Gerichtsbescheid vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 29/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheids zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 3.968,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Bezügen.

2

Der Kläger steht als Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsoffiziers im Dienst der Beklagten. Er hat Anspruch auf Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz.

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Nachdem das Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 % festgestellt hatte wurde aufgrund eines Irrtums des Bezügerechners eine Fehleingabe im Personalwirtschaftssystem SAP vorgenommen: Anstelle des GdB 80 wurde eine Wehrdienstbeschädigung mit der Minderung der Erwerbstätigkeit (Mde) 80 erfasst und dem Kläger ab März 2014 rückwirkend ab November 2013 eine Entschädigung in Höhe von 496,00 € monatlich gezahlt. Für den Zeitraum des 1. November 2013 bis 31. August 2014 erhielt der Kläger dadurch Zahlungen von der Beklagten in Höhe von 4.960 €.

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Aufgrund telefonischer Benachrichtigung durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) am 13. August 2014 stellte das Referat PH 3 den Eingabefehler fest. Das Referat PH 3 stellte daraufhin die Zahlung der Entschädigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 31. August 2014, ein.

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Auf die Anhörung vom 23. September 2014, teilte der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 mit, dass er mit der Auszahlung der Märzbezüge Kenntnis von der Zahlung der zusätzlichen Bezüge erhalten habe. Er sei jedoch - da er keinen Antrag gestellt habe - aufgrund der Schwere seiner Erkrankung und der Höhe seiner Behinderung davon ausgegangen, dass eine automatische und generelle Festlegung auf Zahlung der zusätzlichen Bezüge erfolgt sei. Aufgrund weiterer krankheitsbedingter Maßnahmen (2. Operation und Chemotherapie) habe sein Fokus in den weiteren Wochen und Monaten in der Bewältigung seiner Krankheit gelegen. Er sei in diesem Zeitraum durchgehend krankgeschrieben und habe sich daher kaum mit dienstlichen Angelegenheiten befasst. Da ihm über einen Zeitraum von 10 Monaten kontinuierlich die erhöhten Bezüge ausgezahlt worden seien, habe er keine Zweifel an deren Rechtmäßigkeit gehabt. Bedingt durch den zusätzlichen finanziellen Freiraum habe seine Ehefrau ihre Arbeitszeit reduziert, um sich stärker um seine Betreuung kümmern zu können. Die finanziellen Einbußen seien durch die erhöhten Zuwendungen ausgeglichen worden. Mit der Thematik „Schwerbehinderung 80 %“ habe er sich bislang nicht beschäftigen müssen. Die Fehlzahlungen seien auch nicht von ihm verursacht worden. Jedenfalls sei er entreichert. Er habe den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlungen weder gekannt, noch habe er diesen erkennen können. Aufgrund finanzieller Verpflichtungen (Baufinanzierung, allgemeine Kredite, Unterstützung des arbeitslosen Sohnes, etc.) sei er zudem nicht in der Lage, etwaige Beträge in einer Summe zurückzuzahlen.

6

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 forderte die Beklagte den Kläger unter Verweis auf § 12 BBesG dazu auf, die für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis 31. August 2014 überzahlten Bezüge für eine Wehrdienstbeschädigung in Höhe von 4.960,00 € zurückzuzahlen. Mit Schreiben gleichen Datums erklärte sie die Aufrechnung der Forderung gegen die Dienstbezüge des Klägers. Zur Begründung des Bescheids trug sie vor, der Kläger habe auf den Bezugsabrechnungen ab März 2014 erkennen können, dass eine Wehrdienstbeschädigung gezahlt worden sei und kein Behinderungsgrad. Eine Wehrdienstbeschädigung könne nur von der WBV West in Düsseldorf festgesetzt werden. Der Kläger sei daher verpflichtet gewesen, die Fehlzahlungen gegenüber der Auszahlungsstelle anzuzeigen. Billigkeitsgründe, aufgrund derer von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden könne, bestünden nicht. Aufgrund der finanziellen Situation des Klägers würden 17 Raten zur Rückzahlung des Überzahlungsbetrages beginnend ab dem 1. Januar 2015 angeboten (16 Raten zu je 300 Euro und eine Abschlussrate mit 160 Euro).

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Gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 legte der Kläger mit Schreiben vom 27. November 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung vertiefte er sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, dass er darauf vertraut habe, dass die Rechtmäßigkeit der Zahlungen von den zuständigen Behörden geprüft worden sei. Er habe auch keine Einblicke in die interne Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung. Aus der Bezügeabrechnung habe er nicht erkennen können, dass eine Wehrdienstbeschädigung und kein Behinderungsgrund gezahlt worden sei. Es sei die Abkürzung Mde 80 aufgetaucht und bei ihm sei ein GdB 80 festgestellt worden – diese Bezeichnungen seien identisch. Eine Rückforderung sei auch gemäß § 814 BGB nicht möglich, da dem Referat PH 3 bekannt gewesen sei, dass keine Pflicht zur Leistung bestanden habe. Die Billigkeitsentscheidung sei zudem fehlerhaft, da keine individuellen Billigkeitsgründe geprüft worden seien und die Beklagte somit das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2016 änderte die Beklagte den Bescheid vom 30. Oktober 2014 dahingehend ab, dass der Rückforderungsbetrag um 20 % auf 3.968,00 € reduziert wurde. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück und trug zur Begründung ergänzend vor, dass der Kläger aufgrund seiner soldatenrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sei, die ihm ausgehändigten Bescheide und Bezügemitteilungen sorgfältig zu lesen und – ggf. mittels Nachdenkens, logischer Schlussfolgerungen oder auf andere Weise – auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Bei Unklarheiten oder Zweifeln sei er gehalten, sich durch Rückfragen bei der auszahlenden Stelle Gewissheit zu verschaffen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt sei. Als Stabsoffizier verfüge der Kläger zudem über langjährige Erfahrungen in der Bundeswehr. In den Bezügeabrechnungen ab März 2014 seien die Zahlungen als „Wehrdienstbeschädigung Mde 80“ ausgewiesen. Da eine Wehrdienstbeschädigung bereits begrifflich einen Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und dem Wehrdienst voraussetze, habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Zahlungen nicht allein durch Anerkennung eines Grades der Behinderung begründet seien konnten. Da der Kläger selbst keinen entsprechenden Antrag gestellt habe, habe er sich nicht mit den in den Gehaltsmitteilungen als „Wehrdienstbeschädigung Mde 80“ gelisteten Zahlungen zufrieden geben dürfen. Allein im März 2014 sei er durch die rückwirkende Nachzahlung der Wehrdienstbeschädigung für die Vormonate insgesamt um 2.480,00 € überzahlt worden. Er könne sich daher nicht auf Entreicherung berufen, weil er bei dem Empfang der Leistungen den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt habe oder zumindest bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt habe erkennen können. Entgegen dem Ausgangsbescheid folge die Rückzahlungsverpflichtung nicht aus § 12 Abs. 2 BBesG, sondern aus § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG, der gleichermaßen auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verweise. Auf § 814 BGB könne der Kläger sich nicht berufen, da dieser im Rahmen des § 49 Abs. 2 SVG nicht anwendbar sei. Aus Billigkeitsgründen sei unter Gewichtung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge ein Absehen von der Rückforderung um 20 % angemessen. Dabei seien einerseits der Fehler des Bezügerechners, der die Überzahlung ausgelöst habe, und andererseits die mangelnde Sorgfalt des Klägers, seine Bezügemitteilungen auf offensichtliche Unrichtigkeiten zu prüfen, abzuwägen. Unter Berücksichtigung des behördlichen Verschuldens und zur Vermeidung unbilliger Härten für den Kläger bei der Erstattung, werde eine ratenweise Tilgung in Höhe von 300,00 € monatlich zugelassen. Der Kläger habe mit Schreiben vom 2. November 2015 ausdrücklich erklärt, dass er Belege zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorlegen werde. Allein aus seinen monatlichen Dienstbezügen ergebe sich ein pfändbarer Betrag von 2.733,58 €.

9

Der Kläger hat am 17. Februar 2016 Klage erhoben.

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Er vertieft seine bisherigen Ausführungen und trägt ergänzend vor, dass er besoldungsrechtlicher Laie sei und sich ihm daher der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlungen nicht habe aufdrängen müssen. Bloße Zweifel an dem Rechtsgrund seien nicht ausreichend. Insbesondere sei das von der Beklagten geforderte Nachfragen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht erforderlich. Dass es sich bei der Angabe „Wehrdienstbeschädigung MdE 80“ um eine gesundheitliche Schädigung im Zusammenhang mit dem Wehrdienst handele, habe ihm nicht bekannt sein müssen. Die Billigkeitsentscheidung sei zudem rechtswidrig, da der Grund für die Überzahlung in einem Irrtum des Bezügerechners und damit in der überwiegenden bzw. ausschließlichen behördlichen Verantwortung liege. Durch Übersendung des Schwerbehindertenbescheides an die Beklagte sei er nur seiner Verpflichtung nachgekommen, Änderungen in den persönlichen Verhältnissen anzuzeigen. Im Übrigen habe er mittlerweile einen GdB von 100. Die Billigkeitsentscheidung lasse seine Krebserkrankung gänzlich außer Acht und stelle ausschließlich auf die gebotene Sorgfaltspflicht eines „gesunden Soldaten“ ab. Er habe aufgrund der Krebsdiagnose „unter Schock“ gestanden und sich nicht wie sonst um seine Belange kümmern können. Die Entscheidung trage auch nicht dem Umstand Rechnung, dass seine Ehefrau ihre Arbeitszeit reduziert habe, um sich um ihn zu kümmern. Die finanziellen Verhältnisse seiner Familie hätten sich geändert.

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Der Kläger beantragt,

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den Leistungsbescheid der Beklagten vom 30.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2016 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, dass es sich bei der fehlerhaften Eingabe „Wehrdienstbeschädigung MdE 80“ um einen Fehler im Rahmen der Massenverwaltung handle, der auch bei Anwendung größter Sorgfalt nicht gänzlich zu vermeiden sei. Daraus ergäbe sich allenfalls ein geringes Verschulden der Behörde, das keinesfalls zu einer Verringerung des Rückforderungsbetrages aus Gründen der Billigkeit führen könne. Es handele sich zudem um einen einmaligen Fehler, der sich in den Zahlungen über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum fortgesetzt habe. Die von dem Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei auf den hiesigen Fall daher nicht übertragbar. Der Kläger habe vielmehr seine Treuepflicht verletzt, seine Bezügeabrechnungen zu kontrollieren. Der Fehler sei offensichtlich und von ihm leicht zu erkennen gewesen. Auch unter Berücksichtigung seiner Krebserkrankung, sei von ihm als langjährigem Stabsoffizier ein Mindestmaß an Sorgfalt zu erwarten. Er habe spätestens seit November 2013 von der falschen Zahlung der Entschädigung gewusst. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sei der Kläger daher nicht schutzwürdig.

16

Mit Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2016 und Schreiben des Klägers vom 22. Juni 2016 haben die Beteiligten erklärt, dass sie mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden sind.

17

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 9. Februar 2017 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu dieser Vorgehensweise erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 22. Juni 2016 und Schriftsatz der Beklagten vom 15. Juni 2016). Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch Beschluss vom 9. Februar 2017 übertragen hat.

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ausgangsbescheid vom 30. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

21

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 49 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen in der Fassung vom 16. September 2009 (BGBl. I S. 3054 - Soldatenversorgungsgesetz – SVG). Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet.

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Zwar kann die Rückforderung nicht auf die von der Beklagten im Ausgangsbescheid herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 2 BBesG gestützt werden. Die Beklagte hat die Ermächtigungsgrundlage mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2016 zurecht durch § 49 Abs. 2 SVG ausgetauscht, da es vorliegend nicht um die Rückforderung von Dienstbezügen geht. § 49 Abs. 2 SVG regelt die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rückforderung von Versorgungsbezügen in gleicher Weise wie § 12 Abs. 2 BBesG die Rückforderung von Dienstbezügen. Beide Vorschriften verweisen in gleicher Form auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Ihre Regelungszwecke liegen so eng beieinander, dass sämtliche Erwägungen, die der falschen Rechtgrundlage zugrunde gelegt worden sind, auch für die richtige Ermächtigungsgrundlage maßgeblich sind. In diesem Fall wäre daher selbst im hiesigen Gerichtsverfahren noch ein Austausch der Ermächtigungsgrundlagen möglich.

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Die Voraussetzungen für die auf § 49 Abs. 2 SVG i.V.m. §§ 812 ff. BGB gestützte Rückforderung liegen zur Überzeugung des Gerichts ohne jeden Zweifel vor. Der Kläger hat die Versorgungsbezüge ohne rechtlichen Grund erhalten und kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes bei Empfang der Leistung kannte oder hätte erkennen können. Die von der Beklagten nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG getroffene Billigkeitsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

24

Die streitgegenständlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 4.960 € hat der Kläger für die Zeit vom 1. November 2013 bis 31. August 2014 ohne rechtlichen Grund erhalten. Eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 85 Abs. 1 SVG wurde bei dem Kläger nicht festgestellt. Eine entsprechende Entschädigung wurde auch nicht bewilligt. Im Übrigen hatte der Kläger sie auch nicht beantragt.

25

Die dem Kläger obliegende Verpflichtung zur Herausgabe ist auch nicht wegen Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, denn der Kläger war bei Empfang der Leistungen nicht gutgläubig. Eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB tritt ein, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur wortlautgleichen Parallelnorm des § 12 Abs. 2 BBesG ist ein Mangel offensichtlich, wenn der Empfänger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat, oder – mit anderen Worten – er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1990, - 6 C 41.88-, juris). Zu den Sorgfaltspflichten des Soldaten gehört es aufgrund seiner soldatenrechtlichen Treuepflicht auch, die Bezügeabrechnungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Offensichtlichkeit im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 2 BBesG liegt vor, wenn dem Soldaten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Bezügeabrechnungen fehlerhaft sind.

26

Eine solche Fallgestaltung liegt zur Überzeugung des Gerichts hier vor. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Zahlungen hätte sich dem Kläger bereits bei Erhalt der ersten Bezügeabrechnung im März 2014 aufdrängen müssen. Dieser Bezügeabrechnung ist erstmals unter „laufende Bezüge“ der Punkt „Wehrdienstbeschädigung MdE 80“ mit einem Zahlbetrag von 496,00 € zu entnehmen. Im Bereich „Nachberechnung für den Monat…“ sind zudem weitere Nachzahlungen des gleichen Betrags für die Monate November 2013 bis Februar 2014 angezeigt, so dass der Kläger allein in diesem Monat um einen Betrag von 2.480,00 € überzahlt worden ist. Die Annahme, dass eine Erhöhung der Versorgungsbezüge in dieser Höhe sowie in den Folgemonaten um einen Betrag von jeweils knapp 500,00 € allein aufgrund der Erkrankung und Anerkennung des Behinderungsgrades von Amts wegen erfolgt sei, erscheint selbst bei fehlenden besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Kenntnissen fernliegend. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass dem Begriff „Wehrdienstbeschädigung“ seine Bedeutung unmittelbar zu entnehmen ist. Gerade dem Kläger als Stabsoffizier mit langjähriger Berufserfahrung in der Bundeswehr hätte sich die Angabe „Wehrdienstbeschädigung MdE 80“ in seinen Bezügeabrechnungen daher ohne weiteres erschließen müssen. Selbst wenn der Kläger aufgrund seiner Krebsdiagnose und tiefgreifenden Operationen in dem maßgeblichen Zeitraum der erfolgten Überzahlungen psychisch oder physisch nicht in der Lage gewesen sein sollte, sich mit den Versorgungsbezügen auseinanderzusetzen bzw. er deswegen nicht erkennen konnte, dass die streitgegenständlichen Zahlungen sich auf eine ihm nicht zustehende Wehrdienstbeschädigung bezogen, ist dies im Ergebnis unbeachtlich. Der Kläger wäre in diesem Fall zumindest verpflichtet gewesen, eine zuverlässige geeignete Person mit der Erledigung seiner finanziellen und vor allem besoldungs- bzw. versorgungsrechtlichen Belange zu beauftragen (vgl. VG Köln, Urteil vom 18. November 2013, - 19 K 4301/12 -, juris).

27

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagten ihre fehlende Verpflichtung zur Zahlung der Wehrdienstbeschädigung bekannt gewesen sei und sie damit in Kenntnis der Nichtschuld geleistet habe mit der Folge, dass gemäß § 814 BGB eine Rückforderung ausgeschlossen wäre. § 814 BGB ist in Fällen der vorliegenden Art nicht anwendbar. Mit Blick auf die eigenständige und abschließende Regelung der Voraussetzungen der Rückforderung in den maßgeblichen Vorschriften des Besoldungs- und Versorgungsrechts ist für § 814 BGB kein Raum. Diese Vorschrift betrifft eine Interessenabwägung im Privatrecht, die sich nicht auf das öffentliche Recht übertragen lässt. Die öffentliche Hand ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Verweisung in den Vorschriften über die Rückforderung überzahlter Bezüge bezieht sich lediglich auf die Regelungen über den Umfang der herauszugebenden Bereicherung in den §§ 818 bis 820 BGB (VG Aachen, Urteil vom 25. August 2016, - 1 K 23/15 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 2 K 8712/10 -, beide juris).

28

Die nach § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG zu treffende Billigkeitsentscheidung durch die Beklagte erfolgte ordnungsgemäß. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte aus Billigkeitsgründen auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichtet. Ausweislich der Gründe des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2016 hat die Beklagte in Ausübung ihrer durch § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG auferlegten Verpflichtung eine Billigkeitsentscheidung getroffen und damit ihr Ermessen erkannt und ausgeübt, indem sie aus Billigkeitsgründen wegen falscher Eingabe in SAP den Rückforderungsbetrag um 20 Prozent auf 3.968,00 Euro reduziert hat und die Rückzahlung in monatlichen Raten zu je 300,00 Euro zugelassen hat. Auch in der Sache begegnet die Billigkeitsentscheidung der Beklagten keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 8. August 1998, – 2 C 21.97 –, juris) hat die Billigkeitsentscheidung die Aufgabe, eine den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Berechtigten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine Rolle spielen. Maßgeblich ist hier letztlich, inwieweit der Kläger durch die Rückzahlung in eine Notlage gerät, d.h. ob der Lebensunterhalt für sich und seine Familie wegen der Rückzahlung nicht mehr gesichert wäre. Vorliegend hat der Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse und daher auch die Grundlagen, die für die Billigkeitsentscheidung eine Rolle spielen, nicht offengelegt. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, wenn die Behörde die Billigkeitsentscheidung nach Aktenlage getroffen hat. Jedenfalls ist hier die Gewährung einer Ratenzahlung von monatlich 300,00 EUR bei Zugrundelegung eines monatlich pfändbaren Betrags von 2.733,58 € nicht zu beanstanden. Bei der Billigkeitsentscheidung sind aber auch sonstige Umstände zu beachten, etwa in wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung fällt. Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Grund der Überzahlung im überwiegenden Verantwortungsbereich der Behörde liegt. Zwar hat die Beklagte mit der fehlerhaften Eingabe in SAP den ersten Verantwortungsbeitrag zur Überzahlung geleistet, welcher aber aufgrund der Fehleranfälligkeit von Massenverwaltung – wie bei der Auszahlung von Versorgungsbezügen – nur zu einem geringfügigen Verschulden der Behörde führen kann. Ein solcher Fehler kann für die Verringerung der Rückforderung nicht ausreichen, da das geringfügige Verschulden, durch den Verantwortungsbeitrag des Klägers überlagert wird. Nicht auf diese Konstellation übertragbar ist insofern die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 (- 2 C 4.11 – zu § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren waren die einzelnen Überzahlungen gering und haben über mehrere Jahre zu einer hohen Rückforderungssumme geführt, wobei der Dienstherr in einem Zeitraum von 10 Jahren davon abgesehen hatte, die Richtigkeit der besoldungsrelevanten Daten in größeren Zeitabständen zu prüfen. Im hier vorliegenden Fall ist die Überzahlung hingegen innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums von 6 Monaten mit hohen monatlichen Überzahlungsbeträgen entstanden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von einem überwiegenden Verschulden des Klägers ausgegangen ist. Dieser ist seiner in der Treuepflicht der Soldaten wurzelnden Verpflichtung, die ihm erteilten Bezügeabrechnungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, nicht nachgekommen, obwohl sich der Fehler dem Kläger geradezu hätte aufdrängen müssen, da jedem Soldaten – unabhängig von Bildungsstand, beruflicher Tätigkeit oder eventueller gesundheitlicher Beeinträchtigung – bewusst sein muss, dass eine Wehrdienstbeschädigung nur für eine im Zusammenhang des Wehrdienstes erlittene Gesundheitsschädigung gezahlt wird. Zutreffend ist die Beklagte daher davon ausgegangen, dass der Kläger im Rahmen der Billigkeitsprüfung nicht schutzwürdig ist.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO und § 711 ZPO.

30

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.


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