Äußerung, die Verfügungsklägerin habe sich vom Schulleiter dazu verleiten lassen, ihre Schülerin herabzuwürdigen und vor der Klasse zu verspotten. Dadurch sei sie individuell betroffen. Der Vollzug der herabwürdigenden Handlungen werde der Kunstlehrerin zugeschrieben, die – nach dem Sinngehalt offensichtlich motiviert durch das Anstacheln des Schulleiters – die Schülerin aus dem Unterricht entfernt und in die Abstellkammer gesetzt sowie vor der Klasse verspottet habe, wobei die fehlende Maske letztlich nur Vorwand und Teil eines „Lehrer-Mobbings“ sei. Diese Äußerung enthalte einen unwahren Tatsachenkern. Die Verfügungsklägerin habe hierzu vorgetragen, es habe kein Anstacheln durch den Schuldirektor gegeben, er habe lediglich ihren Vorschlag für gangbar erachtet. Die Verfügungsbeklagte habe hingegen angegeben, dass sie nur Bruchstücke des Gesprächs mitbekommen habe. In Ermangelung jeder darauf bezogenen Wahrnehmung der Verfügungsbeklagten ergebe sich daraus nicht ansatzweise eine tragfähige Grundlage für die Behauptung, die Verfügungsklägerin habe sich überhaupt – oder gar zu einer „psychischen Körperverletzung“ – anstacheln lassen. Die Behauptung sei daher unwahr. Im Übrigen sei die Äußerung auch ohne Berücksichtigung der der Verfügungsklägerin unterstellten Mobbing-Absichten nicht nach den Grundsätzen einer sog. „wertneutralen Falschdarstellung“ hinzunehmen. Die Bagatellgrenze sei schon bei isolierter Betrachtung des Begriffs „Anstacheln“ überschritten. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen, dass es der Verfügungsbeklagten darum gegangen sei, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen, eine Warnung gegenüber den anderen Lehrkräften auszusprechen sowie den Schulleiter und die Verfügungsbeklagte zu stigmatisieren. Schließlich sei die in Rede stehende Äußerung nicht nach den Grundsätzen einer verdeckten Aussage zu beurteilen.
31 
b.) An der Passivlegitimation sei hinsichtlich des Begriffs „hämisch“ nicht zu zweifeln. Sie habe sich von diesem bis heute nicht distanziert und letztlich zu eigen gemacht.
32 
c.) Die Äußerung „Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt.“ stelle entgegen der Auffassung des Landgerichts eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die zu unterlassen sei. Die Äußerung sei zum einen unzulässig, weil sie wahrheitswidrig einen Totalausschluss vom Unterrichtsgeschehen zum Ausdruck bringe, der unstreitig nicht erfolgt sei. Sie sei zum anderen auch deshalb zu unterlassen, weil der Verfügungsklägerin eine gegen den Willen der Verfügungsbeklagten getroffene, gar rechtswidrige Maßnahme unterstellt werde, die es nicht gegeben habe. Das Landgericht setze sich bei seiner Bewertung in Widerspruch zu der Einordnung der Äußerung „aus dem Unterricht gebannt“ und verhalte sich willkürlich, wenn es die Auffassung vertrete, dass die gegenständliche Äußerung keinen Ausschluss vom Unterricht zum Ausdruck bringe, sondern lediglich das Umsetzen in einen anderen Raum meine. Die Wörter „bannen“ und „entfernen“ seien selbstredend bedeutungsgleich. Der Inhalt werde auch nicht dadurch relativiert, dass die Äußerung zusätzlich die Formulierung „in einen anderen Raum“ enthalte. Für jedermann erkennbar sei das Gegenteil der Fall: Ein Schüler, der des Unterrichts verwiesen und in eine Abstellkammer gesetzt werde, erscheine gleichsam in doppelter Weise sanktioniert, da zum Unterrichtsausschluss noch eine Freiheitsbeschränkung hinzukomme.
33 
Da Gegenstand der Berichterstattung der Vorwurf sei, die Verfügungsklägerin handle jenseits jeder schulrechtlichen und pädagogischen Gangbarkeit, habe der Leser keine Veranlassung anzunehmen, es sei von einer schulrechtlich zulässigen Maßnahme die Rede. Dies folge auch aus dem verwendeten Begriff „Abstellkammer“. Denn der verständige Leser werde dieser Aussage entnehmen, die Verfügungsbeklagte habe die Kursstunde vollständig isoliert in einem anderen dunklen und schlecht belüfteten Raum verbringen müssen. Dies sei unwahr. Zudem werde dem Leser für die Bewertung des Sachverhalts die entscheidende Information vorenthalten, dass in dem Raum in jeder Hinsicht angemessene Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen gewährleistet gewesen seien. Das Landgericht missachte bei seiner Bewertung wiederum den Gesamtzusammenhang der Äußerung. Der dargestellte Ablauf werde von der Beklagten einleitend im ersten Satz als „psychische Körperverletzung“ qualifiziert, der zur Grundlage einer Strafanzeige gemacht worden sei. Diese habe sich nach den Aussagen der Schülerin zwar gegen den Schulleiter gerichtet. Die Bewertung des Vorgangs als Körperverletzung verstehe der Leser aber vor allem auf das Verhalten der Verfügungsklägerin bezogen, weil von den Handlungen des Schulleiters über das Anstacheln hinaus gar nichts berichtet worden sei. Er werde das maßgebliche Tatgeschehen deshalb in dem Umsetzen der Verfügungsbeklagten in die Abstellkammer und der anschließenden hämischen Bemerkung gegenüber den Mitschülern sehen. Nicht anderes folge insoweit aus den Grundsätzen einer verdeckten Aussage. Unrichtig sei auch die Annahme des Landgerichts, die bei einer üblen Nachrede regelmäßig eingreifende Beweislastumkehr komme vorliegend nicht zum Tragen. Das Landgericht missachte wiederum den Gesamtzusammenhang und verkenne, dass der Tatbestand der üblen Nachrede gar nicht den Vorwurf einer strafbaren Handlung verlange. Schließlich sei die Beweiswürdigung des Landgerichts grob fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Landgerichts enthalte die eidesstattliche Versicherung der Verfügungsklägerin ausdrücklich die Erklärung, dass die Verfügungsbeklagte der Maßnahme zugestimmt habe. Das Landgericht habe auch die Eindrücke aus der Anhörung der Parteien nicht verwertet. Im Übrigen wäre auch dann, wenn nur ein Sich-Fügen glaubhaft gemacht worden sei wie klägerseits beantragt zu entscheiden. Auch dann müsste die Verfügungsklägerin nicht die Behauptung hinnehmen, sie habe die Schülerin aus nichtigem Grund aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt. Vielmehr falle die gebotene Abwägung schon aufgrund des stigmatisierenden Charakters der Aussage, die das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, zugunsten der Verfügungsklägerin aus. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es sich im Ausgangspunkt um einen innerschulischen Vorgang handele und dass über die Frage des Sich-Fügens hinaus eine das tatsächliche Geschehen stark entstellende Beschreibung vorliege.
34 
d.) Hinsichtlich der Äußerung „Außer meiner Kunstlehrerin, die mich […] diskriminiert hat, aus dem Unterricht gebannt hat.“ lägen entgegen der Auffassung des Landgerichts keine zwei voneinander unabhängigen Teile vor. Die Verfügungsbeklagte sei nach dem Sinngehalt ihrer Äußerung dadurch diskriminiert worden, dass sie aus dem Unterricht gebannt worden sei. Da nach der überzeugenden Annahme des Landgerichts, die Verfügungsbeklagte nicht aus dem Unterricht „gebannt“ worden ist, entfalle die Grundlage des Diskriminierungsvorwurfs. Mithin liege eine Meinungsäußerung mit einem unwahren Tatsachenkern vor.
35 
Die Verfügungsklägerin beantragt,
36 
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2021 - 11 O 538/20 ist wie folgt zu erkennen:
37 
Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zukünftig in Bezug auf die Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß die nachfolgenden - unterstrichenen - Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:
38 
a. „Er [gemeint: der Schulleiter] habe die Kunstlehrerin angestachelt. J...: „Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt, weil ich wegen meiner chronischen Bronchitis keinen Mundschutz tragen kann. Hämisch sagte sie dann vor allen anderen: Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum.“, wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 1 ersichtlich.
39 
b. „Andere Lehrkräfte akzeptieren dies [gemeint: das Nichttragen einer Alltagsmaske] auch. Außer meiner Kunstlehrerin, die mich letzten Mittwoch darauf angesprochen hat und mich diskriminiert hat, aus dem Unterricht gebannt hat. Und auch zum Schulleiter ging, der selbst keine Maske trägt. [Nach Schnitt:] Hat ihn total akzeptiert, und ich wurde damit diskriminiert; das kann ich leider nicht verstehen.“, wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 2 ersichtlich.
40 
c. „Am S...-G... gab es früher tolle Lehrkräfte, die zu großen Teilen aber nicht mehr da sind. Meine Kunstlehrerin etwa hat mich vor den Herbstferien vor der ganzen Klasse beschimpft, weil ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen muss.“, wenn dies geschieht, wie aus Anlage Ast 3 ersichtlich.
41 
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
42 
der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
43 
Die Verfügungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist.
44 
4. Die Verfügungsbeklagte verfolgt mit ihrer Berufung die Aufhebung des zusprechenden Urteils des Landgerichts. Das Urteil sei aufzuheben, da die Vollziehungsfrist nicht eingehalten worden sei. Damit hätten sich nachträglich Änderungen der Umstände ergeben, die eine Aufhebung der Urteilsverfügung verlangten. Anträge im Berufungsverfahren seien ohnehin erst mit Schriftsatz vom 01.03.2021, mithin nach Ablauf der Monatsfrist, gestellt worden. Hilfsweise lägen auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Untersagung der beiden Äußerung nicht vor. Die Beklagte könne sich zudem auf § 193 StGB berufen.
45 
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
46 
die am 21.01.2021 durch Urteil des Landgerichts Stuttgart verkündete einstweilige Verfügung (Az. 11 O 538/20) wird aufgehoben.
47 
Die Verfügungsklägerin beantragt,
48 
die Berufung der Verfügungsbeklagten wird zurückgewiesen.
49 
Sie verteidigt insofern das erstinstanzliche Urteil. Die Verfügungsbeklagte könnte daraus, dass die Urteilsverfügung des Landgerichts nicht im Parteibetrieb zugestellt worden ist, keinen Aufhebungsgrund herleiten. Die nach § 929 Abs. 2 ZPO erforderliche Vollziehung sei durch Zustellung der Berufungsschrift – mit der „kerngleiche“ Verstöße verfolgt werden – binnen Monatsfrist geschehen. Hilfsweise sei es der Verfügungsbeklagten nach § 242 BGB verwehrt sich hierauf zu berufen, da sie lediglich mit einer Formalbegründung die Aufhebung zweier Unterlassungsgebote fordere, welche sie aufgrund der zu verbescheidenden kerngleichen Verstöße wieder befolgen müsse.
50 
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Vortrags in der mündlichen Verhandlung und bezüglich der Angaben der Parteien wird außerdem auf das Protokoll der Sitzung vom 04.05.2022 verwiesen.
II.
51 
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig und teilweise begründet. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet.
52 
1. Die eingelegten Berufungen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten sind zulässig, insbesondere sind sie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Zulässigkeit der Berufung der Verfügungsbeklagten steht nicht entgegen, dass diese erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 13.04.2021 weitere Berufungsgründe angeführt hat. Denn die Berufungsbegründungsschrift genügt den Anforderungen des § 520 ZPO. Die Berufungsbegründung ist insbesondere auf den Streitfall zugeschnitten und lässt im Einzelnen erkennen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen, nämlich einen Verstoß gegen die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2, 936 ZPO, die Beklagte das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. hierzu Ball in Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, ZPO § 520 Rn. 29).
53 
2. Die Berufung der Verfügungsklägerin hat in Teilen Erfolg.
54 
Hinsichtlich der Äußerungen „Außer meiner Kunstlehrerin, die mich […] diskriminiert hat, […]“ und „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum!“ ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begründet. Der Verfügungsklägerin steht gegenüber der Verfügungsbeklagten wegen dieser Äußerungen ein Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 (analog), 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG zu; auch ein Verfügungsgrund ist glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist der Antrag mangels eines Verfügungsanspruchs unbegründet.
55 
a.) Hinsichtlich der Äußerung „Sie hat mich aus dem Unterricht entfernt und in eine Abstellkammer gesetzt“, hat das Landgericht den dahingehenden Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin zu Recht verneint. Der Verfügungsklägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung dieser Äußerung zu.
56 
Die streitgegenständlichen Äußerungen stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG dar, da sie sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch, insbesondere in ihrer beruflichen Ehre als Teil der Sozialsphäre und damit wiederum als Bestandteil ihres Persönlichkeitsrechts, beeinträchtigen und darüber hinaus geeignet sind, sich nachteilig auf ihr berufliches Fortkommen auszuwirken. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin ist jedoch nicht als rechtswidrig anzusehen, da das Recht der Verfügungsbeklagten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG überwiegt.
57 
aa.) Bei der gegenständlichen Äußerung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Die beweisbelastete Verfügungsklägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Behauptung unwahr ist.
58 
(1.) Dabei kommen nach ständiger Rechtsprechung des Senats folgende Grundsätze zur Anwendung:
59 
Im Ausgangspunkt bedarf es einer Sinndeutung der gegenständlichen Äußerung. Denn die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut – der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann – und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 27.09.2016, VI ZR 250/13 Rn. 12; BGH, Urteil vom 12.04.2016, VI ZR 505/14 Rn. 11; BGH, Urteil vom 27.05.2014, VI ZR 153/13 Rn. 13).
60 
Die Sinndeutung bildet die Grundlage für die Einordnung und Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einem Werturteil. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH NJW 2018, 3254 [3256 Rn. 19]; BGH, Urteil vom 27.09.2016, VI ZR 250/13 Rn. 25).
61 
(2.) Dies zu Grunde gelegt ist der gegenständlichen Äußerung – im Anschluss an die Feststellungen des Landgerichts – aus Sicht eines verständigen Lesers zu entnehmen, dass die Verfügungsbeklagte aus dem Unterrichtsraum in einen anderen, kleineren Raum, der vordringlich zum Abstellen und Lagern von Gegenständen und nicht etwa als Unterrichtsraum oder Büro genutzt wird, umgesetzt worden ist und dies gegen oder ohne Willen (im Sinne einer ausdrücklichen Zustimmung) der Verfügungsbeklagten erfolgte.
62 
(a.) Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass dem Begriff „entfernen“ nicht entnommen werden kann, dass die Verfügungsklägerin vom Unterricht schulrechtlich „ausgeschlossen“ worden ist. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang des verbundenen Satzteils, wonach sie sogleich in einen anderen Raum gesetzt worden ist. Der verständige Leser versteht die Äußerung daher im Zusammenhang im Sinne einer Umsetzung aus dem Unterrichtsraum und nicht – wie die Verfügungsklägerin unter Bezugnahme auf den reinen Wortlaut meint – im Sinne eines Totalausschlusses vom „Unterricht“. Ein abweichendes Verständnis ergibt sich auch nicht aus dem sprachlichen Kontext, in dem die beanstandete Äußerung gefallen ist. Im Gegenteil: Aus dem nachgehenden, durch Satzzeichen abgetrennten Halbsatz wird für einen verständigen Leser deutlich, dass die Maßnahme damit begründet worden ist, dass die Verfügungsklägerin aus medizinischen Gründen im Unterricht – trotz der immanenten Gefahren in der grassierenden Corona-Pandemie – keinen Mundschutz tragen kann. Aus Sicht des Lesers drängt sich auf, dass die bezeichnete Kunstlehrerin hierauf mit einer (zum Zeitpunkt der Maßnahme in verschiedenen Lebensbereichen nicht unüblichen) örtlichen Trennung der Verfügungsbeklagten von den Mitschülern zur Vermeidung von Übertragungen von Krankheitsviren durch eine Umsetzung reagiert hat. Angesichts dessen liegt das Verständnis der Verfügungsklägerin, wonach dem Leser weitergehend suggeriert werde, dass die Schülerin einerseits vom Unterricht ausgeschlossen und anderseits zusätzlich freiheitsbeschränkend in eine Abstellkammer gesperrt worden ist, aus. Dieses Verständnis ergibt sich entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin auch nicht aus dem für die Bewertung der gegenständlichen Äußerung maßgeblichen Gesamtzusammenhang. Zwar trifft es zu, dass die der gegenständlichen Äußerung vorangehende Formulierung in der Berichterstattung, wonach die Verfügungsbeklagte den Rektor wegen „psychischer Körperverletzung“ angezeigt habe, den Eindruck erwecken könnte, dass sich die Bewertung des Vorgangs als Körperverletzung vor allem auf das Umsetzen der Beklagten in die Abstellkammer beziehe. Hierauf kann jedoch bei der Sinndeutung der Äußerung nicht abgestellt werden. Gegenständlich sind Äußerungen der Verfügungsbeklagten gegenüber der BILD-Zeitung, die dies in ihrem Bericht in direkter und indirekter Rede wiedergegeben hat. Bei der vorangehend genannten Strafanzeige handelt es sich jedoch nicht um Zitate der Verfügungsbeklagten. Diese hat in Abrede gestellt, dass sie gegenüber der BILD-Zeitung einen Zusammenhang zwischen der Strafanzeige der Mutter - die nach dem Vortrag der Parteien fälschlicherweise im Bericht als Strafanzeige der Verfügungsbeklagten bezeichnet worden ist - und der gegenständlichen Äußerung hergestellt habe. Dies liege allein im Verantwortungsbereich der BILD-Zeitung. Die Verfügungsbeklagte habe den Artikel vor Veröffentlichung auch nicht gesehen oder freigegeben (vgl. Bl. 136 eA). Da sich das Verfahren nicht gegen das Presseorgan, sondern gegen die in der Berichterstattung zitierte Verfügungsbeklagte richtet, obliegt es der Verfügungsklägerin glaubhaft zu machen, dass die Verfügungsbeklagte gegenüber der BILD-Zeitung den Zusammenhang zwischen der Strafanzeige mit dem Inhalt der gegenständlichen Äußerung hergestellt hat. Dem ist die Verfügungsklägerin nicht nachgekommen, sodass sich eine Sinndeutung unter Berücksichtigung des klägerseitig bemühten strafrechtlichen Gesamtzusammenhangs verbietet. Sofern die Klägerin hieraus eine rechtswidrige Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts herleitet, müsste sie sich an das für die Berichterstattung verantwortliche Presseorgan halten. Insofern beschränkt sich der maßgebliche Gesamtzusammenhang auf die in den belegten Äußerungen zum Ausdruck kommenden Erklärungen, die im Ergebnis zu einem Verständnis führen, dass den Feststellungen des Landgerichts entspricht.
63 
In diesem Zusammenhang geht auch der weitere Einwand der Verfügungsklägerin fehl, dass das Verständnis des Landgerichts als willkürlich anzusehen sei, da es sich bei der unterschiedlichen Bewertung der Begriffe „bannen“ und „entfernen“ offensichtlich widersprüchlich verhalte. Entgegen dieser Auffassung sind die beiden Begriffe in ihrem jeweiligen sprachlichen Kontext nicht „selbstredend bedeutungsgleich“. Abweichend zur isolierten Verwendung des Begriffs „gebannt“, der für einen verständigen Leser tatsächlich den Eindruck eines Unterrichtsausschlusses erweckt, folgt aus der gegenständlichen Formulierung „aus dem Unterricht entfernt und in eine […] gesetzt“ – wie bereits dargelegt – im maßgeblichen Gesamtzusammenhang eine Umsetzung. Einen Widerspruch vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.
64 
(b.) Der Senat teilt auch das ermittelte Verständnis zum Begriff der Abstellkammer, wonach es sich um einen kleineren Raum handelt, der vordringlich zum Abstellen und Lagern von Gegenständen und nicht etwa als Unterrichtsraum oder Büro genutzt wird. Das abweichende Verständnis iSe. dunklen und schlecht belüfteten Raums erschließt sich dem Leser auch nicht aus Gesamtzusammenhang der Berichterstattung.
65 
(c.) Überzeugend ist aus Sicht des Senats auch ein Verständnis der im Passiv gehaltenen Formulierung „hat mich […] entfernt“, das ausdrückt, dass das Umsetzen auf Anweisung der Lehrkraft und ohne oder gegen den Willen der Verfügungsbeklagten erfolgte.
66 
(3.) Bei den gegenständlichen Äußerungen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, da die Erklärungen ihrem Sinngehalt nach einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich sind. Die beweisbelastete Verfügungsklägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass es sich hierbei um unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.
67 
(a.) Die Verfügungsklägerin kann sich nicht auf eine Beweislastumkehr nach § 186 StGB berufen. Hierzu müsste es sich bei der gegenständlichen Äußerung um eine Tatsache handeln, die geeignet ist, andere verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (Valerius in BeckOK, StGB, 52. Ed., Stand: 01.02.2022, § 186 Rn. 8 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Die gegenständliche Äußerung, die ihrem Sinngehalt nach eine Umsetzung der Verfügungsbeklagten unter Infektionsschutzgesichtspunkten nach Befreiung der Beklagten von der Maskenpflicht in Zeiten hoher Inzidenzen und weitreichender Einschränkungen im Schulbetrieb impliziert, ist nicht geeignet, den Ruf der Verfügungsklägerin zu schmälern. Aus dem Zusammenhang wird auch deutlich, dass die Umsetzung nicht „grundlos“, sondern aus Sicht der handelnden Lehrerin (auch) aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen iSd. Maskentragens erfolgte.
68 
(b.) Außer Streit steht, dass die Verfügungsbeklagte tatsächlich nach der Umsetzung in einem kleinerem Raum saß, der vordringlich zum Abstellen und Lagern von Gegenständen dient und nicht etwa als Unterrichtsraum oder Büro genutzt wird. Insofern handelt es sich um wahre Tatsachen der gegenständlichen Äußerung.
69 
Hinsichtlich der weiteren Umstände wendet die Verfügungsklägerin ein, dass die Umsetzung mit Zustimmung der Verfügungsbeklagten erfolgt sei. Dies zu Grunde gelegt dürfte keine „Entfernung“ vorliegen, da das Umsetzen in diesem Fall mit Willen der Beklagten erfolgt wäre. Entgegen der Begründung des Landgerichts hat die Verfügungsklägerin in ihrer eidesstaatlichen Versicherung vom 12.11.2020 (Bl. 81 d. A.: „Frau S... stimmte dem Vorschlag zu.“) auch geschildert, dass die Verfügungsbeklagte der Maßnahme zugestimmt habe. In diesem Sinne ist zugleich der eidesstattlichen Versicherung des Rektors N... (Bl. 91 d. A.) zu entnehmen, dass die Verfügungsklägerin im Gespräch mitgeteilt habe, dass die Verfügungsbeklagte dem Arbeiten im Nebenraum bereits zugestimmt habe. Die Verfügungsbeklagte hat hingegen in der eidesstattlichen Versicherung vom 11.12.2020 (Bl. 44 f. d. A.) keine Zustimmungserklärung zur Umsetzung erwähnt und ausgeführt, dass sie nach dem Gespräch beim Rektor schweigend und folgsam in den Unterrichtsraum gegangen sei und sich umgesetzt habe. Die vernommene Zeugin B... hat erklärt, dass die Verfügungsklägerin nur nach dem Einverständnis der Verfügungsbeklagten gefragt habe, gemeinsam zum Direktor zu gehen, nicht aber, sich umzusetzen. Eine zustimmende Äußerung der Verfügungsbeklagten hat die Zeugin auf Nachfrage ausdrücklich verneint (Protokoll, Bl. 72 d. A.). Angesichts dessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts und die Annahme einer fehlenden Glaubhaftmachung im Ergebnis nachvollziehbar und letztlich nicht zu beanstanden. Hiernach ist allenfalls davon auszugehen, dass sich die Verfügungsbeklagte der Anweisung zur Umsetzung gefügt hat. Da in diesem Fall nach dem Sinngehalt des Begriffs gleichwohl von einem „entfernen“ auszugehen ist, ist insofern von einer wahren Tatsachenbehauptung auszugehen.
70 
bb.) In dieser Konstellation überwiegt bei der gebotenen Abwägung das in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerte Recht der Verfügungsbeklagten auf Meinungsfreiheit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wahre Tatsachenbehauptungen aus der Sozialsphäre grundsätzlich hingenommen werden müssen (BGH NJW 2010, 2432 m.w.N.). Dies gilt auch vorliegend; zumal die Wirkung der Aussage unter Berücksichtigung des für den verständigen Leser maßgeblichen Sinngehalts trotz der ausgesprochen pauschalen Angaben der Verfügungsklägerin zu der - tatsächlich sehr günstigen - Gestaltung und Lage des genutzten Abstellraums nicht derart ins Gewicht fällt, dass ein Persönlichkeitsschaden zu befürchten ist, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung steht.
71 
cc.) Nicht anderes folgt im Übrigen aus den klägerseits erwähnten Grundsätzen einer verdeckten Aussage. Dem Leser drängt sich vorliegend unter Berücksichtigung des maßgeblichen, von der Verfügungsklägerin zu verantwortenden Gesamtzusammenhangs nicht unabweisbar auf, dass es seitens der Verfügungsklägerin zu einer schulrechtswidrigen oder gar strafrechtlich relevanten Handlung zum Nachteil der Verfügungsbeklagten gekommen ist.
72 
b.) Auch hinsichtlich der Äußerung „Er habe die Kunstlehrerin angestachelt.“ besteht kein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin.
73 
aa.) Nach Auffassung des Senats fehlt es jedoch nicht an der Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin. Neben der vorliegend gegebenen Erkennbarkeit der Verfügungsklägerin in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis (BVerfG NJW 2008, 39 [41 Rn. 75]) verlangt die Rechtsprechung hierfür grundsätzlich eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit. Dies setzt eine gewisse Nähe zu der angegriffenen Äußerung voraus. Die Verfügungsklägerin müsste von der Stoßrichtung des Angriffs, so wie sie im Verkehr verstanden wird, unmittelbar betroffen sein (BGH MDR 1992, 852). Eine bloß mittelbare oder reflexartige Beeinträchtigung durch die Fernwirkung einer Äußerung reicht nicht aus, solange diese Verletzung nicht auch als (eigene) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren ist (BGH NJW 2012, 1728 Rn. 16; Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 157).
74 
Die Stoßrichtung der gegenständlichen Äußerung richtet sich aus Sicht eines durchschnittlich informierten Lesers zunächst gegen den Rektor der Schule, auf den „alle Probleme zurückzuführen seien“. Hierfür sprechen – im Anschluss an die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts – die weiteren, nicht streitgegenständlichen Zitate der Verfügungsbeklagten in dem Zeitungsartikel. Es wird darin insbesondere von Problemen der Verfügungsbeklagten mit der Notengebung berichtet, die die Verfügungsbeklagte auf den Schulleiter zurückführe. An anderer Stelle des Artikels wird die Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang mit der Äußerung zitiert: „Er [gemeint ist der Schulleiter] hetzt die anderen Lehrer gegen mich auf [...]". Ob sich die Stoßrichtung des Angriffs aus Sicht eines durchschnittlich informierten Lesers hierin erschöpft, hängt davon ab, welchen (weiteren) Sinngehalt der Erklärung zu entnehmen ist. Aus Sicht eines verständigen Lesers ist der Begriff „anstacheln“ dahingehend zu verstehen, dass damit bei einer Person ein Entschluss hervorgerufen wird, eine Person in ihrem Entschluss bestärkt oder ein bestehender Entschluss verstärkt wird. Seinem Sinngehalt nach wird mit der Äußerung vorliegend zum Ausdruck gebracht, dass der Schulleiter bei der Verfügungsklägerin ein bestimmtes Verhalten hervorgerufen hat, er sie in ihrem beabsichtigten Verhalten bestärkt hat oder ihre dahingehende Absicht nochmals verstärkt hat, mithin, dass das Anstacheln Erfolg hatte. Eine dahingehende Konkretisierung des Sinngehalts ergibt sich auch durch den sprachlichen Kontext, wonach die gewählte Formulierung im sprachlichen Zusammenhang zum wörtlich zitierten tatsächlichen Geschehen verwendet wird. Dieser Vorwurf hat insofern eigenständiges Gewicht. Die Stoßrichtung der Kritik richtet sich damit zugleich gegen die Verfügungsklägerin, die nicht nur reflexartig, sondern unmittelbar selbstständig betroffen ist.
75 
bb.) Im Weiteren stellt sich die Frage, ob die streitgegenständliche Äußerung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Hierbei ist wiederum zunächst auf den objektiven Sinngehalt der Erklärung abzustellen. Entscheidend für die vollständige Erfassung des Sinngehalts der Äußerung als unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung des Aussagegehalts ist der konkrete Bezugspunkt des „Anstacheln“. Der Wortlaut ist hierfür nicht ergiebig. Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin lässt sich „anstacheln“ begrifflich nicht stets auf ein rechtswidriges oder strafbares Verhalten beziehen. Nach dem Begriffsverständnis ist auch ein „anstacheln“ zu einem rechtmäßigen oder strafrechtlich unbedenklichen Verhalten möglich. Der maßgebliche Bezugspunkt ergibt sich vielmehr aus dem sprachlichen Kontext der Äußerungen. Im Anschluss an die gegenständliche Äußerung folgt unmittelbar ein wörtliches Zitat, dass den Bezugspunkt der Äußerung aus Sicht eines verständigen Lesers in einem eigenen Satz hervorhebt. Hierbei handelt es sich um den tatsächlichen Umsetzungsvorgang. Dies zu Grunde gelegt handelt es sich bei der Äußerung um eine wahre Tatsachenbehauptung, da diese insgesamt so stark von tatsächlichen Bestandteilen geprägt wird, dass ihr insgesamt der Charakter einer Tatsachenbehauptung beigemessen werden kann, die einen bestimmten Vorgang im Wesentlichen beschreibt und nicht bewertet (vgl. etwa BGH NJW 1993, 930 m.w.N.). Da außer Streit steht, dass der Schulleiter die Verfügungsklägerin in ihrem Vorgehen zur Umsetzung der Verfügungsbeklagten bestärkt hat, ist die Tatsachenbehauptung wahr. Der Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten ist insofern der Vorrang einzuräumen.
76 
c.) Ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Äußerung „Hämisch sagte sie […]“ scheidet im Anschluss an die Feststellungen des Landgerichts ebenfalls aus. Diesbezüglich fehlt es an der Passivlegitimation. Die Verfügungsbeklagte macht insofern ein Falschzitat geltend. Abweichend zur Auffassung der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 17.05.2021 (Bl. 144 Ziffer 6 eA) hat sich die Beklagte dieses Falschzitat nicht erkennbar „zu eigen gemacht“, nachdem sie klargestellt hat, dass sie dies nicht geäußert hat und dies durch die BILD-Zeitung ohne Rücksprache eingefügt worden sei. Die Tatsache allein, dass sich ein Verfügungsbeklagte gegen den Verfügungsantrag verteidigt, ist nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet (vgl. BGH GRUR 2011, 1038 Rn. 44). Es sind vorliegend auch keine Einzelumstände ersichtlich, die den Schluss zulassen, dass sie beabsichtigt, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (vgl. BGH WRP 2001, 1076).
77 
d.) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Verfügungsklägerin jedoch hinsichtlich der Äußerung „meine Kunstlehrerin, die mich diskriminiert hat […]“ ein Unterlassungsanspruch zu. Zwar hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass es sich bei dieser Äußerung für sich gesehen um eine Meinungsäußerung handelt. Außer Acht gelassen hat das Landgericht aber den Zusammenhang der Äußerung „diskriminiert hat“ zur nachfolgenden Äußerung „gebannt hat“. Aus Sicht eines verständigen Zuschauers sind diesen beiden Formulierungen im Zusammenhang zu verstehen. In tatsächlicher Hinsicht bringen diese zum Ausdruck bringen, dass die Verfügungsklägerin dadurch diskriminiert worden ist, dass sie wegen des Nichttragens von Masken aus dem Unterricht „gebannt“ worden ist. Dies kommt bereits in der sprachlichen Gestaltung der Aussage zum Ausdruck. Während die Aussage, die Kunstlehrerin habe sie wegen des Nichttragens der Maske angesprochen, im ersten Halbsatz ausgeführt und mittels einem „und“ vom zweiten Halbsatz deutlich abgetrennt wird, werden im zweiten Halbsatz die beiden Formulierungen „diskriminiert hat“ und „gebannt hat“ unmittelbar hintereinander verwendet und zusammengefasst. Ein verständiger Zuhörer versteht die Äußerung so, dass die Diskriminierung aus der Bannung folgen soll. Schließlich wird das Ansprechen und das Beanstanden des Nichtragens der Maske durch die Lehrerin – hiervon abgesetzt – vorangestellt und soll nach dem sprachlichen Kontext nicht die gemeinte Diskriminierung begründen.
78 
Im Anschluss an die Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei der nachfolgenden Äußerung „[…] aus dem Unterricht gebannt hat“ um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Aus Sicht eines verständigen Lesers beinhaltet der Begriff „gebannt“ sowohl eine örtliche Komponente, wonach die Beklagte nicht mehr im Unterrichtsraum verweilen konnte, als auch eine sachliche Komponente, wonach die Beklagte nicht mehr am stattfindenden Unterricht teilnehmen durfte. Im Gegensatz zu der in einem anderen Medium verwendeten Formulierung fehlt insofern ein Zusatz, aus dem folgt, dass die Beklagte in einem anderen Raum am Unterricht weiter teilgenommen hat. Dass die Verfügungsbeklagte dem Begriff subjektiv eine andere Bedeutung zumisst, ist angesichts des objektiven Sinngehalts ohne Relevanz. Die behauptete Tatsache ist insofern unwahr. Die dahingehende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Danach hat die Verfügungsklägerin mit ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.11.2020, der insofern von der Verfügungsbeklagten nicht widersprochen worden ist, glaubhaft gemacht, dass in der besagten Unterrichtsstunde nur individuelle Zeichnungen gefertigt wurden sowie die Vermittlung von Prüfungsstoff nicht vorgesehen war und auch nicht erfolgte. Die Verfügungsbeklagte habe an einer eigenen praktischen Arbeit gearbeitet und die Verfügungsklägerin habe während der Unterrichtsstunde nach dem Fortschritt der Zeichnungen gesehen und hierbei festgestellt, dass sie keiner Hilfestellung bedurfte. Zu Recht stellt das Landgericht darauf ab, dass nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen der Verfügungsbeklagten vom 09.11.2020 sowie vom 11.12.2020 auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin gar nicht bemerkt hat, dass die Verfügungsklägerin sich dem Fortschritt der praktischen Arbeit der Verfügungsbeklagten vergewisserte. Im Übrigen hat die Verfügungsbeklagte auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten ausdrücklich untersagt habe, während des Unterrichts wieder in den Klassenraum zu kommen. Hierdurch trägt die Verfügungsbeklagte aber selbst vor, dass sie eben nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen war. Zumal aus den vorgelegten Lichtbildern (Anlage Ast 5) hervorgeht, dass der Durchgang vom Klassenraum zum Nebenraum keine Türe hat, so dass auch insoweit keine (akustische) Abtrennung gegeben war. Nachdem die Verfügungsbeklagte aber nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen war und den Unterricht auch nicht vollständig verlassen musste, ist die Äußerung „meine Kunstlehrerin, die mich [...] aus dem Unterricht gebannt hat“ unwahr.
79 
Da die Behauptung, die Verfügungsbeklagte sei aus dem Unterricht „gebannt“ worden im Sinne eines – unstreitig nicht erfolgten – Ausschlusses vom Unterricht zu verstehen ist, fehlt dem wertenden Anteil der Gesamtaussage jede Grundlage. Im Zusammenhang dürfte die gegenständliche Äußerung „meine Kunstlehrerin, die mich diskriminiert hat […]“ daher so stark von den nachfolgenden tatsächlichen Bestandteilen, namentlich dem behaupteten konkreten Geschehen, geprägt sein, dass ihr insgesamt der Charakter einer Tatsachenbehauptung beigemessen werden kann, die einen bestimmten Vorgang im Wesentlichen beschreibt und nicht bewertet. Da die Tatsachenbehauptung unwahr ist, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse an deren Verbreitung, sodass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG überwiegt und ein Unterlassungsanspruch zuzuerkennen ist.
80 
e.) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch hinsichtlich der Äußerung „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum.“ ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.
81 
aa.) Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Äußerung, die Verfügungsklägerin habe gesagt „Jetzt hat Madame sogar ihren eigenen Raum!“ eine Tatsachenbehauptung darstellt. Denn darin ist die Behauptung enthalten, dass die Verfügungsklägerin diese zitierte Aussage vor der Klasse getätigt hat. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist dem Wahrheitsbeweis zugänglich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst insofern auch das Recht am eigenen Wort und schützt den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getätigt hat und die seine Privatsphäre und den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung (BGH, Urteil vom 21.06.2011, Az. VI ZR 262/09, Rn. 11 m. w. N.). Unter Berücksichtigung der im Verfahren angeführten Beweismittel ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass sich die Klägerin dahingehend geäußert hat. Dies geht zu Lasten der nach § 186 StGB beweisbelasteten Verfügungsbeklagten. Die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr nach § 186 StGB hängt davon ab, ob die behauptete Tatsache geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Das Verächtlichmachen und Herabwürdigen erfasst dabei alle Aspekte des Ehrbegriffs, einschließlich der Angriffe auf den sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert (Schröder in Schönke, StGB § 186 Rn. 5). Vorliegend ist davon auszugehen, dass die unterstellte Äußerung geeignet ist, die betroffene Lehrerin in ihrem persönlichen und sozialen Geltungsbereich herabzuwürdigen. Die gegenständliche Äußerung enthält nach dem Wortlaut der verwendeten Begriffe und dem Kontext der Äußerungen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass damit die Verfügungsbeklagte herabgewürdigt werden soll. Die Verwendung des französischen Begriffs „Madame“ wird im deutschen Sprachgebrauch regelmäßig dazu verwendet, um dem Adressaten in spöttisch-verächtlicher Weise vorzuhalten, er erwecke mit seinem Verhalten den Eindruck, dasser sich gegenüber seinen Mitmenschen als gesellschaftlich höherstehend ansehe. Die Verwendung knüpft dabei an die historische Bedeutung des französischen Begriffs an, wonach dieser als Ehrentitel weiblichen Angehörigen der oberen Schichten vorbehalten war. Dieses Verständnis deckt sich auch mit der Betonung des Umstands, dass „Madame“ – anstatt sich einen Raum mit anderen Mitschüler zu teilen – einen „eigenen Raum“ erhalte. Der Senat verkennt nicht, dass im schulischen Alltag durchaus auch überspitzte Äußerungen der verantwortlichen Lehrkräfte und Schülern fallen. Diese sind regelmäßig nicht Ausdruck einer ablehnenden oder unpädagogischen Haltung, sondern vielfach der Situation geschuldet, im zwischenmenschlichen Austausch keinesfalls unverständlich und an pädagogischen Maßstäben gemessen nicht schlechthin unvertretbar. Dies zu Grunde gelegt sind Berichterstattungen über derartige Verhaltensweise auch nicht geeignet, die Lehrkraft in der öffentlichen Wahrnehmung herabzusetzen. Dies ist jedoch mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar. Aus dem Kontext der Berichterstattung und den darin wiedergegebenen Äußerungen unterstellt die Verfügungsbeklagte, dass sie durch die Lehrer des besuchten G... gemobbt wird und führt hierzu konkret die gegenständliche, die Umsetzung begleitende Äußerung der Klägerin an. In diesem Kontext ist davon auszugehen, dass die Behauptung, die Verfügungsklägerin habe mit dieser Intention die gegenständliche Äußerung vorgenommen durchaus geeignet ist, dem Ansehen einer Lehrkraft zu schaden; zumal die Äußerung gerade auch vor allen Mitschülern erfolgt sein soll und daher als besonders gewichtig anzusehen ist. Zu Recht weist die Verfügungsklägerin auch darauf hin, dass der Vorwurf von Mobbing im schulischen Alltag schwer wiegt, insbesondere im Lehrer-Schüler-Verhältnis. Angesichts dessen hegt der Senat keine Zweifel, dass in der vorliegenden Situation eine Beweislastumkehr greift und es der Verfügungsbeklagten obliegt, glaubhaft zu machen, dass dahingehende Äußerungen tatsächlich gefallen sind. Dies ist der Verfügungsbeklagten nicht gelungen. Es ergibt sich auch nicht aus den Angaben der präsenten Zeugin P... S.... Diese hat erklärt, dass sie die Mutter der Mitschülerin L... D... am besagten Tag angerufen und darüber informiert habe, dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte als „Madame S...“ bezeichnet habe. Auch wenn man, davon ausgeht, dass die Zeugin wie behauptet informiert worden ist, vermag der Senat auf dieser Grundlage sich keine Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung der Verfügungsbeklagten iSe. überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach § 294 ZPO zu bilden. Der indizielle Beweiswert der Angaben der Zeugin sind äußert gering, nachdem außer Streit steht, dass die Schülerin L... D... in der besagten Kunststunde überhaupt nicht zugegen war. Es handelt sich insofern um Angaben vom Hörensagen, die der Zeugin von einer dritten Person zugetragen wurde, die diese wiederum von einer dritten Person - ohne das hierzu nähere Umstände bekannt sind - zugetragen worden sein sollen. Mangels Glaubhaftmachung der Äußerung der Verfügungsklägerin ist in der Abwägung daher dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin der Vorrang einzuräumen.
82 
Auf die Wahrnehmung berechtigter Interesse iSd. § 193 StGB kann sich die Verfügungsbeklagte ebenfalls nicht berufen. Zu berücksichtigen ist, dass es sich vorliegend um eine innerschulische Angelegenheit handelt, die einen – in der fortdauernden Auseinandersetzung zwischen den Lehrern der besuchten Schule und der Verfügungsbeklagten bzw. ihrer Mutter liegenden – rein individuellen Bezug aufweist und sich im Wesentlichen auf Fragen der individuellen Notengebung beschränkt. Die Verfügungsbeklagte macht insofern auch nicht geltend, dass es ihr darum gegangen sei, das Thema „Mobbing an Schulen“ öffentlich zu behandeln, sondern allein darum, ihre Interessen im Rahmen der wahrgenommenen Konfliktsituation durchzusetzen. Eine Flucht in die Öffentlichkeit erscheint vorliegend in einer ex-ante-Betrachtung überdies auch nicht erforderlich und in der gewählten Form angemessen, da die Beteiligung der für die Dienstaufsicht über den Schulleiter und die Lehrkräfte zuständigen Aufsichtsbehörde nicht von vornherein aussichtslos erschien. Gegenteiliges hat die Verfügungsbeklagte im Verfahren auch nicht behauptet. Überdies drängt es sich dem Senat auf, dass die gewählte Flucht in die Öffentlichkeit nicht durch ein öffentliches Informationsinteresse, sondern vorrangig durch kommerzielle Motive der Verfügungsbeklagten bestimmt ist. Hierzu gehört aufgrund der Tätigkeit als sog. Influencerin im besonderen Maße die Generierung von medialer Aufmerksamkeit. Dass dieses Interesse vorliegend bestimmende Bedeutung hatte, ergibt sich zum einen aus der Verlinkung des Instagram-Accounts zu Beginn der gegenständlichen Berichterstattung (Anlage Ast 1) und zum anderen aus der gewählten großflächigen und mehrfachen Abbildung der Verfügungsklägerin in Badebekleidung, die die zitierten knappen Äußerungen der Verfügungsklägerin in der Ausgangsberichterstattung umrahmen. Insofern ist ein sachlicher Zusammenhang zur Wahrnehmung nicht kommerzieller Interessen der Verfügungsklägerin nicht ersichtlich.
83 
bb.) Es besteht insofern auch - entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten im nachgereichten Schriftsatz vom 08.05.2022 (Bl. 158 eA) - ein Verfügungsgrund. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil (Bl. 14 eA) Bezug genommen. Am Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Sinne von §§ 935, 940 ZPO bestehen auch aus Sicht des Senats keine Zweifel. Der Senat teilt die Auffassung der Verfügungsbeklagten, wonach sich die Verfügungsklägerin aufgrund der gegenständlichen Glaubhaftmachung erst in zweiter Instanz dringlichkeitsschädlich verhalten habe, nicht. Es wird übersehen, dass - entgegen des Hinweises des Landgerichts - die Beweislast bei der Verfügungsbeklagten liegt und es überdies der Verfügungsklägerin freisteht, Tatsachen auch auf anderem Wege, etwa im Wege der (erfolgten) Parteianhörung (vgl. BGH NJW 2015, 873), glaubhaft zu machen. In der nachträglichen Vorlage einer dahingehenden eidesstattlichen Versicherung kann vor diesem Hintergrund ein dringlichkeitsschädliches Verhalten der Verfügungsklägerin nicht angenommen werden.
84 
3. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da die einstweilige Verfügung bereits aus formellen Gründen mangels Vollziehung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 S. 1, 936 ZPO aufzuheben ist und der dahingehende Einwand nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen ist. Der fehlende Vollzug der einstweiligen Verfügung kann auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Auch wenn es sich bei dem Einwand, die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 S. 1 ZPO sei versäumt, um einen solchen handelt, der grundsätzlich im Wege eines Antrags nach §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO geltend zu machen ist, weil damit die Rechtmäßigkeit der Fortdauer der einstweiligen Verfügung, nicht aber die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung infrage gestellt wird, ist allgemein anerkannt, dass dieser Einwand auch im Wege der Berufung als dem weitergehenden Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann (vgl. etwa Vollkommer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 929 Rn. 21; Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage, 2022, § 927 ZPO Rn. 2; OLG Brandenburg, Urteil vom 27.5.2013 – 1 U 23/12, BeckRS 2014, 19354; OLG Hamm NJOZ 2020, 1199 Rn. 37).
85 
a.) Einstweilige Verfügungen, die – wie hier – auf die Untersagung bestimmter Äußerungen gerichtet sind, müssen innerhalb der Monatsfrist durch die entsprechenden Vollstreckungsmaßnahmen vollzogen werden. Die Verfügungsklägerin hat die Vollziehungsfrist des §§ 929 Abs. 2 S. 1, 936 ZPO nicht gewahrt.
86 
Da es sich um eine Urteilsverfügung handelt, begann die Vollziehungsfrist mit der Verkündung des Urteils am 21.01.2021. Grundsätzlich ist die Urteilsverfügung binnen der Monatsfrist – bis spätestens 21.02.2021 – durch Parteizustellung zu vollziehen (statt vieler Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2018, § 929 Rn. 18 m.w.N.). Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass eine Parteizustellung zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind in Einzelfällen auch Ausnahmen vom Gebot der Parteizustellung anerkannt, soweit es sich dabei um einen Formalakt iSe. gleichwertigen Ersatzes einer Parteizustellung handelt (BGH NJW 1990, 124). Diesen Anforderungen genügt die Einlegung der Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts nach teilweiser Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer (weitergehenden) Verfügung nicht. Durch die nicht zugleich begründete Berufung hat die Verfügungsklägerin lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie hinsichtlich des Antragsteiles, mit dem sie vor dem Landgericht unterlegen war, in der nächsten Instanz ihre Rechte durchzusetzen beabsichtigt (OLG Köln WRP 2003, 541). Diese Vorgehensweise belegt indes nicht, dass sie zugleich auch den ihr bereits zuerkannten Teil des Anspruches durchsetzen will. Die Verfügungsklägerin begehrt die Unterlassung unterschiedlicher Äußerungen der Verfügungsbeklagten, die diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Medien getätigt hat. Sie wendet sich gegen jede einzelne, konkrete Äußerung und verlangt deren (auch sinngemäße) Unterlassung. Dass es sich insofern um jeweils eigenständige Streitgegenstände handelt, wird schon in der gewählten Antragstellung der Verfügungsklägerin deutlich und deckt sich auch mit dem Vorgehen des Landgerichts, dass die verschiedenen Äußerungen zu Recht nicht einheitlich, sondern an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls unterschiedlich bewertet und diesen auch einen abweichenden Bedeutungsgehalt zugemessen hat. Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin kann daher in der bloßen Einlegung der Berufung hinsichtlich des abgewiesenen Teils nicht zugleich eine für den Betroffenen klare und unmissverständliche Durchsetzungsmaßnahme hinsichtlich des zuerkannten Teils des Verfügungsantrags gesehen werden. Allein der Umstand, dass die Verfügungsklägerin ihre ursprünglichen Verfügungsanträge bzgl. weiterer Äußerungen weiterverfolgt, bedeutet nicht, dass sie hinsichtlich des zuerkannten Teils des Verfügungsantrags zugleich von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will. Die Berufungsschrift vom 10.02.2021 enthält keine dahingehenden (klarstellenden) Angaben, die der Schuldnerin – entsprechend dem maßgeblichen Normzweck – Klarheit verschafft, ob sie aus dem Titel tatsächlich in Anspruch genommen wird (BVerfG NJW 1988, 3141; BGHZ 112, 361).
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b.) Der Verfügungsbeklagten ist es auch nicht gem. § 242 BGB verwehrt, sich auf den Ablauf der Vollziehungsfrist zu berufen. Ein Missbrauch einer formalen Rechtsstellung ist darin nicht zu sehen. Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtschutzes. Sie verhindert, dass die Vollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Anordnung wesentlich unterscheiden, und stellt sicher, dass der Anordnungsgrund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt. Sie bildet damit eine nach dem Gesetz vorgesehene (formale) Sperre für eine Inanspruchnahme des Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Vorrat, auf die sich der Schuldner nach Ablauf der Vollziehungsfrist jederzeit berufen kann ohne dass auf die materielle Begründetheit des Verfügungsantrags noch ankommt (vgl. hierzu Drescher in MüKo, ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 929 Rn. 1, 15 m.w.N.). Der Einwand der Verfügungsklägerin, dass die Beklagte mit einer Formalbegründung die Aufhebung eines Unterlassungsgebots verlange, welche sie bei zeitgleich zuzusprechendem Antrag Ziffer 1 wieder befolgen müsse, geht vor diesem Hintergrund fehl. Zum einen erscheint der Einwand des § 929 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht treuwidrig, da dieser bei Versäumung der Vollziehungsfrist seitens der Gläubigerin – nach der gesetzlichen Konzeption – der Schuldnerin die Möglichkeit eröffnet, insofern die Aufhebung der Verfügung zu erreichen und damit eine anteilige Kostentragung zu vermeiden. Dem Einwand liegt damit jedenfalls ein schutzwürdiges (Kosten-) Interesse zu Grunde. Zum anderen sieht das Gesetz ausdrücklich die formelle Möglichkeit vor, den Ablauf der Vollziehungsfrist ungeachtet der materiellen Rechtslage einzuwenden. Selbst wenn die Verfügungsbeklagte die gegenständlichen Äußerungen aus materiell-rechtlichen Gründen nicht tätigen dürfte, folgt hieraus nicht, dass sie – nach der gesetzlichen Konzeption – an der Erhebung des Einwands des Fristablaufs gehindert ist. Gegenteiliges ergibt sich – entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin – auch nicht im Fall des Teilerfolgs der eingelegten Berufung, da sich die Unterlassungsansprüche nur auf die konkrete, wie aus den Anlagen ersichtliche Äußerung bezieht. Wie dargelegt, handelt es sich insofern nicht um identische, sondern um unterschiedliche Äußerungen der Verfügungsbeklagten, die diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Medien und in unterschiedlichem sprachlichen Kontext getätigt hat. Die Verfügungsbeklagte hat daher mit dem Einwand des Ablaufs der Vollziehungsfrist durchgreifenden Erfolg.
III.
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Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist. Der Streitwert wird gem. § 53 Abs. 1 Nr.1 GKG, § 3 ZPO auf 30.000 EUR festgesetzt. Unter Berücksichtigung des spezifischen Interesses der Verfügungsklägerin an der Unterlassung einzelner Äußerungen, der Art und Umfang sowie der Reichweite der Verbreitung der jeweiligen Äußerung erscheint dieser Wertansatz sachgerecht. Dabei werden für den Klageantrag Ziffer 1 20.000 EUR und für den Klageantrag Ziffer 2 und 3 jeweils 5.000 EUR in Ansatz gebracht.

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