Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamburg (1. Kammer) - 1 Sa 29/17

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. März 2017 (11 Ca 332/16) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 1. September 2016 über den Betrag von Euro 3.910,58 brutto hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von Euro 170,10 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von Euro 940,68 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 20 Hundertstel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die Beklagte 80 Hundertstel.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen, nicht aber für den Kläger.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016.

2

Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2008 bei einem Unternehmen des B.-Konzerns, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt, zuletzt in Hamburg.

3

Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen schriftlichen Aufhebungsvertrag (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. Januar 2017, Bl 160 bis 163 d.A.) beendet, in dem unter anderem vorgesehen ist:

4

9.

5

Die Gesellschaft gewährt Herrn X., unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der B. VVaG mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab er erstmals eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ggf. auch mit Abschlägen, oder eine mit ihr vergleichbare Leistung (Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens, wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht befreit ist, sowie Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art) in Anspruch nehmen kann, eine monatliche Rente von 3.133,32 Euro brutto. Diese Rente wird in der Folge nach den jeweils maßgebenden betrieblichen Versorgungsregelungen angepasst.“

6

Seit dem 1. Mai 2015 bezieht er von der Beklagten Versorgungsbezüge, die jeweils im Voraus für den laufenden Monat gezahlt werden.

7

Die betriebliche Altersversorgung des Klägers ist durch die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden „BVW“) in Form von Betriebsvereinbarungen in der Fassung vom 19. April 2002 geregelt. Die Beklagte leistet an den Kläger danach Gesamtversorgungsbezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen einer Versorgungskasse (im Folgenden: „V1-Rente“) und einer sog. Pensionsergänzung (im Folgenden „V2-Rente“) zusammensetzen.

8

Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen zum BVW unter der Überschrift „Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ Folgendes geregelt:

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„1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

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2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

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3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.“

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Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,0972 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,7 auf 107,0, also um 0,281 %.

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Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 1. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats – und gegen deren ausdrücklichen Wunsch – durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat nach dem 1. Juli 2015 konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem BVW zum 1. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Dabei erfolgte tatsächlich nur eine Erhöhung der V2-Rente, nicht hingegen der V1-Rente.

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Dementsprechend wurden die Versorgungsbezüge des Klägers, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf 3.875,39 € brutto (3.133,32 € brutto V2-Rente und 742,07 € brutto V1-Rente) beliefen, zum 1. Juli 2015 auf 3.891,06 € brutto (3.148,99 € brutto V2-Rente und 742,07 € brutto V1-Rente) erhöht.

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Zum 1. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht. Mit Schreiben aus dem August 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Versorgungsleistungen zum 1. Juli 2016 um 0,5 % auf 3.910,58 € brutto (3.164,73 € brutto V2-Rente und 745,85 € brutto V1-Rente) erhöht wurden. Insoweit wird auf Anlage K 6 der Klage verwiesen.

16

Schließlich erfolgte zum 1. Juli 2017 eine Erhöhung der gesetzlichen Rente in Höhe von 1,90476 %. Für diese Erhöhung wurde kein abweichender Beschluss der Beklagten nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen gefasst.

17

Der Kläger verlangt mit seiner Klage eine Anpassung um weitere 65,61 € brutto pro Monat seit dem 1. Juli 2015. sowie um 214,25 € brutto ab dem 1. Juli 2016. Dabei handelt es sich um den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag, der sich errechnet, wenn die Beklagte die Rentenanpassung im Umfang von 2,0972 % bzw. 4,24512 % auf die Gesamtversorgungsbezüge vorgenommen hätte.

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Der Kläger hat gemeint, die Beklagte schulde die volle Anpassung der Versorgungsbezüge gemäß § 6 Abs. 1 BVW. Sie könne sich nicht auf § 6 Abs. 3 BVW stützen. Die Regelung sei unwirksam, weil sowohl unklar als auch unverhältnismäßig. Sie verstoße auch gegen § 87 Abs. 1 Nrn. 8 und 10 BetrVG. Auf die Ausübung des bestehenden Mitbestimmungsrechtes werde in seiner Substanz verzichtet. Die Anpassungsentscheidung sei im Übrigen zu spät erfolgt, nämlich erst nach dem Anpassungstermin. Jedenfalls sei sie unbillig.

19

Der Kläger hat beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger beginnend mit dem 1. September 2016 über den Betrag von 3.910,58 € (der sich aus 745,85 € und 3.164,73 € zusammensetzt) hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von 214,25 € brutto zu zahlen.

21

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 1.215,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 65,61 € seit dem 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016, 01.05.2016 und 01.06.2016 und auf jeweils 214,25 € seit dem 01.07.2016 und 01.08.2016 zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, über die bereits erfolgte Erhöhung der Versorgungsbezüge hinaus bestehe kein Anspruch des Klägers. Sie habe von einer Anpassung gemäß § 6 Abs. 1 BVW abweichen und die Anpassung auf 0,5 % festlegen dürfen. Die Art und Weise, in der der Vorstand die Anpassungsprüfung nach § 6 Abs. 3 BVW vorgenommen habe, entspreche der Billigkeit aufgrund folgender Umstände: Es bestehe ein schwieriges ökonomisches Umfeld durch langanhaltende Niedrigzinsen, demografische Trends und kulturelle Umbrüche (z.B. Digitalisierung, Langlebigkeitsrisiko). 2015 sei ein sich abschwächendes Wachstum im Versicherungsmarkt zu verzeichnen. Die Beklagte unterliege steigenden Anforderungen im Bereich der Regulierung (Anforderungen durch das Solvency-II-Projekt der EU, Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Lebensversicherung) und im Bereich der Kundenanforderungen (hohe Preissensitivität, sinkende Loyalität). Schließlich gebe es massive Umstrukturierungen im Branchenumfeld. Diese Rahmenbedingungen hätten den Konzern zu einer neuen Strategie (S.-Konzept) veranlasst, in deren Umsetzung u.a. Personalkosten eingespart werden sollen. Aufgrund dessen müssten die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten. Entsprechend sei es angemessen, auch die Rentner heranzuziehen. Im Übrigen erhielten Rentner anderer Versorgungssysteme eine deutlich niedrigere Anpassung. Das Versorgungsniveau der Rentner des BVW sei bereits überdurchschnittlich hoch. Der Höhe nach orientiere sich die Anpassung am Verbraucherpreisindex und damit an der Anpassung für Betriebsrentner in anderen Versorgungswerken im Konzern. Auf die aktuelle wirtschaftliche Lage der Beklagten komme es nicht an.

25

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. März 2017, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 327 bis 337 d.A. verwiesen wird, stattgegeben. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 24. März 2017 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 24. April 2017, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt. Mit am 16. Mai 2017 eingegangenem Schriftsatz vom 9. Mai 2017 hat die Beklagte die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat die Frist durch Beschluss vom 11. Mai 2017 bis zum 26. Juni 2017 verlängert. Die Beklagte hat die Berufung mit Schriftsatz vom 26. Juni 2017, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht einging, begründet.

26

Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Die Gesamtversorgung sei aufgrund der Regelungen in Ziffer 9 der Aufhebungsvereinbarung abgelöst worden sei. Dementsprechend schulde sie nur eine Anpassung des in der Aufhebungsvereinbarung festgeschriebenen Betrags nach den Bestimmungen in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen. Durch die Festlegung eines bestimmten Auszahlungsbetrags sei die klagende Partei nicht ungünstiger gestellt als solche Betriebsrentnerinnen und -rentner, die nach dem BVW anspruchsberechtigt seien. Eine Anrechnung der staatlichen Rente und der V1-Rente erfolge im Fall der klagenden Partei nämlich nicht. Ihre Entscheidungen zur Rentenanpassung im Jahr 2015 sei von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen gedeckt. Die Anpassungsentscheidung sei auch nicht unbillig. Grundlage der Beschlussfassungen von Vorstand und Aufsichtsrat seien die widrigen Rahmenbedingungen und der Druck am Markt gewesen, welche wegen der konkreten Auswirkungen erhebliche Spar- und Personalreduzierungsprogramme mit sich gebracht hätten, so insbesondere das sog. „S.-Konzept“ mit weiteren begleitenden Maßnahmen, was sich bei der Beklagten in der Umsetzung befände. Die geringeren Rentenanpassungen seien Teil eines umfassenden Einsparkonzeptes, um sicherzustellen, dass der A.-Konzern auch in Zukunft am Markt mit Gewinnen bestehen könne. Das schwierige Marktumfeld werde maßgeblich durch die niedrigen Zinsen (Leitzins von 0% bzw. 0,05 %) und die niedrige Inflation (0,28 % im Juni 2015 und im Juni 2016) bestimmt. Auch der Verbraucherpreisindex habe sich von Juni 2014 bis Juni 2015 nur von 106,7 auf 107 erhöht. Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werde es für Versicherer immer schwieriger, das Geld der Kunden lukrativ anzulegen. Das unverändert niedrige Zinsniveau stelle eine erhebliche Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Anpassungsprüfung zum 1. Juli 2015 davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 abschwächen werde und gehe im Euroraum weiter von einer nur schwachen konjunkturellen Entwicklung aus (vgl. Anl. B 8, s. Anlagenband erste Instanz). Größere Risiken ergäben sich zudem aus der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung. Zudem seien signifikant gestiegene Kundenanforderungen zu verzeichnen, v.a. die angestiegene Preissensitivität bei sinkender Loyalität. Weitere Risikopotentiale seien aus den vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld entstanden, die letztlich die Folge der Finanzmarktkrise seien. Wettbewerber würden Kostensenkungs- und Automatisierungsprogramme forcieren und variable Produktmodelle ohne feste Garantien. Ferner sei die Komplexität der Lebensversicherung durch das Mitte 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) weiter gesteigert worden, und es sei der für Lebensversicherungsprodukte erforderliche finanzielle Aufwand deutlich erhöht worden. Die Umsetzung des LVRG habe zu erheblichen Produktänderungen im gesamten Konzern und zu einer Veränderung der Provisionsregelungen geführt. Der Aufwand der Versicherungsunternehmen für die Vergütung der Vermittler habe sich spürbar erhöht, was der Gesetzgeber auch so bezweckt habe (Anl. B 11, Bl. 381 f. d.A.). Des Weiteren verschlechtere Solvency II die Rahmenbedingungen. Die Versicherer müssten hiernach über so viel Kapital verfügen, dass sie selbst Negativergebnisse verkraften könnten, die statistisch gesehen nur einmal in 200 Jahren aufträten. Es müsse ein nicht unerheblicher Rückgang der Eigenmittel verkraftbar sein, um die Leistungen an die Versicherungsnehmer auch bei Eintritt sehr unwahrscheinlicher Risiken sicher zu stellen. Somit hätte zum 1. Januar 2016 mit der Umsetzung von Solvency II in nationales Recht die Notwendigkeit bestanden, eine risiko- bzw. marktwertorientierte Bewertung ihrer Kapitalanlagen und Leistungsverpflichtungen vorzunehmen. Zudem seien weitgehende Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen gestellt und die Berichtspflichten von Versicherern erweitert worden. All diese Umsetzungen hätten einen finanziellen Aufwand durch den Konzern und damit auch durch die Beklagte gekostet. Das negative Marktumfeld habe konkrete negative Folgen gehabt. So habe der Konzern u.a. eine sog. Zinszusatzreserve bilden müssen. Es sei eine Reserve von etwa 2 Milliarden Euro aufgebaut worden. Allein 2016 habe dieser Posten um ca. 620 Millionen Euro aufgefüllt werden müssen, und es sei mit steigenden Entwicklungen zu rechnen (Anl. B 13, Bl. 334 d.A.). Die Möglichkeit der Gewinnerzielung durch Kapitalanlagen falle aufgrund der Niedrigzinsphase praktisch weg. Als Folge des Marktdrucks sei es konzernweit zu einem Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. 2016 hätten im Konzern etwa 1.135 Personen den Konzern bei einem Personalbestand von etwa 13.000 verlassen. Ca. 35 Austritte würden auf die Beklagte entfallen. Allein im Zuge des S.-Konzepts seien bei der Beklagten ca. 50 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. „Überbrückungsmodell“ erfolgt (bei etwa 442 im Konzern). Der angestellte Außendienst werde reduziert, das Provisionsmodell massiv angepasst. Im Konzern gebe es weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene für Neueintritte). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016 zu Einsparungen in Höhe von etwa € 2,7 Mio. sowie eine Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Millionen geführt. Auf die Beklagte entfielen hiervon € 739.536 Einsparungen für den Zeitraum 1.7. 2015 bis 30.6.2016 sowie € 1.219.596 für den Zeitraum 1.7.2016 bis 31.12.2016. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es noch gelungen, für die Unternehmen des Konzerns einen Gewinn zu erwirtschaften. Vor allem der Personalabbau von ca. 8,5 % der kompletten Belegschaft in Deutschland allein im Jahr 2016 zeige, wie sehr auf den Marktdruck habe reagiert werden müssen. Näheres ergebe sich auch aus dem S.-Konzept. Vorüberlegungen hierzu seien beginnend mit dem 23. Februar 2015 erfolgt. Zum 25. Mai 2015 sei es soweit abgeschlossen gewesen, dass es gegenüber der Belegschaft der Beklagten habe kommuniziert werden können. Das Konzept beinhalte eine Neuausrichtung zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und es hätten die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestanden habe, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im September 2015 hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzepts aufgenommen werden können. Mittlerweile befände sich das Konzept in der Umsetzungsphase. In finanzieller Hinsicht ziele das Konzept auf die konzernweite Einsparung von Kosten in Höhe von 160 bis 190 Mio. Euro pro Jahr ab. Ein Teil der Planungen habe in dem Übergang des gesamten Personals der Beklagten und der A. V. AG auf die neue A. D. AG bestanden, was mit Standortverlagerungen und Standortzusammenschlüssen einhergegangen sei. In diesem Zusammenhang stünde auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft leiste einen erheblichen Beitrag für die zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns mit u.a. folgenden Maßnahmen: Personalabbau i.V.m. einem Einstellungs- und Beförderungsstopp sowie einem Verbot von Entfristungen befristeter Arbeitsverträge, was eine Verdichtung der Arbeitsbelastung bedeute; Betriebsübergänge auf die A. D. AG; Reduzierung des angestellten Außendienstes; Kürzung der Budgets für Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten; Kürzung des Budgets für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung bei Neueintritten auf der Stufe der Vorstände und leitenden Angestellten um die Hälfte des bisherigen Volumens; keine Gehaltserhöhung für außertarifliche Angestellte in 2016 (bis auf individuelle Sonderfälle). Demgegenüber wögen die Interessen der klagenden Partei nur gering. Auch die Betriebsrentner hätten ihren Beitrag zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten leisten müssen. Der von ihnen eingeforderte Beitrag sei im Verhältnis zu dem Beitrag der aktiven Belegschaft nur sehr gering. Das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern im BVW sei schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Kaufkraftschwund und die Inflationsentwicklung seien bei der Anpassungsentscheidung im Jahr 2015 ausreichend berücksichtigt worden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die klagende Partei nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen angelegt. Von Beginn an sei hier ein Vorbehalt geregelt gewesen. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt, hätten der Vorstand der Beklagten und der Vorstand der A. L. AG in Folge der Entscheidung des Vorstands der A. D. AG beschlossen, die Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen anzuwenden und den Aufsichtsräten der beiden Gesellschaften jeweils zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 1. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren, da eine darüber hinausgehende Erhöhung für nicht vertretbar gehalten worden sei. Bei Festlegung der Anpassungshöhe hätten sich die Vorstände an der Inflationsrate orientiert, die am 15. Juli 2015 bei 0,28 % gelegen habe. Dabei habe man die Inflationsrate im Zeitpunkt der Entscheidung auf 0,5 % geschätzt. Die Betriebsräte seien, wie ebenfalls erstinstanzlich dargelegt, vor der Beschlussfassung ausreichend angehört und mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben worden und hätten auch Stellung genommen (Anl. B 7, s. Anlagenband der ersten Instanz). Im zweiten Schritt hätten Vorstand und Aufsichtsrat auf Basis des Vorschlags des Vorstands gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2015 beschlossen. Der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung sei am 26. August 2015, der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten am 9. Oktober 2015 erfolgt. Auf die Erforderlichkeit einer Interessenabwägung sei in den jeweiligen Beschlussvorlagen ausdrücklich hingewiesen worden. Beide Gremien hätten alle Argumente abgewogen und in ihre Entscheidung einfließen lassen, auch die Stellungnahmen der Betriebsräte seien einbezogen worden. Zudem seien Erwägungen zur ungekürzten Anpassung und weniger einschneidenden Kürzungen enthalten gewesen. Die Beklagte habe von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen auch Gebrauch machen dürfen. Eine Beschränkung auf wirtschaftliche Notlagen oder Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten sei nicht geregelt und auch nicht jahrzehntelanges Verständnis der Betriebsparteien. Der Anpassung habe ein Wert zugrunde gelegen, der die Inflationsrate überstiegen habe. Aus rechtlicher Sicht sei zunächst anzumerken, dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben sei. Ein solches habe nicht bestanden und habe somit auch nicht zur Unwirksamkeit von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen führen können. Der Betriebsrat habe schon keine Regelungskompetenz für Betriebsrentner, da diese nicht mehr wahlberechtigt seien. Zudem sei keine Veränderung der Verteilungsgrundsätze erfolgt. Es habe nur eine Entscheidung über die Höhe der Rentenanpassung gegeben, alle Betriebsrentner seien nach denselben Maßstäben behandelt worden. Verteilungsschlüssel, Rentenplan und -gestaltung seien nicht berührt gewesen. Außerdem sei einem evtl. Mitbestimmungsrecht ausreichend Rechnung getragen worden. Arbeitgeber und Betriebsrat hätten sich vorliegend auf eine Regelung geeinigt, ob und wie die Leistungen möglich sein sollen, ohne dass der Betriebsrat bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge der Anpassungsentscheidung noch einmal beteiligt werden solle. Diese Absprache sei Teil der mitbestimmten Regelung. Die Regelung in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen sei auch im Übrigen wirksam. Sie sei hinreichend bestimmt, was ihre Auslegung ergebe. Auslegungsbedürftig sei der Begriff „vertretbar“. Dieser sei so zu verstehen, dass die jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt sei. Das bedeute, dass eine von § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen negativ abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB finde bei Betriebsvereinbarungen nicht statt. Auf Grundlage von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen habe die Beklagte eine formell und materiell rechtmäßige Entscheidung über die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge im Jahr 2015 nach billigem Ermessen getroffen, bei der vor allem das Interesse der Beklagten an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens einerseits und das Interesse der klagenden Partei an einem Teuerungsausgleich anderseits angemessen in Ausgleich gebracht worden seien. Vorstand und Aufsichtsrat hätten einen formell wirksamen Beschluss gefasst, in dessen Rahmen alle relevanten Umstände und Interessen abgewogen worden seien. Dieser Beschluss habe die automatische Anpassung nach § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen ersetzt und wirke zurück auf den Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden (§ 6 Ziff. 2). Die klagende Partei sei von der Anpassungsentscheidung in Kenntnis gesetzt worden. Auch die materiellen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen seien erfüllt. Ein Eingriff in laufende Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge sei grundsätzlich zulässig und zu messen an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, wobei die Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe von der Schwere des Eingriffs abhängen würden. Vorliegend sei jedoch nicht einmal ein Eingriff in laufende Leistungen gegeben, da der Vorbehalt von Beginn an in § 6 der Ausführungsbestimmungen geregelt und somit Teil der Leistungszusage gewesen sei. Die klagende Partei habe daher damit rechnen müssen, dass die Beklagte zu einem Prüfungstermin im Rahmen des billigen Ermessens von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Ein sachlicher Grund sei vorliegend gegeben. Dieser müsse nicht zwingend ein wirtschaftlicher Grund im Sinne einer aktuellen wirtschaftlichen Zwangslage sein, sondern könne auch in einem Konzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn die sachlichen Gründe willkürfrei, nachvollziehbar und anerkennenswert seien. Ausreichend sei es, wenn der Arbeitgeber die Beweggründe für diese bloß wirtschaftlich motivierten Maßnahmen nachvollziehbar darlege und der Eingriff willkürfrei sei. Das sei hier der Fall, da ein Gesamtkonzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung der Beklagten anlässlich des hohen Markt- und Konkurrenzdrucks existiere und bei der Beklagten auch umgesetzt worden sei. Bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahme stehe dem Arbeitgeber eine Einschätzungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts stehe ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der die Entscheidung decke, zur Realisierung eines Zukunftskonzepts neben der aktiven Belegschaft auch die Betriebsrentner angemessen einzubeziehen. Das bereits dargestellte Gesamtkonzept des A.-Konzerns erstrecke sich auf die Beklagte, wobei der wesentliche Baustein das S.-Konzept sei. In diesen Rahmen füge sich die Anpassungsentscheidung der Beklagten ein. Das sei nicht willkürlich. Billiges Ermessen sei gewahrt, da die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt seien und die Interessen der Beklagten die der klagenden Partei überwögen. Angesichts der anvisierten Einsparungen von 160 bis 190 Mio. Euro jährlich sowie des Einsparpotentials bei vorliegender Anpassung der Betriebsrenten erscheine die von der Beklagten vorgenommene Anpassung als ein taugliches Mittel zur zukunftsweisenden Neuaufstellung, die mit dem S.-Konzept bezweckt sei. Die Interessen der klagenden Partei würden nur gering wiegen, insbesondere da ein Teuerungsausgleich erfolgt bzw. übertroffen worden sei. Außerdem sei das Versorgungsniveau im BVW schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Eine weitere Anpassung von 2,1 Prozent mit Wirkung zum 1. Juli 2015 wäre weitaus höher, als eine Anpassung für Versorgungsempfänger in anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern. Auch dieses ungleiche Verhältnis zu anderen Versorgungsempfängern trage zur sachlichen Begründung der Entscheidung bei.

27

Nach dem Aufhebungsvertrag hätten lediglich die Anpassungsregelungen des BVW weiter Anwendung finden sollen, also nur der in der Aufhebungsvereinbarung bestimmte Betrag angepasst werden solle, nicht die Gesamtversorgungsbezüge. Das entspreche auch dem Willen der Parteien des Aufhebungsvertrags, was klar aus dem Wortlaut in Ziffer 9 der Vereinbarung hervorgehe. Durch die Festlegung eines bestimmten Betrags sei die klagende Partei nicht ungünstiger gestellt als die Rentner, die nach dem BVW anspruchsberechtigt seien. Zudem greife vorliegend das Günstigkeitssystem nicht ein, da de facto identische Regelungen vorlägen. Der in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags festgelegte Pensionsbetrag sei höher als er nach den Bestimmungen des BVW gewesen wäre. Im Rahmen des Aufhebungsvertrages sei bei der Ermittlung der Pensionsergänzung eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ermittelt und von der ermittelten Gesamtversorgung in Abzug gebracht worden, die jedoch auf das Alter 63 und nicht wie bei der Ermittlung einer unverfallbaren Anwartschaft auf 65 hochgerechnet worden sei. Somit sei eine geringere Leistung aus der gesetzlichen Altersversorgung in Abzug gebracht worden als die Leistung, die in der Regel von der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich erbracht werde und diejenige, die auch gemäß den Ausführungsbestimmungen fiktiv anzusetzen wäre. Auch sei bei der Berechnung des Gesamtversorgungsniveaus zur Berechnung des in Nr. 8 der Aufhebungsvereinbarung festgeschriebenen Betrags auf ein Austrittsalter 65 abgestellt worden. Eine Kürzung der anrechnungsfähigen Dienstjahre sei nicht erfolgt. Im Näherungsverfahren berechnete Beträge seien sodann als gesetzliche Rente und Ansprüche aus der Versorgungskasse abgezogen worden. Die verbleibende Differenz sei nach der M-Ntel-Berechnung auf ein Austrittsalter von 63 gequotelt worden (63/65) und sodann im Aufhebungsvertrag als Versorgungsleistung festgeschrieben worden. Das habe einen günstigeren Wert für die klagende Partei ergeben, da der Abzug im Rahmen der Quotelung niedriger ausfalle als bei der Annahme des tatsächlichen Austrittsdatums. Zudem könne die Zahlung des Betrags aus dem Aufhebungsvertrag bereits zeitgleich mit den Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht werden und nicht erst mit Beginn der Leistungen aus der Versorgungskasse, wie es in den Regelungen des BVW bestimmt sei (§ 1 Ziff. 2 Ausführungsbestimmungen). Schließlich seien die Frühpensionierungsleistung und die zugesagte betriebliche Versorgung als ein Gesamtpaket zu sehen, das in der Gesamtschau deutlich vorteilhafter gewesen sei als die Regelungen des BVW im Fall eines früheren Austritts vor dem Erreichen des Rentenalters. Damit sei der Kläger bessergestellt. Ein Verzicht auf Rechte aus der BVW sei nicht gegeben.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. März 2017, Az. 11Ca 332/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

30

Der Kläger beantragt unter Rücknahme der Klage im Übrigen,

31

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen,

32

1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende beginnend mit dem 1. Juli 2017 über den Betrag von € 3.985,07 hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 218,13 brutto zu zahlen;

33

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von € 3.355,92 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.

34

Der Kläger meint, dass die Regelung in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen unwirksam sei, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei. Das gelte sowohl für die Tatbestandsseite („nicht für vertretbar“) als auch für die Rechtsfolgenseite („schlägt vor wie verfahren werden soll“). § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen sei ferner deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat unzulässig auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verzichtet habe. Darüber hinaus sei seitens der Beklagten für 2015 kein rechtzeitiger bzw. formal ordnungsgemäßer Beschluss getroffen worden, da die Beschlüsse deutlich nach dem 1. Juli 2015 gefasst worden seien. Diese hätten den nach § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen bereits entstandenen Anspruch nicht rückwirkend entfallen lassen können. Ferner sei § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen so zu verstehen, dass nur dann von § 6 Ziff. 1 abgewichen werden dürfe, wenn veränderte wirtschaftliche Verhältnisse vorlägen - d.h. wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers eine Anpassung nicht zulasse und der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Darauf hätten auch sämtliche Betriebsräte im Rahmen ihrer Stellungnahmen hingewiesen. Nur mit Blick auf die zusätzlichen Kosten, die durch die Erhöhung der Betriebsrente entstünden, dürfe die Beklagte entscheiden, dass von § 6 Ziff. 1 abgewichen werde. Anderenfalls würde der Anpassungsanspruch vollständig entwertet. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe rechtfertigten den Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat nicht, da die Entscheidung letztlich mit einem Interesse an einer Gewinnmaximierung begründet worden sei. Das genüge nicht. Zudem bestünden zwischen den personellen/strukturellen Veränderungen im Unternehmen der Beklagten und der Frage, ob ein Anpassungsanspruch erfüllt werde, kein sachlicher Zusammenhang, so dass die Entscheidung willkürlich sei. Auch sei der Vortrag der Beklagten zum Teil zu allgemein und nicht einlassungsfähig. Ferner werde bestritten, dass sich durch das LVRG der finanzielle Aufwand für die Beklagte deutlich erhöht habe. Hinzuweisen sei auch auf einen Bericht des Handelsblatts vom 18. Juni 2016, wonach der A.-Konzern im Jahr 2015 so viel verdient habe wie seit acht Jahren nicht mehr. Die Steigerung der Dividende im Jahr 2015 stehe zudem im Widerspruch zu der Entscheidung, dass die Erfüllung der Anpassungsansprüche der Betriebsrentner nicht vertretbar sei. Unklar sei auch, inwiefern steigende Kundenanforderungen im Zusammenhang mit der Entscheidung stünden. Entsprechendes gelte für die vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld. Bestritten werde, dass im Jahr 2016 eine zusätzliche Zinsreserve von € 620 Millionen habe aufgebaut werden müssen, dass die Reduzierung der Rentenerhöhung zu Einsparungen von € 2,7 Millionen und zu einer Reduzierung der Rückstellungen in Höhe von € 43,6 Millionen führe, dass bei der Beklagten Einsparungen im dargestellten Umfang vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2016 realisiert worden seien und dass das S.-Konzept konzernweit zu Einsparungen von € 160 bis 190 Mio. pro Jahr führe. Im Übrigen sei nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang Betriebsübergänge, Änderungen im Vertrieb, Budgetkürzungen bei Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten mit der Vertretbarkeit der Anpassung der Betriebsrenten stehen sollen. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgesprochen worden, und kein Mitarbeiter habe auf finanzielle Ansprüche verzichten müssen. Ermessensfehlerhaft sei es zudem, wenn sich die Entscheidung des Vorstands und Aufsichtsrats nicht an § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen, sondern am Inflationsausgleich orientiere, weil hierfür § 16 Abs. 1 BetrAVG einschlägig sei. Schließlich sei es ermessensfehlerhaft, wenn nicht die Gesamtversorgungsbezüge, sondern lediglich die sogenannte Pensionsergänzung gesteigert werde. Allein die Erhöhung der Pensionsergänzung sei systemwidrig. Der Kläger meint, nach seinem Verständnis hätten mit der Aufhebungsvereinbarung nicht sämtliche Regelungen des BVW ersetzt werden sollen. Vielmehr sei nur die Höhe der Versorgungsleistungen zu Rentenbeginn, d.h. die Höhe der sog. V2-Rente, abweichend von den Regelungen des BVW festgesetzt werden sollen. Im Übrigen habe es bei den Bestimmungen des BVW bleiben sollen. Mit der Festlegung der Höhe der V2-Rente zu Rentenbeginn (abweichend von den Regelungen des BVW) sei er gegenüber den Regelungen des BVW bessergestellt worden. Diese abweichende Festlegung sei aber innerhalb des Systems des BVW erfolgt. Das folge auch exemplarisch aus einem Schreiben der Beklagten aus September 2013 (Anl. B, Bl. 537 d.A.). Nach den dortigen Aussagen seien die Gesamtversorgungsbezüge (zusammengesetzt aus der V2-Rente und der V1-Rente) um 0,25 % erhöht worden. Ebenso heiße es in dem Schreiben vom 16. Oktober 2015 (Anl. K 4), dass die Versorgungsleistung aus dem betrieblichen Versorgungswerk ab dem 1. Juli 2015 € 1.746,86 monatlich brutto betrage. Die Klageforderung sei entsprechend den Regularien des BVW berechnet worden, d.h. die Gesamtversorgung (V2-Rente und V1-Rente) sei um 2,0971 % erhöht worden. Die gesetzliche Rente habe nicht berücksichtigt werden müssen, da sie im hiesigen Fall nur einen nicht ausschlaggebenden Rechnungsposten dargestellt hätte.

35

Der Kläger mache mit der Klagerweiterung die Erhöhung zum 1. Juli 2017, jedoch noch ohne Differenzbeträge aus den früheren Erhöhungen geltend.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Anschlussberufung der Klägerin und Berufungsbeklagten zurückzuweisen.

38

Sie trägt vor, dass der Kläger entgegen ihren Angaben mit der Klagerweiterung in der Berufungsinstanz auch die Differenzbeträge verlange, die sich aus den früheren Erhöhungen ergäben.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Protokolle sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

40

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig und teilweise begründet, im Übrigen ist sie zurückzuweisen. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

41

I. Zur Berufung der Beklagten:

42

1) Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 1, 2 b ArbGG statthaft und wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.

43

2) Die Berufung ist teilweise begründet, weil die Klage zulässig, aber nur teilweise begründet ist.

44

a) Die Klage ist zulässig. Für den auf Gewährung zukünftiger Leistungen gerichteten Klagantrag zu 1 liegen die Voraussetzungen des § 258 ZPO vor. Wiederkehrende Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO auch für die Zukunft eingeklagt werden. Betriebsrentenansprüche sind in diesem Sinne von keiner Gegenleistung abhängig.

45

Der Klagantrag zu 2 ist zulässig, weil der Kläger mit ihm eine hinreichend bestimmte Leistung, nämlich die Zahlung von Geld, verlangt. Bestimmt sind auch die Zinsanträge, obwohl sich aus ihnen selbst nicht die Höhe des verlangten Zinses ergibt. Durch den Bezug auf den Basiszinssatz ist es möglich, den Zinssatz in ausreichender Weise zu bestimmen. Dieser Satz wird regelmäßig öffentlich bekannt gegeben. Ein Antrag muss nicht möglichst bestimmt, sondern hinreichend bestimmt sein. Dass die Schuldnerin, die die Zinsen durch mangelnde Zahlung veranlasst hat, dadurch mehr belastet wird als durch eine Angabe in Prozentpunkten, ist unerheblich (BAG, Urteil vom 1. Oktober 2002, 9 AZR 215/01, AP Nr. 37 zu § 253 ZPO = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 157).

46

b) Die Klage ist zum Teil begründet. Die klagende Partei hat ab dem 1. Juli 2015 einen Anspruch auf Erhöhung der Rente um € 65,71 brutto. Da die Beklagte nur eine Erhöhung um € 15,67 vorgenommen hat, besteht für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 eine monatliche Differenz zugunsten des Klägers in Höhe von € 50,04, insgesamt € 600,48. Ab dem 1. Juli 2016 war die monatliche Rente, die nach der Erhöhung zum 1. Juli 2015 € 3.199,03 betrug, um € 135,80 zu erhöhen. Da die Beklagte statt € 3334,83 nur € 3.164,73 zahlte, besteht für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 eine monatliche Differenz zugunsten des Klägers in Höhe von € 170,10. Für den gesamten mit der Klage geltend gemachten Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 31. August 2016 ergibt sich ein Betrag von € 340,20. Im Übrigen ist die Klage als unbegründet abzuweisen und der Berufung teilweise stattzugeben.

47

a) Der Kläger hat Anspruch auf Erhöhung seiner monatlichen betrieblichen Versorgungsleistung aus Ziff. 9 des Aufhebungsvertrags um 2,0972 % zum 1. Juli 2015 und 4,24512 % zum 1. Juli 2016 und nicht nur um jeweils 0,5 %. Die Beklagte schuldet nur die Anpassung des im Aufhebungsvertrag genannten Betrags. Die Anpassungsregelung in Ziffer 9 Satz 2 des Aufhebungsvertrages bezieht sich nur auf den in Satz 1 genannten Betrag. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch Ziffer 9 des Aufhebungsvertrages die Geltung des BVW insgesamt wirksam abbedungen worden ist.

48

aa) Der Aufhebungsvertrag ist dahingehend auszulegen, dass die Erhöhung der Rente sich nur auf den ausdrücklich genannten Betrag von € 3.133,32 beziehen soll.

49

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG, 10.12.2014, 10 AZR 63/14; 21.1.2014, 3 AZR 362/11; zit. nach juris).

50

Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Danach wird „diese Rente“ und nicht eine aus dem BVW abgeleitete Gesamtversorgung nach den jeweils geltenden betrieblichen Versorgungsregelungen angepasst. Ferner ist eindeutig, dass die Rente nach der Aufhebungsvereinbarung von anderen betrieblichen Rentenregelungen unabhängig sein soll. Die Gesellschaft gewährt die Rente nämlich ausdrücklich „unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen aus der Versorgungskasse“ Daraus ergibt sich sowohl, dass die Rente nach der Aufhebungsvereinbarung eigenständig sein soll, als auch, dass sie nicht an der Gesamtversorgungsregelung teilhaben soll. Nur so kann die Unabhängigkeit von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen aus der Versorgungskasse verstanden werden. Das ist das Gegenteil von dem gerade auf einer Abhängigkeit von den genannten Leistungen basierenden Gesamtversorgungssystem.

51

Es kann dahingestellt bleiben, ob damit die Regelungen des BVW für den Kläger abbedungen worden sind und ob dieses wirksam überhaupt möglich wäre. Der Kläger macht vorliegend keine Ansprüche aus dem BVW geltend, sondern aus der Aufhebungsvereinbarung. Er möchte nämlich eine Erhöhung des in der Aufhebungsvereinbarung geregelten Betrages erreichen. Er setzt mit seinem Erhöhungsverlangen nicht bei dem Betrag an, den er nach dem BVW als Rente zu bekommen hätte, sondern verlangt ausdrücklich eine Erhöhung des im Aufhebungsvertrag vereinbarten Betrages. Da nicht ersichtlich ist, dass er bei Anwendung der BVW einen höheren Rentenanspruch gegen die Beklagte hätte, kann nicht angenommen werden, dass die Regelungen des Aufhebungsvertrages nicht anzuwenden sind, weil sie ungünstiger als die Regelungen aus dem BVW sind. Das Günstigkeitsprinzip führt nämlich nicht zur Unwirksamkeit einzelvertraglicher Regelungen, sondern nur dazu, dass der Arbeitnehmer sich auf die jeweils günstigere Regelung berufen kann (Fitting, § 77 Rdnr. 196). Da damit die Rentenregelung aus dem Aufhebungsvertrag wirksam ist, könnte der Kläger eine Erhöhung nach dem BVW nur verlangen, wenn die Regelungen des BVW zu einem höheren Rentenbetrag führten als nach dem Aufhebungsvertrag. Dafür ist nicht ersichtlich. Es kann jedenfalls nicht nur die auf die Gesamtversorgung bezogene Erhöhungsregelung auf den in dem Aufhebungsvertrag geregelten Rentenbetrag angewandt werden.

52

b) Dem Kläger steht nach § 6 Ziffer 1 Ausführungsbestimmungen eine Anpassung der betrieblichen Altersversorgung entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Renten zu. Diese stiegen im Jahr 2015 um 2,0972 % und im Jahre 2016 um 4,24512 %.

53

Die Rente ist entgegen den Beschlüssen der Beklagten nicht nur um jeweils 0,50 % erhöht worden. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. Ausführungsbestimmungen.

54

Nach Ziffer 9 des Aufhebungsvertrags richtet die Anpassung der zugesagten und im Aufhebungsvertrag konkret bezifferten Betriebsrente nach den betrieblichen Bestimmungen richtet, d.h. nach § 6 Ausführungsbestimmungen.

55

Die Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen hat die Beklagte in den Jahren 2015 und 2016 nicht durch einen Beschlüsse nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ersetzt. Die Voraussetzungen für solche Beschlussfassungen waren nicht gegeben. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, wären die Beschlüsse unwirksam, weil sie sich nicht in den ihnen inhaltlich gesetzten Grenzen hielten.

56

aa) Die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung der Beklagten nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen waren nicht gegeben. Der Vorstand der Beklagten durfte die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen nicht „nicht für vertretbar“ halten.

57

Tatbestandliche Voraussetzung eines Beschlusses nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ist, dass der Vorstand eine Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der gesetzlichen Renten nicht für vertretbar halten durfte. Nur dann kann er gemäß § 6 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine Abweichung von der automatischen Anpassung der Betriebsrente nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen beschließen. Eine Auslegung der Regelung ergibt, dass für einen Beschluss nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen nicht ausreichend ist, dass der Vorstand eine solche Erhöhung nicht für vertretbar hält. Erforderlich ist vielmehr, dass objektive Gründe dafür vorgelegen haben müssen, dass er die Erhöhung nicht für vertretbar halten durfte. Es kommt demgemäß nicht nur auf die Meinungsbildung des Vorstands an, sondern auch darauf, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine solche Meinungsbildung gegeben waren.

58

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Urteil vom 8. Dezember 2015, 3 AZR 267/14; juris). Eine Ausnahmeregelung ist grundsätzlich nicht extensiv, sondern eng auszulegen (BAG, Urteil vom 26. März 1997, 10 AZR 751/96; juris). Die Betriebsparteien haben bei Schaffung betrieblicher Regelungen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beachten (BAG, Urteil vom 29. September 2010, 3 AZR 557/08; juris). Dabei dürfen sie unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden (BAG, Urteil vom 29. September 2010, 3 AZR 557/08; juris).

59

Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des § 6 Abs. 3 bezüglich der Formulierung „nicht für vertretbar halten“ hinreichend bestimmt und dahingehend auszulegen, dass objektive Gründe dafür vorliegen müssen, dass der Vorstand die Weitergabe der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar hält.

60

Die Auslegung der Formulierung „nicht für vertretbar hält“ ergibt, dass ihre Voraussetzungen regelmäßig nur dann gegeben sein können, wenn der Vorstand aufgrund objektiver Umstände davon ausgehen konnte, dass im Rahmen einer Interessenabwägung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit wirtschaftliche Interessen der Beklagten gegenüber den Interessen der Rentnerinnen und Rentner Vorrang haben. Wegen des Ausnahmecharakters von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen erfordert dieses ein deutlich überwiegendes Interesse der Beklagten.

61

Das Erfordernis einer Interessenabwägung folgt schon daraus, dass etwas nur dann nicht für vertretbar gehalten werden kann, wenn es in eine wertende Abwägung zu einer alternativen Regelung gesetzt wird. Ohne eine Alternative kann es keine Entscheidung über die Vertretbarkeit geben. Damit hängt die Entscheidung, ob etwas für vertretbar gehalten wird, zwangsläufig von dem Ergebnis eines Abwägungsprozesses ab. Zutreffend weist die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrem Urteil im Verfahren 7 Sa 96/16 vom 1. Juni 2017 darauf hin, dass der Begriff „für nicht vertretbar halten“ gleichbedeutend mit „nicht verantworten können“ ist. Auch ein solches „Nicht-Verantworten-Können“ setzt eine Abwägung zwischen verschiedenen Möglichkeiten voraus. Für die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen bedeutet dieses, dass im konkreten Jahr geprüft werden muss, ob von der Grundregel des § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen abgewichen werden darf. Bei einer solchen Interessenabwägung ist insbesondere zu beachten, dass § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen regelmäßig eine Anpassung entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente anordnet, also besondere Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, dass eine Abweichung erfolgen darf. Wegen dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses ist davon auszugehen, dass die Betriebsparteien dem Vorstand nur dann eine Abweichung von der Regel erlauben wollten, wenn er eine umfassende Würdigung der objektiven Sachlage unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens und der Betriebsrentnerinnen und -rentner vorgenommen hatte. Da § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen den Grundsatz enthält, dass die Arbeitgeberin regelmäßig die finanziellen Mittel bereitstellt, um eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rente zu ermöglichen, verlangt die gegenläufige Entscheidung nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen, dass Gründe vorliegen, die gegen eine solche Finanzierung sprechen. Das können regelmäßig nur Gründe sein, die sich aus der Finanzlage der Beklagten ergeben. Verspricht sie in der Regel die Finanzierung einer bestimmten Erhöhung, bedürfte es zumindest besonderer auf die Beklagte bezogener Umstände, wenn sie sich von ihrem Versprechen ausnahmsweise lösen dürfte, obwohl die Finanzierbarkeit gegeben ist. Regelmäßig bedarf es deshalb besonderer Gründe aus dem Bereich der Finanzierbarkeit, um eine Ausnahmeentscheidung nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen begründen zu können.

62

Für die besondere Bedeutung der Finanzierbarkeit bei der Abwägungsentscheidung spricht auch der Zweck der Regelungen des § 6 Ziffern 1, 3 und 4 der Ausführungsbestimmungen. Die Regel soll nach § 6 Abs. 1 und 4 der Ausführungsbestimmungen sein, dass die Gesamtversorgungszusage sich im parallelen Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten entwickelt. Dieses soll ersichtlich eine finanzielle Stellung der Betriebsrentnerinnen und -rentner sichern, bei der sie im Ruhestand immer über die finanziellen Mittel verfügen können, die den Gesamtversorgungsbezügen entsprechen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Betriebsrentnerinnen und -rentner jedenfalls regelmäßig keine andere nennenswerte Möglichkeit mehr haben, ihre Einnahmen zu erhöhen. Dieses spricht dafür, dass ein Eingriff in die von den Betriebsparteien regelmäßig gewünschte Entwicklung der Parallelsteigerung der Gesamtversorgungsbezüge grundsätzlich nur dann möglich sein soll, wenn sie von der Beklagten nicht mehr finanziert werden kann. Wegen der besonderen Abhängigkeit der Betriebsrentnerinnen und -rentner von dem ihnen grundsätzlich zugesagten Versorgungsniveau sind an die Gründe für eine Abweichung von der Regel besondere Anforderungen zu stellen, für die das Vorliegen eines willkürfreien, sachlichen, nachvollziehbaren Grundes nicht ausreicht.

63

Zutreffend geht die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrem Urteil im Verfahren 7 Sa 96/16 vom 1. Juni 2017 schließlich davon aus, dass es eines besonderen Grundes für die Abweichung von der Anpassungsautomatik auch deshalb bedarf, weil es um ein Abweichen von der grundsätzlich zugesagten Erhöhung der Gesamtversorgung gemäß der Steigerungsrate der gesetzlichen Renten geht. Das erfordert, dass ein Eingriff in die Anpassungsautomatik nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes möglich ist. Dafür ist es vorliegend nicht ausreichend, einen irgendwie nachvollziehbaren, willkürfreien, sachlichen Grund für das Abweichen vom Anpassungsgrundsatz genügen zu lassen. Weil es sich um ein von vornherein vorgesehenes einseitiges Recht der Arbeitgeberin handelt, in den gemeinsam aufgestellten Anpassungsgrundsatz im Ausnahmefall eingreifen zu dürfen, sind die Entscheidungsgrenzen eng zu ziehen, um dem gemeinsamen Willen der Betriebsparteien, dass regelmäßig die Entwicklung der gesetzlichen Renten maßgeblich sein soll, Geltung verschaffen.

64

Damit ist die Formulierung „nicht für vertretbar hält“ sowohl hinreichend bestimmt als auch mit dem Inhalt versehen, dass jedenfalls regelmäßig nur dann die Voraussetzungen von einer Abweichung von der Regel des § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen gegeben sein werden, wenn der Arbeitgeberin die Möglichkeit zu einer Finanzierung der entsprechenden Erhöhung fehlt oder zu erwarten ist, dass dies in absehbarer Zeit eintreten wird. Es kommt demgemäß nicht darauf an, ob bei einer fehlenden Bestimmtheit des § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen nur diese Regelung oder zugleich auch § 6 Ziffern 1 und 4 der Ausführungsbestimmungen unwirksam wären.

65

Nach diesen Grundsätzen lagen keine Gründe dafür vor, dass die Beklagte eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen nicht für vertretbar halten durfte.

66

Die Beklagte beruft sich für ihre unternehmerische Entscheidung auf ein Konzept, das sie aufgrund der Marktbedingungen und gesetzlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen beschlossen hatte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Gewinne zu sichern bzw. zu steigern und ihr Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Das genügt nicht für die Annahme der Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen nicht finanzieren könnte, bestehen nicht. Das Reorganisations- und Umstrukturierungsprogramm für den gesamten Konzern zur Stabilisierung bzw. Steigerung der Gewinne und Stärkung der Marktposition genügt nicht. Wie ausgeführt darf grundsätzlich von der regelmäßig vorgesehenen Erhöhung der Gesamtversorgung entsprechend der gesetzlichen Rente nur abgewichen werden, wenn dieses für das Unternehmen finanziell nicht vertretbar ist. Das wird von der Beklagten nicht dargelegt. Dass sie aus unternehmerisch möglicherweise nachvollziehbaren Gründen von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen möchte, reicht nicht aus. Unternehmerische Gründe müssten nach dem oben Ausgeführten ein solches Gewicht haben, dass sie einer fehlenden Finanzierungsmöglichkeit in etwa gleichstehen könnten. Das ist von der Beklagten für die von ihr angenommenen Gründe nicht dargelegt worden. Ferner ist der Vortrag der Beklagten zu ihren unternehmerischen Gründen nicht genau genug. Soweit sie sich auf veränderte Lebenserwartungen, niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen, vertriebliche Herausforderungen im Branchenumfeld, geringste Überschussbeteiligung in der Versicherungsbranche und Ähnliches beruft, legt sie die sich daraus ergebenden Folgen nicht nachvollziehbar dar. Insbesondere ist nicht erkennbar, welche finanzielle Belastung der Beklagten sich daraus ergeben soll. Zu erwartende Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind nicht dargestellt. Gegen eine Gleichstellung dieser Umstände mit einer fehlenden Finanzierbarkeit spricht außerdem, dass die Beklagte sich ausdrücklich nur auf eine zukünftige Neuausrichtung des Konzerns bzw. ihres Unternehmens beruft, zu der die Rentnerinnen und Rentner ihren Beitrag leisten sollten. Welches wirtschaftliche Gewicht diese Neuausrichtung hat, ist aber ebenso wenig erkennbar wie die Bedeutung der Ausnahmeregelung bei der Anpassung im Rahmen dieses Konzepts.

67

Eine Abwägung mit den Interessen der Beklagten ist im Übrigen schon deshalb nicht möglich, weil gar nicht erkennbar ist, welche Bedeutung diese Interessen bei der konzernweiten Entscheidung hatten, von der Erhöhung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen abzuweichen.

68

cc) Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 288, 291 BGB.

69

II) Zur Anschlussberufung:

70

Die Anschlussberufung ist zulässig, aber unbegründet.

71

1) Die Anschlussberufung ist zulässig. Die hierfür nach § 524 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs.3 ZPO erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben.

72

2) Die Anschlussberufung ist unbegründet, weil die mit der Anschlussberufung geltend gemachte Klagerweiterung unzulässig ist.

73

Die Klagerweiterung ist eine Klagänderung, weil es sich dabei nicht nur um eine Änderung der Klage nach § 264 ZPO handelt. Insoweit kommt nur die Regelung des § 264 Ziffer 2 ZPO in Frage. Es wird der Klagantrag nicht in diesem Sinne nur in der Hauptsache erweitert. Vielmehr wird ein zusätzlicher Streitgegenstand eingebracht, nämlich die Veränderung der Höhe der Betriebsrente durch die Erhöhung der gesetzlichen Renten zum 1. Juli 2017. An dieser Erhöhung ist zwischen den Parteien streitig, auf welche Beträge sie vorzunehmen ist. Außerdem ist unklar, ob der Kläger Differenzbeträge schon geltend gemacht hat oder nicht und um was es sich bei den Differenzbeträgen handelt soll. Demgemäß ist Folge der Erhöhung 2017 nicht nur eine Erhöhung der aufgrund der bisherigen Streitgegenstände geltend gemachten Forderungen, sondern die Einbringung eines weiteren Streitgegenstandes.

74

Eine Klagänderung ist in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 533 ZPO gegeben sind. § 533 Ziffer 1 ZPO fordert, dass der Gegner einwilligt oder das Gericht die Klagänderung für sachdienlich hält. Die Beklagte hat keine Einwilligung gegeben. Das Gericht hält die Klagänderung nicht für sachdienlich, weil ihr Umfang zwischen den Parteien unklar ist und selbst nach dem Vorbringen der Klägerin die Folgen der Erhöhung zum 1. Juli 2017 damit nicht in vollem Umfang geklärt werden. Insoweit würde das schon äußerst umfangreiche Verfahren mit weiteren Problemen belastet und damit auch verzögert. Das ist nicht angemessen.

III.

75

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Sie ist trotz der Klagerweiterung in der Anschlussberufung für die Kosten beider Instanzen gleich, weil der Anteil des Gewinnens und Verlierens etwa gleich ist.

76

Die Revision ist für die Parteien nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, soweit es um die Berufung der Beklagten geht, nicht jedoch für den Kläger, soweit seine Anschlussberufung zurückgewiesen wird.

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