Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (1. Kammer) - 1 K 137/12.TR

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge.

2

Der 1943 geborene Kläger stand als Lehrer der Besoldungsgruppe A 12 bis zum 31. August 1988 im Dienst des Beklagten. Seit Beginn seines Ruhegehaltsbezuges wurde er vom Beklagten durch Übersendung entsprechender Merkblätter am 22. Dezember 1988 und 17. Mai 2008 darauf hingewiesen, dass er den Bezug einer Rente und jede diesbezügliche Änderung mitteilen müsse. Um entsprechende Angabe über Rentenansprüche gebeten, gab der Kläger mehrfach, zuletzt am 1. August 2008 an, nicht über Rentenanwartschaften oder -bezüge zu verfügen.

3

Seine Ruhegehaltsbezüge beliefen sich laut Bezügemitteilung vom 12. April 2011 zuletzt auf 2.779,44 €.

4

Nachdem der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2008 darauf hingewiesen hatte, dass frühere Rentenanwartschaften fiktiv ermittelt und angerechnet würden, wenn er trotz Bestand eines Rentenanspruchs auf eine Rente verzichte oder eine solche nicht beantrage, stellte der Kläger am 8. Dezember 2008 einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung – DRV – Bund auf Zahlung einer Versichertenrente. Mit Rentenbescheid vom 26. Mai 2009 gewährte diese ihm eine Regelaltersrente in Höhe von 419,42 € monatlich für die Zeit ab dem 1. Oktober 2008 bzw. von 429,53 € ab 1. Juli 2009.

5

Hiervon erlangte der Beklagte aufgrund einer Prüfung des Landesrechnungshofs Kenntnis. Auf Nachfrage legte der Kläger sodann am 15. Oktober 2010 den Rentenbescheid sowie die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2010 vor.

6

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 bat der Kläger um die Gewährung von Ratenzahlungen für den Fall, dass eine Rückzahlung von ihm gefordert würde.

7

Mit Änderungsmitteilung vom 18. November 2010 setzte der Beklagte den Kläger über die volle Anrechnung der Rentenbezüge auf seine Versorgung aufgrund der Ruhensregelung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG – ab dem 1. Dezember 2010 in Kenntnis. Um den monatlichen Rentenbetrag von 429,53 € und seit 1. Juli 2011 433,79 € werden die Versorgungsbezüge des Klägers seitdem gekürzt.

8

Zur beabsichtigten Rückforderung der zwischen dem 1. Oktober 2008 und dem 30. November 2010 wegen unterbliebener Anrechnung der Rentenzahlungen zu viel geleisteten Versorgungsbezüge hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 14. März 2011 an.

9

Mit Schreiben vom 16. Juni 2011 und 7. Juli 2011 erklärte der Kläger, er habe bei der Rentenantragstellung vollständige Angaben gemacht. Insbesondere habe ihm die Rentenberaterin Frau A. auf sein Nachfragen hin ausdrücklich versichert, dass sein Rentenantrag dem Beklagten zur Überprüfung vorgelegt werde. Dies sei aufgrund des Hinweises auf S. 3 zu Ziffer 10 des Antrags gewährleistet. Infolgedessen sei er in gutem Glauben davon ausgegangen, dass der Beklagte über seinen Rentenbezug vollständig informiert sei und die geleisteten Zahlungen rechtmäßig erfolgten. Außerdem sei er entreichert, da er sämtliche erhaltenen Bezüge bereits verauslagt habe.

10

Mit Leistungsbescheid vom 26. Juli 2011 forderte der Beklagte sodann für den genannten Zeitraum überzahlte Versorgungsbezüge in Höhe von 11.076,79 € zurück. Der sich dem Grunde nach aus §§ 96 Abs. 2 Landesbeamtengesetz, 52 Abs. 2 BeamtVG ergebende Rückforderungsanspruch bestehe auch in voller Höhe. Der Kläger könne sich auf einen Wegfall der Bereicherung im Sinne von §§ 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, 818 Abs. 3 BGB nicht berufen, da er wegen Kenntnis seiner Nichtberechtigung zum Erhalt der geleisteten Zahlungen verschärft hafte. Dies folge zum einen aus §§ 819 Abs. 1 BGB, 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG, wonach es der Kenntnis des mangelnden Rechtsgrundes gleichstehe, wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhe, der Empfänger also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen habe. Der Beamte sei außerdem im Rahmen des zu seinem Dienstherrn bestehenden Fürsorge- und Treueverhältnisses verpflichtet, über die aktive Dienstzeit hinaus die Höhe seiner Versorgungsbezüge zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten. Schließlich ergebe sich die verschärfte Haftung auch aus § 820 Abs. 1 BGB, da die Zahlungen unter gesetzlichem Vorbehalt erfolgt seien.

11

Gegen den Bescheid vom 26. Juli 2011 legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf den vorherigen Schriftverkehr.

12

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und gewährte dem Kläger Ratenzahlung in Höhe von 500,00 € monatlich. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe sich nicht auf die Auskünfte, die er im Rahmen der Rentenberatung erhalten habe, verlassen dürfen. Diese entlasteten ihn nicht von seinen Anzeige- und Mitwirkungspflichten gegenüber seinem Dienstherrn. Die Ratenzahlungsbewilligung erfolge im Rahmen der nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG zu treffenden Billigkeitsentscheidung. Bei der Bestimmung der Höhe der monatlich zu leistenden Raten habe er einen monatlich pfändbaren Betrag von 551,95 € zugrunde gelegt. Diesen habe er auf Grundlage der ihm bekannten laufenden Einkünfte des Klägers unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten sowie der Abzüge für Steuern und die private Krankenversicherung ermittelt.

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Der Kläger hat am 15. Februar 2012 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, der vom Beklagten geltend gemachte Rückforderungsanspruch bestehe nicht. Ihm könne kein Verschuldensvorwurf gemacht werden und er habe dem Beklagten jederzeit vollständig Auskunft erteilt. Er habe ursprünglich nicht gewusst, dass er neben seinen Versorgungsbezügen einen zusätzlichen Rentenanspruch habe. Auf die Aufforderung des Beklagten vom 17. Mai 2008 hin habe er dann aber einen entsprechenden Rentenantrag gestellt. Dabei habe er gegenüber der DRV nachweislich vollständige Angaben über seine Altersbezüge gemacht. Der Beklagte sei schließlich auch durch die DRV über seinen Rentenantrag informiert worden. Dies gehe aus einem bei der Rentenakte befindlichen Vermerk eines Rentensachbearbeiters hervor, wonach dieser am 17. Dezember 2008 mit einer Mitarbeiterin des Beklagten, Frau Euler, gesprochen habe und diese die Richtigkeit der 1988 ausgestellten Dienstbescheinigung bestätigt habe. Die Überzahlung falle daher allein in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Dieser habe es versäumt, zeitnah beim Kläger das Ergebnis der Rentenantragsstellung zu erfragen. In der mündlichen Verhandlung erhebt die Klägervertreterin außerdem die Einrede der Verjährung gegen den mit streitgegenständlichem Bescheid geltend gemachten Rückforderungsanspruch.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Insbesondere bestreitet er, von der DRV auf die dem Kläger zufließenden Rentenleistungen aufmerksam gemacht worden zu sein. Ein solches Vorgehen sei auch vollkommen unüblich.

19

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Heftung) verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Bescheid vom 26. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

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Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 26. Juli 2011 erfolgte Rückforderung zu viel geleisteter Versorgungsbezüge ist § 52 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG – in der Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 150). Danach richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbeträge nach den §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt, dass derjenige, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet ist.

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Ein solcher Rückforderungsanspruch ist vorliegend dem Grunde nach gegeben. Der Kläger hat vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. November 2010 Versorgungsleistungen in der vom Beklagten mit dem angegriffenen Bescheid geltend gemachten Höhe ohne rechtlichen Grund erlangt. In Höhe der monatlichen Rentenbezüge im genannten Zeitraum stand ihm nämlich ein Anspruch auf Versorgungsleistungen nicht zu. Nach § 55 Abs. 1 BeamtVG gilt, dass Versorgungsbezüge neben Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 definierten Höchstgrenze gezahlt werden. Soweit die Summe beider Leistungen den Höchstbetrag übersteigt, werden die Versorgungsbezüge zum Ruhen gebracht. Diese Höchstgrenze wurde vom Kläger im genannten Zeitraum nach der insoweit vom Kläger nicht angegriffenen Berechnung des Beklagten monatlich in Höhe der erhaltenen Rentenzahlungen überschritten.

23

Auch der Höhe nach begegnet die Rückforderung keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei entreichert, da er die überzahlten Beträge bereits ausgegeben habe.

24

Nach § 818 Abs. 3 BGB entfällt die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Wertersatz, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Kennt er aber den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung, haftet er gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB nach den allgemeinen Vorschriften. Ihm ist damit in aller Regel die Möglichkeit genommen, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen (BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1966 – II C 197.62 –, BVerwGE 24, 92; Jauernig, BGB, 14. Aufl. 2011, § 818 Rn. 46 f.; May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 57). Darüber hinaus unterliegt er nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB der Zinspflicht. Der Kenntnis des Mangels steht es nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.

25

Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene seine mangelnde Berechtigung zum Erhalt der Leistung nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in außergewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (st. Rspr., BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 2 A 5/03 – m. w. N., Buchholz 240 § 12 BBesG Nr 31). Letzteres kann dann bejaht werden, wenn in Zusammenhang mit der Leistung stehende Informationen, beispielsweise übersandte Mitteilungen oder Merkblätter, nicht sorgfältig gelesen wurden (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 61 ff.).

26

Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit kann darüber hinaus auch auf eine Verletzung der dem Beamten obliegenden Erkundigungspflicht gestützt werden. Denn von einem Versorgungsempfänger, der mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, kann erwartet werden, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein früheres statusrechtliches Amt nebst besoldungs- und versorgungsrechtlicher Einstufung, die Berechnungsgrundlage des Ruhegehalts sowie die ihm zustehenden Bestandteile der Versorgung kennt (BVerwG, a. a. O.). Ausgehend von diesem Wissensstand und unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Treuepflicht trifft den Beamten die Obliegenheit, unter Zuhilfenahme ihm zur Verfügung stehender Informationen Zahlungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im Zweifelfalle sich an die auszahlende oder anweisende Stelle zu wenden (BVerwG, Urteil vom 24. April 1959 - VI C 91.57 -, BVerwGE 8, 261: „besondere Sorgfaltspflicht“ der Beamten und Versorgungsempfänger; May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 66).

27

Sind oben genannte Voraussetzungen der verschärften Haftung erfüllt, tritt diese ein, auch wenn den Dienstherrn ein Mitverschulden an der Unkenntnis des Leistungsempfängers trifft. Letzteres wirkt sich allein im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG aus (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 67). Hierauf wird an späterer Stelle zurückzukommen sein.

28

Vorliegend kann der Kläger sich auf Gutgläubigkeit im Hinblick auf die empfangenen Leistungen nicht berufen. Er kannte seine mangelnde Berechtigung zum Erhalt ungekürzter Versorgungsbezüge oder hätte sie jedenfalls kennen müssen. Sollte ihm, wie er behauptet, tatsächlich nicht klar gewesen sein, dass der Beklagte ihm in Unkenntnis des Rentenbezugs weiterhin ungekürzte Versorgungsbezüge gewährte, so hat er sich dieser Erkenntnis sehenden Auges verschlossen. Er hat mithin seine beamtenrechtliche Treuepflicht gemäß § 5 Landesbeamtengesetz – LBG –, die ihm über das Ende der aktiven Dienstzeit hinaus obliegt, verletzt.

29

Dies erhellt zunächst daraus, dass der Kläger sich bereits seit 1988 im Ruhestand befindet und vom Beklagten mehrfach in Form von Merkblättern darauf hingewiesen wurde, dass er den Bezug einer Rente und jede diesbezügliche Änderung mitzuteilen hat. Ferner erklärte er mittels ausgefüllten Formulars am 9. Januar 1989, dass er keine Rente beziehe und keine Rentenanwartschaft besitze. Umseitig enthielt dieses Formular Informationen über die Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG und die Anrechnung von Renten auf die Versorgung mit dem Zweck, eine Doppelversorgung zu vermeiden. Des Weiteren unterschrieb der Kläger am 20. März 1989 eine Erklärung des Inhalts, dass ihm bekannt sei, im Fall der Rentenantragsstellung und bei Beginn eines Rentenbezugs der Zentralen Besoldungs- und Versorgungsstelle - ZBV – in Koblenz hierüber Mitteilung machen zu müssen. Am 1. August 2008 gab er erneut eine Erklärung dahingehend ab, dass er nicht über Rentenanwartschaften verfüge und ihm bekannt sei, jede Änderung seiner Angaben unaufgefordert und unverzüglich der ZBV anzeigen zu müssen. Wenige Monate später, am 8. Dezember 2008, stellte er sodann bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Rentenantrag, nachdem er vom Beklagten mit Schreiben vom 17. Mai 2008 darüber informiert worden war, dass frühere Rentenanwartschaften fiktiv ermittelt und angerechnet würden, wenn er einen bestehenden Rentenanspruch gegenüber seinem Rentenversicherungsträger nicht geltend mache.

30

Nach Vorstehendem ist der Kläger also mehrfach über seine Mitteilungspflichten informiert worden. Auch die Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG, wonach bei Überschreiten der Höchstgrenze eine Anrechnung der Rentenzahlungen auf die Versorgungsbezüge stattfindet, um eine Doppelversorgung zu vermeiden, war Gegenstand der ihm übermittelten Informationen. Ferner ist angesichts seiner früheren beruflichen Stellung sowie der Tatsache, dass er immerhin knapp zwei Jahre als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt war, davon auszugehen, dass dem Kläger zumindest die Grundzüge des Renten- und Versorgungsrechts bekannt waren. Schließlich ergeben sich die versorgungsrechtlich relevanten Anzeigepflichten auch unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG hat der Versorgungsberechtigte den Bezug und jede Änderung von Einkünften, u. a. auch von Renten im Sinne des § 55 BeamtVG, der Regelungsbehörde oder der die Versorgungsbezüge zahlenden Kasse unverzüglich anzuzeigen. Im Fall der schuldhaften Verletzung dieser Verpflichtung kann nach § 62 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG dem Berechtigten die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder auf Dauer entzogen werden.

31

Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte durch die DRV über seinen Rentenbezug informiert würde. Ihm hätte vielmehr klar sein müssen, dass er unaufgefordert und selbst gegenüber der ZBV die entsprechenden Angaben hätte machen müssen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem er erstmals Rentenzahlungen neben ungekürzten Versorgungsbezügen erhielt, hätte es die beamtenrechtliche Treuepflicht geboten, Erkundigungen bei der Zentralen Besoldungs- und Versorgungsstelle – ZBV – des Beklagten einzuholen. Nachdem darüber hinaus der Kläger selbst vorträgt, dass ihm das Schreiben des Beklagten vom 17. Mai 2008 die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Rentenantragsstellung vor Augen geführt habe, ist davon auszugehen, dass er jedenfalls in der Erklärung vom 1. August 2008 bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, als er angab, über Rentenanwartschaften nicht zu verfügen. Des Weitern ist die Behauptung des Klägers, er sei, nachdem er gegenüber der DRV vollständige und richtige Angaben gemacht habe, gutgläubig davon ausgegangen, dass ihm die zugeflossenen Leistungen zustünden, schlicht lebensfremd.

32

Die verschärfte Haftung des Klägers ergibt sich daneben auch aus § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i. V. m. §§ 820 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 4 BGB. Danach richtet sich die Haftung auch dann nach den allgemeinen Vorschriften, wenn ein mit der Leistung bezweckter Erfolg, dessen Eintritt nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiss angesehen wurde, nicht eintritt. Dies gilt unter anderem dann, wenn die Leistung unter Vorbehalt erbracht wurde. Ein solcher Vorbehalt muss nicht stets ausdrücklich in Zusammenhang mit der Leistung erklärt werden. Er kann sich auch aus gesetzlichen Vorschriften, Regelungszusammenhängen sowie allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen und Strukturprinzipien ergeben (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 75). Es entspricht daher seit langem höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Versorgungsleistungen unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt der Anrechnung unter anderem von Renten stehen (siehe nur BVerwG, Urteile vom 24. November 1966 – II C 119.64 – m. w. N., BVerwGE 25, 291, und vom 28. Februar 1985 – 2 C 16/84 – m. w. N., BVerwGE 71, 77). Dabei ist ohne Belang, ob sich der Beamte dieses gesetzlichen Vorbehalts im Zeitpunkt der Überzahlung bewusst gewesen ist. Denn es wird vorausgesetzt, dass der Versorgungsempfänger aufgrund der gesetzlich genau festgelegten Ruhegehaltshöchstgrenze von vornherein davon auszugehen hat, dass eine – ihm als Empfänger sowohl von Versorgungs- als auch von Rentenbezügen typischerweise bekannte – Änderung der einen Bezüge eine Änderung der anderen Bezüge zur Folge haben kann (BVerwG, a. a. O.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1977 – 2 BvR 407/76 –, BVerfGE 46, 97).

33

Die an den Kläger im fraglichen Zeitraum geleisteten und mit Bescheid vom 26. Juli 2011 teilweise zurückgeforderten Versorgungszahlungen erfolgten somit vorbehaltlich der späteren Durchführung der Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG, d. h. der späteren Anrechnung von Rentenbezügen.

34

Besondere Umstände, die trotz des Vorliegens der Voraussetzungen verschärfter Haftung nach §§ 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 BGB im Einzelfall nach Treu und Glauben die Berufung auf den Verbrauch der zu Unrecht erhaltenen Versorgungsbezüge gerechtfertigt erscheinen ließen (BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1966 – II C 197.62 –, BVerwGE 24, 92; May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 78), sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

35

Schließlich hält auch die vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2012 getroffene Billigkeitsentscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG rechtlicher Überprüfung stand. Dabei war es zulässig, die Billigkeitserwägungen, welche rechtsdogmatisch Ermessenserwägungen im Sinne von §§ 40 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG -, 114 VwGO sind, erst im Widerspruchsverfahren anzustellen bzw. nachzuholen (vgl. Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG Kommentar, § 40 Rn. 99).

36

Nach den genannten Bestimmungen kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Entgegen dem Gesetzeswortlaut steht es jedoch nicht im Ermessen der Behörde, ob sie Billigkeitserwägungen anstellt. Sie ist vielmehr dazu verpflichtet (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 83). Hierdurch soll eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung ermöglicht werden, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (siehe beispielsweise BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1976 - II C 36.72 –, Buchholz 232 § 158 BBG Nr 31). Den Prinzipien von Treu und Glauben sowie der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ist Rechnung zu tragen. Eine Rolle spielt außerdem die Frage, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maß ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war (VG Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2003 – 23 K 6190/00 –, juris). Dabei gilt es aber nicht die gesamte Rechtsbeziehung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nochmals zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 2 C 19/92 –, BVerwGE 95, 94). Dabei kann unter Berücksichtigung der genannten Umstände von einer Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden. Ferner können dem Schuldner Zahlungserleichterungen eingeräumt werden. Das bloße Inaussichtstellen von Ratenzahlungen genügt allerdings den Erfordernissen einer Billigkeitsentscheidung regelmäßig nicht, insbesondere, wenn der Versorgungsempfänger konkrete Angaben zu seiner persönlichen und wirtschaftlichen Situation gemacht hat (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 90).

37

Derlei Angaben hat der Kläger hier nicht gemacht. Insofern begegnet es keinen Bedenken, dass der Beklagte dem Kläger im Rahmen der Billigkeitsentscheidung Ratenzahlung gewährt und dabei auf Grundlage der ihm bekannten Einkünfte des Klägers den monatlichen Pfändungsbetrag errechnet und anhand dessen die Höhe der zu leistenden Zahlungsraten bestimmt hat.

38

Darüber hinaus liegt im Hinblick auf das vom Kläger behauptete Mitverschulden des Beklagten ein Ermessendefizit nicht vor. Ein für die Überzahlung (mit-)ursächliches Verschulden des Dienstherrn bzw. der für ihn tätig gewordenen Funktionsträger oder Amtswalter muss zwar in die Ermessenerwägungen einfließen (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, BeamtVG § 52, Rn. 93). Vorliegend steht jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte über die zur Anwendung des § 55 BeamtVG relevanten Informationen verfügt und es schuldhaft versäumt hat, hiervon Gebrauch zu machen, so dass ihm ein Mitverschuldensbeitrag anzulasten wäre. Die Beweislast für Vorliegen und Gewicht eines Mitverschuldensbeitrags obliegt nach § 254 BGB analog dem Anspruchsschuldner (Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 254 Rn. 145), hier also dem Kläger. Dies entbindet das Gericht freilich nicht von der Pflicht zur Amtsermittlung. Die Unaufklärbarkeit der ein Mitverschulden begründenden Umstände (non liquet) geht jedoch im Ergebnis zu Lasten des Klägers. Dass der Beklage durch die DRV über die Rentenantragstellung und den Rentenbezug des Klägers informiert worden wäre, geht aus den vom Kläger hierzu vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Der Umstand, dass unter Ziffer 10. des Rentenantrags Angaben über bestehende Versorgungsansprüche zu machen waren und der Kläger diese wahrheitsgemäß gemacht hat, lässt keine Schlüsse darauf zu, ob es den vom Kläger behaupteten Informationsaustausch gegeben hat. Auch der Vermerk eines Rentensachbearbeiters vom 17. Dezember 2008, er habe mit einer Frau Euler von der zentralen Stelle für Versorgung gesprochen und diese habe die Richtigkeit der 1988 ausgestellten Dienstbescheinigung bestätigt, legt kein schuldhaftes Versäumnis des Beklagten nahe. Denn zum einen ist der Beklagte nicht verpflichtet, aufgrund eines Auskunftsbegehrens der Rentenversicherung zu einem bestimmten Versorgungsempfänger über diesen Ermittlungen anzustellen. Er darf sich vielmehr im Verhältnis zum Versorgungsberechtigten darauf verlassen, dass dieser seiner Anzeigeverpflichtung nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG von selbst nachkommen wird (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 2012 – 6 K 1029/11.KO). Zum anderen handelte sich nach besagtem Vermerk ersichtlich um ein Auskunftsersuchen und nicht um eine gezielte Information des Beklagten über jene Umstände, die ihm die Durchführung der Ruhensregelung nach § 55 BeamtVG ermöglicht hätten. Ein Rentenbescheid war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ergangen. Darüber hinaus ist der Verschuldensanteil des Klägers, der verschiedentlich über die Anrechnung von Rentenleistungen und die damit verbundenen Anzeigepflichten informiert wurde und mehrfach – bewusst oder unbewusst – falsche Angaben über das Bestehen von Rentenanwartschaften gemacht hat, so groß, dass ein geringfügiger Mitverschuldensanteil des Beklagten, wie er hier überhaupt nur in Betracht käme, dahinter zurücktreten würde.

39

Auf die Einrede der Verjährung kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Für die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge gilt seit dem 1. Januar 2002 die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (HessVGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 1 UZ 1485/07 -, LKRZ 2008, 154; zur früheren 30-jährigen Verjährungsfrist BVerwG, Urteil vom 13. September 2001 – 2 A 9/00 -, ZBR 2003, 43). Ihr Lauf beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte (§ 199 Abs. 1 BGB). Vorliegend ist der Rückforderungsanspruch des Beklagten im Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung des Ruhegehalts, hinsichtlich des ersten ausgezahlten Teilbetrags also frühestens am 1. Oktober 2008 entstanden. Ungeachtet der ohnehin erst am 15. Oktober 2010 eingetretenen Kenntnis des Beklagten von den die Rückforderung begründenden Umständen wäre bei theoretisch frühestmöglichem Verjährungsbeginn am 1. Januar 2009 die dreijährige Verjährungsfrist im Jahr 2011, als der Beklagte seinen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kläger geltend machte, noch nicht abgelaufen gewesen.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Kostentragungspflicht danach dem Kläger obliegt, besteht für eine Entscheidung über seinen Antrag, die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, kein Bedürfnis.

41

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

42

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind vorliegend nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

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