Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 Bs 183/19

Tenor

Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Juli 2019 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, tragen die Antragstellerin zu 1. zu 5/11, die Antragstellerin zu 2. zu 1/11 und die Antragstellerin zu 3. zu 5/11.

Unter Abänderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Juli 2019 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 165.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerinnen wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen zwei der Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen für zentrale Teile des Überseequartiers Süd, welche u.a. die Baufreigabe für deren Tiefgarage und deren Zufahrten enthalten.

2

Das Vorhabengrundstück liegt im Stadtteil HafenCity der Antragsgegnerin. Es wird wasserseitig umschlossen vom Magdeburger Hafen im Osten und der Elbe im Süden, landseitig von der Chicago-, der Hübener- und der San-Francisco-Straße im Westen sowie der Überseeallee im Norden. Unterirdisch wird es zentral von West nach Ost durchschnitten von einer U-Bahntrasse mit der Haltestelle „Überseequartier“. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans HafenCity 15 vom 30. Januar 2018 (HmbGVBl. S. 34), welcher nach einem Wechsel des Investors für den südlichen Teil des Überseequartiers den zuvor geltenden Bebauungsplan Hamburg-Altstadt 39/HafenCity 5 vom 19. Februar 2008 (HmbGVBl. S. 105) ersetzt. Der Bebauungsplan HafenCity 15 setzt ein Kerngebiet sowie elbseitig ein Sondergebiet als Anleger für Kreuzfahrtschiffe fest und schafft insbesondere mit den gegenüber dem vorherigen Plan veränderten Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorhaben der Beigeladenen. Dieses besteht aus einem mehrere Baukörper umfassenden Komplex mit einem Kino, mehreren Hotels, Büro- und Wohngebäuden, einem Kreuzfahrtterminal sowie Flächen für die Gastronomie und den Einzelhandel samt einer Tiefgarage.

3

Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen von Wohn- und Gewerbeeinheiten in einem Gebäude auf dem Flurstück ... der Gemarkung Altstadt-Süd unter den Adressen ... Dieses Grundstück liegt unmittelbar nordwestlich des Vorhabengrundstücks an der Kreuzung der von Nord nach Süd führenden Straßen .../... mit den von West nach Ost führenden Straßen .../.... Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes HafenCity 3 vom 3. November 2009 (HmbGVBl. S. 384), welcher für das Grundstück der Antragstellerinnen ein Kerngebiet sowie u.a. Vorkehrungen zum passiven Schallschutz festsetzt.

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Nachdem die Antragstellerinnen bereits im Aufstellungsverfahren Einwendungen erhoben hatten, beantragten sie am 9. Juli 2018 beim Beschwerdegericht in einem Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan HafenCity 15 für unwirksam zu erklären (2 E 19/18.N).

5

Zuvor hatte die Beigeladene im Dezember 2017 bei der Antragsgegnerin die Bauanträge für ihr Vorhaben eingereicht, welches sie horizontal und vertikal in 13 verschiedene, je einzeln beantragte Bauabschnitte eingeteilt hat (vgl. Schriftsatz v. 3.9.2019, Anlage B 1 bis B 5, Bl. 720 ff. d.A.). Der Abschnitt des sog. „Core Süd“ [(Mantel-)Bauantrag 01] erfasst im Süden der U-Bahn von der Bodenplatte aufstrebend alle Geschosse bis einschließlich des 2. Obergeschosses samt deren Nutzung und für diesen Bereich div. Anlagen der Gebäudetechnik auch der aufstehenden Gebäude (z.B. Be- und Entlüftung, Entrauchung, Notstromversorgung). Hierfür erteilte die Antragsgegnerin am 26. Februar 2019 eine Baugenehmigung (BSW/ABH23/00267/2017), unter dem Betreff: Mischnutzung (Einzelhandel, Gastronomie, Bürogebäude, Wohngebäude, Kino, Kreuzfahrtterminal, Tiefgarage). Der Abschnitt „Core Nord“ [(Mantel-)Bauantrag 02] erfasst im Norden der U-Bahn von der Bodenplatte aufstrebend alle Geschosse bis einschließlich des 1. Obergeschosses und dort dieselben Anlagen der Gebäudetechnik wie der „Core Süd“ (vgl. Schriftsatz v. 3.9.2019, Anlagen B 3 bis B 8, Bl. 723 ff. d.A.). Hierfür erteilte die Antragsgegnerin am 14. März 2019 eine Baugenehmigung (BSW/ABH23/00268/2017), unter dem Betreff: Mischnutzung (Einzelhandel, Gastronomie, Wohngebäude, Tiefgarage). Nach der Bau- und Objektbeschreibung, Mantelbauantrag 01 (Vorlage 1/117 der Genehmigung „Core Süd“), nehmen die Untergeschosse beider Bauabschnitte im Wesentlichen eine Tiefgarage mit 2.525 Stellplätzen (Nr. 47.5 der Genehmigung „Core Süd“) auf. Die Einzelhandelsnutzung des gesamten Vorhabens (ca. 80.000 m² Bruttogeschossfläche, im Folgenden: BGF) samt der Gastronomie befindet sich nach jener Beschreibung in den darüber liegenden Geschossen dieser Bauabschnitte. Zugleich beinhalten die von den Genehmigungen erfassten Grundrisse alle Zufahrten zur Tiefgarage sowie die weiteren Straßenverkehrsflächen des Vorhabens. Gegen diese beiden Baugenehmigungen (im Folgenden: Genehmigungen) erhoben die Antragstellerinnen jeweils am 26. April 2019 Widerspruch.

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Am 20. Mai 2019 haben die Antragstellerinnen beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche beantragt, soweit die Genehmigungen die Tiefgarage und deren Zufahrten betreffen. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Realisierung des Vorhabens zu mit dem Rücksichtnahmegebot unvereinbaren Belästigungen und Störungen durch Lärm- und Luftschadstoffbelastungen führe. Im Bereich der Straßenkreuzung, die das Vorhaben vom Gebäude der Antragstellerinnen trenne, sei an dessen Fassaden aufgrund des zu erwartenden Verkehrsaufkommens mit Schallpegeln von mehr als 76 dB(A) tags und 65 dB (A) nachts zu rechnen. Da eine derartige Lärmbelastung die Schwelle der Gesundheitsgefährdung und eines Eingriffs in die Eigentumssubstanz überschreite, sei ein Summenpegel aus allen Lärmquellen zu bilden, was die Antragsgegnerin unterlassen habe. Die im Bebauungsplan HafenCity 3 vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen seien für eine derartige Lärmbelastung nicht ausgelegt. Die mit dem zu erwartenden Straßenverkehr verbundene Luftschadstoffbelastung sei aufgrund einer Überschreitung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid nach der 39. BImSchV an der Fassade des Gebäudes der Antragstellerinnen unzumutbar. Die von der Antragsgegnerin zu Grunde gelegte luftschadstofftechnische Untersuchung vom 18. November 2016 berücksichtige insbesondere nicht die im Zuge des Dieselskandals bekanntgewordenen Mehrbelastungen und verwende eine überholte und ungeeignete Berechnungsmethode. Ferner fehle den Genehmigungen die bauplanungsrechtliche Grundlage aufgrund der inzident zu prüfenden Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Dies habe man in der Begründung des Normenkontrollantrags vom 17. April 2019 dargelegt.

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Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Es habe keine Berechnung der Lärmaus-wirkungen auf das Planumfeld gegeben, weil sich das prognostizierte Verkehrsaufkommen gegenüber dem vorherigen Planzustand nur unwesentlich von 23.000 auf 24.000 Fahrten erhöhe. An dem Gebäude der Antragstellerinnen komme es nur zu einer Erhöhung des Schallpegels unterhalb der Wahrnehmungsschwelle um 0,4 dB(A). Das Luftschadstoffgutachten zum Bebauungsplan HafenCity 15 sei hinsichtlich mehrerer Berechnungsfaktoren konservativ ausgelegt worden, weshalb sich die Aktualisierung der Emissionsdaten nicht entscheidend auswirke. Soweit die Antragsstellerinnen die Unwirksamkeit des Bebauungsplans HafenCity 15 rügten, sei nicht ersichtlich inwieweit sie in ihren subjektiven Rechten verletzt sein sollten.

8

Die Beigeladene hat dem Antrag gleichfalls widersprochen. Die Beurteilungspegel des Gewerbelärms seien zu niedrig, um denjenigen des Verkehrslärms entscheidend anzuheben. Die Fahrgeräusche auf den öffentlichen Straßen seien dem Vorhaben nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm allenfalls eingeschränkt zuzurechnen. Die Ergebnisse des Schallschutzgutachtens zum Bebauungsplan HafenCity 15 seien weder zu beanstanden noch ließen sie Rückschlüsse auf das Gebäude der Antragstellerinnen zu. Bei der Beurteilung der Gesamtlärmbelastung seien die Vorbelastung der Antragstellerinnen und die ihnen obliegenden passiven Schallschutzmaßnahmen nach dem Bebauungsplan HafenCity 3 zu berücksichtigen. Im Übrigen könnten die Antragstellerinnen kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Situation geltend machen, die der bisherigen Bauleitplanung zugrunde gelegen habe. Ihr Vorbringen zur Luftschadstoffbelastung würde verkennen, dass die 39. BImSchV allein auf die behördliche Luftreinhalteplanung abziele. Der Bebauungsplan HafenCity 15 weise keine offensichtlichen Fehler auf.

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Mit Beschluss vom 11. Juli 2019, den Antragsstellerinnen zugestellt am 18. Juli 2019, hat das Verwaltungsgericht ihren Aussetzungsantrag abgelehnt. Dahinstehen könne, ob der Zulässigkeit des Antrags seine Beschränkung auf die Tiefgarage und die Zufahrten entgegenstehe; ob diese Teile des Vorhabens abgetrennt werden könnten, sei zweifelhaft. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil die Erfolgsaussichten der Widersprüche offen seien und die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerinnen ausfalle.

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Ob die geltend gemachten Lärm- und Luftschadstoffimmissionen mit dem Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unvereinbar seien, könne nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Die Voraussetzungen für die Zurechnung der Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs zu dem Vorhaben nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm hätten die Antragstellerinnen nur teilweise dargetan. Zwar spreche einiges dafür, für die Straße ... noch keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr anzunehmen. Nicht hinreichend dargetan sei aber, dass der An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens eine Erhöhung des Beurteilungspegels um mindestens 3 dB(A) mit sich bringe. Allein der plausible Vortrag einer sehr hohen Lärmbelastung im Kreuzungsbereich erlaube noch nicht den Schluss, dass gerade am Grundstück der Antragstellerinnen die Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden könnten, denn das Lärmgutachten beziehe sich nur auf das Plangebiet. Zudem bezögen sich die angeführten Grenzwertüberschreitungen auf die Gebäudefassade; nicht beurteilen lasse sich, ob Gleiches für den nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionspunkt gelte, da nach dem Bebauungsplan HafenCity 3 die Wohn- und Schlafräume grundsätzlich der lärmabgewandten Seite zuzuordnen seien. Ebenso sei offen, ob das Vorhaben durch seinen An- und Abfahrtverkehr unzumutbare Luftschadstoffimmissionen auslöse. Dahinstehen könne, ob diese Immissionen dem Vorhaben zugerechnet werden könnten und ob für deren Bewertung auf die 39. BImSchV oder die TA Luft abzustellen sei. Zweifel an dem Luftschadstoffgutachten ergäben sich aus der Ermittlung der Emissionsfaktoren anhand der HBEFA 3.2. Hingegen habe im Zeitpunkt der Genehmigungserteilungen bereits die HBEFA 3.3 aus April 2017 mit für Dieselfahrzeuge deutlich höheren NOx-Emissionen vorgelegen. Eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerinnen, falls der Bebauungsplan HafenCity 15 unwirksam sein sollte, sei nicht ersichtlich.

11

Vor diesem Hintergrund überwiege das Vollzugsinteresse. Die Antragstellerinnen hätten nicht dargetan, dass die sofortige Vollziehung der angegriffenen Bescheide für sie eine unbillige Härte darstelle, insbesondere nicht, dass die Immissionen ein gesundheitsgefährdendes Maß erreichten. Bei der Beurteilung ihrer Schutzwürdigkeit seien die erhebliche Vorbelastung ihres als Kerngebiet ausgewiesenen Grundstücks und die durch den Bebauungsplan HafenCity 3 angeordneten baulichen Schutzmaßnahmen für die Wohn- und Schlafräume zu berücksichtigen. Ferner konzentriere sich die Schadstoffbelastung in einiger Entfernung von ihrem Grundstück im östlichen Abschnitt der Überseeallee, auch dürfte die günstige Belüftung des Areals ihre Belastung mindern. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorhabens erscheine ein kompletter Baustopp unverhältnismäßig. Sollte sich nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens das Vorhaben als rücksichtslos darstellen, könne dem auch nachträglich, etwa durch eine Beschränkung der Zahl der Stellplätze, begegnet werden.

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Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 1. August 2019 Beschwerde eingelegt und diese erstmals am 19. August 2019 begründet. Die Einschränkung der Anträge werde nicht weiterverfolgt, wobei es sich nicht um eine im Beschwerdeverfahren unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes handele, da das Verwaltungsgericht die Teilbarkeit der Baugenehmigungen offengelassen und bereits in der Sache entschieden habe.

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Es habe nicht berücksichtigt, dass ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vorliege, weil im Rahmen der Umweltprüfung die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung nicht ermittelt worden seien. Der Umweltbericht enthalte keine hinreichende Darstellung des Basisszenarios. Die Antragsgegnerin habe versäumt die Immissionsvorbelastung, insbesondere durch Verkehrslärm, auch in den Gebieten zu prüfen, die von dem Vorhaben voraussichtlich erheblich beeinflusst würden, namentlich an den Hauptzufahrtsstraßen wie ... und ... Die unbekannte Lärmvorbelastung sei weder in die Abwägung bei der Planaufstellung noch in die Prüfung der Zumutbarkeit der Belastungen bei der Genehmigungserteilung ausreichend einbezogen worden. Im Planumfeld kumuliere der durch das Vorhaben verursachte Verkehrslärm mit der entsprechenden Vorbelastung und weiteren Lärmquellen zu einer Lärmbelastung an der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung und Eigentumsbeeinträchtigung. In Anlehnung an das OVG Münster (Beschl. v. 1.2.2019, 7 B 1360/18) sei davon auszugehen, dass diese mangelhafte Darstellung der Vorbelastung einen Verfahrensfehler darstelle, der nach Art und Schwere dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Öffentlichkeitsbeteiligung vergleichbar sei. Er nehme den Antragstellerinnen die unionsrechtlich fundierte Garantie, die notwendigen Angaben zur Beurteilung der Hauptauswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt zu erhalten. Ihnen sei dadurch die Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden, da sie die Schwere der Auswirkungen des Vorhabens auf die Belastung mit Lärm und Luftschadstoffen an ihrem Grundstück nicht hatten ausreichend beurteilen können. Aufgrund dieses absoluten Verfahrensfehlers stehe ihnen ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigungen zu, der bereits allein zwingend zu deren Suspendierung führen müsse.

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Unabhängig davon sei aufgrund eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot von einem Erfolg ihrer Widersprüche auszugehen. Bereits der Summenpegel des Verkehrslärms überschreite die grundrechtsgefährdende Schwelle von 69 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts. Dies sei für das Grundstück der Antragstellerinnen überwiegend wahrscheinlich, weil bereits auf der ... durchgängig Beurteilungspegel von 69-74 dB(A) tags und 58-61 dB(A) nachts prognostiziert würden. Schon aufgrund der gegenüber ... (16.200 Kfz) höheren täglichen Verkehrsmenge der Straße ... (19.800 Kfz) sei dort erst recht mit einem Pegel jenseits der grundrechtsgefährdenden Schwelle zu rechnen. Mehrere Wohn- und Schlafräume seien zur Kreuzung ausgerichtet. Die Lärmvorbelastung ihres Grundstücks gehe in der gebotenen Bildung eines Summenpegels auf und sei daher nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen. Auch hinsichtlich der Luftschadstoffbelastung sei es überwiegend wahrscheinlich, dass der Grenzwert von 40 µg/m3 überschritten werde. Bereits anhand der veralteten Daten seien Werte um 37,5 µg/m3 prognostiziert worden, weshalb bei 48 % höheren NO2-Emissionen unter Anwendung der HBEFA 3.3 eine Überschreitung des Jahresgrenzwerts an der Fassade des Gebäudes der Antragstellerinnen zu erwarten sei. Zudem ergebe sich aus Messungen im Umfeld ihres Grundstücks eine höhere Vorbelastung als 31 µg/m3.

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Schließlich habe sich die Interessenabwägung an den positiven Erfolgsaussichten der Hauptsache und nicht an dem nur die Frage der Dringlichkeit betreffenden § 212a BauGB zu orientieren. Verbleibende Unsicherheiten gingen zu Lasten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nachweisen müssten. Dabei könne nicht auf die im Bebauungsplan HafenCity 3 festgesetzten Lärmschutzmaßnahmen abgestellt werden, da diese für höhere Verkehrsmengen nicht ausreichend seien. Eine nachträgliche Beschränkung von Stellplätzen gefährde die Rentabilität diverser Nutzungen und daher letztlich eine ergebnisoffene Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

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Soweit die Antragsgegnerin ankündige, zur Behebung der Fehler bei der Umweltprüfung in ein ergänzendes Verfahren einzutreten, könne dies weder die Interessenabwägung beeinflussen noch sei zu erwarten, dass die angekündigten Gutachten die Immissionsbelastung hinreichend genau wiedergeben würden. Die erneuerte Verkehrsprognose sei ungeeignet, weil auch sie die angenommene Besucherfrequenz der Einzelhandels- und Gastronomienutzung nicht hinreichend begründe. Der ihr zugrunde gelegte Anteil von 25 % an Kunden, die ein Fahrzeug benutzen würden, sei weder ausreichend erläutert worden noch realistisch. Die angekündigte Luftschadstoffuntersuchung basiere erneut auf der untauglichen Romberg-Formel. Eine Heilung von Fehlern im ergänzenden Verfahren habe keine Auswirkungen auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antragstellerinnen drohe die Schaffung vollendeter Tatsachen, da mit einer Inbetriebnahme des Vorhabens vor einem rechtskräftigen Urteil über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Genehmigungen zu rechnen sei. Bereits jetzt würden Entscheidungen über die Lage der Tiefgaragenzufahrten getroffen werden, die sich nicht mehr ändern ließen. Diese Vorfestlegungen könnten nicht durch anderweitige Maßnahmen kompensiert werden, insbesondere sei nicht sicher, dass sich hinreichend wirksame verkehrslenkende Maßnahmen realisieren ließen. Zudem würde eine Realisierung des Vorhabens dem Interesse der Antragstellerinnen an einer ergebnisoffenen Entscheidung im ergänzenden Verfahren, zu der auch der Verzicht auf eine Umplanung gehöre, zuwiderlaufen.

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Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

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die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 11. August 2019 abzuändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2019 (BSW/ABH23/00267/2017) und 14. März 2019 (BSW/ABH23/00268/2017) anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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die Beschwerden als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.

21

Die Beschwerdebegründung erschüttere nicht die tragenden Gründe des Beschlusses, insbesondere nicht, dass die Erfolgsaussichten der Widersprüche offen seien. Die Wiederholung der Behauptungen zum Verkehrslärm und der Luftschadstoffbelastung würden die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den fehlenden Darlegungen der Antragstellerinnen nicht erschüttern. Ferner seien die Ergebnisse der von ihnen veranlassten Messungen zur Luftschadstoffvorbelastung nicht valide. Die Beschwerden hätten nicht die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts erschüttert. Die behauptete Rechtsverletzung ergebe sich erst aus der Nutzung der baulichen Anlage und ein Baustopp hätte unverhältnismäßige wirtschaftliche Folgen für die Beigeladene; auch sie selbst habe ein hohes Interesse an der raschen Realisierung des Vorhabens. Mit § 212a BauGB werde dem Bauen auf eigenes Risiko Vorrang eingeräumt und der Nachbar für etwaige Abwehransprüche auf die Hauptsache verwiesen. Das Verwaltungsgericht stelle für eine nachträgliche Korrektur des Vorhabens nur beispielhaft auf die Zahl der Stellplätze ab; es kämen z.B. auch verkehrslenkende Maßnahmen zur Reduzierung des vorhabenbezogenen Verkehrs in Betracht.

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Das neue Vorbringen der Antragstellerinnen zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG sei im Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Zudem wären inhaltliche und methodische Mängel nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.11.2017, 7 A 1.17) keine Verfahrensfehler. Eine unzureichende Tatsachenermittlung in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung sei nur dann ein Verfahrensfehler, wenn ein Verfahrensschritt vollständig unterbleibe, nicht jedoch, wenn er inhaltlich fehlerhaft erfolge indem einzelne Tatsachen nicht ermittelt würden. Die vorgeblich unvollständige Vorbelastungsermittlung habe die Antragstellerinnen zudem nicht daran gehindert ihre Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte wahrzunehmen.

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Vorsorglich werde zur Behebung der gerügten Fehler ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB eingeleitet, dass bis Ende 2020 abgeschlossen sein solle. Dies ermögliche die Heilung eines etwaigen Verfahrensfehlers der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung noch vor der Inbetriebnahme des Vorhabens, insbesondere der Tiefgarage, und damit vor dem Eintritt der von den Antragstellerinnen befürchteten Beeinträchtigungen. Diese Situation sei nicht mit dem vollständigen Ausfall jener Prüfung vergleichbar, weshalb es zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht erforderlich sei, die Vollziehung der Zulassungsentscheidungen auszusetzen. Auch würden die unionsrechtlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche fehlerfreie Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt werden. § 214 Abs. 4 BauGB stelle gleiche Anforderungen an die Heilung eines Rechtsverstoßes, sei dieser unions- oder nationalrechtlich begründet. Neben den zukünftigen Umweltauswirkungen, sollten auch diejenigen vollumfänglich ermittelt werden, die durch die bereits errichteten Vorhabenteile entstünden. Das ergänzende Verfahren würde überdies ergebnisoffen geführt werden, zumal es einer gerichtlichen Nachprüfung unterläge. Angesichts dieser Fehlerheilung und weil eine Nutzungsaufnahme des Vorhabens frühestens 2022 erfolgen werde, sei dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerinnen während des ergänzenden Verfahrens nicht der Vorrang einzuräumen.

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Im ergänzenden Verfahren werde u.a. die Verkehrsprognose aktualisiert, weshalb aufgrund veränderter Randbedingungen mit einer geringeren Fahrtenzahl auf den maßgeblichen Straßen zu rechnen sei. Ebenso werde die Lärmuntersuchung fortgeschrieben werden. Die Antragstellerinnen müssten sich darauf verweisen lassen, dass die von ihnen nach dem Bebauungsplan HafenCity 3 zu ergreifenden Lärmschutzmaßnahmen einer Verkehrsbelastung von 18.000 Fahrzeugen am Tag entsprechen müssten. Der sich daraus nach der DIN 4109 ergebende Schallschutz werde auch bei einer höheren vorhabenbedingten Verkehrsbelastung ausreichend sein. Für den Fall, dass ein Innenpegel von 30 dB(A) nachts dennoch nicht erreichbar sei, stünden verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Es bestehe daher nicht die Gefahr, dass die Antragstellerinnen mit der Fertigstellung des Vorhabens vor vollendete Tatsachen gestellt werden würden, zumal ein nachträglicher Auflagenerlass zum Gesundheitsschutz möglich sei. Ferner werde die Luftschadstoffuntersuchung neu erstellt werden, welche die veränderten Emissionsdaten aufgrund der neueren Versionen der HBEFA berücksichtigen solle. Es bestehe daher kein schützenswertes Interesse der Antragstellerinnen, die laufenden Baumaßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt anzuhalten.

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Die Beigeladene beantragt gleichfalls,

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die Beschwerden zurückzuweisen.

27

Die mit der Beschwerde verbundene Antragsänderung sei in diesem Verfahrensabschnitt unzulässig. Bleibe es deshalb bei dem bisherigen Antrag, mit dem die - nicht teilbaren - Baugenehmigungen nur teilweise außer Vollzug gesetzt werden sollten, müsse die Beschwerde ohne Erfolg bleiben.

28

Die Antragstellerinnen hätten ihre Rechtsansicht zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG bereits erstinstanzlich vortragen können und könnten sich daher nicht darauf berufen, das Verwaltungsgericht habe sich hierzu nicht geäußert. Ein derart aufgespartes Vorbringen sei nach § 146 Abs. 4 VwGO im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen und überdies nach § 5 UmwRG aufgrund des missbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen. Zudem läge aus den von der Antragsgegnerin angeführten Gründen kein Verfahrensfehler vor. Selbst wenn ein Umweltbericht nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen genüge, könne nicht stets ein Verfahrensfehler angenommen werden. Allenfalls seien die ausgelegten Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sie die notwendige Anstoßfunktion haben könnten. Die Beschwerde rüge dagegen der Sache nach, dass das Untersuchungsgebiet der Gutachten fehlerhaft festgelegt worden sei; Mindestanforderungen hierzu, die verletzt worden sein könnten, gäbe es jedoch nicht.

29

Hinsichtlich des Rücksichtnahmegebots würden die Antragstellerinnen verkennen, dass die Verkehrslärmimmissionen nur unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorhaben zugerechnet werden könnten. Ohnehin ergebe sich aus der dem Bebauungsplan HafenCity 3 zugrundeliegenden Schalltechnischen Stellungnahme vom 17. Dezember 2004, dass die Lärmbelastung an den Innenhoffassaden des Gebäudes der Antragstellerinnen erheblich niedriger ausfalle, als an deren Außenfassade. Die Antragsstellerinnen hätten u.a. nicht dargelegt, dass an diesen Innenhoffassaden die Grenzwerte der 16. BImSchV oder die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschritten werden würde. Die von ihnen durchgeführten Messungen zur Luftschadstoffvorbelastung seien aus den von der Antragsgegnerin angeführten Gründen nicht hinreichend aussagekräftig.

30

Zutreffend habe das Verwaltungsgericht aus § 212a Abs. 1 BauGB einen gesetzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses entnommen. Dieses überwiege u.a. auch deswegen, weil die Tiefgarage erst Ende des Jahres 2022 genutzt werden könne und bis dahin ein ergänzendes Verfahren etwaige Fehler der Umweltprüfung geheilt haben werde. Die Behauptung der Antragstellerinnen, dass bei einer nachträglichen Beschränkung der Stellplatzzahl städtebauliche Missstände drohen würden, lasse keinen nachbarschützenden Belang erkennen und sei lediglich ins Blaue hinein aufgestellt. Die Aussetzung der Genehmigungen sei ferner nicht unionsrechtlich geboten, denn die Legalisierung eines unionsrechtswidrigen Vorgangs sei unter hier erfüllten Voraussetzungen zulässig. Auch mache das Unionsrecht keine zwingenden Vorgaben für die Konsequenzen, die ein nationales Gericht aus einem Verstoß zu ziehen habe. Der Äquivalenzgrundsatz werde eingehalten, da auch bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts die Aussetzung der Genehmigung nicht automatische erfolge. Ebenso sei der Effektivitätsgrundsatz gewahrt, weil die Umweltverträglichkeitsprüfung im ergänzenden Verfahren ergebnisoffen nachgeholt und dabei die Rechte der Beteiligten gewahrt werden würden. Dies führe nicht zu einer Umgehung des Unionsrechts. Sollte das ergänzende Verfahren nicht rechtzeitig betrieben werden, wäre eine Änderung des Eilbeschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO möglich. Die von den Antragstellerinnen demgegenüber angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs habe sich auf Fälle eines laufenden emittierenden Betriebs bezogen, hingegen ginge es bei dem Vorhaben der Beigeladenen erst um die Errichtung einer baulichen Anlage.

31

Zur weiteren Aufklärung der Sach- und Rechtslage hat das Beschwerdegericht am 4. September 2019 und am 30. Oktober 2019 die Rechtssache mit den Beteiligten erörtert. Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, und der beigezogenen Sachakten Bezug genommen.

II.

32

Die rechtzeitig eingelegten und begründeten (§§ 146 Abs. 4 Satz 1, 147 Abs. 1 VwGO) Beschwerden sind unbegründet.

33

1. Die Beschwerden sind zulässig, auch wenn die Antragstellerinnen die bisher vorgenommene gegenständliche Einschränkung ihrer Anträge auf die Tiefgarage und deren Zufahrten fallen gelassen haben. Zwar ist es im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht möglich, über den Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens hinauszugehen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21.10.2009, 2 Bs 163/09, unter Hinweis auf: Beschl. v. 22.8. 2003, 4 Bs 278/03, NordÖR 2004, 203, juris Rn. 7), doch erlaubt der mit § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO verfolgte Sinn und Zweck der Verfahrensbeschleunigung die vorgenommene Antragserweiterung. Sie ist sachdienlich und daher in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 1 VwGO zuzulassen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 2.8.2019, 4 Bs 219/18, AuAS 2019, 209, juris Rn. 10). Das Begehren der Antragstellerinnen war stets darauf gerichtet, den Bau und die Nutzung der Tiefgarage als Anknüpfungspunkt des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens und auf diese Weise die damit verbundenen Lärm- und Luftschadstoffbelastungen vorläufig zu verhindern, weshalb der Streitstoff auch in der Beschwerdeinstanz im Wesentlichen unverändert bleibt.

34

Die Antragserweiterung dient zudem der Streitbeilegung, da sie die vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags ausräumt und eine Entscheidung des Streits zwischen den Beteiligten über die Vollziehbarkeit der angefochtenen Genehmigungen herbeiführt.

35

2. Die Beschwerde bleibt aber ohne Erfolg. Zwar ergibt die Prüfung der von den Antragstellerinnen dargelegten Gründe nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts diesen nicht Stand hält, weshalb das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet ist, das Antragsbegehren umfassend nach den Maßstäben der §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO zu prüfen. Diese Prüfung führt jedoch im Ergebnis zu einer Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung.

36

Die mit der Beschwerdebegründung vom 19. August 2019 gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegten Gründe erschüttern die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 11. Juli 2019, wonach die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerinnen gegen die Genehmigungen vom 26. Februar 2019 und 14. März 2019 offen seien und deshalb aufgrund von § 212a Abs. 1 BauGB das Interesse an dem Vollzug der Genehmigungen überwiege. Die Beschwerde rügt zutreffend, dass in dem angefochtenen Beschluss § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG nicht beachtet worden ist, weshalb die Widersprüche zurzeit erfolgreich sein müssten.

37

Einer Berücksichtigung dieses Vorbringens steht § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO nicht entgegen; es handelt sich entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht um „aufgesparte Gründe“. Die Antragstellerinnen haben bereits vor dem Verwaltungsgericht eingewendet, dass entgegen den Vorschriften für eine Umweltverträglichkeitsprüfung der bestehende Umweltzustand (sog. Basisszenario) des Vorhabenumfelds nicht ermittelt worden sei. Dieser Einwand ist im Schriftsatz vom 17. April 2019 enthalten, mit dem die Antragstellerinnen ihren Normenkontrollantrag im Verfahren 2 E 19/18.N begründet und den sie ihrer Antragsschrift vom 20. Mai 2019 als Anlage Ast 8 beigefügt hatten. Es kann den Rechtsschutz der Antragstellerinnen in der grundsätzlich eröffneten Beschwerdeinstanz nicht verkürzen, dass das Verwaltungsgericht dieses Vorbringen in seinem Beschluss vom 11. Juli 2019 nicht aufgegriffen und rechtlich gewürdigt hat.

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Ebenso wenig wird die nun erstmals gezogene rechtliche Schlussfolgerung, es läge aufgrund jenes Ermittlungsfehlers ein Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG vor, durch § 5 UmwRG ausgeschlossen, wonach Einwendungen, die eine Person erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, unberücksichtigt bleiben, wenn dies missbräuchlich oder unredlich ist. Mit dem Begriff der Einwendungen wird nur ein sachliches Gegenvorbringen erfasst, dagegen sind nicht die hier vorgebrachten Ausführungen zu dem Rechtsrahmen der Zulassungsentscheidung ausgeschlossen (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.8.2018, 1 Es 1/18.P, NordÖR 2018, 538, juris Rn. 47).

39

3. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aussetzungsinteressen der Beteiligten vor. Dem Charakter des Eilverfahrens nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wesentliches Element der Interessensabwägung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angeordneten Sofortvollzugs treffen. Kann keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.3.2010, 7 VR 1.10, juris Rn. 13). Ob die Widersprüche der Antragstellerinnen gegen die Genehmigungen vom 26. Februar 2019 und 14. März 2019 Erfolg haben werden, kann derzeit nicht hinreichend verlässlich beurteilt werden (a). Die deshalb zu treffende Abwägung zwischen ihrem privaten Interesse an einer Aussetzung der Vollziehbarkeit jener Genehmigungen mit den öffentlichen Interessen und dem privaten Interesse der Beigeladenen an deren Ausnutzung, fällt zu Lasten der Antragstellerinnen aus (b).

40

a) Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt nicht erkennen, ob die Widersprüche der Antragstellerinnen vom 26. April 2019 erfolgreich sein werden. Die für die Erteilung der angefochtenen Genehmigungen notwendige Umweltprüfung dürfte unter einem absoluten Verfahrensfehler leiden, der aber am Ende der Widerspruchsverfahren voraussichtlich geheilt sein wird (aa). Jedoch ist offen, ob die Antragstellerinnen in ihrem subjektiven Recht auf Beachtung des Rücksichtnahmegebots verletzt sein könnten (bb).

41

aa) Die Rechtmäßigkeit der von den Antragstellerinnen mit ihren Widersprüchen angegriffenen Genehmigungen ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch daraufhin zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler nach § 4 UmwRG vorliegt (1). Es spricht viel dafür, dass die vor der Genehmigungserteilung durchzuführende Umweltprüfung derzeit unter einem absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG leidet (2), der allerdings im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens geheilt werden kann (3).

42

(1) Die Antragstellerinnen können in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ihre Befugnis zur Einleitung des Widerspruchsverfahrens - wie auch dieses Aussetzungsverfahrens - aus der Rechtsbehauptung ableiten, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch die Genehmigungen sei aufgrund der durch das Vorhaben ausgelösten Lärm- und Luftschadstoffbelastungen nicht auszuschließen. Im Rahmen der Sachprüfung des deshalb zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens ist § 4 UmwRG zu beachten (BVerwG, Beschl. v. 14.11.2018, 4 B 12.18, ZfBR 2019, 174, Rn. 4). Dessen Anwendungsbereich ist nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a), 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG für das Widerspruchsverfahren eröffnet, weil es sich bei den im Verfahren nach § 62 HBauO für den sog. „Core Nord“ und „Core Süd“ erteilten Genehmigungen jeweils um eine Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG handelt. Jedenfalls diese von den angegriffenen Genehmigungen erfassten Teile des Vorhabens unterfallen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG dem Anwendungsbereich jenes Gesetzes, da sie mit dem Kreuzfahrtterminal eine infrastrukturelle Hafenanlage (Nr. 13.12) und den zusammenhängenden Einzelhandelsflächen ein Einkaufzentrum von mehr als 5.000 m2 Geschossfläche (Nr. 18.8) umfassen, welche in Anlage 1 des Gesetzes aufgeführt sind.

43

(2) Die dementsprechend nach § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 13.12 und 18.8 UVPG an sich notwendige allgemeine Vorprüfung wird entsprechend § 50 Abs. 1 UVPG durch die Umweltprüfung bei der Aufstellung des Bebauungsplans HafenCity 15 ersetzt, welcher projektbezogen die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sichern soll. Diese Umweltprüfung genügt derzeit nicht den Anforderungen aus §§ 2 Abs. 4, 2a Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Anlage 1 BauGB (a). Dieser Mangel stellt angesichts seiner Bedeutung für die Öffentlichkeitsbeteiligung einen Verfahrensfehler dar (b), der unter § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG fallen dürfte (c).

44

(a) § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB in der Neufassung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634) erfordert die Ermittlung der voraussichtlichen erheblichen Umwelteinwirkungen des Plans und deren Beschreibung im Umweltbericht. Dabei ist nach dem 2. Halbsatz jener Vorschrift die Anlage 1 des BauGB anzuwenden, welche zugleich nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB die Darstellung der Umweltprüfung in dem Umweltbericht prägt. Die Umweltprüfung muss nach Anlage 1 Nr. 2 lit. a) BauGB eine Bestandsaufnahme der einschlägigen Aspekte des derzeitigen Umweltzustands (Basisszenario), einschließlich der Umweltmerkmale der Gebiete enthalten, die voraussichtlich erheblich beeinflusst werden. Dieses Basisszenario ist im Umweltbericht wiederzugeben. Eine derartige Bestandsaufnahme des tatsächlichen Umweltzustands nicht nur des Plangebiets, sondern auch der bei Durchführung des Plans erheblich betroffenen Nachbarschaft (vgl. Schrödter/Otto in: Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Aufl., 2019, § 2a Rn. 23), findet sich jedoch lediglich für die Belastung mit Luftschadstoffen, nicht aber für die Lärmbelastung im Umweltbericht unter Ziff. 4 der Begründung zum Bebauungsplan HafenCity 15.

45

So wird hinsichtlich des Schutzgutes Luft der Bestand (Ziff. 4.2.1.1.; S. 23) unter dem Aspekt Lärm wie folgt beschrieben:

46

„Die gesamte HafenCity ist aufgrund unterschiedlicher Quellen stark lärmbelastet, dies betrifft den Verkehrslärm (Straße und Schiene) und den Industrie- und Gewerbelärm (Hafengebiet auf der Südseite der Norderelbe sowie den Großmarkt im Norden).

47

Das Plangebiet wird im Wesentlichen durch Lärm aus dem Hafengebiet, den Schiffen des Kreuzfahrtterminals und der im Norden verlaufenden Überseeallee belastet.

48

Außerdem existiert eine Vorbelastung durch den Lärm, der durch vorbeifahrende Schiffe erzeugt wird. In diesem östlich gelegenen Teil des Hafens nimmt der Schiffsverkehr im Vergleich zum westlichen Bereich ab. Von einer erheblichen Beeinträchtigung durch Schiffsverkehrslärm wird dementsprechend nicht ausgegangen.“

49

Zwar wird die Belastung des Plangebiets selbst wiedergegeben, jedoch nicht diejenige der Nachbarschaft, soweit diese von Lärmemissionen aus dem Plangebiet betroffen sein kann. Hierzu gehören auch die Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens, weil diese nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorhaben (eingeschränkt) zugerechnet werden können. Der Antragsgegnerin musste sich aufdrängen, dass dieser Verkehrslärm auch außerhalb des Plangebiets von Bedeutung ist. Bereits aufgrund der Schalltechnischen Stellungnahme zum Bebauungsplan HafenCity 3 vom 17. Dezember 2004 (Aufstellungsakte HafenCity 3, Band 1, Bl. 319 ff.) war bekannt, dass der Verkehrslärm Beurteilungspegel erreichen kann, die jenseits der Immissionsrichtwerte der TA Lärm liegen (Anlagen 2a bis 3b), woran der An- und Abfahrtverkehr des Überseequartier Süds einen nicht unerheblichen Anteil haben dürfte. Bei dieser Lage lediglich auf die starke Lärmbelastung des gesamten Stadtteils HafenCity zu verweisen, gibt die Verkehrslärmbelastung des Planumfelds bei Aufstellung des Bebauungsplans HafenCity 15 nicht differenziert genug wieder.

50

Dieser Mangel des Umweltberichts wird nicht - ungeachtet dessen, ob eine Darstellung außerhalb des Umweltberichts den Anforderungen der §§ 2 Abs. 4, 2a Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 2 lit. a) BauGB genügen könnte - durch die Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan HafenCity 15, erstellt von ..., Stand: 16. August 2016 (Bl. 169 ff. d.A.) oder deren Überarbeitung vom 2. Dezember 2016 (Bl. 546 ff. d.A.) ausgeglichen. Diese Untersuchung betrifft allein das Plangebiet, nicht dagegen den darüber hinausreichenden Einwirkungsbereich des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens, insbesondere die Straßen ... und ...

51

(b) Eine derart mangelhafte Ermittlung der Lärmvorbelastung stellt einen Verfahrensfehler i.S.d. § 4 UmwRG in der Neufassung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290) dar (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 1.2.2019, 7 B 1360/18, BauR 2019, 770, juris Rn. 10-12), weil es sich um einen Fehler der äußeren Ordnung des Verfahrens handelt (BVerwG, Urt. v. 28.11. 2017, 7 A 17.12, BVerwGE 161, 17, juris Rn. 29), der in die Phase der Informationsgewinnung im Vorfeld der Sachentscheidung fällt. Die Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 BauGB strukturiert wie die von ihm ersetzte Umweltverträglichkeitsprüfung das Verfahren im Vorfeld der Sachentscheidung durch die Phasen der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung und vollzieht sich in verschiedenen Verfahrensschritten, die ordnungsgemäß durchgeführt werden müssen. Dazu gehört, dass die ausgelegten Unterlagen die erforderliche Anstoßwirkung entfalten (BVerwG, Urt. v. 28.11.2017, a.a.O., Rn. 31). Der Umweltbericht muss ebenso wie der UVP-Bericht nach § 16 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 UVPG Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen der Planung betroffen sein können. Dies dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-Richtlinie - (ABl. L 26 v. 28.1.2012, S. 1), in der Fassung der Änderung vom 16. April 2014 (ABl. L 124 v. 25.4.2014, S. 1), wonach die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise an dem umweltbezogenen Entscheidungsverfahren zu beteiligen ist. Wird diese - letztlich der Umsetzung der Aarhus-Konvention dienende - Anstoßwirkung verfehlt (vgl. Winkler in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, Einleitung UVPG, Rn. 10, 26), ist das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB: BVerwG, Urt. v. 18.7.2013, 4 CN 3.12, BVerwGE 147, 206, Rn. 19 f.).

52

Die Anstoßwirkung wird sowohl von dem Umweltbericht als auch der ebenfalls ausgelegten Schalltechnischen Untersuchung vom 16. August 2016 verfehlt. Sie informieren die Anlieger der im Planumfeld gelegenen Straßen nicht in einer Weise, die geeignet ist, deren Interesse an Information und Beteiligung durch Abgabe von Stellungnahmen zu wecken und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2013, a.a.O. Rn. 19). Ohne die Kenntnis der Vorbelastung kann die interessierte Öffentlichkeit nicht ermessen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen der Planung betroffen sein könnte. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Antragstellerinnen sich dennoch mit Einwendungen am Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans beteiligt haben, weil mit den vorliegenden Informationen nur pauschal und undifferenziert eine Lärmerhöhung durch die dem Vorhaben zugrundeliegende Planung gerügt werden konnte.

53

Die mangelhafte Ermittlung der Vorbelastung ist für die notwendige Anstoßwirkung nicht etwa deshalb unerheblich, weil im Hinblick auf die Gesamtheit des darzustellenden Umweltzustands nur der Aspekt Lärm vernachlässigt worden ist. Hierbei handelt es nicht um das Fehlen einer „einzelnen Angabe“ (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) BauGB; OVG Hamburg, Urt. v. 27.4.2016, 2 E 20/13.N, DVBl. 2016, 1407, juris Rn. 41) bzw. eine Unvollständigkeit des Umweltberichts in einem nur unwesentlichen Punkt (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 BauGB). Ob ein Umweltbericht nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist, hängt maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art des Bauleitplans, seinen Zielen und Inhalten und den in Rede stehenden Umweltauswirkungen (OVG Hamburg, a.a.O., juris Rn. 52; BVerwG, Beschl. v. 30.12. 2009, 4 BN 13.09, BRS 74 Nr. 35, juris Rn. 4). Der Lärmaspekt ist für den Bebauungsplan HafenCity 15 und dessen Auswirkungen auf sein Umfeld von erheblicher Bedeutung, schon aufgrund der lärmempfindlichen Wohnnutzung in unmittelbarer Nachbarschaft z.B. auf dem Grundstück der Antragstellerinnen.

54

(c) Die bislang nicht geheilte mangelhafte Ermittlung der Lärmvorbelastung dürfte einen sog. unbenannten absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG darstellen.

55

Die fehlende Ermittlung der Lärmvorbelastung dürfte ihrer Art und Schwere nach mit dem Ausfall der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Öffentlichkeitsbeteiligung vergleichbar sein, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b) UmwRG. Von einer vergleichbaren Schwere des Fehlers ist auszugehen, wenn er im Einzelfall dazu geführt hat, dass der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen wird, die geschaffen worden sind, um ihr im Einklang mit den Zielen der UVP-Richtlinie Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu ermöglichen (Kment a.a.O., Rn. 24, unter Verweis auf: EuGH, Urt. v. 7.11.2013, C-72/12, Altrip, UPR 2014, 19, juris Rn. 54). Zu diesen Garantien dürfte nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. b) UVP-Richtlinie zählen, dass die betroffene Öffentlichkeit geeignete Angaben über die Auswirkungen des Vorhabens erhält, um sich sachgerecht am Entscheidungsprozess beteiligen zu können (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 1.2.2019, 7 B 1360/18, BauR 2019, 770, juris Rn. 12). Die Fehlerhaftigkeit eines einzelnen Verfahrensschritts führt zwar in der Regel nicht zu einem vergleichbar schweren Verfahrensfehler. Dies gilt aber dann nicht, wenn infolge des Fehlers ein Teil der Öffentlichkeit mangels hinreichender sachlicher Informationen an ihrer Beteiligung gehindert wird und somit die Entscheidungsgrundlage für die Behörde nicht verbessert werden kann. Die fehlende Ermittlung der Lärmvorbelastung hat den Antragstellerinnen (und der betroffenen Nachbarschaft) aber die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c) i.V.m. Abs. 3 Satz 2 UmwRG), da Angaben zur Lärmvorbelastung für ihr Grundstück fehlten. Eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung der von den Vorhabenauswirkungen betroffenen Nachbarschaft ist damit insgesamt unterblieben.

56

Davon abgesehen kann sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, der Verfahrensfehler habe die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst, § 4 Abs. 1a Satz 1 i.V.m. § 46 VwVfG. Die zur Widerlegung der gegenteiligen Vermutung des § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG notwendigen konkreten Anhaltspunkte für die Unbeachtlichkeit des Fehlers (vgl. Kment in: Hoppe/Beckmann/Kment, a.a.O., § 4 UmwRG, Rn. 28) kann die Antragsgegnerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachweisen [vgl. nachfolgend bb) (2)].

57

(3) Nach § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG entfällt die Aufhebung der angegriffenen Genehmigungen, wenn der Verfahrensfehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann. Mängel bei der Ermittlung der Lärmvorbelastung, insbesondere hinsichtlich des Grundstücks der Antragstellerinnen, können nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden, denn sie sind nicht von solcher Art und Schwere, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.5.2017, 4 BN 6.17, BRS 85 Nr. 42 (2017), juris Rn. 9; Urt. v. 8.10.1998, 4 CN 7.97, BauR 1999, 359, juris Rn. 13). Die Antragsgegnerin hat die unverzügliche Einleitung eines ergänzenden Verfahrens zugesagt und die Erstellung der dafür notwendigen Gutachten auf den Weg gebracht (Schriftsatz v. 2.12.2019, Bl. 1.098 d.A.). Mangels konkreter Anhaltspunkte für andere Verfahrensfehler oder eine Verfahrensverzögerung - der vorgelegte Zeitplan geht von einem Abschluss des ergänzenden Verfahrens im Dezember 2020 aus - rechtfertigt dies die Prognose, dass dieser Verfahrensfehler nach § 4 UmwRG - ungeachtet dessen, ob er unter Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Abs. 1a fällt - aller Voraussicht nach zum Abschluss der Widerspruchsverfahren der Antragstellerinnen geheilt worden sein wird, weshalb die Widersprüche erfolglos bleiben dürften.

58

bb) Ob die Widersprüche der Antragstellerinnen hinsichtlich der mit dem Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Lärm- und Luftschadstoffbelastungen Erfolg haben werden, ist nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens offen. Insoweit können sie sich als nicht im Gebiet des Bebauungsplans HafenCity 15 belegene Grundeigentümer nur auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen, welches nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bei der Erteilung der Genehmigungen zu beachten war (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, 4 C 96.79, BVerwGE 67, 334, juris Rn. 26; OVG Hamburg, Beschl. v. 21.5.2001, 2 Bs 178/01, juris Rn. 5). Ungeachtet dessen, ob sie mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Erfolg haben werden, würde sich hierdurch ihre Rechtsposition nicht verändern, weil sie sich auch in diesem Fall nur auf eine Beachtung des Rücksichtnahmegebots - sei es aus einer entsprechenden Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB oder aus § 34 Abs. 1 BauGB - berufen könnten.

59

Die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots richten sich danach, was dem durch ihn Begünstigten einerseits und dem von ihm Verpflichteten andererseits in der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke zuzumuten ist. Geht es um Immissionskonflikte, die ihre Ursache im An- und Abfahrtverkehr des streitigen Vorhabens haben, hängt die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots genügt ist, maßgeblich davon ab, welche Einwirkungen die Betroffenen nach den Wertungen des Immissionsschutzrechts hinzunehmen haben (OVG Hamburg, Urt. v. 2.2. 2011, 2 Bf 90 und 91/07, NordÖR 2011, 399, juris Rn. 91; BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122, juris Rn. 22). Die §§ 4, 22 BImSchG konkretisieren für genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft. Ein darüberhinausgehendes bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot gibt es nicht (OVG Hamburg, Urt. v. 13.8.2019, 2 Bf 438/18, BauR 2019, 1895, juris Rn. 52). Die konkrete Bestimmung des Maßes der danach gebotenen Rücksichtnahme orientiert sich - soweit der jeweilige Anwendungsbereich eröffnet ist - an den Rechtsverordnungen nach §§ 23, 48a BImSchG sowie an der TA Lärm und der TA Luft als normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2014, 2 Bs 30/14; zur TA Lärm: BVerwG, Beschl. v. 8.1.2013, 4 B 23.12, BauR 2013, 739, juris Rn. 5; Urt. v. 29.11.2012, BVerwGE 145, 145, Rn. 18; zur TA Luft: BVerwG, Urt. v. 20.12.1996, 7 C 15.98, BVerwGE 110, 216, juris Rn. 9).

60

Ob bei Anwendung dieser Regelwerke von dem Vorhaben der Beigeladenen eine unzumutbare und damit planungsrechtlich rücksichtslose Lärmbeeinträchtigung (2) oder Luftschadstoffbelastung (3) der Antragstellerinnen ausgeht oder beides ausgeschlossen werden kann, lässt sich den vorliegenden Immissionsgutachten nicht entnehmen. Bereits die ihnen zugrunde gelegte Verkehrsuntersuchung weist nach dem derzeit bekannten Sachstand Defizite auf (1). Eine Klärung der im Eilverfahren nicht beantwortbaren Fragen wird erst in dem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB und damit zugleich in den Widerspruchsverfahren der Antragstellerinnen möglich sein.

61

(1) Die Antragstellerinnen führen das von ihnen angenommene unzumutbare Maß der Belastungen ihres Grundeigentums mit Lärm und Luftschadstoffen auf den An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens zurück, insbesondere soweit er sich auf den öffentlichen Straßen vor ihrem bzw. in der Nähe ihres Gebäudes ereignet; andere Emissionsquellen drängen sich auch dem Beschwerdegericht nicht auf. Dementsprechend kommt der Verlässlichkeit der Prognose über die Anzahl der vom Vorhaben ausgelösten Fahrten besondere Bedeutung zu. Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden und unter Zugrundelegung welcher Annahmen derartige Verkehrsprognosen zu erstellen sind, gibt es nicht. Sie sind mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände methodisch fachgerecht zu erstellen. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urt. v. 15.2.2018, 9 C 1.17, BVerwGE 161, 180, Rn. 13).

62

Das Gutachten Südliches Überseequartier, Verkehrsuntersuchung zur äußeren Erschließung, erstellt von ..., Stand: 6. Oktober 2016 (im Folgenden: Verkehrsprognose 2016, Bl. 28 ff. d.A.), weist bezogen auf das Jahr 2030 für den südlichen Abschnitt der Straße ... - vor dem Gebäude der Antragstellerinnen - eine durchschnittliche werktägliche (Mo.-Fr.) Verkehrsstärke (DTVw) von 19.900 (S. 41) bzw. 19.800 (Anhang III-4) Fahrten auf. Dieser Wert übersteigt um etwa 10 % die 18.000 Fahrten, welche dem Bebauungsplan HafenCity 3 und dessen Festsetzungen zum Lärmschutz in § 2 Nr. 6 und 7 der Verordnung über den Bebauungsplan HafenCity 3 vom 3. November 2009 (HmbGVBl. S. 384; im Folgenden: PlanVO HC3) zugrunde gelegt worden sind (Planbegründung S. 8). Er übersteigt ferner um etwa 22 % die DTVw von 16.300 Fahrten, welche die Verkehrsuntersuchung HafenCity, Szenario 2025, Argus, Stand: 11. Mai 2004, (im Folgenden: Verkehrsprognose 2004; Bl. 987 ff. d.A.) für denselben Straßenabschnitt ermittelt hatte (S. 20, Abb. 6).

63

Ob diese Werte der Verkehrsprognose 2016 eine realistische Annahme darstellen und sie geeignet sind, die mögliche Zunahme des Straßenverkehrs abzubilden, welche sich aufgrund der Umplanung des Überseequartiers Süd durch die Beigeladene ergeben könnte, kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen. Die Antragstellerinnen weisen zutreffend darauf hin, dass zwei Kerngrößen für die Ermittlung des Vorhabenanteils an der DTVw nicht hinreichend nachvollziehbar sind. So begründet das Gutachten nicht, warum es für die Ermittlung der Kundenzahl der Einzelhandels- und Gastronomienutzung, welche zusammen ca. 59 % des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens erzeugen (S. 29), aus der angegebenen Spanne von 5 bis 420 Personen je m2 BGF den Wert 50 auswählt (S. 21). Weiterhin wird nicht hinreichend begründet, warum bei der Verkehrsmittelwahl (Modal Split) für die Einzelhandels- und Gastronomienutzung Kraftfahrzeuge (motorisierter Individualverkehr = MiV) mit einem Anteil von 25 % berücksichtigt werden (S. 21). Zwar entspricht dies dem MiV-Anteil für HafenCity-ähnliche Quartiere Hamburgs, unter Berücksichtigung des geringen Anteils an fahrzeugbenutzenden Kunden des Einzelhandels mit Nahversorgungsfunktion (S. 16). Allerdings ergibt sich auf der Basis derselben Daten der Mobilitätsstudie von 2008 - welche mittlerweile aufgrund der Mobilitätsstudie von 2017 überholt sein könnten - ein MiV-Anteil von 34 % für dieselben Quartiere ohne Berücksichtigung der Nahversorgung. Warum nicht dieser oder ein gemittelter Wert zur Anwendung kommt, bedarf einer Begründung, weil die Antragsgegnerin für das Überseequartier Süd wohl nur von einem eher geringen Anteil an Einzelhandel mit Nahversorgungsfunktion ausgeht. So legt das im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan HafenCity 15 ausgelegte Gutachten zu den Effekten des dortigen Einzelhandels auf die entsprechenden Strukturen Hamburgs und der Region (Überseequartier HafenCity Hamburg, Wirkungsanalyse, erstellt von der GfK, Stand: 17.8.2016; Aufstellungsakte Band 5, Bl. 250 ff.) seiner Betrachtung zugrunde, dass nur ein Siebtel der Einzelhandelsflächen für nahversorgungsrelevante Sortimente genutzt werden wird (S. 79).

64

Derzeit ist für das Beschwerdegericht nicht erkennbar, dass die von der Antragsgegnerin zur Vorlage im ergänzenden Verfahren angekündigte erneuerte Verkehrsprognose, welche von einer geringeren DTVw im o.g. Straßenabschnitt ausgeht, diese Defizite beheben wird. Die im Erörterungstermin am 30. Oktober 2019 vorgestellte Präsentation (Verkehrsprognose HafenCity – Stand 10-2019 – Ergänzung zur Präsentation am 30.10.2019, ..., Stand: 20.11.2019; Bl. 1.063 ff. d.A.) verhält sich dazu nicht. Zudem mag der Aussagewert dieser Prognose aufgrund einer verbesserten Methodik und genauerer Eingangsdaten präziser sein, doch weist sie andererseits eine relevante, aber nicht erläuterte Abweichung zur Verkehrsprognose 2016 auf. Jene legte ihren Berechnungen für die Einzelhandelsnutzung eine BGF von 80.005 m2 und für die Gastronomie eine BGF von 8.455 m2 zugrunde, die erneuerte Verkehrsprognose geht hingegen nur noch von 66.600 m2 und 10.000 m2 aus. Bei ansonsten im Wesentlichen unveränderten Werten trägt schon diese Flächenreduzierung um rd. 13 %, angesichts der Bedeutung jener Nutzungen für die Verkehrsentstehung, zur Absenkung der DTVw von etwa 8 % bei. Die vorgestellten Daten der erneuerten Verkehrsprognose können daher der Beschwerdeentscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

65

(2) Der Ausgang der Widerspruchsverfahren ist offen, weil zurzeit mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht beurteilt werden kann, ob sich die Lärmbelastung des Grundeigentums der Antragstellerinnen in einer dem Vorhaben zurechenbaren Weise durch dessen Nutzungsaufnahme als unzumutbar darstellen wird.

66

(a) Die auch im gerichtlichen Verfahren bindende TA Lärm konkretisiert den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkung i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG und ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten gemäß ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (BVerwG, Beschl. v. 8.1.2013, 4 B 23.12, BauR 2013, 739, juris Rn. 5). Für die Ermittlung, ob das Grundeigentum der Antragstellerinnen über die Richtwerte der TA Lärm hinaus belastet wird, ist jeweils nach Nr. 2.3 Abs. 1 TA Lärm i.V.m Nr. A.1.3 Satz 1 lit. a) ihres Anhangs auf die am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Räume abzustellen. Dies sind nach Nr. 4.1 Anm. 1 der DIN 4109 vom November 1989 für die Wohneinheiten entweder Wohn- oder Schlafräume, für andere Nutzungseinheiten Arbeitsräume, in denen sich Menschen aufhalten; entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen sind daher die Außenbereiche ihrer Wohn- und Gewerbenutzung irrelevant.

67

Schutzbedürftig sind dabei nur Räume und Fenster, die von der Rechtsordnung geschützt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1992, 7 C 6.92, BVerwGE 91, 92, juris Rn. 14), weshalb sie nach dem Zweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bauplanungsrechtlich zulässig sein müssen (Feldhaus/Tegeder in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Okt. 2019, B 3.6 TA Lärm Nr. 7, Rn. 31; Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Juni 2019, TA Lärm Nr. 2.2, Rn. 16). Im Hinblick auf die Lärmschutzfestsetzungen in § 2 Nr. 6 Satz 1 PlanVO HC3, wonach die Wohn- und Schlafräume durch geeignete Grundrissgestaltungen den lärmabgewandten Gebäudeseiten zuzuordnen sind, ist daher für die Wohneinheiten der Antragstellerinnen auf die Räume zum lärmabgewandten Innenhof abzustellen. § 2 Nr. 7 PlanVO HC3 bestimmt, dass bei gewerblicher Nutzung für lärmbelastete Aufenthaltsräume ein ausreichender Lärmschutz durch bauliche Maßnahmen an Außenwänden und -türen sowie Fenstern und Dächern zu schaffen ist. Dementsprechend sind für das gewerblich genutzte Grundeigentum nur diejenigen Fenster maßgeblich, die einen ausreichenden baulichen Lärmschutz aufweisen. Dies ist nach den Lärmeinwirkungen zu bemessen, mit denen bei Feststellung des Bebauungsplans HafenCity 3 zu rechnen war. In Anlehnung an die Schalltechnische Untersuchung vom 17. Dezember 2004 und vor allem aufgrund der auf aufgerundeten Verkehrszahlen basierenden Vorstellung des Plangebers ist dabei von 18.000 Fahrzeugen am Tag auszugehen (Planbegründung S. 8).

68

(b) Die Geräuscheinwirkungen, welche unmittelbar von dem Vorhaben ausgehen, einschließlich der Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück und bei der Ein- und Ausfahrt nach Nr. 7.4 Abs. 1 TA Lärm (Gewerbelärm), erreichen an diesen maßgeblichen Immissionsorten nicht die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Satz 2 lit. d) TA Lärm für das auf dem Grundstück der Antragstellerinnen festgesetzte Kerngebiet von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A). Nach dem Bericht zum Schallimmissionsschutz, Nr. 15b, Revision 01, von ..., vom 30. Juli 2018 (Bl. 517 ff., insbes. 543-545 d.A.), erreichen die Beurteilungspegel im Innenhof des Gebäudes der Antragstellerinnen (Pos. 9-12) tags 23,5-36,7 dB(A) und nachts 14,1-22,6 dB(A). An dessen der Straße ... zugewandten Fassade (Pos. 19-21) erreichen die Pegel tags 31-39,2 dB(A) und nachts 16,4-23,4 dB(A). An der der Straße ... zugewandten Fassade (Pos. 1 u. 2) sollen tags 33,7-39,3 dB(A) und nachts 19,3-23,6 dB(A) erreicht werden.

69

(c) Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen sind die Fahrzeuggeräusche auf öffentlichen Straßen (Verkehrslärm) nach 7.4 Abs. 2 TA Lärm nur eingeschränkt zu berücksichtigen. Es erfolgt keine energetische Addition von Verkehrs- und Gewerbelärm dergestalt, dass der Verkehrslärm durch eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen könnte. Vielmehr lösen die Fahrzeuggeräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen unter bestimmten Voraussetzungen lediglich eine Verpflichtung zur Lärmminderung durch Maßnahmen organisatorischer Art aus. Damit wurde für die Berücksichtigung von Verkehrslärm eine klare, nicht auf Ergänzung angelegte Regelung geschaffen, die die Gerichte bindet und eine weitergehende Zurechnung ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 8.1.2013, 4 B 23.12, BauR 2013, 739, juris Rn. 5). Ob die Beigeladene eine derartige Verpflichtung trifft, die in den Widerspruchsverfahren zur Anordnung weiterer Lärmschutzmaßnahmen und damit zu einem Teilerfolg der Antragstellerinnen führen könnte, lässt sich derzeit weder bestätigen noch eindeutig ausschließen. Für keine der drei in Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm genannten Voraussetzungen sind aussagekräftige Tatsachenfeststellungen getroffen worden.

70

Ob sich der Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche tagsüber oder nachts um mindestens 3 dB(A) durch den vom Vorhaben ausgelösten Verkehrslärm erhöht, ist schon mangels einer Ermittlung der Vorbelastung mit Verkehrslärm für die Straßen ... und ... nicht feststellbar. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann hierfür nicht auf die Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan HafenCity 3 vom 17. Dezember 2004 zurückgegriffen werden. Diese beruht auf der Verkehrsprognose 2004 und stellt nur die Gesamtbelastung der Straße ... dar, dies ohnehin unter der Annahme, dass das Überseequartier Süd nach den damaligen Vorstellungen errichtet werden wird. Die Verkehrsgeräusche i.S.d. Nr. 7.4 Abs. 2 1. Spiegelstrich TA Lärm sind hingegen die vor der Errichtung der zu beurteilenden Anlage - und damit hier des Überseequartiers Süd - vorhandenen Geräusche des Straßenverkehrs, mithin die Vorbelastung i.S.v. Nr. 2.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm. Ebenso unbekannt ist derzeit das Maß der Erhöhung dieser Vorbelastung auf den o.g. Straßen durch den vom Vorhaben ausgelösten An- und Abfahrtverkehr, mithin die Zusatzbelastung i.S.v. Nr. 2.4 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm, weil keine der vorhandenen Schalltechnischen Untersuchungen diese ausweist.

71

Die Ansicht der Antragsgegnerin, auf diese Ermittlungen habe verzichtet werden können, weil es zu einer Vermischung des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens mit dem übrigen Verkehr kommen werde, dürfte wohl zumindest für die Straße ... unzutreffend sein. Die von ihr hierfür herangezogenen Verkehrsprognosen betrachten mit den Jahren 2025 und 2030 deutlich nach der Nutzungsaufnahme des Überseequartiers Süd liegende Zeitpunkte und beziehen auch den Verkehr mit ein, der sich durch die weitere Bebauung der HafenCity nach Osten bis dahin ergeben wird. Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm bezieht sich aber auch mit seinem 2. Spiegelstrich auf den Zeitpunkt nach der Errichtung der zu beurteilenden Anlage und den dann zu erwartenden Verkehr. Dies dürfte nach den Angaben der Beigeladenen das Jahresende 2022 sein. Da der Verkehr auf der Straße ... derzeit offensichtlich eher gering ist und die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass diese Hauptstraße, nachrangig zur ..., als Zufahrtsweg zum Überseequartier Süd dienen wird mit einer Frequenz von etwa 9.400 Fahrzeugen am Tag (Verkehrsprognose HafenCity - Stand 10-2019, S. 3) - vorbehaltlich einer Verifizierung der Angaben in der erneuerten Verkehrsprognose [s. oben (1)] - spricht viel dafür, dass es auf der Straße ... noch nicht zu einer Vermischung des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens mit dem übrigen Verkehr kommen wird. Hinsichtlich der Straße ... mag dies aufgrund ihrer geringeren Verkehrsbedeutung anders sein.

72

Gleichfalls lässt sich keine Aussage dazu treffen, ob nach Nr. 7.4 Abs. 2 3. Spiegelstrich TA Lärm aufgrund des An- und Abfahrtverkehrs des Vorhabens die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV erstmals oder weitergehend überschritten werden. Die Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan HafenCity 3 beinhaltet zwar Schallimmissionspläne nach der 16. BImSchV (Anlagen 2a bis 3b; Bl. 786 ff. d.A.), doch beruht dies auf einer überholten Planung. Die Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan HafenCity 15 vom 2. Dezember 2016 ist hierfür nicht aussagekräftig, da sie sich nicht auf die für die Antragstellerinnen maßgeblichen Immissionspunkte bezieht.

73

(d) Soweit die Antragstellerinnen zu 1. und 2. sich als Anwohner des Vorhabens auf die staatliche Verpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zur Verhinderung gesundheitsgefährdender Lärmbelastungen berufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.1996, 4 C 9.95, BVerwGE, 101, 1, juris Rn. 36), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der niedrigste hierzu genannte Schwellenwert für eine derartige Belastung liegt bei 69 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts (BVerwG, Beschl. v. 25.4.2018, 9 A 16.16, DVBl. 2018, 1426, juris Rn. Rn. 87) und damit oberhalb der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Satz 2 lit. d) TA Lärm für ein Kerngebiet. Kann schon die Überschreitung jener Werte der TA Lärm weder festgestellt noch ausgeschlossen werden, gilt dies erst recht für die Schwelle einer Gesundheitsgefährdung. Die von den Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach der Bildung eines Summenpegels aus dem Gewerbe- und Verkehrslärm dürfte ohnehin ins Leere gehen, da die Differenz in der Lautstärke beider Lärmarten zu groß erscheint, als dass sich der Gewerbelärm pegelerhöhend auswirken könnte.

74

(e) Angesichts der unvollständigen Datenlage zum Verkehrslärm ist insoweit weder eine Aussage möglich, welche Vorbelastung für das Grundeigentum der Antragstellerinnen besteht noch welcher Zusatzbelastung es durch den An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens ausgesetzt sein wird. Daher ist nicht feststellbar, welcher Gesamtverkehrslärmbelastung ihr Grundeigentum ausgesetzt sein wird. Im Hinblick auf die Lärmbelastung ist somit offen, welchen Ausgang die Widerspruchsverfahren der Antragstellerinnen haben werden.

75

(3) Auch die zusätzliche Luftschadstoffbelastung, welche von dem An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens herrühren wird, führt weder eindeutig zum Erfolg der Widersprüche der Antragstellerinnen noch ist dieser eindeutig ausgeschlossen.

76

(a) Der Maßstab für die Ermittlung der Zumutbarkeitsgrenze ergibt sich aus § 22 BImSchG i.V.m. der TA Luft (BVerwG, Urt. v. 20.12.1996, 7 C 15.98, BVerwGE 110, 216, juris Rn. 9); Nr. 1 Abs. 5 Satz 1 TA Luft i.V.m. Nr. 4 TA Luft konkretisiert für nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen wie das Vorhaben der Beigeladenen die Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Eine der Nr. 7.4 TA Lärm vergleichbare Regelung für die Zurechnung der Luftschadstoffbelastung, die von dem An- und Abfahrtverkehr eines Vorhabens verursacht wird, fehlt. Ob neben dem auf dem Betriebsgelände stattfindenden Fahrzeugverkehr (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 14.10.2015, 10 S 1469/15, DVBl. 2015, 1599, juris Rn. 16) auch jener weitere Straßenverkehr auf öffentlichen Flächen dem Vorhaben zugerechnet werden kann, lässt das Beschwerdegericht dahinstehen. Selbst im Falle seiner Zurechnung ist offen, ob die Immissionswerte nach Nr. 4.2.1 TA Luft überschritten werden.

77

(b) Hinsichtlich der Feinstaubbelastung (PM10) prognostiziert die Luftschadstofftechnische Untersuchung zum Bebauungsplan HafenCity 15, erstellt vom Ingenieurbüro ..., vom 18. November 2016 (Bl. 223 ff. d.A.), auf der Basis der Verkehrsprognose 2016 eine Gesamtbelastung an den Fassaden der Straßen ... von 22,5-25 µg/m3 und ... von 20-22,5 µg/m3 (Bl. 240). Diese Werte liegen deutlich unter dem Immissionswert von 40 µg/m3 nach Nr. 4.2.1 TA Luft. Ob sich auf der Basis einer erneuten Verkehrsprognose [s. oben (1)] Immissionswertüberschreitungen ergeben könnten, erscheint aufgrund der bisherigen Differenz zum zulässigen Wert fraglich.

78

Die Antragstellerinnen haben nicht in Frage stellen können, dass dieser Immissionswert noch dem Stand der Technik entspricht. Aufgrund der normkonkretisierenden Funktion der TA Luft stellt das Abrücken von den in ihr niedergelegten Standards hohe Anforderungen an die dafür erforderliche Tatsachengrundlage. Nur gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik können die Regelungen der TA Luft obsolet werden lassen, wofür der Erkenntnisstand bei Erlass der TA Luft und dessen seinerzeitige technische Umsetzung mit dem jetzigen Stand der Technik verglichen werden muss, um beurteilen zu können, ob sich in diesem Sinne wesentliche Änderungen ergeben haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.6.2001, 7 C 21.00, BVerwGE 114, 342, juris Rn. 15). Hierfür reicht die schlichte Rüge, der Feinstaubgrenzwert sei nach Auffassung der WHO und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu hoch, nicht aus.

79

(c) Hinsichtlich der Stickstoffdioxidbelastung gelangt zwar die Luftschadstofftechnische Untersuchung vom 18. November 2016 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Immissionswert nach Nr. 4.2.1 TA Luft von 40 µg/m3 NO2 an den Fassaden der Straßen ... und ... unterschritten wird (Anlage 2.1). Dieses Gutachten hat allerdings mit der HBEFA 3.2 veraltete Emissionsdaten verwendet, obwohl vor dem für die Umweltprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Feststellung des Bebauungsplans HafenCity 15 am 30. Januar 2018 mit der HBEFA 3.3 vom 25. April 2017 aktuellere Daten zur Verfügung standen, die zu höheren Immissionswerten führen mussten.

80

Dennoch kann zurzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Stickstoffdioxidbelastung an auch nur einem Teil der Fassade des Gebäudes der Antragstellerinnen aufgrund der wohl bis zu fast 50 % höheren Emissionswerte der HBEFA 3.3 den vorgenannten Immissionswert übersteigt. Die von der Antragsgegnerin zur Vorlage im ergänzenden Verfahren angekündigte neue Luftschadstoffuntersuchung scheint - vorbehaltlich der erneuten Verkehrsprognose [s. oben (1)] - zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Untersuchung vom 18. November 2016 zu kommen. Nach der Präsentation im Erörterungstermin am 30. Oktober 2019 (Luftschadstoffuntersuchung zum Bebauungsplan Hafen-City 15 der Freien und Hansestadt Hamburg, von ..., Stand: 30.10. 2019; Bl. 1.075 ff. d.A.) dürfte die Stickstoffdioxidbelastung bei Anwendung der HBEFA 3.3 an der der Straße ... zugewandten Fassade den Wert von 38 µg/m3 und an der Straße ... den Wert von 35 µg/m3 NO2 nicht überschreiten (S. 14); unter Zugrundelegung der HBEFA 4.1 aus dem August 2019 sollen die Werte 40 µg/m3 und 36 µg/m3 nicht überschritten werden (S. 16).

81

Bis zur Vorlage des schriftlich abgefassten Gutachtens lässt sich nicht beurteilen, ob es methodisch fachgerecht erstellt worden sein wird, doch hat der Gutachter im Erörterungstermin am 30. Oktober 2019 mündlich, entgegen der Kritik der Antragstellerinnen, die Wahl der Romberg-Formel für die Konversion von NOx in NO2 nachvollziehbar damit begründet, dass sie im hier relevanten Wertebereich zu realistischeren Ergebnisse kommt als andere Berechnungsmethoden. Unterstützt wird dies durch den grafischen Vergleich von Messwerten und Formelergebnissen (S. 11). Auch dieser Gutachter nimmt eine Vorbelastung von 31 µg/m3 an (S. 8). Dieser Wert wird durch die von den Antragstellerinnen vorgelegten Messergebnisse nicht hinreichend in Frage gestellt, da nicht auszuschließen ist, dass diese zu einer doppelten Berücksichtigung der straßenverkehrsbedingten Immissionen führen. Nach dem Abzug der Vor- von der Gesamtbelastung liegt demgegenüber die Zusatzbelastung durch den An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens, je nach Immissionsort und verwendeter HBEFA, bei lediglich 4 bis 9 µg/m3. Angesichts der geringen Dimension dieser Zusatzbelastung haben die Antragstellerinnen für das Beschwerdegericht nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sich eine relevante Immissionserhöhung durch eine etwaige Vernachlässigung zusätzlicher Emissionen aufgrund von Fahrverhalten und Geländeprofil ergeben könnte.

82

Das Beschwerdegericht geht deshalb davon aus, dass nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage der Erfolg der Widersprüche der Antragstellerinnen auch im Hinblick auf eine etwaige unzumutbare Luftschadstoffbelastung offen ist.

83

b) Sind die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragstellerinnen offen, ist für die Beschwerdeentscheidung maßgeblich auf die Abwägung ihres privaten Interesses an der Aussetzung der Genehmigungen vom 26. Februar 2019 und 14. März 2019 mit den öffentlichen Interessen und dem privaten Interesse der Beigeladenen an deren Vollziehung abzustellen [vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.3.2010, 7 VR 1.10, juris Rn. 13; nachfolgend bb)]. Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen ist es aus unionsrechtlichen Gründen nicht geboten, die Genehmigungen zur Sicherung eines bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens bestehenden Aufhebungsanspruchs zu suspendieren (aa).

84

aa) Zwar erfordern §§ 4, 5 Abs. 1 Satz 1 UVPG in Umsetzung der Pflicht aus Art. 2 Abs. 1 UVP-Richtlinie, dass vor der Erteilung einer Genehmigung des Vorhabens der Beigeladenen (vgl. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 10 b) und e) UVP-Richtlinie) eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Das Unionsrecht führt jedoch nicht dazu, dass die Vollziehung der angegriffenen Genehmigungen, welche nach einer fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt worden sind, zum jetzigen Zeitpunkt bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens ausgesetzt wird (1). Ebenso ergibt sich derartiges nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- oder des Beschwerdegerichts (2).

85

(1) In den Fällen eines indirekten Vollzugs des Unionsrechts haben die deutschen Gerichte bei der Anwendung der §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO dessen praktische Wirksamkeit („effet utile“) zu beachten. Damit ist keine Verpflichtung verbunden, vorläufigen Rechtsschutz gegen einen deutschen Verwaltungsakt allein schon deshalb zu gewähren, weil dessen Vereinbarkeit mit Unionsrecht in Frage steht. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind allein die Grundsätze des Anwendungsvorrangs und der wirksamen Durchsetzung des Unionsrechts zu beachten. Kommt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt in Betracht, weil dieser möglicherweise im Widerspruch zu Unionsrecht steht, sind deshalb die Grundsätze der Gleichwertigkeit (Äquivalenzgebot) und der Effektivität anzuwenden (Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 17).

86

In Fällen mit Unionsrechtbezug dürfen die angelegten Maßstäbe für den Betroffenen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für entsprechende Verfahren mit rein innerstaatlichem Bezug. Außerdem darf das Ergebnis der Interessenabwägung die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder sie übermäßig erschweren (EuGH, Urt. v. 29.7.2019, C-411/17, juris Rn. 171). Dies bedingt bei der Berücksichtigung einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB zur Legalisierung der angegriffenen Genehmigungen, dass dieses ergebnisoffen und unter Einbeziehung der seit Beginn der Planverwirklichung eingetretenen Umweltauswirkungen durchgeführt wird (EuGH, a.a.O., Rn. 175). Entsprechend den §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 25 Abs. 1 UVPG ist dabei nach § 2a Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 2 lit. b) Halbs. 3 BauGB eine erneute Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzunehmen, da all diese Vorschriften der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. e) UVP-Richtlinie dienen, wonach auch die Wechselbeziehungen zwischen den Umweltfaktoren zu berücksichtigen sind.

87

(a) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen lässt sich dem vorstehend zitierten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entnehmen, dass das Unionsrecht den nationalen Gerichten stets gebiete, unionsrechtwidrige Zulassungsentscheidungen umgehend zu suspendieren. Dieser Auslegung der Entscheidung steht bereits entgegen, dass der ihm zugrundeliegende Fall mehrfach in für die Durchsetzung des unionsrechtlichen Umweltrechts nicht vergleichbarer Weise vom hiesigen abweicht. Während sich die Antragstellerinnen gegen ein Vorhaben wenden, dessen für sie belastende Auswirkungen erst in mehreren Jahren mit dessen Nutzung, vor allem als Einkaufszentrum, eintreten werden, wandten sich in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall belgische Umweltverbände gegen die gesetzlichen Laufzeitverlängerungen für in Betrieb befindliche Atomkraftwerke.

88

Zwar mag es aus umweltrechtlicher Sicht unerheblich sein, ob die Umwelteinwirkungen eines Vorhabens durch Gesetz oder Genehmigung zugelassen werden, jedoch ist der vollständige Ausfall einer Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit wie im belgischen Fall nicht ohne weiteres vergleichbar mit der wenn auch stark mangelhaften Durchführung wie hier. Dieser Unterschied ist insbesondere von Bedeutung, soweit eine Entscheidung darüber zu treffen ist, ob die Umwelteinwirkungen vorläufig weiter zugelassen werden können. Im Falle der Antragstellerinnen stellen die vorhandenen Gutachten immerhin eine wenn auch in ihrer Aussagekraft begrenzte Tatsachengrundlage für die gerichtliche Entscheidung über den Aussetzungsantrag dar. Zumindest lässt die Umweltprüfung erkennen, dass den Antragstellerinnen nur auf die Aspekte Lärm und Luftschadstoffe begrenzte Beeinträchtigungen drohen und dass diese Beeinträchtigungen erst in einigen Jahren eintreten könnten. Dagegen traten im Falle der belgischen Atomkraftwerke die weiträumig wirkenden und sachlich kaum eingrenzbaren Umweltbelastungen bereits mit dem Wirksamwerden des Gesetzes ein. Hinzu tritt, dass die von den Antragstellerinnen herangezogenen Entscheidungsgründe sich auf eine anders geartete Prozesslage beziehen. Im belgischen Fall bezieht sich die Antwort der Vorlagefrage auf einen rechtskräftig festgestellten Verstoß gegen Unionsrecht. Diese eindeutige Klärung hat im Fall der Antragstellerinnen hingegen noch nicht stattgefunden.

89

(b) Das unionsrechtliche Äquivalenzgebot erfordert es nicht, zum jetzigen Zeitpunkt die Genehmigungen vom 26. Februar 2019 und 14. März 2019 auszusetzen. Der Maßstab für ein Absehen hiervon ist kein anderer als für ein entsprechendes Verfahren mit rein innerstaatlichem Bezug. Sind die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs gegen eine Genehmigung offen, weil ein rein innerstaatlicher Verfahrensfehler geheilt werden kann, greift ebenso eine Interessenabwägung Platz, deren Ergebnis die Aufrechterhaltung der Genehmigungsvollziehung sein kann.

90

(c) Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen stellt eine fehlende Aussetzung der Genehmigungen und damit der Weiterbau des Vorhabens während des ergänzenden Verfahrens nicht die Ergebnisoffenheit der dabei vorzunehmenden Umweltverträglichkeitsprüfung in Frage. Beim ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB setzt der Plangeber das von ihm ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fort, an der ihm der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.8.2015, 4 CN 10.14, BVerwGE 152, 379, Rn. 9); der Plangeber wird hierdurch in das Verfahren des Bebauungsplanentwurfs zurückversetzt (BVerwG, Beschl. v. 12.7.2017, 4 BN 7.17, BauR 2017, 1677, juris Rn. 7). Er ist daher aus Gründen des deutschen Rechts - wie in jedem Bebauungsplanverfahren - nicht daran gehindert, sich gegen eine Fortsetzung des Planungsprozesses und damit für die Beibehaltung des status quo zu entscheiden.

91

Unionsrechtlich erfordert es die Ergebnisoffenheit der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht, dass mit der Verwirklichung eines Projekts (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a) UVP-Richtlinie) noch nicht begonnen bzw. die bauliche Anlage zumindest noch nicht fertiggestellt worden ist. Nach dieser von den Antragstellerinnen vertretenen Ansicht - die es erfordern würde, die Bauarbeiten für das Vorhaben der Beigeladenen unverzüglich einzustellen - würde eine Umweltverträglichkeitsprüfung bereits mit der Fortsetzung der Errichtung einer baulichen Anlage stets unmöglich werden. Demgegenüber schließt es das Unionsrecht gerade nicht aus, dass während oder sogar nach der Durchführung eines Projekts, auch nach der Errichtung einer baulichen Anlage (vgl. EuGH, Urt. v. 26.7.2017, C-196/16 u. -197/16, NVwZ 2017, 1611, juris Rn. 41, 43), zu dessen Legalisierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird (EuGH, Urt. v. 29.7. 2019, C-411/17, juris Rn. 175 m.w.N.).

92

Auch im konkreten Fall wird aus unionsrechtlicher Sicht die Ergebnisoffenheit der neuerlich durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durch die Fortsetzung der Bauarbeiten verhindert oder übermäßig belastet. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass sie die seit dem Beginn der Verwirklichung des Vorhabens eintretenden Umweltauswirkungen im Rahmen des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB berücksichtigen wird. Die dabei anzustellende Umweltprüfung wird voraussichtlich abgeschlossen sein, bevor es zur Fertigstellung des Vorhabens im Jahre 2022 und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Antragstellerinnen kommen wird. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die bis dahin auftretenden Umwelteinwirkungen irreparabel sein könnten oder sie mit unzulässigen Immissionen oder anderen Umweltauswirkungen verbunden sein könnten, sind weder von den Antragstellerinnen vorgetragen worden noch drängt sich dies dem Beschwerdegericht auf.

93

(d) Ein Verzicht auf die Aussetzung der Genehmigungen zum jetzigen Zeitpunkt steht auch sonst nicht der wirksamen Durchsetzung des Unionsrechts entgegen. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Antragsgegnerin die Voraussetzungen einer Legalisierung (EuGH, a.a.O., Rn. 175 m.w.N.) der Genehmigungen nicht erfüllen könnte. Wird das Bebauungsplanverfahren in das Stadium der Erarbeitung eines Umweltberichts zurückversetzt, bietet dies keine Gelegenheit das dabei ohnehin anzuwendende Unionsrecht zu umgehen. Die von der UVP-Richtlinie geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung ist gemäß § 3 Abs. 2 BauGB nach der Erstellung des Umweltberichts als Teil der Begründung des Bebauungsplans nach § 2a Satz 2 BauGB durchzuführen. Ein Absehen hiervon wäre ein von den Antragstellerinnen mit Erfolg rügbarer Verfahrensfehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB. Sollte das ergänzende Verfahren nicht rechtsfehlerfrei oder derart verspätet durchgeführt werden, dass es vor seinem Abschluss zu einer Nutzungsaufnahme der Tiefgarage kommen könnte, hätten die Antragstellerinnen nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO einen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche bzw. der u.U. bereits erhobenen Klagen.

94

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Planfeststellungs- und Immissionsschutzrecht soll grundsätzlich die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der angefochtenen Genehmigung abgesichert werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.6.2019, 7 B 23.18, UPR 2019, 339, juris Rn. 6 f.; Urt. v. 27.11.2018, 9 A 8.17, BVerwGE 163, 380, Rn. 57 u. 65; Urt. v. 29.5.2018, 7 C 18.17, DVBl. 2018, 1434, juris Rn. 31 f.; Urt. v. 24.5. 2018, 4 C 4.17, BVerwGE 162, 114, Rn. 31; Urt. v. 25.5.2016, 3 C 2.15, BVerwGE 155, 218, Rn. 34), was in tatsächlicher Hinsicht zu einer Aussetzung der Genehmigung bis zur Fehlerheilung führt. Dies bezieht sich jedoch stets auf Klageverfahren und beinhaltet daher keine Aussage zur Aussetzung einer Genehmigung im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO.

95

Soweit sich die Antragstellerinnen auf einen Beschluss des Beschwerdesenats vom 24. August 2016 beziehen (2 Bs 113/16, ZUR 2017, 113 ff.), konnte in jenem Fall nur durch die teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Nachbarwiderspruchs gegen eine Baugenehmigung die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden. Anderenfalls wäre die Umwandlung eines Waldgebiets ohne die dafür erforderliche fehlerfreie Umweltverträglichkeitsprüfung bereits mit der Errichtung der baulichen Anlage unwiederbringlich eingetreten (vgl. OVG Hamburg, a.a.O., juris Rn. 33 f.; Beschl. v. 7.10. 2016, 2 Bs 155/16, n.v.). Im Falle der Antragstellerinnen liegt der zu behebende Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung jedoch darin begründet, dass die Auswirkungen von Emissionen, welche erst mit der Nutzungsaufnahme des Vorhabens einhergehen, nicht fehlerfrei erfasst worden sind. Jene sich daraus ergebenden Immissionen erzwingen daher noch keine Vollziehungsaussetzung der Genehmigung vor der Inbetriebnahme des Vorhabens.

96

bb) Ist somit das Beschwerdegericht nicht aus Rechtsgründen verpflichtet, trotz deren offener Erfolgsaussichten, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerinnen anzuordnen, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen der Beteiligten zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Hiernach überwiegt das Interesse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin am Vollzug der Genehmigungen vom 26. Februar 2019 und 14. März 2019 das Aussetzungsinteresse der Antragstellerinnen. Dementsprechend ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Juli 2019 zurückzuweisen, mit dem es die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die vorgenannten Genehmigungen abgelehnt hat.

97

Die Selbstverpflichtung der Antragsgegnerin, alle von den Antragstellerinnen gerügten Fehler der Umweltprüfung im Wege eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB zu beheben, lässt die Prognose zu, dass der zurzeit nach § 4 UmwRG aufgrund eines Verfahrensfehlers bestehende Aufhebungsanspruch noch vor einer möglichen Inbetriebnahme der Tiefgaragen Ende 2022 entfallen wird. Eine etwaige unzumutbare Lärmbelastung der Antragstellerinnen sowie eine unzumutbare Belastung mit Luftschadstoffen durch das Vorhaben kann zudem nicht vor jener Inbetriebnahme der Tiefgaragen eintreten. Es wäre daher unverhältnismäßig, derzeit die Genehmigungen für den sog. „Core Nord“ und den „Core Süd“ zu suspendieren.

98

Die der Beigeladenen entstehenden Einbußen durch eine Baueinstellung stünden nicht im Verhältnis zu dem dadurch erlangten Vorteil der Antragstellerinnen. Ihr Interesse an einer Verhinderung der Bauarbeiten bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist rechtlich nicht geschützt, während das Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung ihrer Genehmigungen vor deren Bestandskraft durch § 212a Abs. 1 BauGB abgesichert wird. Die Antragstellerinnen haben keine Beeinträchtigungen vorgetragen, die von den Bauwerken selbst ausgehen und eine Suspendierung der Genehmigungen rechtfertigen könnten. Die von ihnen geltend gemachten Beeinträchtigungen entstehen allein erst durch die Nutzung des Vorhabens nach dessen Fertigstellung.

99

Selbst wenn sich in einem ergänzenden Verfahren herausstellen sollte, dass die zusätzliche Verkehrslärmbelastung durch das Vorhaben die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschreiten sollte, würde dies nach 7.4 Abs. 2 TA Lärm lediglich einen Anspruch auf Maßnahmen zur Lärmminderung organisatorischer Art auslösen; der Bestand der Genehmigungen wäre davon nicht betroffen. Im für die Beigeladene schlechtesten Falle dürfte dies lediglich zu einer Reduktion der Stellplatzzahl führen, die sich auch durch eine entsprechende Nutzungsbeschränkung der errichteten Tiefgarage erreichen ließe. Sollte die Belastung mit Stickstoffdioxiden die Immissionswerte der TA Luft überschreiten, dürften ebenfalls Maßnahmen organisatorischer Art ausreichend sein. Die bislang vorliegenden Daten zweier verschiedener Gutachter lassen erkennen, dass eine etwaige Überschreitung maßgeblich durch Dieselfahrzeuge älterer Bauart verursacht werden würde. Es darf daher angenommen werden, dass es ausreichend ist, derartigen Fahrzeugen ggf. nicht mehr die Zufahrt in die Tiefgarage zu gestatten, um eine Einhaltung der Immissionswerte sicherstellen zu können, ungeachtet der Frage der rechtlichen Zuordnung dieser Immissionen zum Vorhaben.

100

Derartige organisatorische Maßnahmen könnten im Rahmen der Widerspruchsverfahren als Nebenbestimmungen in die von den Antragstellerinnen angefochtenen Genehmigungen aufgenommen werden, weshalb ein Abschluss dieser Rechtsbehelfsverfahren vor dem Abschluss des ergänzenden Verfahrens ohnehin nicht in Betracht kommt. Ob die von der Antragsgegnerin angedachten verkehrslenkenden Maßnahmen realisierbar sein würden, kann deshalb dahinstehen. Dem Interesse der Antragstellerinnen, durch die Nutzung der Tiefgarage und den An- und Abfahrtverkehr des Vorhabens nicht unzumutbar belastet zu werden, kann auch durch eine spätere Suspendierung der Genehmigungen und eine damit einhergehende Nutzungsuntersagung der Tiefgarage und deren Zufahrten im Wege einer Entscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO Rechnung getragen werden.

III.

101

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO.

102

Die (geänderte) Streitwertentscheidung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Das Beschwerdegericht legt der Streitwertfestsetzung seine ständige Rechtsprechung in Baunachbarstreitigkeiten zugrunde (Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, BauR 2007, 1017, juris Rn. 4). Maßgeblich ist insoweit das objektive Ausmaß der drohenden Beeinträchtigungen bei der Nutzung des Grundeigentums der Antragstellerinnen. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist objektiv von einer erheblichen Intensität der geltend gemachten Beeinträchtigungen - es könnten Gefährdungen von Gesundheit und Eigentum vorliegen - durch die Genehmigungen für den „Core Nord“ und den „Core Süd“ auszugehen. Daher erscheint dem Beschwerdesenat der Ansatz des Verwaltungsgerichts angemessen, für die Hauptsache von einem Streitwert in Höhe von 30.000,-- Euro je Eigentumsobjekt auszugehen, der für das Eilverfahren zu halbieren ist.

103

Ist ein Grundstück in gemeinschaftliches Eigentum und Sondereigentum aufgeteilt, so kann - je nach den Auswirkungen eines genehmigten Vorhabens - jedes einzelne Eigentumsobjekt Gegenstand einer derartigen Beeinträchtigung und damit gleich einem Grundstück zu behandeln sein. Nur wenn allein eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend gemacht wird, wirkt sich die Anzahl von Wohn- oder Geschäftseinheiten auf dem Grundstück nicht streitwerterhöhend aus (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2018, 2 So 11/18, unter Hinweis auf: Beschl. v. 10.2.2012, NordÖR 2012, 402, juris, Rn. 17; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.11.2017, 2 So 102/17).

104

Die Vielzahl der Wohn- und Geschäftseinheiten der Antragstellerinnen wirkt sich daher streitwerterhöhend aus. Ihre Antragsbefugnis fußt auf der im Antragsschriftsatz geltend gemachten Beeinträchtigung ihres jeweiligen Sondereigentums. Dies sind bei der Antragstellerin zu 1. fünf Gewerbeeinheiten, der Antragstellerin zu 2. eine Wohnung und der Antragstellerin zu 3. drei Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Diese Wohn- und Geschäftseinheiten werden entsprechend ihrer Lage im Gebäude ... objektiv in unterschiedlicher Weise durch die dem Vorhaben zugeschriebenen Immissionen betroffen. Daher geht das Beschwerdegericht je Wohn- oder Gewerbeeinheit von einem eigenständigen Streitgegenstand aus, für den im Eilverfahren von einem Streitwert in Höhe von je 15.000,-- Euro auszugehen ist. Eine Zusammenrechnung der Streitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG führt zu einer Heraufsetzung des Streitwerts auf 165.000,-- Euro.

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