Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 10/12

Gründe

I.

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Der 1964 in Z. geborene Polizeivollzugsbeamte schloss im Jahr 1981 die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule in K. mit der mittleren Reife ab und erlernte im Anschluss daran bis 1983 den Beruf eines Maschinen- und Anlagenmonteurs. Nach Ablauf des dreijährigen Wehrdienstes trat er 1986 in den Dienst der Volkspolizei als Oberwachtmeister ein und wurde dort 1987 zum Hauptwachtmeister befördert. Am 01.01.1991 wurde der Beamte in den Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen, im August 1991 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeihauptwachtmeister z. A. und am 06.07.1992 zum Polizeimeister ernannt. Die Verbeamtung auf Lebenszeit erfolgte 1995 und 1998 wurde der Beamte zum Polizeiobermeister befördert. Der Beamte war als Sachbearbeiter Einsatz bzw. Streifendienst in verschiedenen Polizeirevieren tätig. Von 2002 bis 2003 gehörte der Beamte einer Ermittlungsgruppe des Zentralen Kriminaldienstes an.

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Die letzte dienstliche Beurteilung des Beamten aus dem Jahre 2005 schloss mit der Gesamtnote „befriedigend“ bei 221 Punkten.

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Der Beamte ist verheiratet. Seine Ehefrau brachte in die Ehe die Kinder M. S., geb. ...1986 und A. S., geboren ...1990 mit. Bis Anfang März 2006 lebten der Beamte und seine Ehefrau mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt.

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Seit dem 08.02.2006 ist der Beamte gemäß § 78 Disziplinarordnung Sachsen-Anhalt (DO LSA) vorläufig des Dienstes enthoben. Gleichzeitig wurde gegen den Beamten die Einbehaltung von 30 v. H. seiner Dienstbezüge gem. § 79 Abs. 1 DO LSA angeordnet.

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Der Beamte bezieht unter Berücksichtigung der Kürzung der Dienstbezüge ein Nettoeinkommen von 1.600 Euro bei der Besoldungsgruppe A 8 BBesO. Kreditbelastungen fallen monatlich in Höhe von 1.100 Euro an und Versicherungsbeiträge insgesamt in Höhe von 1.681 Euro sowie sonstige Ausgaben in Höhe von 200 Euro an.

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Disziplinarrechtlich ist der Beamte bisher nicht in Erscheinung getreten. Wegen der hier angeschuldigten disziplinarrechtlichen Verfehlung ist der Beamte rechtskräftig seit dem 24.01.2011 durch das Urteil des Landgerichts C-Stadt (9 Ns …- 443 Js …) wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie des Sich-Verschaffens und des unerlaubten Besitzes von kinderpornografischen Schriften zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt worden.

II.

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Unter dem 06.02.2006 wurde das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten nach § 33 DO LSA eingeleitet und nach § 16 Abs. 2 DO LSA wegen des strafrechtlichen Verfahrens ausgesetzt. Zugleich wurde die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung ausgesprochen. Unter dem 02.03.2006 wurde das Verfahren gem. § 33 Abs. 1 DO LSA wegen des Verdachtes des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen erweitert. Nach rechtskräftiger Verurteilung des Beamten wurde das Disziplinarverfahren unter dem 22.09.2011 gem. § 16 Abs. 3 DO LSA fortgesetzt. Der Beamte stellte sodann zwei Beweisanträge bezüglich der Vernehmung von zwei Zeugen. Der Untersuchungsführer lehnte mit Beschluss vom 20.02.2012 die Beweisanträge wegen Unzulässigkeit angesichts der Bindungswirkung der tatsächlichen strafgerichtlichen Feststellung ab. Unter dem 01.03.2012 wurde dem Beamten erneut die Möglichkeit zur abschließenden Anhörung gegeben. Der Beamte rügte unter dem 05.04.2012 eine fehlende Aussetzung hinsichtlich der mit Erweiterungsverfügung vom 02.03.2006 betroffenen Vorwürfe. Dem folgte der Untersuchungsführer nicht und legte unter dem 17.04.2012 seinen Abschlussbericht vor.

III.

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Mit der Anschuldigungsschrift vom 25.04.2012 wird der Beamte angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Beamtengesetz Sachsen-Anhalt (BG LSA); nunmehr § 47 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), begangen zu haben, weil er

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1. sich in drei Fällen des versuchten Missbrauchs von Schutzbefohlenen schuldig gemacht

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und

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2. sich kinderpornografische Schriften verschafft und unerlaubt besessen habe.

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Zur Begründung gibt die Anschuldigungsschrift die tatbestandlichen Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011 (9 Ns …) wieder, die da lauten:

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„a) Am 30.09.2004 belästigte der Angeklagte die Nebenklägerin sexuell und versuchte sie, während sie beide allein in dem Haus im …weg in A-Stadt waren, mehrfach vorsätzlich an ihrem bedeckten oder unbedeckten Gesäß, Geschlechtsteil und Brüsten anzufassen. Die Nebenklägerin konnte diese Versuche, sich ihr sexuell zu nähern möglicherweise jedoch abwehren, in dem sie die Hand des Angeklagten jedes Mal zur Seite schob oder schlug. Für den außenstehenden objektiven Betrachter war jedenfalls das äußere Erscheinungsbild dieser Handlungen sexualbezogen. Der Angeklagte wusste dies auch und wollte es. Er tat dies, um sich sexuell zu erregen. Aus dem Zusammenhang mit den vergangenen und späteren Taten, die nicht mehr konkretisiert werden konnten, war deutlich erkennbar, dass es sich um eine Annäherung des Angeklagten in sexueller Absicht handelte. Es waren Handlungen von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184 g Nr. 1 StGB. Die Kammer ging zu Gunsten des Angeklagten von nur versuchter Tat, bedeckte Geschlechtsteile in sexuell motivierter Absicht zu berühren, aus.

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b) Das Gleiche galt für die Tat am 04.11.2004. An diesem Tage mindestens versuchte der Angeklagte wiederum die Nebenklägerin unsittlich in der eben schon genannten Art und Weise zu berühren, während sie beide allein zu Hause waren. Er versuchte wiederum A. zu umarmen, an den Geschlechtsteilen anzufassen, die durch ihre Kleidung bedeckt waren. Er versuchte an diesem Tag sogar darüber hinaus mit der Nebenklägerin sich zu küssen, einen sogenannten Zungenkuss auszuführen. Die Nebenklägerin konnte sich wiederum dagegen wehren und den Angeklagten von sich fort stoßen. Sie machte ihm auch erneut - wie häufig - verbal deutlich, dass sie dieses Verhalten nicht wünschte.

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c) Am 11.11.2004 kam es zu einer weiteren Tat wie im Fall a) mit gleichem Tatbild. Jedes Mal wusste der Angeklagte, dass die Nebenklägerin die Taten nicht wollte.

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In allen Fällen handelte der Angeklagte, um sich sexuell zu erregen.

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Die Kammer wertete alle drei Taten als versuchten Missbrauch von Schutzbefohlenen, denn sie konnte nicht feststellen, dass es anlässlich dieser drei Taten zu tatsächlichen Berührungen in sexuell motivierter Absicht kam.

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Die Kammer konnte auch nicht feststellen, an welchen anderen Tagen genau erhebliche Handlungen vorgekommen waren, denn die Nebenklägerin konnte sich daran nicht erinnern. Tagebuchaufzeichnungen insoweit waren auch nicht mehr vorhanden. Die gleiche Einschätzung hatte auch die Staatsanwaltschaft vorgenommen, die deshalb nur die drei Taten angeklagt hatte und andere mögliche Taten nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte.

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d) Anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 23.01.2006 verstieß der Angeklagte gegen § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB, in dem er es vorsätzlich unternahm, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergaben. Der Angeklagte war nämlich gerade dabei, im Internet nach Kinderpornografie zu suchen (zu serven). Er betrieb beim Eintreffen der Polizeibeamten das Tauschbörsenprogramm „K. …“, um Filme kinderpornografischen Inhalts auf eigene Dateiordner herunterzuladen. Aktuell wurden dabei folgende Dateien heruntergeladen:

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aa) „K...“
bb) „X...“
cc) „p...“
dd) „p...“

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Die anschließende Auswertung der Dateien durch das LKA ergab, dass auf den gerade heruntergeladenen Filmen und Bildern Geschlechtsverkehr von Kindern, die deutlich unter 14 Jahren alt sind, mit männlichen Erwachsenen gezeigt wird, unter anderem der Oralverkehr.

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e) Der Angeklagte verstieß auch gegen § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB, in dem er kinderpornografisches Material im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB besaß. Denn anlässlich der Hausdurchsuchung wurden eine Vielzahl allgemein pornografischer Dateien sowie tier- und kinderpornografische Dateien auf externen Speichermedien sichergestellt. Auf den unterschiedlichen Datenträgern befanden sich insgesamt 215 Bild- und Videodateien, auf denen ohne Bezug zu anderen Nebensachverhalten in einer den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde degradierenden Weise von und an Kindern vorgenommene Sexualhandlungen gezeigt werden. Insbesondere wurden männliche und weibliche Kinder bei verschiedenen sexuellen Handlungen wie Vaginal-, Anal- und Oralverkehr untereinander bzw. mit Erwachsenen dargestellt. Es gab auch einige Bilddateien, in denen die Kinder ohne geschlechtliche Handlungen allein oder mit anderen gezeigt wurden, sogenanntes „Posing“. Die Kammer wertete zugunsten des Angeklagten die Anzahl solcher Posing-Dateien auf eine Größe von ca. 10 Prozent, so dass sie von letztlich 180 Bild- und Videodateien regelrechten kinderpornografischen Inhalt ausging“.

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Die Einleitungsbehörde führt aus, dass die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA für das Disziplinarverfahren bindend seien. In der Berufungsverhandlung am 24.01.2011 habe der Beamte zum Vorwurf des sich vorsätzlichen Verschaffens kinderpornografischer Schriften und zum Vorwurf des Besitzes von kinderpornografischen Materials ein umfassendes Geständnis abgelegt.

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Danach habe der Beamte vorsätzlich und schuldhaft ein schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) begangen. Er habe die ihm in § 54 Satz 3 BG LSA (§ 34 Satz 3 BeamtStG) normierte Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes schuldhaft verletzt.

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Ein Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes sei gem. § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) ein Dienstvergehen, wenn das Verhalten nach dem Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sei, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Achtungswürdigkeit bedeute die Integrität eines Beamten im äußeren Verhältnis zur Umwelt sowie das Ansehen bei Bürgern einschließlich Kollegen. Der Beamte sei verpflichtet, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine sachgerechte Verwaltung und damit das Vertrauen in die Achtungswürdigkeit und die Integrität der Verwaltung zu wahren. Die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten meine seine integre Stellung im innerdienstlichen Verhältnis zu seinem Dienstherrn. Sie bedeute die Gewähr des Dienstherrn über die dienstliche Zuverlässigkeit des Beamten, die darin bestehe, dass dieser seiner Dienstleistungspflicht ordnungsgemäß nachkomme und die ihm obliegenden besonderen Dienstpflichten beachte.

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Neben den tatsächlichen bindenden Feststellungen des Landgerichts C-Stadt sei hinsichtlich des Vorwurfes zu Nr. 1 (versuchter sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) festzustellen, dass dem Beamten die Erziehung und Fürsorge über die minderjährige Tochter seiner Ehefrau zugekommen sei. Der Beamte habe sich in der häuslichen Schutzatmosphäre unter Ausnutzung seiner Obhutsverhältnisse und des Zugneigungsbedürfnisses der minderjährigen Stieftochter ihr in eindeutiger sexueller Weise genähert, obwohl die Stieftochter mehrfach deutlich gemacht habe, dass sie die Annäherungsversuche nicht dulde.

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Zu Nr. 2 des Disziplinarvorwurfs (Sich-Verschaffen und Besitz von kinderpornografischen Schriften) sei über die bindenden Ausführungen des Landgerichts festzustellen, dass der Beamte sich aus dem Internet über ein Tauschbörsenprogramm mindestens vier Filme mit Kinderpornografischen Inhalt besorgt und abgespeichert habe.

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Die für die weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten erforderliche Vertrauensgrundlage sei unwiederbringbar zerstört. Der Beamte habe im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt und damit gravierende Persönlichkeitsmängel offenbart.

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Milderungs-, Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe seien nicht gegeben. Insbesondere handele es sich bei den Verfehlungen des Beamten nicht um einmalige oder gelegentliche Handlungen.

IV.

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Im gerichtlichen Verfahren verweist der Beamte in seiner Verteidigungsschrift auf seinen Schriftsatz vom 14.02.2012 (Bl. 193 Beiakte B) zur Vernehmung von Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass die A. S. während einer Verhandlungspause im Landgericht C-Stadt erklärt habe, dass sie dem Beamten nur einen Denkzettel habe verpassen wollen, sie aber nicht gewollt habe, dass es soweit komme und dass die Geschädigte bei einem Volleyballturnier im September 2009 mitgeteilt habe, dass der Beamte ihr nichts getan habe. Außerdem beantragte der Beamte einen Bundeszentralregisterauszug zu der Tatsache, dass nur die Verurteilung durch das Landgericht C-Stadt eingetragen sei und eine schriftliche Auskunft der Staatsanwaltschaft C-Stadt belege, dass seit dem 06.02.2006 keine weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Beamten eingeleitet worden seien.

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In der mündlichen Verhandlung rügt er die Zuständigkeit des Gerichts. Denn nach § 81 Abs. 4 DG LSA seien weiter die Bestimmungen der DO LSA anzuwenden, sodass die Verfahrenskonzentrierung auf das Verwaltungsgericht Magdeburg nach § 45 DG LSA nicht gelte. Der Tathandlungen zum Vorwurf des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen seien nicht hinreichend nachgewiesen.

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Die Einleitungsbehörde widerspricht diesen Anträgen und verweist erneut auf die disziplinarrechtliche Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen im Urteil. Die Geschädigte habe im Wesentlichen ihre früheren Aussagen bei den polizeilichen Vernehmungen wiederholt sowohl die über mehrere Jahre konstanten Aussagen der Geschädigten als auch die weiteren Zeugenaussagen seien durch das Amtsgericht W. und das Landgericht C-Stadt als glaubwürdig befunden und nachvollziehbar gewürdigt worden. Die gerichtliche Beweiswürdigung beleuchte dabei auch die Möglichkeit einer Falschbelastung des Angeschuldigten. Ungerechtfertigte Belastungstendenzen der Geschädigten seien durch die Gerichte in der Beweiswürdigung ausgeschlossen worden.

V.

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1.) Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d. h. nach der DO LSA fortzuführen (§ 81 Abs. 4 und 6 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt {DG LSA}). Denn die Einleitungsverfügung für das förmliche Disziplinarverfahren ist vor dem Inkrafttreten des DG LSA ergangen. Das angerufene Verwaltungsgericht ist als Disziplinargericht auch örtlich und sachlich zuständig (§ 45 DG LSA). Die Übergangsvorschrift in § 81 Abs. 4 Satz 2 DG LSA, wonach für die Anschuldigung und Durchführung des gerichtlichen Verfahrens ebenfalls bisheriges Recht gilt, begründet nicht etwa die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts C-Stadt. Denn mit der Bildung des Verwaltungsgerichts Magdeburg als alleiniges erstinstanzliches Disziplinargericht in Sachsen-Anhalt sind die zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte C-Stadt und Dessau-Roßlau verloren gegangen. Die diesbezügliche Gerichtsbarkeit wurde aufgelöst (Gesetzesbegründung zu § 45 und § 82 {damalige Bezeichnung} DG LSA). Dafür streitet auch § 81 Abs. 6 Satz 1 DG LSA, wonach die bei Inkrafttreten des DG LSA bei den Disziplinarkammern anhängigen Verfahren auf das hiesige Gericht übergehen.

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2.) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DO LSA ist die Disziplinarkammer an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011 gebunden. Die Bindung der Disziplinargerichte an tatsächlichen Feststellungen in Urteilen, die in einem sachgleichen Strafverfahren ergangen sind, ist eine die Nutzung besserer Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden sichernde und zugleich das Auseinanderfallen von Entscheidungen verschiedener Gerichtsbarkeiten in ein und derselben Sache zu hindern bestimmte Ausnahme von der grundsätzlichen Freiheit der Gerichte bei der Feststellung des von ihnen unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Sachverhalts (BVerwG, U. v. 08.04.1986, 1 D 145.85; juris).

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Eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils ist nur ausnahmsweise, unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Die Disziplinargerichte dürfen die eigene Entscheidungsfreiheit nicht an die Stelle der Entscheidung des Strafgerichtes setzen. Strafgerichtliche Feststellungen, die auf einer nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen, sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Nur erhebliche Zweifel können daher zu einer nochmaligen Prüfung veranlassen. Die Disziplinargerichte haben auch nicht die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Strafgerichte zu überprüfen, insbesondere nicht festzustellen, ob etwa Zeugen die Wahrheit gesagt haben oder nicht, sondern lediglich zu prüfen, ob dem Strafgericht bei dem Vorgang der Überzeugungsbildung elementare Fehler unterlaufen sind. Dies lässt es zu, dass andere Wertungen denkbar sind und zu einem anderen Ergebnis führen können. Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs reicht für einen entsprechenden Lösungsbeschluss grundsätzlich nicht aus (vgl. BVerwG, U. v. 05.09.1990, 1 D 78.89; v. 07.10.1986, 1 D 46.86; OVG NRW, U. v. 29.10.1991, 1 V 10/89; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; VG Regensburg, U. v. 09.12.2009, RO 10A DK 09.1074; VG Meiningen, U. v. 19.04.2010, 6 D 60014/09 Me; zuletzt: BVerwG, B. v. 15.05.2013, 2 B 22/12; VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12; alle juris).

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Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den inneren und äußeren Tatbestand der Straftat, also auch auf Vorsatz sowie die Schuldfähigkeit (vgl. zuletzt OVG Lüneburg, U. v. 05.12.2012, 19 LD 3/12; juris).

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Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat die Disziplinarkammer keine Zweifel an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zum Tathergang des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen. Das Tatgeschehen um den Besitz und des Sich-Verschaffens kinderpornografischer Schriften wird von dem Beklagten eingeräumt. Allein das Bestreiten des Beamten bzw. die Annahme, die Geschädigte habe vor Dritten eine andere Einschätzung der Tathandlungen vorgenommen u.a. angegeben, dass sie die Verurteilung des Beklagten nicht gewollt habe, reichen nicht aus, um einen Lösungsbeschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 DO LSA herbeizuführen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die strafgerichtlichen Feststellungen auf einer gegen Denkgesetze und Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen. Mit der Glaubwürdigkeit der Geschädigten haben sich das Amtsgericht W. wie auch das Landgericht C-Stadt auseinandergesetzt und dies in den Urteilen gewürdigt. So ist das Landgericht C-Stadt von den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen ausgegangen, dass Zeugenaussagen zunächst als nicht wahr zu betrachten seien, bis sich genügend Indizien aufgefunden haben, die die Aussage bestätigen. Zudem liegen belastend die Tagebuchaufzeichnungen der Geschädigten, die immerhin als Nebenklägerin auftrat, vor. Der Vorwurf des Beamten zur mangelnden Tataufklärung verfängt daher nicht. Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage ausdrücklich nur auf die drei so nachweisbaren Taten beschränkt. Es mag grundsätzlich sein, dass die Geschädigte die Verurteilung des Beklagten als immerhin ihren Stiefvater - später - nicht wollte und sie etwa Mitleid empfand; am Tatgeschehen ändert dies nichts. Zudem hat der Beamte in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht seine schriftsätzlich nur angekündigten Anträge nicht gestellt und die Disziplinarkammer sieht unter den geschilderten rechtlichen Gegebenheiten keinen Anlass, dem von Amts wegen nachzugehen.

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3.) Danach steht auch disziplinarrechtlich fest, dass der Beamte die ihm zur Last gelegten Straftaten des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und des Sich-Verschaffens und des Besitzes von kinderpornografischen Schriften begangen hat. Diese Handlungen sind als außerdienstliche Pflichtenverletzungen anzusehen. Denn diese erfolgten außerhalb des Dienstes (vgl. zur Abgrenzung nur: VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12 MD, m. w. Nachw.; juris).

VI.

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Bei Gesamtwürdigung der tatsächlichen Feststellungen, der Bewertung des Aktenmaterials sowie der Einlassung des Beamten und der durchgeführten Hauptverhandlung kommt die Disziplinarkammer zu der Überzeugung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus 54 Satz 3 BG LSA; § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat. Danach muss sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Der Beamte hat ein solch schweres außerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA; § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) begangen, dass seine Weiterbeschäftigung für den Dienstherrn, aber auch für die Öffentlichkeit untragbar geworden ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und der Allgemeinheit einerseits und dem Beamten andererseits ist unwiderruflich zerstört. Zudem ist das Verhalten des Beamten geeignet, einen erheblichen Ansehensverlust der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit herbeizuführen. Demnach kommt nur die Entfernung aus dem Dienst in Betracht (§§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 11 DO LSA).

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1.) Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG; § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA). Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegen diese besonderen qualifizierenden Voraussetzungen zur Annahme eines (außerdienstlichen) Dienstvergehens vor.

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a.) Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass es sich um einen Altfall handelt, auf den das bis zum 31.03.2009 geltende BG LSA anzuwenden ist. Im Unterschied zu dem ab dem 01.04.2009 geltenden BeamtStG war das außerdienstliche Verhalten als Dienstvergehen tatbestandlich etwas anders formuliert. Spricht § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG „nur“ von der Vertrauensbeeinträchtigung verlangt § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA noch die „Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung“. Der mit der Gesetzesänderung nachvollzogene Wertungswandel bei der Beurteilung außerdienstlichen Verhaltens als Dienstvergehen entsprach aber bereits zum Tatzeitpunkt der Auslegung der seinerzeit geltenden Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA sowie den entsprechenden anderen landes- und bundesrechtlichen Vorschriften. Materiell-rechtlich günstigeres neues Recht ergibt sich daraus nicht (vgl. nur: BVerwG, U. v. 25.08.2008, 1 D 1.08; VG Berlin, U. v. 17.09.2012, 80 K 10.12 OL; beide juris). Auch wenn die Neufassung nach ihrem Wortlaut nicht mehr auf die „Achtung“, sondern nur noch auf das „Vertrauen“ abstellt, so hat sich dadurch nichts zugunsten des Beamten geändert. Denn „Vertrauen“ betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte nicht nur aus der Sicht der Bürger (allgemeiner), sondern auch aus der Sicht seines Dienstherrn so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird (vgl. BVerwG, U. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, U. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl.: BT-Drs. 16/4027). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, U. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

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b.) Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das einer jeden Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtenverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; alle juris).

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Der somit zu fordernde Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind diese Voraussetzungen des Dienstbezuges, im vorliegenden Fall gegeben (so auch: OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 27.02.2013, 3 A 1103/12; zu einem Zollinspektor der Finanzkontrolle Schwarzarbeit; OVG Saarland, U. v. 29.09.2009, 7 A 323/09, beide juris).

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Als Polizeibeamter gehört der Beamte einer Berufsgruppe an, die zum einen Straftaten verfolgen und nicht selbst zu begehen haben und zum anderen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der sexuellen Integrität von Kindern und Jugendlichen besonders in die Pflicht genommen und zu vorbildlichen Verhalten aufgerufen sind. Auch ein Polizeibeamter gehört zum Beispiel neben der Berufsgruppe der Lehrer, Pädagogen und Erzieher zu dem Personenkreis, von dem die Allgemeinheit ein hohes Maß an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein erwartet, wenn es um Straftaten zum Nachteil junger Menschen geht auch wenn einem Polizeibeamten anders als etwa bei einem Lehrer oder Erzieher die Kinder und Jugendlichen nicht stetig und unmittelbar zur Sorge und Erziehung anvertraut wurden. Gleichwohl handelt auch und gerade ein im öffentlichen Bereich tätiger Polizeibeamter zum Schutze der Kinder und Jugendlichen.

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Die Achtung vor einem Beamten, der sich der hier in Rede stehenden Straftat schuldig gemacht hat, ist ebenso wie das in ihn gesetzte Vertrauen wesentlich beeinträchtigt; sein außerdienstliches Verhalten ist somit in jeder Weise für das von ihm ausgeübte Amt bedeutsam. Die übersieht die Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 17.11.2011, 16 a D 10.2504; juris).

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2.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris). Dabei weist das Disziplinargericht darauf hin, dass, obwohl die DO LSA anders als das DG LSA in § 13 diese Grundsätze nicht ausdrücklich normierte, diese Bemessungsregelungen stets Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung waren und sind (VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12; juris). Zumal diese prognostische Gesamtbewertung im Bundesdisziplinargesetz stets in § 13 geregelt war (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; juris).

47

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urteil v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urteil v. 29.11.2012, 8 A 12/11; alle juris).

48

Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 DG LSA) ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; alle juris).

49

Die Feststellung dieser für das berufliche Schicksal des Beamten und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise bedeutsamen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber in die Hand der Disziplinargerichte gelegt. Sie haben auf der Grundlage ihrer im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus einem umfassend aufgeklärten Sachverhalt zu bildenden Überzeugung eine Prognose über die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beamten abzugeben. Fällt diese negativ aus, ist der Beamte aus dem Dienst zu entfernen, denn anders als bei den übrigen Disziplinarmaßnahmen besteht insoweit kein Ermessen.

50

b.) Setzt sich das (einheitliche) Dienstvergehen (vgl. zur Einheit des Dienstvergehens nur: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. Nachw.; juris) aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urteil v. 23.02.2005, 1 D 1.04; juris). Vorliegend wiegen beide vorgeworfenen Pflichtverletzungen (gleich) schwer.

51

3.) Für das danach zu findende Disziplinarmaß können die von der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und v. 03.05.2007, 2 C 9.06, alle juris).

52

Hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Strafdelikts des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB) hat die disziplinarrechtlichen Rechtsprechung - soweit erkennbar - keine Regeleinstufung als sog. „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ entwickelt. Die Variationsbreite, in der solche Dienstvergehen denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf das Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend (VG Münster, Urteil v. 03.11.2010, 13 K 871/10.O; juris). Danach sind in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Fallkonstellationen zu finden (vg. VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 22/12; juris).

53

a.) Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Urteil vom 25.03.2010 (2 C 83.08; juris) aus, dass ein außerdienstlich begangenes Sexualdelikt nach § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Allgemeinheit gegenüber dem Beamten in einer für sein Amt und das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise gravierend zu beeinträchtigen. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens und der damit verbundenen Ansehensschädigung auch dann geeignet, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen, wenn die Tat keinen dienstlichen Bezug aufweist. Vorliegend ist dieser, dem dortigen Fall zu Grunde liegende Tatbestand des § 176 StGB jedoch mit dem hier einschlägigen Tatbestand des § 174 StGB (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) nicht zwingend zu vergleichen. Dies bereits deswegen, weil die am 30.01.1990 geborene geschädigte Stieftochter zum Tatzeitpunkt im Jahre 2004 das vierzehnte Lebensjahr vollendete und damit nicht mehr als Kind unter 14 Jahren gemäß der Definition nach § 176 StGB anzusehen ist.

54

b.) In einer Entscheidung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2010 (2 WD 5.09; juris) wird ausgeführt, dass es der Rechtsprechung des Senates entspreche, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen ein Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar geworden ist (Verweis auf die Urteile vom 18.07.2001, 2 WD 51.00 und vom 29.01.1991, 2 WD 18.90; juris). Nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe könne der Soldat im Dienstverhältnis verbleiben. Die Gleichstellung beider Delikte und der damit verbundene Grad der Vertrauensbeeinträchtigung, wird mit dem Einfluss auf die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen zur harmonischen Entwicklung zur Gesamtpersönlichkeit begründet.

55

c.) Im Fall einer (bloßen) sexuellen Belästigung (also kein Straftatbestand der sexuellen Nötigung) durch einen vorgesetzten Soldaten hat der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 01.03.2007, 2 WD 4.06; juris) auch wegen der Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge als geboten angesehen.

56

d.) Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 09.12.2009 (RO 10 A DK 09.1074; juris) ist die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung zu entnehmen. Dort wurden dem Polizeibeamten mehrere außerdienstliche sexualbezogene und andere Pflichtverletzungen zur Last gelegt (Weitergabe von Informationen aus dem Polizeicomputer; Versendung einer Nacktaufnahme, die ihn nackt auf einem Ecksofa sitzend mit erigiertem Penis zeigt; Körperverletzung und sexuelle Nötigung einer Frau gegenüber). Der Beamte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Dort setzt sich das Gericht mit der im Einzelfall notwendigen Bewertung der zur sexuellen Nötigung geführten Tatumstände auseinander, wie Intensität und Dauer der Handlung und hier die Besonderheit, dass die Geschädigte trotz Übersendung der Nacktbilder den Beamten später traf.

57

e.) Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; juris) sprach einem im Ruhestand befindlichen Lehrer das Ruhegehalt ab, weil er sich zu Zeiten seines aktiven Dienstes der sexuellen Nötigung seiner minderjährigen Tochter strafbar gemacht hat. Auch dort wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der VGH geht hier von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme aus. Denn auch die Entfernung aus dem Dienst sei gerechtfertigt gewesen. Das Gericht führt aus, dass die Disziplinargerichte bei der Frage nach der angemessenen disziplinarrechtlichen Reaktion auf das Dienstvergehen nicht an die strafrechtlichen Zumessungserwägungen gebunden seien bzw. sich auch nicht daran zu orientieren hätten.

58

f.). In dem Urteil vom 09.03.2006 (DL 16 S 4/06; juris) führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg aus, dass ein sogenanntes Kernbereichsversagen eines Polizeibeamten im sittlichen Bereich noch nicht dazu führt, dass „regelmäßig“ die Höchstmaßnahme zu verhängen wäre, geht aber auch davon aus, dass in diesen Fällen typischerweise die Entfernung in Betracht zu ziehen ist und nimmt eine Einzelfallbetrachtung vor.

59

g.) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe führt in einem Urteil vom 07.12.2009 (DL 13 K 598/09; juris) im Fall einer vorläufigen Dienstenthebung (nach der dortigen Gesetzeslage als Klage ausgestaltet) aus, dass voraussichtlich eine Entfernung angebracht sei, weil der verbeamtete Lehrer Fotos von Schülern fertigte und ins Internet stellte. Zudem sprach er Schülerinnen direkt an, um Fotoaufnahmen und Videoclips zu drehen. Infolgedessen kam es auch zu beleidigenden sexuellen Übergriffen. Weiter ist entscheidend, dass es sich um einen Pädagogen handelte, der auf den Entwicklungs- und Reifeprozess seiner Schüler Einfluss nahm.

60

h.) Von der Höchstmaßnahme geht auch das Verwaltungsgericht Berlin in einer jüngeren Entscheidung vom 28.08.2012 (80 K 2.12 OL; juris) aus. Dort handelte es sich um einen Polizeibeamten, der mehrere Pflichtverletzungen begangen hat (unberechtigte Polizeiabfragen; Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung).

61

i.) Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.09.2012, (80 K 10.12 OL; juris) ist nur unter den dortigen Besonderheiten des Landesdisziplinargesetzes zu verstehen. Dort ging das Gericht zwar von der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wegen der strafrechtlichen Verurteilung nach § 176 StGB aus, sah jedoch neben der strafrechtlichen Verurteilung eine zusätzliche disziplinarrechtliche Pflichtenmahnung als nicht erforderlich an.

62

4.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht in der neuerlichen Rechtsprechung die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08, U. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10; juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein.

63

Vorliegend beträgt der Strafrahmen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bzw. in den Fällen des Abs. 2 bis zu 3 Jahren, wobei der Versuch strafbar ist. Auch bei einem Versuch beträgt der Strafrahmen nach den §§ 22, 23, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB immer noch eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, nämlich dreiviertel von fünf Jahren.

64

Hinsichtlich des weiteren vom Beamten begangenen Delikts des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften nach § 184 b Abs. 4 StPO beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

65

5.) Für die disziplinarrechtliche Ahnung des außerdienstlichen Besitzes von Kinderpornografie hat das Bundesverwaltungsgericht aus dem seit 2004 geltenden angehobenen Strafrahmen des § 184 b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, das für die Maßnahmenbemessung jedenfalls dann auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist (BVerwG, Beschluss vom 26.06.2012, 2 B 28.12 mit Verweis auf Urteil vom 19.08.2010, 2 C 13.C; beide juris). Wobei dann im Einzelfall auch gewichtige Erschwernisgründe die Höchstmaßnahme rechtfertigen, wie z. B. die kinderpornografischen Schriften nicht nur besessen sondern auch zugänglich gemacht zu haben (BVerwG, B. v. 26.06.2012, 2 B 28.12; juris). Tritt ein Dienstbezug, etwa bei Lehrern und Pädagogen, hinzu, reicht der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 19.08.2010, 2 C.5.10; B. v. 25.05.2012, 2 B 133.11; alle juris).

66

Nach der neuerlichen straf- und disziplinarrechtlichen Rechtsprechung wiegen das Sich-Verschaffen und der Besitz kinderpornografischer Dateien bereits nach ihrer Eigenart schwer. Denn entscheidend für den strafrechtlichen Unrechtsgehalt dieser Taten und den sich daraus ergebenden disziplinarrechtlichen Folgewirkungen ist der Umstand, dass der Besitz, das Verschaffen und das Weiterleiten kinderpornografischer Bilddateien das an den Kindern begangene kriminelle und sittliche Unrecht bei der Erstellung der Bilder perpetuiert, das heißt fortgesetzt wird. Denn ohne das Vorhandensein eines solchen Marktes, auf dem derartige Bilder angeboten werden, würden diese bereits nicht erstellt werden. Der durch den Besitz und das Verschaffen derartiger Bildmaterialien sich fortsetzende sexuelle Missbrauch an den Kindern greift in den sittlichen Reifeprozess eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung einer Gesamtpersönlichkeit sowie die Einordnung des Kindes in die Gemeinschaft. Denn ein Kind oder Jugendlicher kann wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife das sexuell Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten. Bildmaterial, das den sexuellen Missbrauch von Kindern durch diesbezüglich skrupellose Erwachsene wiedergibt, degradiert die sexuell missbrauchten Kinder zum jeweils bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde und verstößt damit gegen die unantastbare Menschwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. Denn die Kinder werden für die Erregung sexueller Reize beim Betrachter ausgenutzt. Kinderpornografie geht eindeutig über die nach den gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen des sexuellen Anstandes gezogenen, dem Menschenbild des Grundgesetzes entsprechenden Grenzen hinaus. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen ist im höchsten Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Der Täter benutzt die Person eines Kindes oder Jugendlichen als „Mittel“ zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes. Dies auch dann, wenn er sich an dem jeweiligen bildlich dargestellten Opfer nicht selbst unmittelbar vergreift. Damit mach er sich aber ebenfalls für die mit der Herstellung von Kinderpornografie zwangsläufig verbundenen gravierenden Verletzungen an Leib und Seele der hierbei missbrauchten Kinder verantwortlich (absolut herrschende Rechtsprechung: vgl. nur: BVerwG, Urt. vom 06.07.2000, 2 WD 9.00; BVerwG, Urt. vom 19.08.2010, 2 C 13.10; OVG Lüneburg, Urt. vom 08.02.2012, 19 LD 10/09; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 20.06.2012, DL 13 S 155/12; BayVGH, Urt. vom 17.11.2011, 16 a D 10.2504; jeweils m. w. N. und alle juris).

67

Hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens und der Bestimmung des Disziplinarmaßes bei dem Besitz kinderpornografischer Schriften ist weiter auf die Anzahl der Bilder (a. A.: OVG LSA, Urt. v. 05.11.2009, 10 L 3/09; juris), die Häufigkeit des Herunterladens sowie die in den Bildern oder Videos hinsichtlich ihrer Ausführungsart dargestellten sexuellen Handlungen abzustellen (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; vgl. zu einem einmaligen innerdienstlichen Herunterladen kinderpornografischer Inhalte: BayVGH, Urt. v. 17.11.2011, 16a D 10.2504; alle juris).

68

Mit der – zudem disziplinarrechtlich bindenden – tatbestandlichen Feststellung in dem Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 24.01.2011, steht fest, dass von 180 Bild- und Videodateien regelrechten kinderpornografischen Inhalts auszugehen ist. Demnach handelt es sich nicht nur um eine kleine unbeachtliche Anzahl.

69

Vorliegend kommt erschwerend der bei einem Polizeibeamten zu sehende Dienstbezug hinzu,

70

6.) Alle demnach zu findenden Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme entbinden die Disziplinargerichte jedenfalls nicht davon, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris). Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DG LSA genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unabhängig von der eigentlichen Schwere des Dienstvergehens sind bemessungsrelevant solche Umstände, die auch nach der Wertung im Strafrecht zu berücksichtigen sind, etwa die Intensität und Häufigkeit der sexuellen Beziehungen und die Folgen für das Kind, wie dies auch durch die in § 176 Abs. 3, 176 a und § 176 b StGB zum Ausdruck kommt. Strafverschärfende Qualifikationen, etwa § 176 a Abs. 2 Nr. 3 StGB müssen dabei von dem Strafgericht festgestellt werden. Der Umstand, dass derartige negative Folgewirkungen hinsichtlich eines seelischen und körperlichen Schadens nicht ausgeschlossen werden können, genügen für die disziplinarrechtliche Bewertung nicht; (insoweit unklar: OVG LSA, U. v. 12.09.2006, 10 L 4/06; juris). In derartigen Fällen muss das Disziplinargericht mangels tatsächlicher Feststellungen durch das Strafgericht selbst ermitteln (BVerwG, U. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris).

71

Für die, nach Auswertung dieser disziplinarrechtlichen Rechtsprechung, hier im Einzelfall vorzunehmende disziplinarrechtliche Bewertung ist für das erkennende Gericht bedeutsam, dass der Beamte die Straftat des versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen unter Ausnutzung seiner Vertrauens- und Fürsorgestellung als Stiefvater gegenüber der Stieftochter und des Zuneigungsbedürfnisses derselben wiederholt und im besonders geschützten häuslichen Bereich beging und obwohl die Geschädigte dies abwehrte. Dabei ist auch weniger entscheidend, dass es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen jeweils „nur“ um versuchte Taten handelte und es der Geschädigten gelang, die - vollendeten - Missbräuche jeweils abzuwenden. Dies kann dem Beklagten – disziplinarrechtlich – nicht zum Vorteil gereichen. Denn das Disziplinarrecht kennt keine versuchte Dienstpflichtverletzung (VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; juris). Disziplinarrechtlich belastet deshalb ein Dienstvergehen als versuchte Straftat einen Beamten grundsätzlich genauso wie eine vollendete Straftat. Etwas anders kann nur dann gelten, wenn der Nichteintritt des Taterfolges auf zurechenbarem Verhalten des Beamten beruhte (BVerwG, Urteil v. 21.06.2011, 2 WD 10.10; Urteil v. 14.10.2009, 2 WD 16.08 beide juris). Dies ist hier gerade nicht der Fall.

72

Erschwerend wirkt, dass der Beamte mit dem Besitz und dem Sich-Verschaffen kinderpornografischen Schriften eine weitere Sexualstraftat beging. Beide Sexualstraftaten zeigen die Probleme des Beamten im Umgang mit der sexuellen Selbstbestimmung anderer Personen und hier gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen.

73

7.) Ist damit aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen und des einheitlichen Dienstvergehens generell von der Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst auszugehen, ist zu fragen, ob gewichtige Milderungsgründe eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme (noch) rechtfertigen können.

74

Dies ist dann der Fall, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese Besonderheiten müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris). Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

75

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht nicht zu erkennen und sind auch nicht vorgetragen. Aufgrund des mehrfachen Versuchs des sexuellen Missbrauchs der Stieftochter kann nicht von einer einmaligen Gelegenheitstat oder einem persönlichkeitsfremden „Ausrutscher“ ausgegangen werden. Der Beamte handelte nicht in einer besonderen Versuchssituation, etwa weil die Stieftochter ihn „aufgereizt“ oder sonst wie zu sexuellen Handlungen animiert oder die häuslichen Gepflogenheiten im Bereich des sexuellen Umgangs die Tat begünstigt hätten, wobei er auch dann „Herr seiner Triebe“ bleiben muss, weshalb diese Umstände nur bedingt milderungsgeeignet gewesen wären.

76

Hinsichtlich der - eingetretenen - Vertrauensbeeinträchtigung ist auch nicht entscheidend, dass der Beamte im Folgezeitraum nicht mehr auffällig wurde, zu dessen Beweis wohl der Bundeszentralregisterauszug dienen soll. Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 DG LSA) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.01.2004, 1 D 33.02; juris), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z. B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 30.04.2013, 8 A 18/12; alle juris).

77

Auch rechtfertigen weder die zugegeben lange Dauer des Disziplinarverfahrens noch das lange Zurückliegen des Dienstvergehens, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Dies steht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte oder den Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 nicht entgegen (ständige Rechtsprechung BVerwG: vgl. nur zuletzt: Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 28.01.2013, 2 BvR 1912/12; beide juris). Zwar kann eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in diesen Fällen unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben, sodass sie eine günstigere Persönlichkeitsprognose ermöglichen. Demgegenüber geht es bei der Dienstentfernung darum, das Beamtenverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil der Beamte im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. An dem endgültigen Vertrauensverlust, den er durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, vermögen eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 04.10.1977, 2 BvR 80/77; Beschl. v. 09.08.2006, 2 BvR 1002/05; alle juris). Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 15 DG - wie BDG - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11/10; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; alle juris). Zudem sind die Verzögerungen den gerichtlichen Instanzenzügen geschuldet gewesen und sind nicht von der Einleitungsbehörde zu vertreten. Denn sie hat rechtlich zutreffend und zeitnah das Disziplinarverfahren ausgesetzt.

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8.) Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urteil v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

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9.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 DO LSA. Das Verfahren ist gemäß § 98 Abs. 1 DO LSA gerichtsgebührenfrei.


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