Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Lüneburg (3. Kammer) - 3 A 476/17

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist der Gerichtsbescheid vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. wird abgelehnt.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte.

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Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben Anfang Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte gegenüber der Beklagten am 11. Dezember 2015 einen Asylantrag. Mit Schreiben vom 12. Januar 2016 teilte der Landkreis Celle dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit, dass der Kläger seit dem 17. Dezember 2015 unter der Anschrift D. in A-Stadt gemeldet sei.

3

Mit Bescheid vom 23. August 2017 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 des Bescheides), die Asylanerkennung (Ziff. 2) sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziff. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf (Ziff. 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Dem Bescheid war eine in die Sprache Dari übersetzte Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, mit der der Kläger darüber belehrt wurde, dass er gegen den Bescheid binnen zwei Wochen nach Zustellung Klage bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg erheben könne.

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Der Bescheid wurde nach der Zustellungsurkunde vom 31. August 2017 am selben Tag unter der Anschrift D., A-Stadt dem Kläger zu übergeben versucht und weil dies nicht möglich war, in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung eingelegt.

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Am 13. September 2017 erreichte das Verwaltungsgericht Hannover ein an das Verwaltungsgericht Lüneburg adressiertes Fax der Prozessbevollmächtigten des Klägers, aus dem hervorgeht, dass der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 23. August 2017 erheben wolle. Das Original des Schriftsatzes vom 13. September 2017 ging am 15. September 2017 beim Verwaltungsgericht Lüneburg ein. Am 26. Oktober 2017 erließ das Verwaltungsgericht Hannover einen Beschluss mit dem es sich für unzuständig erklärte und den Rechtsstreit von dort an das Verwaltungsgericht Lüneburg verwies.

6

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

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hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,

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weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen

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und den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2017 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht;

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das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf Null zu befristen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und den Bescheid zu Punkt 6. ebenfalls aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Die Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten gem. § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, ist nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) unzulässig, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben wurde und dem Kläger keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren war.

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1. Der Kläger hat die Klage am 15. September 2017 und damit nach Ablauf der gem. § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG zweiwöchigen Klagefrist erhoben. Gem. § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Die Klagefrist endete damit gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB am Donnerstag, den 14. September 2017 um 24:00 Uhr, da dem Kläger der angegriffene, seinen Asylantrag ablehnende Bescheid am 31. August 2017 zugestellt worden war. Die Zustellung erfolgte gem. § 1 Abs. 1 NVwZG i.V.m. §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Var. 1, Abs. 3 Satz 1, 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. §§ 177, 180 ZPO durch Einlegung in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO möglich gewesen wäre (vgl. § 180 Satz 1 ZPO) bestehen nicht.

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Eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung, gem. § 58 Abs. 2 VwGO mit der Folge einer (mindestens) einjährigen Klagefrist, wurde weder geltend gemacht, noch ist sie sonst ersichtlich. Insbesondere war die Rechtsbehelfsbelehrung mit Dari in eine Sprache übersetzt, die der Kläger versteht (vgl. dazu auch VG Lüneburg, Urt. v. 13.09.2017 - 3 A 394/17 -, juris Rn. 15).

19

In dem Eingang des Faxes am 13. September 2016 bei dem Verwaltungsgericht Hannover ist keine die Klagefrist wahrende Klageerhebung zu sehen; die Klageschrift ging dort vielmehr nur zufällig bzw. ungewollt ein. Da der Schriftsatz an das Verwaltungsgericht Lüneburg adressiert war und nicht an das Verwaltungsgericht Hannover, ist bei dem Verwaltungsgericht Hannover (am 13. September 2017) keine Rechtshängigkeit eingetreten, die durch eine Verweisung hätte gem. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG erhalten bleiben können (so auch BVerwG, Urt. v. 31.10.2001 - 2 C 37/00 -, juris Rn. 13; OVG RP, Urt. v. 08.10.1980 - 2 A 28/80 -, NJW 1981, 1005; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 29.08.1995 - 25 A 4760/95.A -, NJW 1996, 334; VG Würzburg, Beschl. v. 31.07.2015 - W 1 S 15.30516 -, juris Rn. 16; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Stand: Juni 2017, § 74 Rn. 36 m.w.N.; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 74 Rn. 29, 33). Vielmehr ist in diesem Fall der tatsächliche Eingang bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg maßgeblich (so auch Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 74 Rn. 8). Und dieser erfolgte - wie bereits ausgeführt - erst nach dem Ablauf der Klagefrist.

20

2. Gründe für eine Wiedereinsetzung (§ 60 Abs. 1 VwGO), gegebenenfalls auch von Amts wegen (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO), wurden nicht vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) und sind auch sonst nicht erkennbar. Ein Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten hat sich der Kläger - auch in Asylsachen - grundsätzlich gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen zu lassen (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Auflage 2017, § 60 Rn. 20 m.w.N.).

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22

4. Da nach alledem die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen. Dementsprechend erfolgte auch keine Beiordnung von Rechtsanwältin C. gem. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

 


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