Urteil vom Finanzgericht Köln - 3 K 769/11
Tenor
Der Abrechnungsbescheid vom 6. Januar 2011 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2011 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob ein Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund eines Nachtragsverteilungsbeschlusses des Insolvenzgerichts noch dem Insolvenzbeschlag unterlegen hat und daher nicht mit befreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner hätte ausgezahlt werden dürfen. Zum anderen bestreitet der Beklagte die Berechtigung der Klägerin als vormalige Insolvenzverwalterin und jetzige Treuhänderin über das Vermögen des Insolvenzschuldners, gegen einen Abrechnungsbescheid vorzugehen, in dem das Erlöschen des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Auszahlung an den Insolvenzschuldner festgestellt wird.
3Mit Beschluss des Amtsgerichts K zum Aktenzeichen 1 war am ...07.2008 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn A (Insolvenzschuldner) eröffnet worden. Zur Treuhänderin über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde die Klägerin bestellt.
4Mit Beschluss vom 05.05.2010 wurde dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO angekündigt. In dem Beschluss wurde ausgeführt, dass der Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung erlange, wenn er in der Laufzeit seiner Abtretungserklärung vom 09.06.2008 den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 InsO oder § 298 InsO nicht vorlägen.
5Die bisherige Treuhänderin, die Klägerin, solle kraft Gesetzes die Aufgaben der Treuhänderin nach §§ 291 Abs. 2, 292 InsO wahrnehmen (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO).
6Die Laufzeit der Abtretung habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ...07.2008 begonnen und betrage sechs Jahre.
7Mit Beschluss des Amtsgerichts K vom ....06.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners mangels einer zu verteilenden Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 InsO). In dem Beschluss heißt es weiter: „Hinsichtlich etwaiger - auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallender - Steuererstattungsansprüche wird die Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1 InsO)“. Weiterhin wurde in dem Beschluss mitgeteilt, dass dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden sei.
8Für den Veranlagungszeitraum 2009 nahm der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 13.12.2010 eine Zusammenveranlagung des Insolvenzschuldners und seiner Ehefrau vor, wobei in den Erläuterungen zu diesem Bescheid darauf hingewiesen wurde, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung geschätzt worden seien.
9Dieser Bescheid weist im Abrechnungsteil einen Gesamterstattungsbetrag in Höhe von 596,10 € aus. Entsprechend dem Verhältnis der Lohnsteuerabzugsbeträge bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Eheleute (58,55 % zu 41,45 %) errechnete der Beklagte einen anteiligen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners, der sich wie folgt zusammensetzte:
10Einkommensteuer 2009 |
= |
188,53 € |
Solidaritätszuschlag 2009 |
= |
60,86 € |
römisch/katholische Kirchensteuer 2009 |
= |
99,62 € |
Steuererstattungsanspruch insgesamt |
= |
349,01 € |
Diesen Gesamterstattungsbetrag zahlte der Beklagte an den Insolvenzschuldner unmittelbar aus und teilte dies der Klägerin am 16.12.2010 mit.
12Mit Schreiben vom 30.12.2010 forderte die Klägerin den Beklagten zur Auszahlung des Steuererstattungsbetrages auf das Treuhandkonto auf, da auf Grund der angeordneten Nachtragsverteilung dieser Betrag nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner habe ausgezahlt werden können.
13Mit Schreiben vom 06.01.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass über die Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis beträfen, die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheide. Zur Klärung der Frage, ob der Beklagte den Einkommensteuererstattungsanspruch mit schuldbefreiender Wirkung an den Steuerpflichtigen ausgezahlt habe, ergehe daher der in der Anlage beigefügte Abrechnungsbescheid vom 06.01.2011.
14In diesem Abrechnungsbescheid weist der Beklagte den genannten Einkommensteuererstattungsanspruch aus und stellt fest, dass dieser durch Auszahlung an den Steuerpflichtigen erloschen sei. In den Erläuterungen dieses Abrechnungsbescheides führt der Beklagte aus, dass der Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts nicht hinreichend bestimmt sei, da weder Steuerart noch Zeitraum in diesem Beschluss angegebene seien. Daher habe die Steuererstattung mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Insolvenzschuldner und nicht an die Masse erfolgen können.
15Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2011 als unbegründet zurückwies. Dabei stellte der Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass der Beschluss des Insolvenzgerichts über die Nachtragsverteilung nicht hinreichend bestimmt gewesen sei, so dass der Beklagte diesem Beschluss nicht habe nachkommen können. Denn wie in einem Pfändungsbeschluss müsse die Anordnung der Nachtragsverteilung über Barmittel, Forderungen oder Vermögensgegenstände so bestimmt bezeichnet sein, dass diese von anderen unterschieden werden könnten und eine Verwechslung ausgeschlossen sei. Das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet werde, müsse zumindest in Umrissen angegeben werden. Diesen Anforderungen und Erfordernissen entspreche der Beschluss über die Nachtragsverteilung nicht, weil weder Steuerart noch Steuerjahr angegeben seien.
16Mit ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, gemäß § 203 Abs. 1 InsO ordne das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlusstermin unter anderem Beträge, die aus der Insolvenzmasse bezahlt seien, an diese zurückflössen. Sinn und Zweck der Nachtragsverteilung sei, dass Insolvenzgläubiger, deren Forderungen in das Schlussverzeichnis aufgenommen seien, auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch befriedigt werden könnten, sofern später zur Masse gehörende Beträge oder Gegenstände frei würden bzw. ermittelt werden könnten. Hierbei stehe die Aufhebung des Verfahrens der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen. Diese Vorschrift finde auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung.
17Steuererstattungsansprüche seien vom Insolvenzbeschlag erfasst und zählten damit zur Insolvenzmasse gemäß § 35 InsO. Da die Insolvenzordnung auch den sogenannten Neuerwerb des Schuldners erfasse, unterfielen dem Insolvenzbeschlag nicht nur Steu-ererstattungsansprüche, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fällig seien, sondern auch solche, die erst im Laufe des Verfahrens bis zu dessen Aufhebung entstünden. Mit seinen Steuervorauszahlungen erwerbe der Steuerpflichtige eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Steuererstattungsanspruch, der seinerseits wiederum in die Insolvenzmasse falle, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht sei. Da der Auszahlungsanspruch jedoch erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes und nach Fertigung der Einkommensteuererklärung fällig werde, komme es im Rahmen der Abwicklung der Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig vor, dass der Auszahlungsanspruch zu einem Zeitpunkt fällig werde, in dem - wie im Streitfall - das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich aufgehoben und in die sogenannte Restschuldbefreiungsphase übergeleitet worden sei. Da der Steuererstattungsanspruch jedoch im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens erwirtschaftet worden sei und damit in die Insolvenzmasse falle, beziehe das Insolvenzgericht diesen Anspruch regelmäßig im Rahmen der sogenannten Nachtragsverteilung im Sinne des § 203 InsO in die Insolvenzmasse ein, damit der Insolvenzverwalter diesen Betrag auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nachträglich zur Masse anfordern könne, um diese Erstattungsansprüche den Gläubigern nachträglich zukommen zu lassen.
18Dieses von der Insolvenzordnung vorgesehene Verfahren werde seit vielen Jahren auch hinsichtlich der Steuererstattungsansprüche der Insolvenzschuldner praktiziert und sei vom Beklagten bislang nicht beanstandet worden. Auf Grund gleichlautender Nachtragsverteilungsbeschlüsse des Insolvenzgerichts seien in den letzten Jahren seitens des Beklagten die jeweils in den Zeitraum der Dauer des Insolvenzverfahrens fallenden Steuererstattungsansprüche an die Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder ausgezahlt worden. Erst auf Grund einer internen Anweisung der Oberfinanzdirektion aus dem Jahre 2010 stehe der Beklagte auf dem Standpunkt, entsprechende Beschlüsse des Insolvenzgerichts seien nicht mehr zu beachten.
19Soweit der Beklagte im Streitfall geltend mache, dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom ....06.2010 fehle es an der ausreichenden Bestimmtheit, so könne dieser Argumentation nicht gefolgt werden. Denn § 35 InsO regele eindeutig, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehöre und das er während dieses Verfahrens erlange, erfasse. Eine Spezifizierung der Steuerart (Einkommen-, Umsatz-, Kfz-Steuer und dergleichen) im Rahmen des Beschlusses über die Anordnung der Nachtragsverteilung erübrige sich damit. Auch sei der Zeitraum eindeutig definiert, auf den sich die Nachtragsverteilung beziehe, nämlich auf die Dauer des Insolvenzverfahrens. Dies bedeute ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bis zur Aufhebung des Verfahrens. Da die Anordnung der Nachtragsverteilung im Rahmen des Aufhebungsbeschlusses erfolgt sei, sei für den Beklagten ohne weitere Recherche erkennbar gewesen, dass Steuererstattungsansprüche im vorliegenden Fall bis zum ....06.2010 - anteilig - massezugehörig seien. Soweit im Rahmen der Einspruchsentscheidung schließlich auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) im Hinblick auf die Anforderungen, die an die Vollstreckbarkeit eines Titels zu stellen seien, verwiesen worden sei, ergebe sich hieraus nichts Gegenteiliges. Zur Bestimmung von Umfang und Grenzen der Rechtskraft diene grundsätzlich nicht nur die Urteilsformel gemäß § 322 ZPO, sondern auch Tatbestand und Entscheidungsgründe, wenn der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft abgegrenzt werden solle. Auch zur Bestimmbarkeit im Rahmen der Vollstreckbarkeit der streitigen Nachtragsverteilung ergebe sich aus den §§ 829 bis 835 ZPO keine anderweitige Beurteilung. Gemäß § 829 ZPO müsse die zu pfändende Forderung so bestimmt bezeichnet sein, dass feststehe, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei, die bezeichnete Pfandforderung müsse von anderen unterschieden werden können, die Feststellung ihrer Identität müsse gesichert sein. Der Rechtsgrund der gepfändeten Forderung müsse deshalb in der Regel wenigstens in allgemeinen Umrissen erkennbar sein. Übermäßige Anforderungen seien für die Bezeichnung der Forderung, die gepfändet werden solle, allerdings nicht zu stellen, da der Gläubiger in der Regel die Verhältnisse des Schuldners nur oberflächlich kenne. Deshalb seien Ungenauigkeiten bei der Bezeichnung der Forderung unschädlich, wenn sie nicht Anlass zu Zweifeln geben würden, welche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner bei der Pfändung gemeint sei. Eine Auslegung sei daher möglich.
20Vorliegend bedürfe es für den Beschluss über die Nachtragsverteilung faktisch keiner Auslegung, da der Umfang der Beschlagnahme, nämlich aller Steuererstattungsansprüchen, die während der Dauer des Insolvenzverfahrens entstanden seien, eindeutig definiert sei. Der Zeitraum der Beschlagnahme sei ebenfalls eindeutig bestimmt und für den Beklagten ohne große Anstrengung zu ermitteln (Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bzw. Aufhebung des Verfahrens).
21Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Insolvenzverfahren im Rahmen des Schlussberichts gegenüber dem Insolvenzgericht vom 06.01.2010 darauf hingewiesen worden sei, dass Einkommensteuererstattungen des Insolvenzschuldners der Jahre 2007 und 2008 zur Insolvenzmasse vereinnahmt worden seien. Da es sich vorliegend um ein sogenanntes Verbraucherinsolvenzverfahren handele, könnten anderweitige Steuererstattungsansprüche - etwa aus Umsatz- oder Körperschaftsteuer - erkennbar nicht zur Anwendung kommen. Da die Einkommensteuererstattungsbeträge aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 seitens des Beklagten auch zur Masse gezahlt worden seien, sei für den Beklagten somit auf Grund der vorangegangenen Festsetzungen und Auszahlungen sowie aus dem Schlussbericht gegenüber dem Insolvenzgericht erkennbar gewesen, dass sich die Nachtragsverteilung, die durch das Insolvenzgericht am ....06.2010 angeordnet worden sei, nur auf die Einkommensteuererstattungsansprüche 2009 und - anteilig 2010 - des Insolvenzschuldners beziehen könne.
22Die Klägerin hat in der Klageschrift beantragt, unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides den Beklagten zu verpflichten, den streitbefangenen Einkommensteuererstattungsanspruch an sie auszuzahlen.
23Sie beantragt nunmehr,
24den Abrechnungsbescheid vom 06.01.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 08.02.2011 aufzuheben,
25sie regt an, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen,
28er regt an, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
29Er steht auf dem Standpunkt, dass der diese Erstattung ablehnende Abrechnungsbescheid bereits deshalb im Ergebnis rechtmäßig sei, weil die formellen Voraussetzungen des § 218 Abs. 1 AO nicht gegeben seien. Die Auskehrung eines Steuererstattungsanspruchs an die Insolvenzmasse setze nämlich eine an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder wirksam bekanntgegebene Steuerfestsetzung voraus, aus der sich der Erstattungsanspruch ergebe. Denn Grundlage für die Erstattung sei ein Steuerbescheid gemäß § 218 AO. Solange ein solcher wirksamer Steuerbescheid nicht existiere, könne der Insolvenzverwalter alleine aus diesem Grunde eine Auszahlung des Erstattungsbetrages an die Insolvenzmasse nicht begehren. Diese Grundsätze würden auch in den Fällen der Nachtragsverteilung uneingeschränkt gelten. Denn soweit eine Nachtragsverteilung wirksam angeordnet worden sei, bestehe die Insolvenzbeschlagnahme im Sinne des § 80 Abs. 1 InsO fort, mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse weiterhin beim früheren Insolvenzverwalter lägen. Er sei deshalb im Bezug auf die betroffenen Gegenstände z.B. befugt, anhängige Prozesse weiter zu führen und erforderlichenfalls neue Prozesse anhängig zu machen. Soweit der Steuerer-stattungsanspruch ihm gegenüber jedoch noch nicht festgesetzt worden sei, habe der Insolvenzverwalter das Recht, einen Antrag auf Steuerfestsetzung zu stellen und - soweit erforderlich - die betreffenden Besteuerungsgrundlagen durch Abgabe einer Steuererklärung mitzuteilen. Sowohl ein Steuerbescheid über die Festsetzung des Erstattungsanspruchs als auch ein Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Steuerfestsetzung seien dem Insolvenzverwalter bekannt zu geben. Da im Streitfall ein Einkommensteuerbescheid für 2009 an die Klägerin nicht bekanntgegeben worden sei und deshalb die formellen Voraussetzungen für eine Erstattung nicht gegeben seien, erweise sich der Tenor des angefochtenen Abrechnungsbescheids bereits aus diesem Grunde als zutreffend.
30Die Klägerin könne den Erstattungsanspruch auch nicht aus dem an den vormaligen Insolvenzschuldner am 13.12.2010 bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid für 2009 herleiten. Denn dieser Bescheid habe den Regelungsinhalt, dass Erstattungsberechtigter eben nicht die Klägerin, sondern der Insolvenzschuldner persönlich sei. Deshalb sei es auch folgerichtig, dass die Erstattung an den vormaligen Insolvenzschuldner vorgenommen worden sei. Denn die Erstattungsberechtigung folge der formellen Bescheidlage.
31Selbst wenn die Klägerin nunmehr noch den Erlass eines an sie als Treuhänderin gerichteten Einkommensteuerbescheides für 2009 beantragen würde, könnte sie den begehrten Erstattungsanspruch dennoch nicht verlangen. Denn die Erstattung der Einkommensteuer an den Insolvenzschuldner am 16.12.2010 sei - mangels eines im Erstattungszeitpunkt hinreichend bestimmten Nachtragsverteilungsbeschlusses - mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt. Die Wirksamkeit eines Nachtragsverteilungsbeschlusses setze unter anderem eine hinreichende Bestimmtheit des beschlagnahmten Erstattungsanspruchs voraus. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass die Nachtragsverteilung nicht die Fortdauer des Insolvenzbeschlags für sämtliche Vermögensgegenstände bewirke. Denn nach der Rechtsprechung des BGH werde von der Nachtragsverteilung nicht das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners, sondern nur der Betrag oder Vermögensgegenstand, auf den sich die Nachtragsverteilungsanordnung beziehe, erfasst. Diese beschränkte Beschlagnahmewirkung der Nachtragsverteilung sei deshalb auch nicht mit den umfassenden Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 35 Abs. 1 InsO vergleichbar. Gerade diese Tatsache mache es aber erforderlich, dass der Umfang der Beschlagswirkung durch eine hinreichende Bestimmung des jeweils betroffenen Vermögensgegenstands - wie bei einer Pfändung - ausreichend konkretisiert werde. Wegen der sich insoweit ergebenen Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden rechtlichen Fragestellungen - hinreichende Bestimmtheit des von der Beschlagnahme bzw. von der Vollstreckung erfassten Erstattungsanspruchs - seien die von der Rechtsprechung zu § 46 AO entwickelten Anforderungen entsprechend auf die Nachtragsverteilungsbeschlüsse anzuwenden. So setze die Wirksamkeit einer Pfändung einer angeblichen Geldforderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner unter anderem die hinreichende Bestimmtheit der Bezeichnung der Forderung voraus. Die Forderung müsse so bestimmt bezeichnet sein, dass sie identifiziert und von anderen Forderungen unterschieden werden könne, und zwar nicht nur seitens des Vollstreckungsgläubigers, des Vollstreckungsschuldners sowie des Drittschuldners, sondern auch durch weitere Gläubiger. Dies erfordere regelmäßig die Angabe des Gegenstandes und Schuldgrundes der Forderung, wobei das zugrunde liegende Rechtsverhältnis wenigstens in allgemeinen Umrissen anzugeben sei. Diesen beschriebenen Anforderungen entsprechend sei von der Rechtsprechung des BFH für die Pfändung von Ansprüchen auf Rückgewähr von Steuern gefordert worden, dass Steuerart und Erstattungsgrund anzugeben seien. Die Voraussetzung der zweifelsfreien Bestimmbarkeit des gepfändeten Anspruchs sei erfüllt, wenn er nach Steuerart und Steuerabschnitt genau bezeichnet sei. Dagegen sei der zu pfändende Anspruch in keinem Fall hinreichend genau bestimmt, wenn der Beschluss weder Angaben zur Steuerart noch zum Steuerabschnitt enthalte. Allgemeine Formulierungen wie "Steuererstattungsansprüche", "Anspruch auf bereits beantragte oder künftige Steuererstattungen" seien nicht ausreichend. Das gleiche gelte, wenn zwar der Steuerabschnitt, nicht jedoch die Steuerart angegeben sei. Denn auch in diesen Fällen fehle es an der zweifelsfreien Bestimmbarkeit des gepfändeten Anspruchs. Angesichts der Vielzahl der in Betracht kommenden mit Steuerrechtsverhältnissen zusammenhängenden Zahlungsansprüche gegen ein Finanzamt sei daher zur Identifizierung und Abgrenzung eines zu pfändenden Erstattungsanspruchs die Angabe der Steuerart unentbehrlich.
32Ausgehend von diesen Grundsätzen sei der im Streitfall zu beurteilende Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts K nicht hinreichend bestimmt und entfalte deshalb keinen Insolvenzbeschlag, da er keine Angabe der Steuerart enthalte. Der Beklagte sei daher dazu verpflichtet gewesen, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 13.12.2010 an den vormaligen Insolvenzschuldner bekanntzugeben und den sich daraus ergebenen Erstattungsanspruch an diesen auszukehren. Insbesondere sei der Beklagte auch nicht dazu verpflichtet gewesen, den nicht hinreichend bestimmten Nachtragsverteilungsbeschluss durch Hinzuziehung des Schlussberichts der Klägerin auszulegen. Denn der Umfang der von der Nachtragsverteilung erfassten Ansprüche müsse sich - wie bei einer Pfändungsverfügung - unmittelbar aus dem Beschluss ergeben. Der Adressat eines solchen Beschlusses sei hingegen nicht dazu verpflichtet, durch Beiziehung weiterer Unterlagen den Beschluss selber zu interpretieren und zu ermitteln, was das Amtsgericht bzw. der den Beschluss beantragende Insolvenzverwalter möglicherweise gemeint haben könnte.
33Das Gericht hat die Insolvenzakte des Amtsgericht K zum Aktenzeichen 1 beigezogen. Aus dieser Akte ist ersichtlich, dass die Klägerin mit Schlussbericht vom 06.01.2010 (Bl. 188 ff.) dem Insolvenzgericht mitgeteilt hat, dass Einkommensteuererstattungen des Insolvenzschuldners für die Jahre 2007 und 2008 zur Insolvenzmasse vereinnahmt worden sind.
34Entscheidungsgründe
35Die Klage hat insgesamt Erfolg.
36I. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage zulässig. Insbesondere wird die Klägerin durch den angefochtenen Abrechnungsbescheid in ihren Rechten verletzt, sodass ihre Klagebefugnis im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO gegeben ist. Der hiergegen gerichtete Einwand des Beklagten, wonach der angegriffene Abrechnungsbescheid seinem Tenor nach selbst dann rechtmäßig wäre, wenn der streitbefangene Nachtragsverteilungsbeschluss entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin hinreichend bestimmt wäre, ist nicht durchgreifend.
371. Nach § 218 Abs. 2 AO wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt, den sogenannten Abrechnungsbescheid, entschieden. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, bei dem es sich nach § 37 Abs. 1 AO ebenfalls um einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis handelt. Gegenstand des Abrechnungsbescheides ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche. Er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch bestehen oder durch einen der in § 47 AO aufgeführten Erlöschenstatbestände ganz oder teilweise erloschen sind (vgl. BFH Urteil vom 28.02.2012 VII R 36/11, BStBl. II 2012, 451).
38Besteht Streit über die Verwirklichung bestimmter Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, besteht auch ein Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids, den die zuständige Finanzbehörde von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen zu erlassen hat, der vom Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen wird oder der vom Finanzamt eine Erstattung begehrt. Ein Abrechnungsbescheid ist insbesondere dann zu erlassen, wenn hinsichtlich Steuererstattungsansprüchen als Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis Uneinigkeit über ihre Verwirklichung zwischen der Finanzbehörde und dem Erstattungsberechtigten besteht.
39Beansprucht daher z.B. ein Insolvenzverwalter die Zugehörigkeit eines Erstattungsanspruchs zur Insolvenzmasse im Wege der Nachtragsverteilung und die Zahlung des entsprechenden Betrages an die Insolvenzmasse, weil dieser, anders als die Finanzbehörde meint, dem Insolvenzbeschlag unterfällt, liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines diesen Erstattungsanspruch betreffenden Abrechnungsbescheids vor. Denn auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter am Steuererhebungsverfahren beteiligt, soweit die Zugehörigkeit nachträglich entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Insolvenzmasse im Streit ist (vgl. BFH Urteil vom 28.02.2012 VII R 36/11, a.a.O.).
40Grundsätzlich wird durch den Abrechnungsbescheid festgestellt, ob und in welcher Höhe eine bestimmte Zahlungsverpflichtung des Steuerpflichtigen oder des Finanzamts zu einem bestimmten Stichtag verwirklicht, d.h. erloschen ist im Sinne des § 47 AO.
41Inhaltlich ist der Abrechnungsbescheid dabei auf die Feststellung beschränkt, ob der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist. Da mit dem Abrechnungsbescheid über die Frage entschieden wird, ob ein Steueranspruch erloschen ist, muss ihm im Zweifel entnommen werden können, ob und gegebenenfalls wodurch die streitige Zahlungsverpflichtung verwirklicht wurde. Der Steuerpflichtige muss aus dem Abrechnungsbescheid also erkennen können, welche Steuerforderung durch welche Tilgungshandlung erloschen ist bzw. mangels Tilgungshandlung noch besteht. Sind sich Finanzbehörde und Steuerpflichtige zwar einig, dass die Steuerforderung erloschen ist, besteht aber Streit über den Erlöschensgrund, hat die Finanzbehörde den ihrer Meinung nach zutreffenden Erlöschensgrund durch Abrechnungsbescheid festzustellen. (vgl. Koenig/Intemann, Kommentar zur Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 218 Rn. 39; Klein/Rüsken, Kommentar zur Abgabenordnung, 12. Auflage 2014, § 218 Rn. 30).
42Ein Abrechnungsbescheid kommt danach unter anderem in Betracht bei Streit über die befreiende Zahlung an einen Dritten, die Auszahlung an den richtigen Erstattungsberechtigten bzw. hinsichtlich der Frage, ob der Erstattungsanspruch erfüllt worden ist oder nicht (vgl. Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung, Stand März 2010, § 218 Rn. 84 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH).
432. Im Streitfall kann die Klägerin geltend machen, durch den angegriffenen Abrechnungsbescheid in ihren Rechten im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO verletzt zu sein, da dieser in seinem Tenor die Aussage und mithin konkrete Feststellung trifft, dass der Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 durch Auszahlung an diesen erloschen ist und diese Feststellung auch gegenüber der Klägerin getroffen worden ist und ihr gegenüber Rechtswirkungen entfaltet.
44Soweit der Beklagte demgegenüber eingewandt hat, der Tenor des angegriffenen Abrechnungsbescheids sei auf alle Fälle rechtmäßig, da er nur die Feststellung beinhalte, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch zustehe, so kann sich der Senat dem nicht anschließen.
45Dass der Klägerin sowohl nach ihrer eigenen Rechtsauffassung - die sie inzwischen eingenommen hat - als auch nach der Rechtsmeinung des Beklagten kein Anspruch auf die Auszahlung des Einkommensteuererstattungsbetrages des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 zusteht, ändert nichts an ihrer Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO. Denn nach dem Rechtsvortrag der Klägerin hat der Nachtragsverteilungsbeschluss zu einer wirksamen Insolvenzbeschlagnahme dieses Erstattungsanspruchs geführt, sodass ein entsprechender Einkommensteuerbescheid nur ihr gegenüber wirksam hätte bekannt gegeben werden können. Da aber ein Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2009 ihr gegenüber nicht bekanntgegeben worden ist, sondern lediglich gegenüber dem Insolvenzschuldner, ohne einen entsprechenden Steuerbescheid gemäß § 218 Abs. 1 AO aber auch ein aus Überzahlungen resultierender Steuererstattungsanspruch nicht geltend gemacht werden kann (vgl. Koenig/Intemann, Kommentar zur Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 218 Rn. 10; Klein/Rüsken, Kommentar zur Abgabenordnung, 12. Auflage 2014, § 218 Rn. 5), besteht ein solcher Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Erstattungsanspruchs ‑ zumindest derzeit - nicht.
46Nach dem Rechtsvortrag des Beklagten besteht ein solcher Erstattungsanspruch der Klägerin hingegen deshalb nicht, weil wegen der Unbestimmtheit des Nachtragsverteilungsbeschlusses kein wirksamer Insolvenzbeschlag hinsichtlich des Einkommensteuererstattungsanspruchs des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 eingetreten ist, sodass der Einkommensteuerbescheid diesem gegenüber wirksam bekanntgegeben worden ist und der hieraus resultierenden Erstattungsbetrag mit schuldbefreiender Wirkung an diesen ausgezahlt werden konnte.
47Entgegen der Auffassung des Beklagten enthält der Tenor des angegriffenen Abrechnungsbescheides jedoch nicht lediglich die Feststellung, der Klägerin stehe ein solcher Erstattungsanspruch nicht zu. Vielmehr wird im Rahmen dieses Abrechnungsbescheides mit Wirkung für alle Beteiligten, also sowohl für die Finanzbehörde als auch für den Insolvenzschuldner und auch für den Insolvenzverwalter als potentiellen - weiteren - Erstattungsberechtigen festgestellt, dass der betreffende Erstattungsanspruch zum einen durch einen wirksam bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid die nach § 218 Abs. 1 AO erforderliche formelle Grundlage besitzt und zum anderen durch eine schuldbefreiende Zahlung an den Insolvenzschuldner gemäß § 47 AO erloschen ist.
48Diese Feststellung wäre jedoch bereits im Hinblick darauf, dass der Einkommensteuerbescheid 2009 im Falle eines durch den Nachtragsverteilungsbeschluss eingetretenen Insolvenzbeschlags an die Klägerin hätte bekanntgegeben werden müssen und mithin ein entsprechender Erstattungsanspruch als formelle Grundlage für seine Geltendmachung noch gar nicht existiert, unzutreffend.
49Der angegriffene Abrechnungsbescheid beschränkt sich daher in seinem Tenor nicht lediglich auf die als solche an sich nicht unzutreffende Feststellung, dass der Klägerin ein solcher Erstattungsanspruch nicht zusteht. Er umfasst vielmehr desweiteren auch die Feststellung des Erlöschensgrundes im Sinne des § 47 AO, nämlich die Verwirklichung des Erstattungsanspruchs durch Auszahlung an den Insolvenzschuldner. Gerade diese Feststellung im Tenor des Abrechnungsbescheides ist jedoch unzutreffend, wenn der Erstattungsanspruch in den Insolvenzbeschlag gefallen ist und mithin weder der Einkommensteuerbescheid 2009 dem Insolvenzschuldner wirksam bekannt gegeben, noch die Auszahlung des Erstattungsbetrages an ihn mit schuldbefreiender Wirkung vorgenommen werden konnte, also nicht zu einem Erlöschen führen konnte.
50II. Die Klage ist auch begründet. Denn zu Unrecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts K vom ....06.2010 nicht hinreichend bestimmt gewesen sei und der Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 daher nicht dem Insolvenzbeschlag unterlegen habe. Die Feststellung im angegriffenen Abrechnungsbescheid, wonach der streitbefangene Einkommensteuererstattungsanspruch durch Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner erloschen ist, ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
51Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig, da die in seinem Tenor enthaltene Feststellung, dass der Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für 2009 durch Auszahlung dieses Erstattungsbetrages an ihn verwirklicht worden und mithin erloschen ist im Sinne des § 47 AO, unzutreffend ist. Denn nach §§ 37 Abs. 2, 47 AO erlischt ein Steuererstattungsanspruch nur, wenn die Finanzbehörde das Guthaben dem nach dem materiellen Steuerrecht Erstattungsberechtigten ausgezahlt hat.
52Denn aufgrund des hinreichend bestimmten Nachtragsverteilungsbeschlusses des Amtsgerichts K unterfiel der Erstattungsanspruch dem Insolvenzbeschlag, sodass dieser nicht mit befreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner ausgezahlt werden konnte.
531. Zur Insolvenzmasse, über die der Insolvenzschuldner gem. § 80 der Insolvenzordnung kein Verwaltungs- und Verfügungsrecht hat, gehört nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BFH als auch des BGH hinsichtlich der Zugehörigkeit von Ansprüchen zur Insolvenzmasse nicht auf den Zeitpunkt der Vollrechtsentstehung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist. Ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört daher zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.
54Der Rechtsgrund für eine Erstattung der Einkommensteuer wird bereits mit der Leistung der entsprechenden Vorauszahlungen gelegt, denn bereits in diesem Zeitpunkt erlangt der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlungen unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer ist als die Summe der Vorauszahlungen.
55Werden erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche des Schuldners ermittelt, die vor oder während des Insolvenzverfahrens in insolvenzrechtlicher Hinsicht begründet wurden und somit zur Insolvenzmasse gehörten, können sie Gegenstand einer Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 InsO sein. Wird die Nachtragsverteilung angeordnet, so besteht die Insolvenzbeschlagnahme im Sinne des § 80 Abs. 1 InsO fort, mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim früheren Insolvenzverwalter liegt (vgl. BFH Urteil vom 28.02.2012 VII R 36/11, a.a.O.).
562. Im Streitfall hat der Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts K vom ....06.2010, mit dem hinsichtlich etwaiger - auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallender - Steuererstattungsansprüche die Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 InsO angeordnet wurde, zu einer Beschlagnahme des Einkommensteuererstattungsanspruchs für das Jahr 2009 nach § 80 Abs. 1 InsO geführt.
57Entgegen der Auffassung des Beklagten, die sich maßgeblich auf die Verwaltungsanweisung im AEAO zu § 251 Nr. 14 stützt, ist dieser Nachtragsverteilungsbeschluss nicht zu unbestimmt und daher nicht unwirksam im Hinblick auf die gegenständliche Erfassung der Steuererstattungsansprüche.
58a) Der Senat geht aus den nachfolgenden Gründen von einer ausreichenden Bestimmtheit derjenigen Steuererstattungsansprüche aus, die durch den Nachtragsverteilungsbeschluss vom ....06.2010 erfasst worden sind.
59aa) So ist es für die zeitliche Konkretisierung ausreichend, dass der Beschluss die „auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallenden“ Steuererstattungsansprüche der Nachtragsverteilung und damit dem Insolvenzbeschlag unterstellt.
60Damit ist für alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere auch die Finanzverwaltung aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung (§ 30 InsO) und der Aufhebung (§ 200 InsO) oder Einstellung (§ 215 InsO) des Insolvenzverfahrens ersichtlich geworden, dass es im Streitfall um diejenigen Steuererstattungsansprüche gegangen ist, die während der Dauer des Insolvenzverfahrens zwischen dem ...07.2008 und dem ....06.2010 entstanden sind.
61bb) Aber auch in gegenständlicher Hinsicht ist der Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts K vom ....06.2010 hinreichend bestimmt.
62aaa) Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Bundesfinanzhof die Wirksamkeit der Pfändung eines Steuererstattungsanspruchs nach § 46 Abs. 6 AO u.a. von der hinreichenden Bestimmtheit der Bezeichnung der zu pfändenden Forderung abhängig macht. Die Forderung muss dabei so bestimmt bezeichnet sein, dass sie identifiziert und von anderen Forderungen unterschieden werden kann, und zwar nicht nur seitens des Vollstreckungsgläubigers, des Vollstreckungsschuldners sowie des Drittschuldners, sondern auch durch weitere Gläubiger. Dies erfordert nach Auffassung des BFH regelmäßig die Angabe des Gegenstandes und des Schuldgrundes der Forderung, wobei das zugrundeliegende Rechtsverhältnis wenigstens in allgemeinen Umrissen anzugeben ist.
63Welche Anforderungen jeweils zu stellen sind, hängt danach von den Umständen des Einzelfalls ab. Zur Auslegung dürfen nur objektive Gesichtspunkte herangezogen werden, die sich aus dem Inhalt des Pfändungsbeschlusses ergeben oder offenkundig sind.
64Diesen Anforderungen entsprechend wird für die Pfändung von Ansprüchen auf Rückgewähr von Steuern verlangt, dass Steuerart und Erstattungsgrund angegeben werden. Dabei ist die generelle Bezeichnung der gepfändeten Forderung als „Steuererstattungsansprüche“ nach Auffassung des BFH nichtssagend und unbestimmt (vgl. BFH Urteile vom 01.06.1989 V R 1/84, BStBl. II 1990, 35; vom 01.04.1999 VII R 82/98, BStBl. II 1999, 439; vom 12.07.2001 VII 19, 20/00, BStBl. II 2002, 67).
65Dagegen wird vom BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung eine ausdrückliche Bezeichnung des gepfändeten Steuererstattungsanspruchs nach dem Veranlagungszeitraum nicht verlangt. Der Bundesfinanzhof hält eine solche Angabe vielmehr für entbehrlich.
66bbb) Der Senat hält jedoch diese für die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen geltenden strengen Anforderungen für deren ausreichend bestimmte Bezeichnung im Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Nachtragsverteilungsbeschlüsse gemäß § 203 Abs. 1 InsO für nicht geboten.
67Der Unterschied zwischen einem insolvenzrechtlichen Nachtragsverteilungsbeschluss und einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss besteht zunächst einmal darin, dass bei Letzterem der einzelne Gläubiger in seinem eigenen Interesse handelt und daher eigenständig entscheiden kann und muss, welche Ansprüche seines Schuldners er im Einzelnen pfänden möchte. Dagegen obliegt es sowohl dem Insolvenzgericht von Amts wegen als auch dem Insolvenzverwalter kraft seiner Pflichtenstellung, dafür Sorge zu tragen, dass im Interesse der Gläubigergemeinschaft sämtliche denkbaren Ansprüche und Vermögensgegenstände auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch zur Insolvenzmasse gezogen werden. Gerade dieses Handeln im Eigeninteresse gegenüber einem pflichtgebundenen Handeln im Gemeinschaftsinteresse rechtfertigt es, dass der Pfändungsgläubiger im Interesse aller Beteiligter, insbesondere auch gegenüber den übrigen Gläubigern, zu erkennen gibt, welche Steuerforderung er nun im Einzelnen pfänden möchte.
68Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach § 46 Abs. 6 AO die Pfändung eines Steu- ererstattungsanspruchs nur dann wirksam ist, wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. der Pfändungs- und Einziehungsverfügung dieser Anspruch bereits entstanden ist. Da dieser Entstehungszeitpunkt je nach Art der Überzahlung durch Vorauszahlungen oder Steuerabzug und je nach Steuerart durchaus unterschiedlich sein kann, besteht die Notwendigkeit klarzustellen, welcher Steuererstattungsanspruch von der Pfändung erfasst werden soll. Nur auf diesem Wege kann festgestellt werden, ob der betreffende Steuererstattungsanspruch im Zeitpunkt der Pfändung bereits entstanden war, die Pfändung mithin wirksam ist.
69Ein solches Erfordernis besteht im Rahmen des Erlasses eines Nachtragsverteilungsbeschlusses nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 - 3 InsO hingegen nicht. In den Insolvenzbeschlag aufgenommen werden können vielmehr auch zukünftig entstehende Forderungen, soweit in ausreichendem Maße erkennbar ist, dass es sich um Beträge im Sinne des § 203 Abs. 1 Nr. 1 - 3 InsO handelt, die also entweder zurückbehalten wurden, aus der Insolvenzmasse gezahlt wurden und nunmehr - nach Beendigung des Insolvenzverfahrens - an diese zurückfließen oder die als Gegenstände der Masse nachträglich ermittelt worden sind (vgl. Hintzen in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Auflage 2013, § 203 Rn. 12 ff.; Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, 13, Auflage 2010, § 203 Rn. 4 ff.; Schmidt/Jungmann, Kommentar zur InsO, 18. Auflage 2013, § 203 Rn. 3 ff.). Entscheidend ist somit, dass es sich um Vermögensgegenstände handelt, die zur Insolvenzmasse gehören, also nicht zum insolvenzfreien Vermögen und ihren Entstehungsgrund in der Zeit vor oder während des Insolvenzverfahrens haben, und die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erst jetzt, nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, für eine Verteilung zur Verfügung stehen.
70War dem Insolvenzgericht aber aus dem Schlussbericht der Klägerin vom 06.01.2010 bekannt, dass es für die Vorjahre 2007 und 2008 zu Einkommensteuererstattungen gekommen ist, so bestand für das Insolvenzgericht auch die konkrete Möglichkeit, dass es auch für 2009 zu einer entsprechenden Einkommensteuererstattung kommen würde. Mithin konnte das Insolvenzgericht einen solchen Steuererstattungsanspruch auch unabhängig vom Zeitpunkt seiner konkreten Entstehung in die Nachtragsverteilung mit einbeziehen.
71Berücksichtigt man dabei, dass sowohl das Insolvenzgericht als auch der Insolvenzverwalter in jeder Phase eines Insolvenzverfahrens auf die berechtigten Interessen der Gläubiger angemessen Rücksicht zu nehmen haben, um sich nicht dem Vorwurf der Amtspflichtverletzung (vgl. zu den Aufsichtspflichten des Insolvenzgerichts § 58 InsO) bzw. der Gefahr einer Haftungsinanspruchnahme (vgl. zur Haftung des Insolvenzverwalters § 60 Abs. 1 InsO) gegenüber den Gläubigern aussetzen, so wird erkennbar, dass sowohl das Insolvenzgericht als auch der Insolvenzverwalter im Rahmen der Nachtragsverteilung dafür Sorge tragen müssen, dass alle möglichen und denkbaren Vermögensgegenstände - nach der Terminologie des § 203 Abs. 1 InsO „Beträge“ - , die noch zur Insolvenzmasse zählen, weil sie nicht zum insolvenzfreien Vermögen gehören und vor oder während des Insolvenzverfahrens entstanden sind, im Rahmen der Nachtragsverteilung in den Insolvenzbeschlag einbezogen werden.
72Von daher können weder das Insolvenzgericht noch der Insolvenzverwalter zuwarten, bis ihnen durch Befragen des Insolvenzschuldners, aus den Gesamtumständen oder anderen Erkenntnisquellen bekannt wird, dass der Insolvenzschuldner möglicherweise noch Steuererstattungsansprüche aus der Einkommensteuer oder einer anderen Steuerart zustehen. Unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens eines solchen Steuererstattungsanspruchs ist es vielmehr die Pflicht und die Aufgabe von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter, durch einen frühzeitigen Nachtragsverteilungsbeschluss den Insolvenzbeschlag und damit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters - trotz Beendigung des Insolvenzverfahrens - über alle in Betracht kommenden Steuererstattungsansprüche wieder herzustellen, sodass eine etwaige Steuererstattung zur Insolvenzmasse eingezogen werden kann. Denn ein Zuwarten mit einem entsprechenden Nachtragsverteilungsbeschluss eröffnet dem Insolvenzschuldner die Möglichkeit durch Abgabe einer Steuererklärung einen wirksamen Steuerbescheid und eine schuldbefreiende Auszahlung eines Steuererstattungsbetrages an sich selbst zu erwirken.
73Obliegt damit dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sämtliche zur Insolvenzmasse gehörenden Steuererstattungsansprüche in den Insolvenzbeschlag mit einbezogen werden, und wäre für diese Einbeziehung die ausdrückliche Benennung der jeweiligen Steuerart im Nachtragsverteilungsbeschluss erforderlich, so müssten Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter zur Vermeidung von Pflichtverletzungen und Haftungsinanspruchnahmen vorbeugend bzw. zur Sicherheit im Nachtragsverteilungsbeschluss die Steuererstattungsansprüche aller denkbaren Steuerarten aufführen.
74Da das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der von einem Nachtragsverteilungsbeschluss erfassten Steuererstattungsansprüche keinen Selbstzweck darstellt, sondern den schutzwürdigen Interessen der Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls des Rechtsverkehrs allgemein dienen soll, wäre ein solches Erfordernis nur zu rechtfertigen, wenn ansonsten die Finanzverwaltung sich in diesen Fällen regelmäßig der Gefahr aussetzen würde, Steuererstattungen ohne schuldbefreiende Wirkung an den Insolvenzschuldner auszuzahlen und sich um deren Rückerstattung bei diesem mit ungewissem Erfolg bemühen zu müssen.
75Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass anders als die Eröffnung, Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens, der Nachtragsverteilungsbeschluss nicht öffentlich bekannt gemacht wird, sondern nach § 204 Abs. 2 InsO nur dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzschuldner und, wenn ein Gläubiger die Nachtragsverteilung beantragt hat, diesem Gläubiger zugestellt wird (in welchen Fällen eine öffentliche Bekanntmachung zu erfolgen hat, regelt die Insolvenzordnung im Einzelfall, vgl. Schmidt/Stephan, Kommentar zur InsO, 18. Auflage 2013, § 9 Rn. 4; Ganter/Lohmann in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Auflage 2013, § 9 Rn. 7 ff.).
76Selbst wenn daher ein Nachtragsverteilungsbeschluss die Steuererstattungsansprüche einer bestimmten Steuerart aufführt, müsste auch dann noch die Finanzverwaltung durch eigene innerorganisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass diese Sach- und Rechtslage der zuständigen Stelle der Finanzverwaltung rechtzeitig bekannt wird, bevor der Erstattungsbetrag ausgezahlt wird.
77Zwar trifft es zu, dass die konkrete Benennung einer Steuererstattung z.B. im Bereich der Kraftfahrzeugsteuer oder Grunderwerbsteuer im Nachtragsverteilungsbeschluss der Finanzverwaltung eher Veranlassung geben würde, die zuständigen Stellen, die zumeist zentralisiert sind und sich in der Regel nicht beim Wohnsitzfinanzamt des Steuerschuldners befinden, gezielt zu informieren. Andererseits werden aber auch diese Stellen über die Eröffnung und Beendigung des Insolvenzverfahrens informiert werden, da sie in der Zwischenzeit gegenüber dem Insolvenzschuldner keine Verwaltungsakte mehr wirksam erlassen können und nach der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung nach § 82 InsO auch keine Steuererstattungen mehr mit befreiender Wirkung an diesen erbringen können.
78Sind diese Stellen aber von der Eröffnung und Beendigung des Insolvenzverfahrens zeitgerecht zu informieren, so muss dies auch für die Mitteilung über einen Nachtragsverteilungsbeschluss gelten, unabhängig davon, ob dieser Beschluss z.B. die Kraftfahrzeugsteuer ausdrücklich anspricht. Gesichtspunkte der Praktikabilität stehen dem nicht entgegen. Denn auch der Finanzverwaltung ist bekannt, dass es der Pflicht sowohl des Insolvenzgerichts als auch des Insolvenzverwalters entspricht, sämtliche zur Insolvenzmasse gehörenden Steuererstattungsansprüche im Interesse der Gläubigergemeinschaft in den Insolvenzbeschlag mit einzubeziehen. Angesichts dieser umfassenden Verpflichtung ist es aber zwangsläufig, dass sich ein Nachtragsverteilungsbeschluss, der sich auf die während der Dauer des Insolvenzverfahrens entfallenden Steuererstattungsansprüche bezieht, die Steuererstattungsansprüche hinsichtlich aller Steuerarten meint. Vielmehr sind keine sachlichen Gründe dafür erkennbar, dass insoweit einzelne Steuerarten nicht erfasst sein sollten.
79Der Senat geht somit davon aus, dass es den schutzwürdigen Interessen der Finanzverwaltung nicht zuwiderläuft, wenn diese durch innerorganisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen hat, dass nicht nur die Insolvenzeröffnung und deren Beendigung allen hiervon betroffenen Stellen zur Kenntnis gebracht wird, sondern dass auch ein Nachtragsverteilungsbeschluss in identischer Art und Weise allen beteiligten Behörden bekannt gegeben werden muss. Genauso wie die Finanzverwaltung bei der Insolvenzeröffnung intern klären muss, welche Stellen außer dem Wohnsitzamt zu informieren sind, muss dies auch für die Information bezüglich eines Nachtragsverteilungsbeschlusses gelten. Die Pflicht zur internen Information über den Nachtragsverteilungsbeschluss entspricht insoweit nur spiegelbildlich dem Informationsverhalten anlässlich der Insolvenzeröffnung.
80Abgesehen davon geht es in diesem Fall ja nicht nur um die schuldbefreiende Auszahlung des Steuererstattungsanspruchs, sondern auch um die Frage, ob auch ein wirksamer Bescheid, der die formelle Grundlage im Sinne des § 218 Abs. 1 AO für den Erstattungsanspruch und seine Auszahlung bildet, gegenüber dem Insolvenzschuldner ergehen konnte, oder gegenüber dem Insolvenzverwalter hätte ergehen müssen.
81Dies bedeutet, dass ebenso wie die betreffenden Stellen der Finanzverwaltung, die die Kraftfahrzeugsteuer oder Grunderwerbsteuer oder andere Steuerarten verwalten, während der Dauer des Insolvenzverfahrens keine Steuererstattungen mit befreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner auszahlen können, können sie dies auch nicht im Anschluss an die Beendigung eines Insolvenzverfahrens tun, soweit diese Erstattungsansprüche auf Zeiträume entfallen, die zum Neuerwerb nach § 35 InsO gehören und mit dem Insolvenzbeschlag belegt sein könnten, soweit eine Nachtragsverteilung angeordnet worden ist. Die Finanzverwaltung insgesamt ist in diesen Fällen durch das Insolvenzverfahren als solches bereits hinreichend „sensibilisiert“, sodass man auch nach dessen Beendigung verlangen kann, dass vor der Auszahlung von Steuererstattungsansprüchen, die in den Insolvenzzeitraum fallen, geklärt wird, ob für diese eine Nachtragsverteilung beschlossen worden ist. Dieses Vorgehen bietet sich schon im Hinblick auf den wirksamen Erlass eines Steuerbescheides an.
82Von dieser Pflicht zur umfassenden Information aller Stellen der Finanzverwaltung über den Nachtragsverteilungsbeschluss würde der Senat die Finanzbehörden nur dann entbunden sehen, wenn im Nachtragsverteilungsbeschluss nur die Steuererstattungsansprüche einer bestimmten Steuerart angesprochen wären. Dann würde sich angesichts dieser sachlichen Einschränkung der Insolvenzbeschlag tatsächlich auf diese Steuerart beschränken und die Information anderer Stellen sich erübrigen.
83b) Der Beklagte kann sich für seine Rechtsauffassung nicht auf einschlägige Entscheidungen der Finanz- und Zivilgerichte berufen.
84So trifft es zwar zu, dass dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28.08.2014 (8 K 3677/13 E, juris) sowie dem Beschluss des BGH vom 13.02.2014 (IX ZB 23/13, BFH/NV 2014, 1008), Nachtragsverteilungsbeschlüsse zugrundelagen, in denen die Nachtragsverteilung hinsichtlich solcher Steuererstattungsansprüche angeordnet wurde, die der Steuerart und dem Veranlagungszeitraum nach konkretisiert waren. Die Entscheidungen verhielten sich aber zu anderweitigen Problemstellungen - nämlich zum Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs bei Restschuldbefreiung und Ablauf der Abtretungsfrist bzw. zu den steuerlichen Pflichten des Treuhänders bei angeordneter Nachtragsverteilung. Die Entscheidungen enthielten jedoch keine Aussage dazu, in welchem Umfang Steuererstattungsansprüche in einem Nachtragsverteilungsbeschluss gegenständlich und zeitlich näher bezeichnet werden müssen. Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich diesen Entscheidungen somit nicht entnehmen, dass ein Nachtragsverteilungsbeschluss, der sich auf Steuererstattungsansprüche bezieht, nur dann hinreichend bestimmt ist, wenn die Steuerart und der Veranlagungszeitraum benannt werden.
85Demgegenüber ist vielmehr darauf hinzuweisen, dass sowohl das Finanzgericht Berlin Brandenburg in der Entscheidung vom 16.12.2010 (10 K 15202/09, EFG 2011, 1307) als auch der BFH in der Nachfolgeentscheidung vom 28.02.2012 (VII R 36/11, a.a.O.) einen Vorbehalt der Nachtragsverteilung hinsichtlich vor und während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeter Ansprüche auf Steuererstattung als ausreichend bestimmt angesehen haben. Die betreffenden Entscheidungen lassen gerade nicht erkennen, dass insoweit eine konkretisierende Angabe der Steuerart bzw. des Veranlagungszeitraums als erforderlich angesehen wurde. Auch das FG Köln (Urteil vom 06.08.2014, 12 K 791/11) hat eine Bezugnahme des Nachtragsverteilungsbeschlusses auf „eventuelle“ Erstattungsansprüche als ausreichend bestimmt angesehen, da diese Formulierung den Betroffenen die einfache Ermittlung der insoweit relevanten Erstattungsansprüche ermögliche (auch Lissner, BB 2013, 1495, sieht es als selbstverständlich an, dass die Nachtragsverteilung alle in Betracht kommenden Steuererstattungsansprüche erfasst; danach stellt die Benennung „aller“ Steuerarten in dem Beschluss einen übertriebenen „Formalismus“ dar).
86III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Dass die Klägerin ursprünglich neben der Aufhebung des Abrechnungsbescheides die Auszahlung des Erstattungsbetrages an sich beantragt hat und dieses Begehren im Verlaufe des Verfahrens nicht weiter verfolgt hat, führt nur zu einem geringfügigen Unterliegen, da die maßgebliche Bedeutung des vorliegenden Verfahrens in der Entscheidung über die Aufhebung des Abrechnungsbescheides liegt.
87IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
88V. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da bislang noch keine höchstrichterliche Entscheidung des BFH zu der Frage vorliegt, welchen Bestimmtheitserfordernissen ein Nachtragsverteilungsbeschluss des Insolvenzgerichts genügen muss, damit von einer wirksamen Insolvenzbeschlagnahme von Steuererstattungsansprüchen ausgegangen werden kann.
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