Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 A 640/17

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen Verschmutzungszuschläge für stark verschmutztes Abwasser.

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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks A-Straße in B-Stadt. Dieses Grundstück ist verpachtet an die Firma C. Sie betreibt dort eine Süßwarenherstellung (Bonbons, Mints, Toffees, Weingummi).

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Mit Schreiben vom 6. November 2013 informierte die Beklagte die Klägerin, dass sie aufgrund ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung Verschmutzungszuschläge für stark verschmutztes Abwasser erhebe. Sie werde in der Zeit vom 11. November 2013 bis 6. Dezember 2013 auf dem Betriebsgrundstück eine vierwöchige Untersuchungsreihe zur Ermittlung des Verschmutzungsgrades des Abwassers durchführen.

4

Nach erfolgter Messung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2014 gegenüber der Klägerin den Verschmutzungsgrad (CSB-Wert) nach dem zuvor dargestellten Verfahren und den Ergebnissen der Messreihe für drei Jahre ab dem 1. Januar 2013 auf 8.437,00 mg/l fest. Der Verschmutzungszuschlag werde nach der im zugeführten Abwasser enthaltenen, über 1.450 mg/l hinausgehenden Schmutzfracht erhoben. Die Kosten je Kilogramm Schmutzfracht errechnete sich aus dem vom D gegenüber der Beklagten erhobenen Verschmutzungszuschlag und der dieser Berechnung zu Grunde liegenden gebührenpflichtigen Abwassermenge sowie der Kosten für die Untersuchung der Abwässer der Einleiter stark verschmutzter Abwässer (CSB ./. 1.450 mg/l x gebührenpflichtige Abwassermenge).

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Die Klägerin legte am 27. Juni 2014 hiergegen Widerspruch ein.

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Mit Bescheid vom 26. Mai 2016 erhob die Beklagte von der Klägerin Verschmutzungszuschläge für das Einleiten stark verschmutzten Abwassers in das städtische Schmutzwasserkanalnetz in den Jahren 2013 und 2014 in Höhe von 28.421,41 € bzw. 16.190,56 €. Entsprechend des Bescheides vom 27. Mai 2014 sei der CSB-Wert ab dem 1. Januar 2013 für drei Jahre auf 8.437 mg/Liter festgesetzt worden. Der Verschmutzungszuschlag für 2013 betrage 0,09400 €/Kg Schmutzfracht. Für 2014 betrage er 0,11433 €/Kg Schmutzfracht. Die jeweilige Berechnung der Höhe des Zuschlages für 2013 und 2014 war dem Bescheid als Anlage beigefügt.

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Zur Begründung des Widerspruchs vom 27. Juni 2014 führte die Klägerin in einem Schreiben vom 24. Juni 2016 unter Bezugnahme auf die Festsetzung des Verschmutzungszuschlages durch den Bescheid vom 26. Mai 2016 aus, dass die eigenen Messungen in der Zeit vom 14. Februar 2013 bis 20. Mai 2014 einen Durchschnittswert in Höhe von 4.793 mg/l ausweisen würden. Angefügt war eine tabellarische Aufstellung. Der langfristig über ca. 16 Monate mit 25 Einzelmessungen gemessene Durchschnitt dürfe grundsätzlich als zuverlässiger angesehen werden, als der Durchschnitt von 20 Messungen innerhalb etwa eines Monats, der 76 % über dem langfristigen Durchschnittswert liege. Die Richtigkeit dieser Überlegung werde bestätigt, wenn die Küchenleistung des Jahres 2013 in Vergleich gezogen werde. Dabei werde sichtbar, dass die Küchenleistung im November 2013, also dem wesentlichen Zeitraum der Stichprobenmessungen der Beklagten um 54 % über der monatlichen Durchschnittsleistung der Küche gelegen habe. Die Klägerin schlug der Beklagten vor, einen Gesamtdurchschnitt aus den beiden Messergebnissen der Klägerin und der Beklagten, mithin in Abänderung des Bescheides vom 27. Mai 2014 ab dem 1. Januar 2013 den Verschmutzungszuschlag auf 6.615 mg/l für drei Jahre festzusetzen.

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Mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Schreiben vom 24. Juni 2016 als Erweiterung des Widerspruchs auch auf den Festsetzungs- und Erhebungsbescheid vom 26. Mai 2016 werte.

9

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Verschmutzungszuschlag für den Abrechnungszeitraum 2015 in Höhe von 16.132,85 € fest. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (am 17. Januar 2017).

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In der Folgezeit äußerte die Klägerin Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung. Die in der Satzung vorgesehene Methode von Stichproben innerhalb eines kurzen, nicht repräsentativen Zeitraumes begegne für sich gesehen bereits Bedenken. Darüber hinaus eröffne die Satzung keine Möglichkeit zu einem Gegenbeweis. Dieser Mangel mache die Satzung als Rechtsgrundlage obsolet. Nunmehr werde beantragt, den Abwasserverschmutzungszuschlag in Abänderung des Bescheides vom 27. Mai 2014 ab dem 1. Januar 2013 auf 4.793 mg/l für drei Jahre festzusetzen. Für den angeregten Kompromiss würde sie offen bleiben.

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Am 28. September 2017 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid betreffend die Festsetzung und Erhebung von Verschmutzungszuschlägen vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 (Bescheide vom 27. Mai 2014, 26. Mai 2016 und 23. Dezember 2016). Unter Wiedergabe des bisherigen Geschehensablaufs führte die Beklagte insbesondere an, dass die von ihr durchgeführte Probenentnahme und die Festsetzung des Verschmutzungsgrades dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Satzungsrecht entsprochen habe. Die Klägerin habe keinen Gebrauch davon gemacht, bei Zweifeln ein amtliches Gutachten einzuholen. Die Festsetzung und Erhebung der Verschmutzungszuschläge für die Jahre 2013-2015 sei gemäß § 12 Abs. 1 BGS auf Grundlage des festgesetzten Verschmutzungsgrades und der jeweiligen gebührenpflichtigen Abwassermenge erfolgt. Ein Verstoß gegen die rechtlichen Grundlagen der Gebührenfestsetzung und -erhebung sei nicht erkennbar. Ein Abweichen von den Satzungsregelungen komme schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht in Betracht. Für den vorgeschlagenen Vergleich sehe die Beklagte mangels Ungewissheiten keinen Raum.

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Ausweislich des Rückscheins wurde der Widerspruchsbescheid der Klägerin am Donnerstag, dem 02. Oktober 2017 zugestellt.

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Die Klägerin hat am 6. November 2017 (Montag) Klage erhoben.

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Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und ergänzt und vertieft diesen.

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Die Vorsitzende der Kammer hat am 30. April 2019 einen rechtlichen Hinweis im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Klagefrist erteilt.

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Im Hinblick auf eine etwaige Versäumung der Klagfrist hat die Klägerin ausgeführt, dass die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchbescheid mangels Hinweises auf den elektronischen Rechtsverkehr unrichtig sei und mithin die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO laufe.

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Sie hat am 14. Mai 2019 einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, den sie im Wesentlichen damit begründet hat, dass im Hause der Klägerin auf dem Widerspruchsbescheid ein Eingangsstempel mit dem Datum 4. Oktober 2017 aufgebracht worden sei. Dieses Datum sei dem Klägervertreter als Zugangsdatum des Widerspruchsbescheides mitgeteilt worden. Dementsprechend habe er den Ablauf der Klagefrist notiert, nämlich auf den 6. November 2017. Der Eingangsstempel mit dem Datum 4. Oktober 2017 sei von der zuständigen Assistentin der Geschäftsleitung (Frau X) aufgebracht worden. Infolge von urlaubsbedingten Vertretungen im Empfangsbereich (durch Frau Z) und der Weiterleitung der Post des 2. Oktober 2017 in das Sekretariat der Assistentin der Geschäftsleitung am 4. Oktober 2017 und weil sich bei der entgegengenommenen Post, insbesondere dem Widerspruchsbescheid kein Zustellungsumschlag befunden habe, habe sie den Eingangsstempel mit dem 4. Oktober 2017 verwandt. Sowohl bei Frau Y als auch bei Frau X handele es sich um zuverlässige und sachkundige Mitarbeiterinnen. Für vorstehende Angaben reichte der Klägervertreter eidesstattliche Versicherungen ein.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 27. Mai 2014 über die Festsetzung des Verschmutzungsgrades, den Bescheid vom 26. Mai 2016 über die Festsetzung und Erhebung von Verschmutzungszuschlägen für die Jahre 2013 und 2014 und den Bescheid vom 23. Dezember 2016 &#252;ber die Festsetzung und Erhebung eines Verschmutzungszuschlages für das Jahr 2015 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017 aufzuheben.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung vertieft sie ebenfalls die bisherigen Ausführungen.

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Eine Rechtsmittelbelehrung sei nicht deshalb unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, weil sie nicht auf den elektronischen Rechtsverkehr verweise.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

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25

Die Klage ist bereits unzulässig.

26

Die am 06. November 2017 (Montag) erhobene Klage ist verfristet. Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Vorliegend wurde ausweislich des Rückscheins des per Einschreibens am 29. September 2017 aufgegebenen Widerspruchsbescheids dieser der Klägerin am 02. Oktober 2017 zugestellt. Damit endete die Monatsfrist gem. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1, 2 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1. HS BGB am 02. November 2017 (Donnerstag).

27

Zwar gilt die genannte Monatsfrist nur dann, wenn der Widerspruchsbescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 1 VwGO versehen war. Nach dieser Vorschrift beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nämlich nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

28

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, U. v. 21.03.2002 – 4 C 2/01 –, Rn. 12, juris, Rn. 12, m. w. N.; vgl. auch BVerwG, B. v. 03.03.2016, 3 PKH 5/15, juris Rn. 6; B. v. 31.08.2015, 2 B 61/14, juris Rn. 8). Dies gilt auch für die Fälle, in denen in die Rechtsbehelfsbelehrung weitere Inhalte aufgenommen werden (wie z. B. über die Form), die nicht zwingend von § 58 Abs. 1 VwGO gefordert sind. § 58 VwGO macht den Lauf der Fristen in allen Fällen von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig, ohne Rücksicht darauf, ob den Betroffenen die Möglichkeit und die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe tatsächlich unbekannt waren und ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung kausal für das Unterbleiben oder die Verspätung des Rechtsbehelfs war (BVerwG, U. v. 30.04.2009 – 3 C 23/08 –, juris, Rn. 17). Zudem muss jede Rechtsmittelbelehrung aus sich heraus verständlich, vollständig und richtig sein; der Betroffene soll nicht darauf verwiesen werden, auf ältere Informationen zurückzugreifen, zumal auf solche, die nicht von demselben, sondern von einem anderen Gericht oder einer Behörde stammen. Damit soll der Betroffene auch allein anhand der vorliegenden Rechtsmittelbelehrung deren Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen und danach die Frage beantworten können, ob ihre Erteilung die Monatsfrist des § 58 Abs. 1 VwGO in Lauf gesetzt hat oder nicht (BVerwG, a. a. O., Rn. 18).

29

Vorliegend lautet die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid wörtlich:

30

„Gegen die Bescheide vom 27.05.2014, 26.05.2016 und 23.12.2016 können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, Brockdorff-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, erheben. Die Klage ist schriftlich beim Verwaltungsgericht einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären.“

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Sie enthält damit zwar die von § 58 Abs. 1 VwGO geforderten Bestandteile (Rechtsbehelf, Gericht, Sitz, Frist). Allerdings belehrt sie darüber hinaus auch über die Form der Einlegung, nämlich schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, obwohl die Vorschrift keine Belehrung über die Form zwingend vorsieht. Auch diesbezüglich darf jedoch nach den genannten Maßstäben die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO sein.

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Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 ist nicht deshalb unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, weil sie nicht über den seit dem 01. Februar 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eröffneten elektronischen Rechtsverkehr belehrt (vgl. § 55a Abs. 1 Satz 1 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung i. V. m. § 1 der Landesverordnung über den Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 12. Dezember 2006 (GVOBl. 2006, S. 361) in der Fassung vom 13. Januar 2015 i. V. m. Nr. 14 der Anlage; vgl. im Übrigen § 55a VwGO in der Fassung ab dem 1. Januar 2018).

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Die Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung „fehlerhaft“ (unrichtig) ist, weil sie nicht auf die elektronische Möglichkeit der Klageerhebung hinweist, ist in der Rechtsprechung umstritten.

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Nach einer Auffassung ist das Fehlen des Hinweises generell geeignet, bei dem Adressaten einen Irrtum über die verschiedenen Möglichkeiten, den Formerfordernissen zu genügen, hervorzurufen. Die Annahme der Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung wird damit begründet, der Hinweis auf die Klageerhebung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten sei nach dem objektiven Empfängerhorizont geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Klage trotz bestehender Möglichkeit nicht in elektronischer Form erhoben werden könne. Die Verweisung auf das Erfordernis, den Rechtsbehelf schriftlich einzureichen, erschwere dem Betroffenen die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Es sei durchaus denkbar, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs in elektronischer Form – für den Beteiligten persönlich ebenso wie für dessen Bevollmächtigten – eine erhebliche Vereinfachung gegenüber der Einreichung eines Schriftstücks durch Einwurf in den Gerichtsbriefkasten, per Post bzw. Boten oder Fax darstelle. Der fehlende Hinweis könne auch bei Rechtsanwälten, die über die qualifizierte elektronische Signatur verfügten, zu Zweifeln über die Art und Weise der Klageerhebung führen (OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 14.10.2014 – 1 L 99/13 – und U. v. 12.11.2013 – 1 L 15/13 –; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 08.03.2012 – 1 A 11258/11 –; OVG A-Stadt-Brandenburg, B. v. 02.02.2011 – 2 N 10.10 –; v. 03.05.2010 – 2 S 106.09 – und v. 22.04.2010 – 2 S 12.10 –; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 24.11.2010 – 4 L 115/09 –; VG A-Stadt, U. v. 20.10.2016 – 2 K 568.15 –; VG Oldenburg, U. v. 11.01.2016 – 11 A 892/15 –; VG Schleswig-Holstein, U. v. 05.11.2015 – 1 A 24/15 –; VG Magdeburg, U. v. 10.05.2012 – 4 A 261/11 –; VG Neustadt, U. v. 10.09.2010 – 2 K 156/10.NW –; VG Koblenz, U. v. 24.08.2010 – 2 K 1005/09.KO –; VG Potsdam, U. v. 18.08.2010 – 8 K 2929/09 –; VG Trier, U. v. 22.09.2009 – 1 K 365/09.TR – jeweils juris; Hess. LSG, U. v. 13.04.2012 – L 5 R 154/11 –; LSG A-Stadt-Brandenburg, U. v. 15.11.2011 – L 3 U 88/10 –; jeweils juris). Zudem sei die elektronische Kommunikation längst aus dem Status der „Exotik“ herausgewachsen und stelle nach dem Willen des Gesetzgebers einen den seit jeher bekannten Formen der Rechtsbehelfseinlegung gleichgestellten Weg dar. Eine entsprechende Erweiterung der Rechtsbehelfsbelehrung um diesen zusätzlichen dritten Weg stelle auch keine Überforderung des betroffenen Bürgers dar. Ihm blieben bei einer derartigen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung daneben die seit alters her bekannten Wege offen, den Rechtsbehelf einzulegen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 08.03.2012, a. a. O.; VG Trier, U. v. 22.09.2009, a. a. O.). Zudem richte sich die Rechtsbehelfsbelehrung an alle Verfahrensbeteiligten und es dürfe nicht nur auf diejenigen Verfahrensbeteiligten abgestellt werden, die von der elektronischen Kommunikationsmöglichkeit am wenigsten Gebrauch machen dürften (vgl. Hess. LSG, Urt. v. 13.04.2012, a. a. O.; VG Schleswig-Holstein, U. v. 05.11.2015 – 1 A 24/15, juris).

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Nach der Gegenauffassung muss dagegen nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage mittels elektronischer Datenübermittlung hingewiesen werden, weil diese Form bisher wenig verbreitet sei und besonderen Voraussetzungen und Umständen unterliege. Die elektronische Klageerhebung unterscheide sich von herkömmlichen Formen der Klageerhebung durch Zugangsvoraussetzungen, die gerade nicht jedermann offen stünden. Die dadurch eröffnete beschleunigte Übermittlung einer fristgebundenen Eingabe bei Gericht stehe nur einem Anwenderkreis offen, der in das Verfahren eingebunden sei und typischerweise nicht einem Irrtum über die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung unterliegen könne. Der Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, dem Beteiligten den richtigen und regelmäßigen Weg der Klageerhebung zu zeigen, dürfe nicht dadurch verwässert werden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen lasse, aufzählen müsse. Die Rechtsbehelfsbelehrung werde dadurch nicht übersichtlicher, sondern lä;nger und verwirrend. Insbesondere auch im Verhältnis zur Klageerhebung per Fax, auf die nicht gesondert hingewiesen werden müsse, stelle der elektronische Rechtsverkehr keine Vereinfachung des Rechtsschutzzugangs dar. Daher müsse auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (VG Magdeburg, U. v. 22.07.2014 – 7 A 482/12 –; VG Schleswig, B. v. 27.11.2015 – 2 B 54/15 –; VG Braunschweig, U. v. 16.12.2015 – 5 A 17/14 –; VG Hannover, U. v. 18.05.2017 – 7 A 5352/16 –; VG B-Stadt, U. v. 06.03.2018 – 11 K 6685/16 –; Bay. VGH, B. v. 18.04.2011 – 20 ZB 11.349 –; OVG Bremen, U. v. 08.08.2012 – 2 A 53/12.A –; BFH, B. v. 02.02.2010 – III B 20/09 –; BSG, U. v. 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R –; jeweils juris). Der mit einer rechtswirksamen elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verbundene Aufwand übersteige bei weitem denjenigen, der mit einer &#220;bermittlung auf herkömmliche Weise einhergehe (VG Hamburg, U. v. 06.03.2018 &#8211; 11 K 6685/16 –, juris Rn. 56). Auch das OVG Bremen hat in seinem Urteil vom 17.08.2018 (1 B 162/18) ausdrücklich weiter an dieser bereits durch den 2. Senat vertretenen Rechtsprechung festgehalten. Tragendes Argument war dabei ebenfalls die Gewährleistung eines möglichst effektiven Rechtsschutzes und dass der elektronische Rechtsverkehr kein leicht zugänglicher und unkomplizierter Weg zur Klageerhebung sei. Im Übrigen wurde in dieser Entscheidung angesprochen, dass die Frage aufzuwerfen sei, ob es des Hinweises auf die elektronische Form der Klageerhebung auch deshalb nicht bedürfe, weil sie nur einen Sonderfall der Schriftform darstelle und ihr die Eigenständigkeit fehle. Hierauf weise auch die zivilrechtliche Literatur hin (vgl. etwa Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 126a Rn. 1; vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/4987, S. 12). In diesem Sinne spreche § 81 Abs. 1 VwGO nach wie vor davon, dass die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben sei und zu Protokoll erhoben werden könne. Der 2. Senat des OVG Bremen habe diesen Überlegungen im Ergebnis keine Bedeutung beigemessen. Ob ihm auch insoweit zu folgen sei, könne hier offenbleiben (vgl. OVG Bremen, U. v. 17.08.2018 – 1 B 162/18 –, juris Rn. 5).

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Die Kammer folgt der letztgenannten Auffassung, nämlich dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht fehlerhaft (unrichtig) ist. Das VG Schwerin hat dazu folgende Argumente aufgeführt (vgl. VG Schwerin, U. v. 19.02.2019 – 4 A 1830/18 SN –, juris Rn. 20 ff.), die die Kammer f2;r überzeugend hält und sich ihnen anschließt:

37

„Die Kammer schließt sich letzterer Auffassung im Ergebnis an. Diese hat in jedem Falle für sich, dass sie – im Gegensatz zur erstgenannten Rechtsmeinung – nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Formulierungen steht, wie eine Klage (§ 81 Abs. 1 VwGO), eine Berufung (§ 125 Abs. 1 VwGO), eine Revision (§ 139 VwGO) oder eine Beschwerde (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) einzulegen sind. Die Gegenauffassung wäre mit dem Vorwurf an den Gesetzgeber verbunden, an mehreren Stellen des Gesetzes fehlerhafte Aussagen darüber zu treffen, wie ein Rechtsmittel bei Gericht einzulegen ist.

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Auffällig ist, dass der Gesetzgeber trotz Einfügung von § 55a VwGO durch das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.03.2005 – JKomG – und dem Eintritt des elektronischen Rechtsverkehrs in die Rechtswirklichkeit der Gerichte in den letzten fünf Jahren bis heute die Vorschriften zur Klage-, Berufungs-, Revisions- und Beschwerdeeinlegung nicht verändert hat. Die Bestimmungen verlangen nach wie vor eine „schriftliche“ Einlegung, bei der Klage- und der Beschwerdeeinlegung wird zusätzlich eine Einlegung „zu Protokoll“ für möglich erklärt. Dabei hatte sich der Gesetzgeber bei Erlass des JKomG dezidiert mit der Vorschrift des § 81 VwGO im Zusammenhang mit der Einführung des § 55a VwGO befasst, nämlich in § 81 Abs. 2 den Passus „vorbehaltlich des § 55a Absatz 2 Satz 2“ eingef&#252;gt (BT-Drucksache17/12634 S. 37: „Die Änderung in § 81 ist eine Folgeänderung zur Neufassung von § 55a“). Das spricht mit Gewicht gegen eine versehentliche Unterlassung einer Anpassung des Absatzes 1 der Vorschrift über das „Wie“ einer Klageerhebung. Auch bei der jüngsten Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung durch Art. 20 des Gesetzes vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208) wurden die Wortlaute der genannten Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelvorschriften nicht verändert. Solches stand aber umso mehr auf dem Prüfstand, weil mit diesem Gesetz § 70 Abs. 1 VwGO – die Regelung, wie ein Widerspruch zur Einleitung des gerichtlichen Vorverfahrens einzulegen ist – um den Passus ergänzt wurde, dass dies auch „in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes“ erfolgen könne. Demnach hat der Gesetzgeber bezogen auf das Verwaltungsverfahren eine Korrektur für geboten gehalten – nicht aber für das gerichtliche Verfahren.

39

Hintergrund hierfür ist nach Auffassung der Kammer, dass § 55a VwGO keine eigene elektronische Form als Art der Einlegungsmöglichkeit schafft, sondern allein die Eröffnung eines elektronischen Zugangs für schriftliche Dokumente begründet mit der Folge, dass es eine als eigenständig anerkannte elektronische Form der Klageerhebung gar nicht gibt (so auch Eyermann/Fröhler, VwGO, 15. Auflage 2019, § 58 Rn. 22 f.; BT-Drucksache 17/12634 S. 37: „Die Änderung erweitert und vereinfacht für den Verwaltungsgerichtsprozess den elektronischen Zugang zu den Gerichten“). Hingegen erkennt § 3a Abs. 2 VwVfG M-V eine eigenständige elektronische Form an (Ersetzbarkeit der Schriftform durch „die elektronische Form“, wie etwa bei § 126a BGB), sodass folgerichtig § 70 VwGO die Widerspruchseinlegung in elektronischer Form kennt und entsprechend anzupassen war.“

40

Diese Argumente gelten nach Auffassung der Kammer auch für Rechtsbehelfsbelehrungen vor dem 01. Januar 2018, wie vorliegend. Hierauf hat die Änderung des § 55a VwGO keine Auswirkungen; die dazu ergangene Begründung des Gesetzgebers datiert aus dem Jahre 2013. Auch die letzte VwGO-Novelle datiert aus Mitte 2017. Dem vom VG Schwerin zitierten § 3a Abs. 2 VwVfG M-V steht § 52a Abs. 2 LVwG SH gleich.

41

Hinzu kommt, dass in der Rechtsprechung keine Zweifel darüber bestehen –, dass das Fehlen des Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung auf die (fristwahrende) Einreichung der Klage per Fax nicht ebenfalls ausdrücklich als unrichtig anerkannt wird. Auch die Faxeinreichung stellt lediglich eine besondere Zugangsform, nicht hingegen eine andere Form der „Schriftlichkeit“ dar. Gleichermaßen spricht viel dafür, dass der elektronische Zugang – wie bereits dargestellt – keine eigenständige Form, sondern immer ein Unterfall der Schriftform gewesen ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung – neben dem oben zitierten „Zugang“ – noch einmal ausdrücklich (BT-Drs 17/12634, S. 25): „Wird das elektronische Dokument weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, ist die prozessuale Form nicht gewahrt. Ein solches Dokument ist, sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht.“ Insofern ersetzt die besonders geforderte Signatur lediglich die „händische“ Unterschrift, um damit zum einen die Identität und zum anderen die Übernahme der inhaltlichen Verantwortung der verantwortenden Person zu erkennen.

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Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel an dem Gegenargument betreffend die Unübersichtlichkeit der Belehrung, es reiche für die Einreichung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs ein schlichter Verweis auf die entsprechende Landesverordnung aus. Dies hält die Kammer für nicht vereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach jede Rechtsmittelbelehrung aus sich heraus verständlich, vollständig und richtig sein muss. Damit soll der Betroffene auch allein anhand der vorliegenden Rechtsmittelbelehrung deren Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfen und danach die Frage beantworten können, ob ihre Erteilung die Monatsfrist des § 58 Abs. 1 VwGO in Lauf gesetzt hat oder nicht (BVerwG, U. v. 30.04.2009 – 3 C 23/08 –, BVerwGE 134, 41-45, Rn. 18). Ein solcher Verweis wäre aber gerade keine allein aus der Rechtsbehelfsbelehrung und aus sich heraus verständliche und für sich sprechende Anweisung für den Rechtsuchenden, wie er gegen eine behördliche/gerichtliche Entscheidung weiteren Rechtsschutz ersuchen kann.

43

Letztlich hat die Kammer auch Zweifel an der Auslegung des objektiven Empfängerhorizonts im Hinblick auf die Geeignetheit, den Rechtsschutzsuchenden ohne Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr in einen Irrtum zu versetzen und ihn dadurch abzuhalten, Rechtsmittel einzulegen. Auf dieses bestimmende Merkmal „Geeignetheit“ der Hervorrufung eines Irrtums wird in der zitierten Gegenauffassung nach Ansicht der Kammer zu wenig Gewicht gelegt. Abstellend auf den objektiven Erklärungsempfänger – unabhängig davon, ob er über die Zugangsvoraussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr verfügt oder nicht – erscheint es eher fernliegend, dass ein Rechtsschutzsuchender sich von der Einlegung des Rechtsbehelfs auf herkömmlichem Wege (schriftlich im Sinne von einem eigenhändig unterzeichneten Dokument oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten) abhalten lassen würde, nur weil ein Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr fehlt. Entweder verfügt er schon nicht über die Zugangsvoraussetzungen, dann würde er diesen Weg bei realitätsnaher Betrachtungsweise sowieso nicht gehen (können) und müsste den herkömmlichen Weg nutzen. Verfügt er über die Zugangsvoraussetzungen, gehört er also zu einer speziellen Anwendergruppe, wie typischerweise Rechtsanwälte und Behörden, so ist ihm dieses Wissen um die Möglichkeit dieses Weges zu unterstellen und bei seinem Empfängerhorizont zu berücksichtigen. Zumindest aber kann realitätsnah – insbesondere vor dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung – nicht davon ausgegangen werden, dass er überhaupt keinen Rechtsbehelf einlegt, nur weil der Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr fehlt. Schon aus Fürsorge- und Vorsichtsgesichtspunkten muss er insofern den herkömmlichen Weg wählen, was zum Beispiel auch dann in der Praxis tatsä;chlich geschieht, wenn der elektronische Rechtsverkehr aufgrund technischer Defizite zwischenzeitlich gestört ist.

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Mangels Unrichtigkeit der vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 galt die Monatsfrist nach § 58 Abs. 1 VwGO, so dass die am 06. November 2017 eingereichte Klage nicht binnen Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden und damit verfristet ist.

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Der Klägerin war wegen der Versäumung dieser gesetzlichen Frist keine Wiedereinsetzung gem. § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren.

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Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Weitere Voraussetzungen normiert Abs. 2: danach ist der Antrag binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (Satz 1, 1. Halbsatz). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Satz 2). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3).

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Unabhängig davon, ob die Klägerin gemäß der Inhalte der eingereichten eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft machen konnte, dass sie – bzw. ihren Prozessbevollmächtigten – kein Verschulden an der Versäumung trifft, scheitert der Wiedereinsetzungsantrag daran, dass die Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO nicht eingehalten wurde.

48

Die Frist von zwei Wochen, um das Wiedereinsetzungsersuchen anzubringen und die versäumte Handlung nachzuholen, beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses. Binnen dieser Frist müssen die Gründe für die Versäumung dargelegt werden. Ist dies der Fall oder sind die Gründe offensichtlich, kann auch ohne einen Antrag von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 60, Rn. 24, 20). Dies trifft auf den vorliegenden Fall jedoch unzweifelhaft nicht zu. Das Hindernis ist behoben, sobald das Fortbestehen der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Das ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem die Fristversäumnis dem Betroffenen bekannt ist oder bekannt sein musste, wenn er die erforderliche Prüfung anwendet oder angewendet hätte (vgl. BVerfG, B. v. 11.01.1991 – 1 BvR 1435/89 – NJW 1992, 38 m. w. N.; BVerwG, U. v. 08.03.1983 – 1 C 34.80 – juris; BGH, B. v. 09.12.1992 – VIII ZB 30/92 – NJW 1993, 1332 m. w. N.; BAG, B. v. 23.01.1986 – 6 ABR 47/82 – NJW 1986, 2785; U. ;v. 23.05.1989 &#8211; 2 AZB 1/89 – NJW 1989, 2708 m. w. N), und in dem es ihm möglich ist, den versäumten Antrag unverzüglich nachzuholen (vgl. BVerfG, U. v. 18.12.1985 – 2 BvR 1167/84 u. a. –, juris). Kennen müssen hinsichtlich des Wegfalls des Hindernisses genügt für den Fristbeginn (vgl. BAG, B. v. 23.01.1986 – 6 ABR 47/82 –, NJW 1986, 1744). Verschulden an der Fristvers8;umnis liegt vor, wenn der Betroffene hinsichtlich der gebotenen Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Bürger geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U. v. 08.03.1983, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.; B. v. 18.08.1987 – 6 B 69.86 –, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 152 S. 1 <2> m. w. N.; BVerfG, B. v. 02.06.1992 – 2 BvR 1401/91, 2 BvR 254/92 – juris). Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht (stRspr; vgl. BVerwG, B. v. 29.04.1992 – 5 B 70.92 –, juris, Rn 2 m. w. N.). Das Handeln (Verschulden) eines Bevollmächtigten muss sich der Betroffene wie eigenes zurechnen lassen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 60, Rn. 20).

49

Vorliegend war der Zeitpunkt, in dem das Hindernis – mögliches Bekanntwerden der Fristversäumung – weggefallen ist und mithin die zweiwöchige Antragsfrist begonnen hat, der Tag, an dem der Prozessbevollmächtigte Kenntnis von der fehlerhaften Fristnotierung durch die Klägerin selbst erlangen konnte. Der Klägervertreter hat mit der Klagschrift Akteneinsicht in die Akten und Verwaltungsvorgänge der Beklagten beantragt. Die Beiakten A und B wurden ihm sodann gegen Empfangsbekenntnis am 29. November 2017 zur Einsichtnahme für eine Woche übersandt (Blatt 35 der Gerichtsakte). Am 08. Dezember 2017 gingen die Beiakten A und B wieder bei Gericht ein. In der Beiakte A ist auf Blatt 116 der sich durch Farbe (rosa) und Form (Postkarte) deutlich abhebende Rückschein zu dem per Einschreiben mit Rückschein am 29. September 2017 versandten Widerspruchsbescheid enthalten. Einem gewissenhaften und die Rechte und Pflichten seines Mandanten sachgerecht wahrnehmenden Prozessbevollmächtigten ist es nach diesen Umständen zuzumuten, sich über den Zugang einer anfechtbaren Entscheidung durch Einsichtnahme in den Verwaltungsvorgang, die auch auf seinen Antrag hin tatsächlich stattgefunden hat, Kenntnis zu verschaffen. Spätestens zum Zeitpunkt der Akteneinsicht musste dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Prüfung bekannt gewesen sein, dass gemäß des von ihm einsehbaren und datierten Rückscheins im Verwaltungsvorgang der Widerspruchsbescheid nicht am 04. Oktober 2017, sondern bereits am 02. Oktober 2017 bei der Klägerin eingegangen ist, damit zugestellt wurde und zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist früher zu laufen begonnen hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann die zweiwöchige Darlegungs- und Antragsfrist, die am 14. Mai 2019 deutlich abgelaufen war.

50

Die Kammer hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtsfrage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung wegen des Fehlens eines Hinweises auf den elektronischen Rechtsverkehr fehlerhaft im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, entscheidungserheblich ist und eine Vielzahl von Fällen betrifft, so dass sie im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Diese Frage wurde bisher vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht nicht entschieden.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.


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