Urteil vom Finanzgericht Nürnberg - 3 K 99/18

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

Streitig sind die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten wegen Erbstreitigkeiten in Höhe von 8.979 € für das Jahr 2011 und in Höhe von 16.478 € für das Jahr 2012 als außergewöhnliche Belastung.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die in den Streitjahren 2011 und 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Kläger Regierungsdirektor an der Berufsschule) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Zusätzlich hatte die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Da die Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärungen für 2011 und 2012 abgegeben hatten, führte das Finanzamt mit Bescheiden vom 28.01.2015 Schätzungsveranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch.

Die Kläger erhoben Einspruch.

Mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung i.H.v. 31.218 € für das Jahr 2011 und i.H.v. von 16.478 € für 2012 als Aufwendungen für außergewöhnliche Belastung geltend.

Die Kläger legten Rechnungen der Rechtsanwaltskanzlei A aus dem Jahr 2009, Vollstreckungsbescheide aus dem Jahr 2010 und eine Auflistung vom 28.04.2015 über Zahlungseingänge in der Kanzlei A vor. Als Zahlungseingänge bestätigt die Kanzlei Beträge über insgesamt 8.978,79 € in 2011 und über 16.478 € in 2012. Als Betreff wird in den Rechnungen der Kanzlei die Nachlasssache X sowie die Verfahren Z gegen X und Z gegen die M (Bank) angegeben.

Das Finanzamt veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheiden für 2011 vom 24.09.2015 sowie für 2012 vom 28.08.2015 gemäß den eingereichten Steuererklärungen unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.

Dabei wurde aber gemäß den Schreiben des Finanzamts vom 14.09.2015 und vom 20.07.2015 nicht über die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten für Erbstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung entschieden, da der Einspruch insoweit ruhe, bis die entsprechenden Verfahren (Az. VI R 17/14 und VI R 70/14) durch den BFH entschieden worden seien.

Das Finanzamt nahm mit Schreiben vom 19.10.2017 die Einspruchsbearbeitung beider Einsprüche wieder auf und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 21.12.2017 als unbegründet zurück.

Die Kläger haben Klage erhoben.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass die Rechtsanwaltskosten aus dem Rechtsstreit aus der Erbauseinandersetzung Z - X herrühren würden. Zum strittigen Nachlass hätten Betriebsgebäude und Lagerflächen eines Gewerbebetriebes gehört, die für den Fortbestand der Firma zwingend erhalten werden mussten, damit die vorhandenen Arbeitsplätze gesichert werden konnten. Das sozialversicherungspflichtige Arbeitseinkommen würde für den Arbeitnehmer die Lebensgrundlage darstellen, sodass bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers - in diesem Fall also der Kläger - ein existenziell wichtiger Bereich menschlichen Lebens berührt werde. Ohne den Rechtsstreit wären die Kläger Gefahr gelaufen, dass ihre Arbeitnehmer ihre Existenzgrundlage verloren hätten und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr hätten befriedigen können. Eine befriedigende Lösung der Erbauseinandersetzung sei nur durch juristischen Beistand möglich gewesen, da bereits der Versteigerungstermin für die betrieblichen Gebäude festgesetzt gewesen sei und eine Versteigerung erst im letzten Moment hätte verhindert werden können.

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ergänzend vorgetragen, dass der Vater der Klägerin am xx.12.2000 verstorben sei. Da dieser keine testamentarische Erbfolge getroffen habe, sei es zur gesetzlichen Erbfolge gekommen. Danach seien die Mutter der Klägerin zu 50% und die Klägerin und ihr Bruder jeweils zu 25% Erben geworden. Zur Erbschaft hätten die X GmbH und verschiedene im Alleineigentum des Vaters der Klägerin befindliche Vermögensgegenstände wie Grundstücke, Betriebsgebäude und Maschinen gehört. Ab 2002 habe der Sohn S nach Abschluss seines Studiums das Unternehmen als Einzelunternehmen fortgeführt. Er habe dazu von der Erbengemeinschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen gepachtet. Die Klägerin sei seit 1978 in der X GmbH und dann ab 2002 im Einzelunternehmen ihres Sohnes beschäftigt gewesen. Der Sohn S habe auch andere Arbeitnehmer in sein Einzelunternehmen übernommen.

Bereits ab dem Todesfall sei es zu Streitigkeiten mit der Erbengemeinschaft und der Bank gekommen. Die Kläger seien in diesen Rechtsstreitigkeiten ab dem Jahr 2003 durch die Kanzlei A vertreten worden. So sei die Klägerin ab Januar 2001 als Erbin des Vaters von der Bank wegen einer von diesem für den Bruder eingegangenen Bürgschaft angegangen worden. Der Bruder habe hingegen die Erbschaft ausgeschlagen und an seine Stelle als Erbe seien seine Söhne getreten. Die Mutter habe wegen der Inanspruchnahme durch die Bank Privatinsolvenz beantragt. Die M habe ungefähr im Jahr 2008 die Zwangsversteigerung der Grundstücke der Erbengemeinschaft (8.000 qm) betrieben. Dies habe sie mit Einschaltung des Rechtsanwaltes versucht, zu verhindern.

Es habe sich erst im Laufe der Zeit nach dem Versterben des Vaters herausgestellt, welches Chaos der Bruder im Betrieb angerichtet habe. Deshalb sei sie nach dem Tod des Vaters auch gar nicht auf die Idee gekommen, die Erbschaft auszuschlagen. Zudem sei es in der Familie besprochen gewesen, dass die Firma von S weitergeführt werden sollte. Zur Zeit des Erbfalls hätten im Falle der Ausschlagung der Erbschaft lediglich die Einkünfte aus dem Einkommen des Klägers und den Erträgen aus der Landwirtschaft im Nebenerwerb zur Verfügung gestanden.

Die Möglichkeit, eine Nachlassinsolvenzverwaltung zu beantragen, sei damals nicht in Betracht gezogen worden. Zum einen sei die Firma sehr gut gelaufen, habe einen hervorragenden Ruf gehabt und die Auftragsbücher seien voll gewesen. Der damalige Steuerberater habe auch nicht auf die Möglichkeit einer Nachlassinsolvenzverwaltung hingewiesen, sodass sie davon nicht gewusst hätten.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 24.09.2015 und für 2012 vom 28.08.2015 beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.12.2017 dahin zu ändern, dass Aufwendungen für außergewöhnliche Belastung i.H.v. 8.979 € für 2011 und i.H.v. 16.478 € für 2012 angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar könne sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess - unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war - der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reiche jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen.

Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG angefallen seien, sei die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt habe. Kosten eines Zivilprozesses seien daher grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sei. Daran fehle es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess.

Nur wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühre, könne jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich sei, und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen sei.

Im Streitfall sei die materielle Existenzgrundlage aber nicht berührt. Eine durch die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens möglicherweise verursachte Gefährdung der Existenzgrundlage der Arbeitnehmer, reiche nicht aus. Es komme auf die Gefährdung der Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen selbst an.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Finanzamts ergänzend vorgetragen, dass die Kläger die Prozesskosten durch Ausschlagung der Erbschaft hätten vermeiden können. Auch wenn die Ausschlagungsfrist abgelaufen gewesen sein sollte, hätte die Möglichkeit der Beschränkung der Haftung auf den übernommenen Nachlass durch die Nachlassinsolvenzverwaltung bestanden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift, die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht vom Finanzamt überlassenen Einkommensteuerakten, die Bilanzakten für das Gewerbe Vermietung von Ferienwohnungen jeweils für die Jahre 2011 bis 2012, ein Band Betriebsprüfungsakten, ein Band Dauerunterlagen und die Rechtsbehelfsakte der Kläger mit der Steuernummer …/…/… verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 24.09.2015 und für 2012 vom 28.08.2015 beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.12.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 15. Juni 2016 VI R 29/15, BFH/NV 2016, 1550; vom 10. März 2016 VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011; vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800; Schmidt/Loschelder, EStG 37. Auflage, § 33 Rz. 35 „Prozesskosten“).

1. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH aber im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Nur wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BStBl II 1996, 596 und in BFH/NV 2009, 553).

2. Dann nahm der BFH in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Das BMF ordnete mit Schreiben vom 20.12.2011 (IV C 4- S2284/07/0031; BStBl. I 2011, 1286) an, dieses Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall anzuwenden. Der BFH kehrte sodann unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück (BFH-Urteile vom 10. März 2016 - VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011; vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800).

3. Kosten eines Zivilprozesses sind nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits. Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile vom 15. Juni 2016 VI R 29/15, BFH/NV 2016, 1550; vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800; BFH-Beschluss vom 21. Februar 2018 VI R 11/16, DStR 2018, 1114). Dies gilt für alle Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2012 (BFH-Beschluss vom 21. Februar 2018 VI R 11/16, DStR 2018, 1114; Schmidt/Loschelder, EStG 37. Auflage, § 33 Rz. 35 „Prozesskosten“; Mellinghoff in Kirchhof, EStG 17. Auflage, § 33 Rz. 47c). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

4. Nach diesen Maßstäben liegen bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten im Streitfall die Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastungen der Kläger nicht vor. Die Kläger haben nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die zivilprozessuale Auseinandersetzung mit der Bank und den Mitgliedern der Erbengemeinschaft existenziell wichtige Bereiche der Kläger oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt hat und die Steuerpflichtigen ohne den Rechtsstreit in Gefahr geraten wären, die Existenzgrundlage zu verlieren und die lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Dies gilt jedenfalls, wenn - wie im Streitfall - den Steuerpflichtigen ausreichend andere nicht streitbefangene Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen und sie durch eine Ausschlagung der Erbschaft, einen Antrag auf Nachlassverwaltung oder durch einen Antrag auf Nachlassinsolvenzverwaltung erreichen konnten, dass durch die Erbauseinandersetzung keine Rechtsanwaltskosten entstehen.

a) Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie ohne das Arbeitsverhältnis bei der X GmbH ihre Existenzgrundlage verloren hätte, ist darauf hinzuweisen, dass die geltend gemachten Aufwendungen nach der Einlassung der Klägerin nicht in einem Rechtsstreit zur Erhaltung des Arbeitsplatzes entstanden sind. Die geltend gemachten Aufwendungen rühren aus Rechtsstreiten bei der Erbauseinandersetzung her. Diese Rechtsstreite mit den anderen Miterben und der Bank sind jedoch ohne Bedeutung für das Arbeitsverhältnis. Zudem haben die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis in beiden Klagejahren nur 10.080 € betragen, die Klägerin hatte aber daneben noch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Vermietung und Verpachtung und aus dem Gewerbebetrieb Vermietung von Ferienwohnungen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis in den Jahren 2001 bis 2010 höher und damit für den Lebensunterhalt von größerer Bedeutung gewesen wären. Der Kläger hatte in den Klagejahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. ca. 70.000 € jährlich und Einkünfte aus drei Objekten Vermietung und Verpachtung. Die Gefahr ohne die Rechtsstreite das Arbeitsverhältnis als Existenzgrundlage zu verlieren bestand somit bei der Klägerin bzw. bei beiden Klägern nicht. So hat der BFH entschieden, dass der im Zusammenhang mit einer Erbstreitigkeit geführte Zivilprozess zur Erhaltung des Alleineigentums an einem Zweifamilienhaus kein existenzielles Bedürfnis darstellt. Dies gilt auch dann, wenn eine Wohnung in dem Haus zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (BFH in BFH/NV 2016, 1011).

b) Eine durch die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens möglicherweise verursachte Gefährdung der Arbeitsplätze der Arbeitnehmer und damit eventuell deren Existenzgrundlage, reicht hingegen nicht aus. Es kommt auf die Gefährdung der Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen selbst an.

c) Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Klägerin die Rechtsstreite führen musste, um ihr Vermögen zu erhalten und damit eine Gefährdung der Existenzgrundlage zu vermeiden. Zwar haftet die Klägerin als Erbin nach dem am xx.xx.2000 verstorbenen Vater gemäß § 1967 Abs. 1 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten. Jedoch kann der Erbe nach den §§ 1942 ff BGB die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagungsfrist beträgt nach § 1944 Abs. 1 BGB sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 BGB).

Im Streitfall haben die Kläger nicht für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Klägerin nicht die Ausschlagung erklärt hat. Die Bank hatte die Klägerin nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung bereits ab Januar 2001 als Erbin des Vaters wegen einer von diesem für den Bruder eingegangenen Bürgschaft in Anspruch genommen. Zu diesem Zeitpunkt war eine Ausschlagung noch möglich.

d) Aber auch nach Ablauf der Ausschlagungsfrist hatte die Klägerin die Möglichkeit, ihre Haftung auf den übernommenen Nachlass zu beschränken. Zwar vermischt sich nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist grundsätzlich das (eventuell negative) Vermögen des Erblassers mit dem eigenen Vermögen des Erben. Es entsteht eine Haftungsmasse. Dies bedeutet, dass sich Gläubiger des Erblassers spätestens nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist auch an dem Privatvermögen des Erben für Schulden des Erblassers schadlos halten können. Der Erbe kann aber zum einen eine Nachlassverwaltung nach den §§ 1981 ff BGB beantragen, wenn er den Eindruck hat, dass er nicht alle Gläubiger des Erblassers mit Mitteln aus dem Nachlass bedienen kann. Der Erbe verliert dann mit gerichtlicher Anordnung der Nachlassverwaltung das Recht, die Erbschaft zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 1984 BGB). Weiter hat er die Möglichkeit beim örtlich zuständigen Insolvenzgericht unverzüglich die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, § 1980 BGB. Mit dem Nachlassinsolvenzverfahren wird erreicht, dass die Erben nicht mehr mit ihrem Gesamtvermögen (Nachlass plus Eigenvermögen), sondern nur noch beschränkt mit dem Nachlass haften. Dies geschieht durch eine Absonderung des Nachlasses vom sogenannten Eigenvermögen der Erben durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 11 Abs. 2 Nr. 2, §§ 315 bis 334 InsO; Karsten Schmidt, InsO 19. Auflage, vor § 315 Rz. 1). Während im normalen Insolvenzverfahren der Grundsatz der Universalinsolvenz gilt, wonach das ganze Vermögen des Schuldners haftet, haftet im Nachlassinsolvenzverfahren nur der Nachlass als Sondervermögen bzw. Partikularvermögen der Erben, die daneben noch ihr Eigenvermögen haben. Den Erben trifft sogar gemäß § 1980 BGB eine Antragspflicht, wenn er erkennt, dass der Nachlass zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Kommt der Erbe seiner Antragspflicht nicht rechtzeitig nach, haftet er den Insolvenzgläubigern gemäß § 1980 BGB, wenn ihnen aus der verspäteten Antragstellung ein Schaden resultiert. Für den Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens gibt es für den Nachlassschuldner keine Frist einzuhalten (nur für den Nachlassgläubiger nach § 319 InsO).

e) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung konnte das Gericht daher nicht feststellen, dass die Kläger die Rechtsstreite geführt haben, weil ansonsten Gefahr bestanden hätte, die Existenzgrundlage zu verlieren oder die lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Das Gericht ist vielmehr der Auffassung, dass die Rechtsstreite geführt wurden, um die Firma und die Vermögensgegenstände des verstorbenen Vaters zu sichern und sicherzustellen, dass die gewerbliche Tätigkeit durch den Sohn S fortgeführt werden kann. Dies ergibt sich aus der Einlassung der Klägerin, dass es in der Familie vor dem Tod des Vaters besprochen gewesen sei, dass die Firma von S weitergeführt werden sollte. Damit bestand aber für die Klägerin nicht die Zwangslage, dass die Verfolgung der rechtlichen Interessen existentiell erforderlich war. Die Aufwendungen sind den Klägern daher nicht zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen (BFH-Urteile vom 10. März 2016 - VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011; vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800; BFH-Beschluss vom 21.02.2018 VI R 11/16, DStR 2018, 1114).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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