Urteil vom Bundesgerichtshof (11. Zivilsenat) - XI ZR 30/16

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 16. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger und die beklagte Bank streiten im Revisionsverfahren noch darüber, dass die Beklagte eine Kontoverfügung der Mitinhaberin des Gemeinschaftskontos ausgeführt hat.

2

Der Kläger und die Streithelferin, seine inzwischen von ihm getrennt lebende Ehefrau, eröffneten am 26. September 2005 bei der        Sparkasse, einer Abteilung der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte), ein Sparkonto mit dreimonatiger Kündigungsfrist. In dem Kontoeröffnungsantrag, in dem der Kläger und die Streithelferin als Kontoinhaber benannt sind, heißt es unter anderem:

"Sind mehrere Personen Gläubiger, so ist jeder von ihnen berechtigt, allein und unbeschränkt über das Konto zu verfügen, es aufzulösen sowie Dritte in diesem Rahmen zu bevollmächtigen.

[…]

Innerhalb eines Kalendermonats können 2000 EUR zurückgefordert werden."

3

Die im Kontovertrag vereinbarten "Bedingungen für den Sparverkehr" der Beklagten (im Folgenden: Sparbedingungen) lauten auszugsweise wie folgt:

"1. Spareinlagen

[…]

Spareinlagen dienen der Ansammlung oder Anlage von Vermögen, nicht aber dem Geschäftsbetrieb oder dem Zahlungsverkehr.

[…]

2. Sparurkunde

2. 1 […]

2. 2 Ein- und Auszahlungen, Buchvorlage

[…] Die Rückzahlung von Spareinlagen und die Auszahlung von Zinsen können nur gegen Vorlage des Sparkassenbuches und der eventuell ausgestellten Sicherungskarte verlangt werden. Für Einzahlungen, sonstige Gutschriften und Belastungen kann die Sparkasse die Vorlage des Sparkassenbuches verlangen. […]

[…]

3. Rückzahlung

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. Von Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten können - soweit nichts anderes vereinbart wird - ohne Kündigung bis zu 2.000 EUR für jedes Sparkonto innerhalb eines Kalendermonats zurückgefordert werden.

Bei Spareinlagen werden die gutgeschriebenen Zinsen, sofern nicht etwas anderes im Sparvertrag vereinbart ist, innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten nach Wertstellung an jeden Vorleger des Sparkassenbuches und der eventuell ausgestellten Sicherungskarte, ohne Anrechnung auf den monatlichen Freibetrag, ausgezahlt. Andernfalls werden die Zinsen Bestandteil der Spareinlage. Ein Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung besteht darüber hinaus nicht. Stimmt die Sparkasse ausnahmsweise einer vorzeitigen Rückzahlung zu, hat sie das Recht, für diese vorzeitige Rückzahlung Vorschußzinsen/Vorfälligkeitsentgelt zu verlangen. […]

[…]

5. Gemeinschaftskonten

Jeder Kontoinhaber ist berechtigt, eine Einzelverfügungsberechtigung des Mitkontoinhabers durch schriftliche Erklärung gegenüber der Sparkasse zu widerrufen. Mit dem Eingang des Widerrufs bei der Sparkasse können die Kontoinhaber nur noch gemeinsam über die Spareinlage verfügen. […]"

4

Unter dem 27. Dezember 2012 verfasste der Kläger bezogen auf das Sparkonto ein Schreiben an die Beklagte mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Unterlagen sind unvollständig. Der mir vorliegende Ausdruck weist zum 24.06.2011 ein Guthaben von 78.548,46 € aus, dem am 19.07.2011 aus der Einlösung von Wertpapieren 23.950,01 € zugeführt wurden.

Ich bitte mir alle Bewegungen bis heute aufzugeben. Von dem sich ergebenden Guthaben überweisen Sie bitte die Hälfte auf folgendes Konto:

       Volksbank

[…]

Die verbleibenden 50 Prozent stehen meiner Ehefrau     A.   zu.

Bei Rückfragen bin ich unter der Rufnummer […] erreichbar."

5

Die Streithelferin verfügte im Jahr 2012 durch Auszahlungen und Überweisungen über das Sparguthaben und überschritt dabei mehrfach den monatlichen Auszahlungsbetrag von 2.000 €. Ende des Jahres 2012 betrug der Kontostand daher noch 35.577,77 €. Am 4. Januar 2013 buchte die Beklagte auf Anweisung der Streithelferin einen weiteren Betrag in Höhe von 35.400 € auf ein anderes Konto der Streithelferin bei der Beklagten um. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Kontostand 177,77 € betrage, Überweisungen zu Lasten des Sparkontos nicht möglich seien und Verfügungen nur gegen Vorlage des Sparbuches erfolgen könnten.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Eindruck erweckt, Verfügungen von über 2.000 € im Monat nur ausnahmsweise durchzuführen. Zudem habe sie mit der am 4. Januar 2013 erfolgten Umbuchung gegen seine im Schreiben vom 27. Dezember 2012 erteilte Anweisung verstoßen, ihm das damals noch vorhandene Guthaben hälftig auszuzahlen.

7

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst verlangt, dass die Beklagte für alle das monatliche Auszahlungslimit übersteigenden Buchungen Kündigungsschreiben vorlegt, Auskunft über Vorschusszinsen erteilt, diese an Eides Statt versichert und ihm die Hälfte des Betrages nebst Zinsen erstattet, der sich aus der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Auszahlungslimit und dem tatsächlichen Auszahlungsbetrag ergibt, sowie die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Im Folgenden hat er nur noch einen Zahlungsantrag in Höhe von 39.200 € nebst Zinsen sowie den Antrag zu den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten weiter verfolgt und den Rechtsstreit im Übrigen einseitig für erledigt erklärt.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag nur noch wegen der am 4. Januar 2013 erfolgten Umbuchung in Höhe von 17.700 € nebst Zinsen weiter sowie seinen Antrag auf Erstattung anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 564,66 €.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

10

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

11

Der Kläger habe gegenüber der Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Zahlungsanspruch. Bei dem Sparkonto handele es sich um ein Oder-Konto, so dass die Beklagte dadurch, dass sie das Kontoguthaben an die Streithelferin ausbezahlt, ihr überwiesen oder auf ein anderes Konto der Streithelferin umgebucht habe, gegenüber beiden Kontoinhabern frei geworden sei. Aus der Regelung im Kontovertrag, dass innerhalb eines Kalendermonats nur 2.000 € zurückgefordert werden können, und aus der entsprechenden Bestimmung in Ziffer 3. der Sparbedingungen ergebe sich nichts Abweichendes. Auch wenn eine Spareinlage gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (im Folgenden: RechKredV) und gemäß Ziffer 1. der Sparbedingungen nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt sei, sondern der Ansammlung oder Anlage von Vermögen diene, führe das nicht zu einem Verbot, Überweisungen auszuführen. Das gelte erst recht für eine Umbuchung auf ein anderes bei der Beklagten geführtes Konto. Daher könne der Kläger auf das Verhalten der Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch stützen. Dass die Beklagte über ein Jahr hinweg regelmäßig Kontoverfügungen der Streithelferin über dem Monatslimit von 2.000 € ausgeführt habe, sei ebenfalls nicht pflichtwidrig. Das Wort "ausnahmsweise" in Ziffer 3. der Sparbedingungen bringe nur zum Ausdruck, dass der Kontoinhaber, selbst wenn die Beklagte eine Auszahlung über 2.000 € vorgenommen habe, auch für die Zukunft darauf keinen Anspruch habe. Überdies habe diese Klausel keinen "drittschützenden" Charakter zugunsten des Kontomitinhabers.

12

Etwas anderes ergebe sich vorliegend auch nicht aus dem Schreiben des Klägers vom 27. Dezember 2012. Dieses beinhalte nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) keinen Widerruf der Einzelverfügungsberechtigung der Streithelferin gemäß Ziffer 5. der Sparbedingungen. Dafür gebe schon der Wortlaut nichts her. Überdies hätte der Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis des Mitkontoinhabers zur Folge, dass die Kontoinhaber nur noch gemeinschaftlich über das Sparguthaben hätten verfügen können. Das habe der Kläger, der in dem Schreiben Überweisung des hälftigen Sparguthabens an sich verlangt habe, ersichtlich nicht gewollt. Die Beklagte habe der Aufforderung des Klägers nicht nachkommen müssen. Sie habe dies in Übereinstimmung mit der Regelung in Ziffer 2.2 ihrer Sparbedingungen abgelehnt. Der Kläger habe nicht behauptet, das Sparbuch vorgelegt zu haben.

II.

13

Im Umfang der Anfechtung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

14

Dem Kläger steht hinsichtlich des Guthabens, das am 4. Januar 2013 auf ein Konto der Streithelferin umgebucht wurde, gegen die Beklagte weder ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB noch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu.

15

1. Der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Klägers aus dem Sparvertrag ist durch die am 4. Januar 2013 an die Streithelferin bewirkte Leistung erloschen (§ 362 Abs. 1, § 429 Abs. 3 Satz 1, § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB).

16

a) Zutreffend und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger und die Streithelferin nach der im Kontoeröffnungsantrag vom 26. September 2005 getroffenen Regelung als Inhaber des Gemeinschaftskontos Einzelverfügungsbefugnis hatten (sog. Oder-Konto). Bei einem Oder-Konto sind die Kontoinhaber hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB, so dass jeder aufgrund seiner eigenen Forderungsinhaberschaft Auszahlung des gesamten Kontoguthabens an sich verlangen kann (vgl. Senatsurteile vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 352/89, WM 1990, 2067, 2068 und vom 25. Juni 2002 - XI ZR 218/01, WM 2002, 1683, 1685, jeweils mwN).

17

b) Die Einzelverfügungsbefugnis beider Kontoinhaber bestand auch angesichts des vom Kläger am 27. Dezember 2012 verfassten Schreibens fort. Rechtsfehlerfrei und von der Revision ebenfalls nicht in Zweifel gezogen hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Schreiben nicht zu entnehmen war, der Kläger wolle von der in Ziffer 5. Satz 1 und Satz 2 der Sparbedingungen eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, durch einseitige Erklärung gegenüber der Beklagten das Oder-Konto in ein Und-Konto mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis umzuwandeln (vgl. dazu Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 352/89, WM 1990, 2067 f.). Die tatrichterliche Auslegung dieser individuellen Erklärung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 Rn. 49 mwN). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht gerügt.

18

c) Der Erfüllungswirkung der am 4. Januar 2013 an die Streithelferin bewirkten Leistung gegenüber beiden Gesamtgläubigern steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in seinem am 27. Dezember 2012 verfassten Schreiben die Beklagte angewiesen hatte, "[v]on dem sich ergebenden Guthaben" die Hälfte auf sein bei einer anderen Bank geführtes Konto zu überweisen. Dabei kann mit der Revision davon ausgegangen werden, mit diesem Schreiben habe der Kläger verlangt, ihm die Hälfte des bei Zugang des Schreibens vorhandenen Guthabens zu überweisen. Mangels dahingehender Feststellungen des Berufungsgerichts kann zugunsten des Klägers weiterhin unterstellt werden, dass sein Schreiben der Beklagten zeitlich vor der der Belastungsbuchung vom 4. Januar 2013 zugrunde liegenden Kontoverfügung der Streithelferin zugegangen ist.

19

aa) Zwar kann das kontoführende Kreditinstitut bei einem Oder-Konto entgegen der dispositiven Regelung des § 428 BGB nicht "nach seinem Belieben" an einen der Gläubiger leisten. Dieses Wahlrecht wird in dem Kontovertrag verkehrstypisch dahingehend abbedungen (§ 157 BGB), dass das Kreditinstitut nur an denjenigen leisten kann, der die Leistung fordert (OLG Nürnberg, NJW 1961, 510, 511; KG, WM 1976, 65, 67; OLG Dresden, WM 2001, 1148, 1149; LG Frankfurt am Main, WM 2004, 1282, 1283; Grundmann in Großkomm. HGB, 5. Aufl., Bankvertragsrecht Zweiter Teil Rn. 197; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 35 Rn. 7; Hüffer/van Look, Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Aufl., Rn. 151; MünchKommHGB/Hadding/Häuser, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. A 101; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 428 Rn. 3; PWW/Müller, BGB, 12. Aufl., § 428 Rn. 2). Eine Leistung an den nicht fordernden Gesamtgläubiger hätte keine schuldbefreiende Wirkung.

20

Durch den Umstand, dass ein anderer Kontoinhaber ebenfalls Auszahlung des Kontoguthabens an sich verlangt, wird die Einzelverfügungsbefugnis eines jeden Kontoinhabers und die damit einhergehende Empfangszuständigkeit, Leistungen mit Erfüllungswirkung entgegenzunehmen (vgl. MünchKommBGB/Fetzer, 7. Aufl., § 362 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 362 Rn. 4; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2016, § 362 Rn. 38), aber nicht berührt. Ohne eine dahingehende vertragliche Abrede hat ein Kontoinhaber des Oder-Kontos keine Möglichkeit, auf das selbständige Forderungsrecht eines Mitkontoinhabers einzuwirken, auch nicht durch ein zeitlich früheres Verlangen der Leistung. Die Befugnis eines jeden von ihnen, über das Konto ohne die Mitwirkung der anderen Kontoinhaber selbständig zu verfügen (§ 429 Abs. 3 Satz 2 BGB), beruht nicht auf einer gegenseitig eingeräumten Ermächtigung, sondern auf der eigenen Forderungsinhaberschaft (Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 352/89, WM 1990, 2067, 2068). Das Forderungsrecht eines Gesamtgläubigers erlischt erst dann, wenn das Leistungsverlangen des anderen Gesamtgläubigers tatsächlich erfüllt wurde (Gößmann/Walgenbach in BuB, Stand: Juli 2015, Rn. 2/140; Hadding, WuB I C 3. - 1.04; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 35 Rn. 7; MünchKommHGB/Hadding/Häuser, 3. Aufl., ZahlungsV Rn. A 101).

21

bb) Nach diesen Grundsätzen ist durch die am 4. Januar 2013 auf Veranlassung der Streithelferin auf ihr Konto erfolgte Umbuchung in Höhe von 35.400 € auch das Forderungsrecht des Klägers in dieser Höhe erloschen (§ 429 Abs. 3 Satz 1, § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Kläger hätte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung hier nur die Möglichkeit gehabt, durch einseitige Erklärung das Oder-Konto für die Zukunft in ein Und-Konto umzuwandeln mit der Folge, dass beide Kontoinhaber nicht mehr einzeln verfügungsbefugt gewesen wären. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht. Da die Streithelferin als Gläubigerin des gesamten Kontoguthabens und die Beklagte als Schuldnerin mit dem Bewirken der Leistung durch Umbuchen auf ein anderes bei der Beklagten geführtes Konto der Streithelferin vor Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist einverstanden waren, wurde die Leistung auch in dieser Hinsicht vertragsgemäß erbracht (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1975 - III ZR 147/72, BGHZ 64, 278, 284 und 287).

22

Davon zu trennen ist die von der Revision aufgeworfene Frage, welche der konkurrierenden Verfügungen der Inhaber eines Oder-Kontos, die nicht beide ausgeführt werden können, das Kreditinstitut unbeachtet lassen darf. Hätte sich das Kreditinstitut dabei pflichtwidrig verhalten, würde das zu einem Schadensersatzanspruch führen. Die Erfüllungswirkung der erbrachten Leistung bliebe hiervon unberührt (LG Frankfurt am Main, WM 2004, 1282, 1283; Canaris in Großkomm. HGB, 4. Aufl., Bankvertragsrecht Erster Teil, Rn. 225; Merz/Peterek in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 6.728; Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearb. 2017, § 428 Rn. 24).

23

2. Dem Kläger steht wegen der Umbuchung vom 4. Januar 2013 auch kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Sparvertrag nicht verletzt.

24

a) Anders als die Revision meint, hat sich die Beklagte nicht deshalb pflichtwidrig verhalten, weil sie die Umbuchung trotz des - unterstellt - zeitlich vor dem Auftrag der Streithelferin bei ihr eingegangenen Schreibens des Klägers vom 27. Dezember 2012 ausgeführt hat.

25

aa) Nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht ist das Kreditinstitut bei kollidierenden Weisungen der Mitinhaber eines Oder-Kontos in den Fällen, in denen sich eine zeitliche Priorität der Weisungen ausmachen lässt, hieran gebunden (aA LG Hannover, WM 1972, 638, 639; Hüffer/van Look, Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Aufl., Rn. 152; Rieder, WM 1987, 29, 32). Aus dem Prioritätsprinzip werden allerdings unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Zum Teil wird angenommen, es komme darauf an, wer die Leistung als Erster verlangt habe (OLG Celle, WM 1995, 1871; BeckOK BGB/Gehrlein, Stand: 1. November 2017, § 428 Rn. 2; Canaris in Großkomm. HGB, 4. Aufl., Bankvertragsrecht Erster Teil, Rn. 225; Einsele in Festschrift Nobbe, 2009, S. 27, 41; Gernhuber, WM 1997, 645, 649; jurisPK-BGB/Rüßmann, 8. Aufl., § 428 Rn. 14; Merz/Peterek in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 6.728; Pohlmann, Das von Ehegatten geführte Oder-Konto, 2002, S. 63; Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearb. 2017, § 428 Rn. 24, 27; Streißle, EWiR 2004, 901, 902; Wagner, WM 1991, 1145, 1146). Andere wollen hingegen vorrangig darauf abstellen, welches Verlangen bei ordnungsgemäßer Bearbeitung zuerst zur Erfüllung gelangen würde; nur wenn nicht zu erkennen sei, welche der Verfügungen bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang zuerst zur Erfüllung anstehe, komme es auf die zeitliche Reihenfolge des Eingangs der Weisungen an (LG Frankfurt am Main, WM 2004, 1282, 1283 f.; BeckOGK/Kreße, BGB, Stand: 1. November 2017, § 428 Rn. 17; Gößmann/Walgenbach in BuB, Stand: Juli 2015, Rn. 2/139; MünchKommBGB/Bydlinski, 7. Aufl., § 428 Rn. 4; Schwintowski in Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 6 Rn. 18).

26

bb) Welche Ansicht zutrifft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Ein Zahlungsverlangen ist nämlich nur dann zu berücksichtigen, wenn es vertragsgemäß ist (LG Frankfurt am Main, WM 2004, 1282, 1283; BeckOK BGB/Gehrlein, Stand: 1. November 2017, § 428 Rn. 2). Andernfalls wird bereits keine Ausführungspflicht begründet, die das Kreditinstitut verpflichten könnte, eine später eingegangene Weisung unbeachtet zu lassen. An einem solchen vertragsgemäßen Zahlungsverlangen des Klägers fehlt es hier. Nach Ziffer 2.2 der in den Kontovertrag einbezogenen Sparbedingungen kann die Rückzahlung der Spareinlage und die Auszahlung von Zinsen nur gegen Vorlage des Sparbuches verlangt werden. Diese Vorlagepflicht hat der Kläger - anders als die Streithelferin, die nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteivertreter in der mündlichen Revisionsverhandlung das Sparbuch am 4. Januar 2013 vorgelegt hat - nicht erfüllt.

27

Entgegen der Auffassung der Revision wurde die Beklagte durch das Schreiben des Klägers vom 27. Dezember 2012 auch nicht dazu verpflichtet, das noch vorhandene Guthaben solange zu verwahren, bis der Kläger seiner Pflicht zur Vorlage des Sparbuches nachgekommen ist. Selbst wenn man, wie die Revision meint, davon ausginge, das nicht vertragsgemäße Auszahlungsverlangen habe als Minus die Anordnung enthalten, den geforderten Betrag einstweilen zu verwahren, hätte die Beklagte dieser Anordnung nicht Folge leisten dürfen. Der Kläger hat - abgesehen von der Umwandlung in ein Und-Konto - keine Möglichkeit, das selbständige Forderungsrecht der Streithelferin zu beeinträchtigen. Ihm steht daher auch nicht das Recht zu, das Kontoguthaben vorübergehend zu sperren. Soweit das Oberlandesgericht Celle angenommen hat, nach dem Tod eines der Inhaber des Oder-Kontos habe das Kreditinstitut die Verwahranordnung eines anderen Kontoinhabers zu beachten, die dieser zur Vorbereitung der Kündigung des gesamten Vertragsverhältnisses getroffen habe (WM 1995, 1871, 1872), kann die Revision daraus für den hier vorliegenden Sachverhalt nichts ableiten.

28

b) Von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht weiterhin zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Pflichten aus dem Kontovertrag gegenüber dem Kläger auch nicht deshalb verletzt hat, weil sie am 4. Januar 2013 bereits zum wiederholten Mal eine Verfügung der Streithelferin, die den Monatsbetrag von 2.000 € überschritt, ungeachtet der im Kontovertrag und in Ziffer 3. der Sparbedingungen vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist sofort erfüllt hat. Auch wenn die Streithelferin aus dem Kontovertrag keinen Anspruch darauf hatte, dass die Beklagte eine Auszahlung in Höhe von 35.400 € vor Ablauf der Kündigungsfrist erfüllt, umfasste ihre Einzelverfügungsbefugnis das Recht, sich mit der Beklagten hierüber zu einigen. Dementsprechend konnte der Kläger als weiterer Kontoinhaber auch nicht darauf vertrauen, eine solche Einigung werde unterbleiben. Die Formulierung "[s]timmt die Sparkasse ausnahmsweise einer vorzeitigen Rückzahlung zu" in Ziffer 3. der Sparbedingungen greift nach gebotener objektiver Auslegung, die der Senat wegen offensichtlicher Verwendung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus selbst vornehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 2017 - XI ZR 362/15, WM 2017, 2382 Rn. 29 mwN), lediglich nochmals auf, dass ein Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung nicht besteht. Aus der Regelung des § 21 Abs. 4 RechKredV ergibt sich nichts Abweichendes. Dort wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Kreditinstitut die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Kunden auf der Passivseite der Bilanz unter der Position "Spareinlagen" ausweisen darf und - durch den Verweis in § 4 Abs. 1 Nr. 3 Liquiditätsverordnung - ob diese Verbindlichkeiten bei Ermittlung der ausreichenden Liquidität des Kreditinstituts privilegiert zu berücksichtigen sind. Ungeachtet dessen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bleibt es den Kreditinstituten im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit überlassen, wie sie im Einzelfall auf Verfügungen vor Fälligkeit reagieren (vgl. BT-Drucks. 12/4876, S. 6 f.; Gößmann/Walgenbach in BuB, Stand: Juli 2015, Rn. 2/176; Schürmann/Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 71 Rn. 70; Servatius, BKR 2005, 295, 296).

29

3. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte sei dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihm nicht unverzüglich, sondern erst unter dem 17. Januar 2013 mitgeteilt habe, dass und warum sie seine Anweisung im Schreiben vom 27. Dezember 2012 nicht ausführe.

30

a) Entgegen der Ansicht der Revision war die Beklagte nicht gemäß § 675o Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) verpflichtet, den Kläger hierüber unverzüglich zu unterrichten. Nach § 675o Abs. 1 Satz 1 BGB aF ist ein Zahlungsdienstleister nur dann zur unverzüglichen Benachrichtigung des Zahlungsdienstnutzers verpflichtet, wenn er die Ausführung eines Zahlungsauftrags ablehnt. Nach der Legaldefinition des § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB in der bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: aF; jetzt § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB) ist Zahlungsauftrag jeder Auftrag, den ein Zahler "seinem" Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt. Der Zahlungsauftrag ist demnach eine geschäftsbesorgungsrechtliche Weisung zur Ausführung eines konkreten Zahlungsvorgangs im Rahmen eines Zahlungsdienstevertrags (vgl. MünchKommBGB/Casper, 7. Aufl., § 675f Rn. 13, 42; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 675o Rn. 1; Werner in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 7.159). An einem solchen Zahlungsauftrag fehlt es hier. Die Beklagte war gegenüber dem Kläger weder aufgrund eines Einzelzahlungsvertrags (§ 675f Abs. 1 BGB) noch aufgrund eines Zahlungsdiensterahmenvertrags (§ 675f Abs. 2 BGB) zur Ausführung von Zahlungsdiensten verpflichtet. Ein herkömmlicher Sparkontovertrag, wie ihn die Parteien hier vereinbart haben, ist kein Zahlungsdiensterahmenvertrag. Gemäß Ziffer 1. der Sparbedingungen dient das Sparkonto vereinbarungsgemäß nicht dem Zahlungsverkehr. Ein Einzelzahlungsvertrag, bei dem sich der Zahlungsauftrag unmittelbar aus dem Vertragsinhalt ergibt und regelmäßig mit dem Vertragsschluss zusammenfällt (MünchKommBGB/Casper, 7. Aufl., § 675f Rn. 13, 18, 43; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 675f Rn. 5, 19; Walz in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl., § 675f Rn. 9), ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Ein Antrag auf Abschluss eines Einzelzahlungsvertrags unter Abwesenden, den der Kläger hier in seinem Schreiben vom 27. Dezember 2012 unterbreitet hat, ist kein Zahlungsauftrag im Sinne des § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB aF und verpflichtet das Zahlungsinstitut nicht zum sofortigen Handeln (vgl. MünchKommBGB/Casper, 7. Aufl., § 675f Rn. 14).

31

b) Die Beklagte traf auch aus dem Sparkontovertrag keine vertragliche Nebenpflicht, den Kläger früher als unter dem 17. Januar 2013 über die Nichtausführung der Überweisung zu unterrichten. Soweit der Senat bereits vor Inkrafttreten des neuen Zahlungsdiensterechts (§§ 675c ff. BGB) bei einem Girovertrag Banken auf Grundlage einer selbstständigen girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) oder der gesetzlichen Informationspflicht des Beauftragten (§ 675 Abs. 1, § 666 BGB) für verpflichtet erachtet hat, ihre Kunden unverzüglich über die Nichtausführung einzelner Zahlungsvorgänge zu informieren (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 1989 - XI ZR 80/88, WM 1989, 625, 626 und vom 13. Februar 2001 - XI ZR 197/00, BGHZ 146, 377, 382 f.; zur Fortgeltung nach Inkrafttreten des neuen Zahlungsdiensterechts Senatsurteil vom 22. Mai 2012 - XI ZR 290/11, BGHZ 193, 238 Rn. 19 ff.), lassen sich diese für Zahlungskonten entwickelten Grundsätze auf einen Sparvertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist nicht übertragen. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, die Beklagte werde entgegen der vertraglichen Abrede Überweisungen ausführen.

Ellenberger     

      

Joeres     

      

Matthias

      

Menges     

      

Dauber     

      

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen