Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 234/11

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.03.2011 - 8 Ca 1073/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Annahmeverzugslohnansprüche.

2

Die Klägerin ist seit 18. April 2007 aufgrund Arbeitsvertrags vom gleichen Tag (Bl. 30, 31 d.A.) bei der Beklagten, die ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Helferin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"§ 1 Vertragsgegenstand

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A. übernimmt als Dienstleistungsunternehmen die Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Mit Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrages wird der Mitarbeiter für den Arbeitgeber tätig und unterliegt nur dessen Weisungen im Rahmen der Absprache zwischen Arbeitgeber und dessen Kunden über Inhalt, Umfang und Einteilung der bei den Kunden zu verrichtenden Arbeiten. Soweit nicht anders vereinbart, gilt das in § 2 genannte Tarifwerk und die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen.

5

§ 2 Beginn/Inhalt/Einbeziehung des Tarifvertrages

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(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 18.04.2007 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

7

(2) Die Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen - IGZ e.V. und der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche, bestehend aus dem Mantel-, Entgelt-, Entgeltrahmen- und Beschäftigungssicherungsvertrag in ihrer jeweils gültigen Fassung. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied der DGB-Einzelgewerkschaften ist. Die Tarifverträge liegen in den Geschäftsräumen aus und werden auf Wunsch dem Mitarbeiter ausgehändigt.

8

(3) Soweit der Mitarbeiter nicht tarifgebunden ist, vereinbaren die Parteien, dass die Bestimmungen der vorgenannten Tarifverträge den Abreden dieses Arbeitsvertrages vorgehen. Dies gilt nicht, soweit diese Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung ergibt. Insoweit gilt § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz, insbesondere für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs gemäß Absatz 2 entsprechend.
(…)

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§ 3 Tätigkeit/Pflichten des Mitarbeiters/Arbeitsort

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ärztliche Untersuchung/Entbindung von der Schweigepflicht

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(1) Der Mitarbeiter übernimmt als Helfer Arbeiten in unterschiedlichen Kundenbetrieben. Konkrete Eingruppierungsmerkmale und ggfs. hierfür erforderliche berufliche Qualifikationen richten sich nach den jeweils zu besetzenden Arbeitsplätzen in den Entleihbetrieben.

12

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Mitarbeiter vorübergehend auch andere Tätigkeiten zuzuweisen, die auch von weniger qualifizierten Kräften durchgeführt werden können. Macht er hiervon Gebrauch, so richtet sich die Vergütung nach den tarifvertraglichen Vereinbarungen.

13

(3) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die Dienstleistung bei wechselnden Einsatzstellen - auch auswärts - zu erbringen, wobei F. Personal GmbH berechtigt ist, den Mitarbeiter jederzeit von einem Einsatz abzuberufen und anderweitig einzusetzen.
(…)

14

§ 15 Ausschlussfristen / Speicherung personenbezogener Daten

15

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

16

(2) Der Mitarbeiter erklärt sich damit einverstanden, dass seine personenbezogenen Daten automatisiert gespeichert und verarbeitet werden.
(…)"

17

Wegen der Einzelheiten der vereinbarten Arbeitsbedingungen wird auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. April 2007 (Bl. 30, 31 d.A.) Bezug genommen.

18

Die Klägerin war ausschließlich beim Kunden St. eingesetzt worden. Seit dem 13. Mai 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2008 zum 31. Juli 2008 sowie erneut mit Schreiben vom 28. Januar 2009 zum 28. Februar 2009 und führte hierfür als betriebsbedingten Kündigungsgrund den Wegfall des Kundenauftrags bei der Firma St. an. Die zweite Kündigung wurde darüber hinaus auch auf die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gestützt. Das Arbeitsgericht Koblenz hat der gegen die beiden Kündigungen vom 27. Juni 2008 und 28. Januar 2009 gerichteten Kündigungsschutzklage der Klägerin mit Urteil vom 23. September 2009 - 12 Ca 1645/08 - (Anlage K 1 zur Klageschrift = Bl. 6 bis 10) stattgegeben. Das Urteil wurde am 6. November 2009 zugestellt; Rechtsmittel wurden seitens der Beklagten nicht eingelegt.

19

Die Klägerin bot über ihren Prozessbevollmächtigten ihre Arbeitsleistung für den Zeitraum nach ihrer Wiedergenesung mit Schreiben vom 3. Juli 2008 (Bl. 11 d.A.) an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Juli 2009 (Bl. 12 d.A.) ließ sie ankündigen, sie werde sich nach Genesung wegen eines Wiedereingliederungsprozesses mit der Beklagten in Verbindung setzen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Oktober 2009 (Bl. 13 d.A.) verwies sie u.a. darauf, dass ihre Arbeitsleistung wiederholt angeboten worden sei. Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach der am 6. November 2009 erfolgten Zustellung des Urteils im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess der Parteien mit anwaltlichem Schreiben vom 19. November 2009 (Bl. 41 d.A.) Folgendes mit:

20

"Sehr geehrter Herr Kollege F.,

        

in vorbezeichneter Angelegenheit akzeptiert unsere Mandantin die Entscheidung bezüglich der Unwirksamkeit der Kündigungen.

        

Der Arbeitsaufnahme ihrer Partei, nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, wird mit Interesse entgegengesehen. Sie mag sich rechtzeitig bei Frau J. melden."

21

Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Dezember 2009 (Bl. 14 d.A.) erklärte die Klägerin hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung Folgendes:

22

"Der Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass unsere Mandantin, deren Arbeitsleistung wir bereits wiederholt angeboten hatten, gemäß der beigefügten ärztlichen Bescheinigung vom 3. Dezember 2009 sowie Bescheinigung des Amts für soziale Angelegenheiten aufgrund ihrer Erkrankung nunmehr einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 Prozent aufweist. Ihre Mandantin wird aufgefordert, diesen Umstand bei der bezüglich unserer Mandantin erfolgenden Einsatzplanung zu berücksichtigen".

23

Beigefügt war dem Schreiben eine ärztliche Bescheinigung vom 3. Dezember 2009 (Bl. 15 d.A.) mit folgendem Inhalt:

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"Ärztliche Bescheinigung         

        

Frau C. kann aufgrund ihrer Erkrankung keine schwere körperliche Arbeit mehr durchführen, sie sollte keine Gewichte über 5 kg heben oder tragen müssen, Überkopfarbeiten ist nicht möglich. Sie sollte keine Arbeit in gebückter Haltung verrichten müssen, sie sollte Kälte und Nässe meiden. Sie sollte die Möglichkeit haben, zwischen sitzender, gehender und stehender Tätigkeit zu wechseln."

25

Die Klägerin macht mit ihrer beim Arbeitsgericht Koblenz am 14. Mai 2010 eingegangenen und im Laufe des Rechtsstreits mehrfach erweiterten Klage Annahmeverzugslohnansprüche geltend, zuletzt für den Zeitraum vom 23. Dezember 2009 bis einschließlich 31. Januar 2011.

26

Während des Rechtsstreits teilte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 1. September 2010 (Bl. 78 d.A.) der Gegenseite Folgendes mit:

27

"Sehr geehrter Herr Kollege F.,

        

in vorbezeichneter Angelegenheit beziehen wir uns auf Ihre Ausführungen im gerichtlichen Schriftsatz und weisen Sie nochmals darauf hin, dass Ihre Mandantin nach wie vor ihre Arbeitskraft nicht angeboten hat.

        

Sie wird hiermit nochmals aufgefordert, sich unverzüglich mit der Geschäftsführerin, D. J., in Verbindung zu setzen und einen Termin zu verabreden, zwecks Zuweisung einer Arbeit.

        

Wegen der Besonderheit des Falles, wird darauf bestanden, dass die Geschäftsführerin selbst die Arbeitseinteilung vornimmt.

        

Ihre Mandantin erhält auch unmittelbar eine Abschrift, damit die Sache nicht noch länger hinausgezögert wird."

28

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte befinde sich mit der Entgegennahme der von ihr angebotenen Arbeitsleistung seit dem 23. Dezember 2009 in Annahmeverzug und sei daher zur Zahlung des geltend gemachten Annahmeverzugslohns verpflichtet. Sie habe am 7. Dezember 2009 einem Mitarbeiter der Beklagten ihre Arbeitsbereitschaft mitgeteilt und dann auch auf diesem Wege ihre Arbeitsleistung nochmals angeboten. Der Mitarbeiter habe in diesem Gespräch eine alsbaldige Rückmeldung versprochen, die jedoch nie erfolgt sei. In der Vergangenheit hätten sich auch immer die für die Personaleinsätze zuständigen Mitarbeiter der Beklagten nach einem Urlaub, einer Arbeitsunfähigkeit oder freien Tagen bei ihr wegen des weiteren Arbeitseinsatzes gemeldet, niemals jedoch die Geschäftsführerin der Beklagten selbst. Die Beklagte habe durch ihr gesamtes Verhalten gezeigt, dass sie an ihrer tatsächlichen weiteren Beschäftigung überhaupt nicht interessiert sei. Sie sei im Rahmen des ärztlichen Attestes vom 3. Dezember 2009 auch leistungsfähig gewesen. Ihr stehe monatlich eine durchschnittliche Vergütung von 1.250,00 EUR brutto bei einer Stundenvergütung von 7,51 EUR brutto und unter Berücksichtigung eines 25%igen Nachtzuschlages zu. Für die Zeit vom 23. bis 31. Dezember 2009 sei ein Betrag in Höhe von 403,21 EUR brutto und für die Monate Januar 2010 bis Januar 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von monatlich 1.250,00 EUR brutto abzüglich des jeweils bezogenen Arbeitslosengeldes bzw. der erhaltenen Sozialleistungen zu zahlen.

29

Die Klägerin hat beantragt,

30

die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.653,21 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener 4.808,96 EUR und die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitsuchende Jobcenter Neuwied übergegangener 2.164,56 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.250,00 EUR brutto abzüglich 499,20 EUR seit dem 21. Februar 2010, 21. März 2010, 21. April 2010, 21. Mai 2010, 21. Juni 2010, 21. Juli 2010, 21. August 2010, 21. September 2010, 21. Oktober 2010 und 21. November 2010 sowie aus 1.250,00 EUR brutto abzüglich 576,99 EUR seit dem 21. Dezember 2010 sowie aus jeweils 1.250,00 EUR brutto abzüglich 595,75 EUR seit dem 21. Januar 2011 und dem 21. Februar 2011 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

33

Sie hat erwidert, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht angeboten, so dass kein Annahmeverzug vorliege. Gemäß ihrem Schreiben vom 19. November 2009 sei die Klägerin gehalten gewesen, sich bei ihrer Geschäftsführerin zu melden, damit ihr eine Arbeit zugewiesen werden könne. Es sei ausschließlich Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wer Ansprechpartner für die Arbeitseinteilung bzw. Arbeitsaufnahme sei. Ihrer Geschäftsführerin sei es darum gegangen, mit der Klägerin ihre Einsatzmöglichkeiten persönlich zu besprechen, um weiteren Streitigkeiten in der Zukunft aus dem Wege zu gehen. Die Direktionsbefugnis erlaube dem Arbeitgeber die Zuordnung eines bestimmten Arbeitsplatzes im Rahmen des Arbeitsvertrages, wozu auch die Zuordnung des Arbeitsortes, hier das Büro der Geschäftsführerin, gehöre. Durch die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts Koblenz im Kündigungsschutzprozess habe sich die Klägerin im ungekündigten Arbeitsverhältnis befunden, so dass sie ihre Arbeitskraft tatsächlich persönlich bei ihr als Verleiherin habe anbieten müssen. Der Hinweis der Klägerin auf ihre Schreiben vom 21. Juli, 16. Oktober und 7. Dezember 2009 gehe fehl, weil sie zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben arbeitsunfähig gewesen sei. Das Schreiben vom 7. Dezember 2009 informiere lediglich über Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Im Hinblick auf die einschränkende Feststellung des Arztes werde die Leistungsfähigkeit der Klägerin bestritten. Für die Frage des Annahmeverzuges sei unerheblich, ob irgendein Mitarbeiter im "Personalbüro" angerufen worden sei. Unabhängig davon habe die Klägerin auch nicht dargestellt, wann dies genau geschehen und mit wem gesprochen worden sein solle. Ihre Geschäftsführerin habe alle in Frage kommenden Mitarbeiter befragt, niemand könne sich aber an einen Anruf der Klägerin erinnern. Es bleibe daher bestritten, dass die Klägerin einen ihrer Mitarbeiter angerufen und ihre Arbeitskraft angeboten habe. Dass die Klägerin gar keine Leistung erbringen wolle, zeige sich auch darin, dass sie der erneuten Aufforderung vom 1. September 2010 keine Folge geleistet habe. Wesentliche Teile der Forderung seien zu dem aufgrund der in § 10 MTV IGZ enthaltenen zweistufigen Ausschlussfrist verfallen. Was die Anspruchshöhe betreffe, könne die Klägerin über den Tariflohn bei einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden hinaus keine weiteren Ansprüche geltend machen. Etwaige Nachtarbeitszuschläge im Tarifvertrag seien für die Klägerin ohne Bedeutung, weil sie nicht nachts arbeite und demgemäß auch solche Zuschläge nicht erhalten könne.

34

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 15. März 2011 - 8 Ca 1073/10 - vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Annahmeverzuges im streitgegenständlichen Zeitraum vom 23. Dezember 2009 bis 31. Januar 2011 vorgelegen hätten. Die Klägerin sei jedenfalls ab 23. Dezember 2009 wieder arbeitsfähig gewesen und habe dies der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. Dezember 2009 unter Vorlage des ärztlichen Attestes vom 3. Dezember 2009 auch angezeigt. Substantiierte Anhaltspunkte für eine fehlende Leistungsfähigkeit im Sinne des § 297 BGB habe die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan. Die Einschränkungen der Klägerin laut Attest vom 3. Dezember 2009 würden einen vielfältig denkbaren Einsatz der Klägerin als Helferin gemäß § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages nicht ausschließen. Dass eine derartige Einsatzmöglichkeit nicht bestanden habe, habe die Beklagte nicht behauptet. Infolge der mitgeteilten Wiedererlangung des Leistungsvermögens der Klägerin sei die Beklagte in Annahmeverzug geraten, weil sie der ihr obliegenden Mitwirkungshandlung durch Zuweisung einer Tätigkeit gegenüber der Klägerin nicht nachgekommen sei. Selbst wenn man auf die Regeln des Annahmeverzuges in ungekündigtem Arbeitsverhältnis zurückgreife, habe es eines tatsächlichen Arbeitsangebotes der Klägerin nicht bedurft. Ein Arbeitgeber müsse bei Arbeitnehmerüberlassung fortlaufend den Einsatz seiner Leiharbeitnehmer planen und durch eindeutige Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit näher konkretisieren. Derartige Weisungen habe die Beklagte der bei ihr als Leiharbeitnehmerin beschäftigten Klägerin nicht erteilt. Der ursprüngliche Arbeitsplatz der Klägerin bei der Firma St. habe infolge Wegfall des Auftrages nicht mehr zur Verfügung gestanden. Eine eindeutige Arbeitsanweisung, wann und in welchem Unternehmen die Klägerin ihre Tätigkeit als Helferin zukünftig stattdessen verrichten solle, habe die Beklagte der Klägerin zu keinem Zeitpunkt erteilt. Die bloße Aufforderung von Seiten der Beklagten in ihrem Schreiben vom 19. November 2009, die Klägerin möge sich rechtzeitig mit ihrer Geschäftsführerin in Verbindung setzen, stelle jedenfalls keine Arbeitszuweisung dar. Gleiches gelte für das Schreiben der Beklagten vom 1. September 2010, weil auch hier weder der Ort noch die Zeit der Arbeitsaufnahme der Klägerin als Helferin konkretisiert worden sei. Falls es der Geschäftsführerin der Beklagten um ein persönliches Gespräch mit der Klägerin zur Klärung weiterer Einzelheiten ihrer Leistungseinschränkung gegangen sein sollte, sei dies der schriftlichen Mitteilung jedenfalls nicht zu entnehmen gewesen. Der Klägerin stehe daher für die Zeit vom 23. Dezember 2009 bis 31. Januar 2011 der von ihr geltend gemachte Annahmeverzugslohn in Höhe von insgesamt 16.653,21 EUR brutto abzüglich erhaltener Sozialleistungen zu. Die geltend gemachte durchschnittliche Bruttomonatsvergütung sei unter Einbeziehung der ausweislich der Lohnabrechnungen eindeutig vergüteten Nachtzuschläge nicht zu beanstanden. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verfallen. Die in § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht nach § 10 MTV IGZ verfallen, weil sich die formularmäßige Inbezugnahme des Tarifwerkes in § 2 Abs. 3 und § 1 Satz 3 des Arbeitsvertrages als unwirksam erweise. Aufgrund der darin enthaltenen widersprüchlichen Formulierungen sei für die betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls nicht klar ersichtlich, welche tariflichen Regelungen im Einzelnen gelten sollten. Während § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages den Anschein erwecke, es sollten nur dem Tarifvertrag gegenüber günstigere arbeitsvertragliche Regelungen oder solche aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel bei Geltung des Tarifvertrages im Übrigen gelten, so solle nach § 1 Satz 3 des Arbeitsvertrages jede arbeitsvertragliche Regelung dem Tarifwerk vorgehen. Danach ergebe sich nicht eindeutig, welche tarifvertraglichen Vorschriften Anwendung fänden, so dass die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzen würden.

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Gegen das ihr am 13. April 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. April 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Mai 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 13. Mai 2011 eingegangen, begründet.

36

Die Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie sich nicht in Annahmeverzug befunden. Sie habe sowohl mit ihrem Schreiben vom 19. November 2009 als auch mit ihrem Schreiben vom 1. September 2010 der Klägerin mitgeteilt, dass sie sich unverzüglich mit ihrer Geschäftsführerin in Verbindung setzen solle, damit in deren Büro die Zuweisung des Arbeitsortes stattfinden könne. In Anbetracht der langen Unterbrechung und der von der Klägerin selbst mitgeteilten Einschränkung ihrer Einsatzfähigkeit sei eine Zuweisung der Arbeit ohne vorherige Besprechung mit der Klägerin nicht sinnvoll gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten (lange Unterbrechung und eingeschränkte Einsatzmöglichkeit) sei der Inhalt der Arbeitsleistung zunächst einmal begrenzt auf das Einführungsgespräch gewesen, und zwar an dem bekannt gegebenen Ort (Büro der Geschäftsführerin) zu einer Zeit, die zu vereinbaren gewesen sei. An diese Anweisung habe sich die Klägerin unstreitig nicht gehalten. Zum Wesen des Leiharbeitnehmerverhältnisses gehöre es keineswegs zwangsläufig, dass eine Arbeitsanweisung nur bei Zuweisung im Entleiherbetrieb gegeben sei. Vielmehr könne die Arbeitsaufnahme durchaus auch am Geschäftssitz des Unternehmens stattfinden. Die Klägerin sei nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit verpflichtet gewesen, konkret am Arbeitsplatz, mithin in der Betriebsstätte die Leistung anzubieten und nicht irgendwelche nicht nachvollziehbaren Telefonate zu führen. Sie habe hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass man ein Einsatzgespräch führen wolle, um die Möglichkeiten des Einsatzes zu klären. Die Zuweisung eines Arbeitsplatzes beim Entleiherbetrieb habe hier erst erfolgen können, wenn sich die beteiligten Personen über die Einsatzmöglichkeiten im Klaren seien. Die Klägerin habe es nicht einmal nach ihrem zweiten Schreiben am 1. September 2010 für nötig befunden, zumindest einmal den Versuch zu unternehmen, mit ihrer Geschäftsführerin Kontakt aufzunehmen. Danach habe sie sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Annahmeverzug befunden, so dass sie auch die geforderte Vergütung nicht zu zahlen habe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei die Verfallfrist von Amts wegen zu berücksichtigen und eine Intransparenz nicht gegeben.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. März 2011 - 8 Ca 1073/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

39

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

41

Sie erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug hinsichtlich der von ihr wiederholt angebotenen Arbeitsleistung befinde. Sie habe ihre Arbeitsleistung nicht nur im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses schriftlich, sondern wiederholt auch mündlich in den stattgefundenen Gerichtsterminen angeboten. Darüber hinaus habe sie mehrfach, einmal sogar während eines Besprechungstermins im Beisein ihres Prozessbevollmächtigten, versucht, die Geschäftsführerin der Beklagten telefonisch zu erreichen, woraufhin ihr durch den sich am Telefon meldenden Mitarbeiter zugesichert worden sei, man werde sich bei ihr zurückmelden. Die Beklagte habe sie nicht, wie dies in der Vergangenheit üblich gewesen sei, dazu aufgefordert, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Arbeitsplatz oder auf der Zentrale zu einem Personalgespräch einzufinden. Tatsächlich habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt ein Interesse daran gehabt, ihre Arbeitsleistung wieder anzunehmen oder ihr eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass ihre Ansprüche nicht verfallen seien. Unabhängig von der Tatsache, dass die Ansprüche von ihr im Wesentlichen ohnehin rechtzeitig geltend gemacht worden seien, sei die verwendete Vertragsklausel als intransparent zu bewerten und bewirke eine unangemessene Benachteiligung zu ihren Lasten.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden.

44

Die hiernach zulässige Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

I.

45

Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 23. Dezember 2009 bis 31. Januar 2011 gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1, 293 ff. BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf den geltend gemachten Annahmeverzugslohn in Höhe von insgesamt 16.653,21 EUR brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.808,96 EUR und der bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 2.164,56 EUR.

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1. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste nach §§ 293 ff. BGB in Verzug, so kann der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Der Arbeitgeber kommt nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer grundsätzlich dem Arbeitgeber die durch Ausübung seines Direktionsrechts bestimmte Arbeitsleistung tatsächlich anbieten. Ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers genügt nach § 295 Satz 1 BGB nur dann, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Arbeitgebers erforderlich ist. Ist für die vom Arbeitgeber (als Gläubiger der Arbeitsleistung) vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es nach § 296 Satz 1 BGB keines Angebots des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Ausspruch einer unwirksamen ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeitsmöglichkeit entzieht, muss er ihm nach einer unwirksamen Kündigung die Arbeit wieder zuweisen, wenn er nicht nach § 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug geraten will. Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er gemäß § 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - NZA 1999, 925, zu II 1 der Gründe).

47

Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Ist der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der - später für unwirksam erklärten - Kündigung vorübergehend oder auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig erkrankt, treten die Verzugsfolgen nach § 296 BGB unabhängig davon ein, ob der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer seine wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit dem Arbeitgeber anzeigt (BAG 24. November 1994 - 2 AZR 179/94 - NZA 1995, 263).

48

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte nach den beiden von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen, deren Unwirksamkeit rechtskräftig feststeht, gemäß § 296 BGB mit Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin in Annahmeverzug geraten, der jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum (fort-)bestanden hat.

49

a) Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 23. Dezember 2009 bis 31. Januar 2011 war der nach § 296 BGB begründete Annahmeverzug der Beklagten nicht nach § 297 BGB ausgeschlossen.

50

Die Darlegungs- und Beweislast für ein Leistungsunvermögen des Schuldners (Arbeitnehmers) im Sinne des § 297 BGB trägt gemäß der eindeutigen Fassung der Vorschrift ("nicht in Verzug, wenn") der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung.

51

Die hiernach darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit lediglich "vorsorglich bestritten", nicht aber unter Beweisantritt dargelegt, ob und ggf. aus welchen Gründen die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin nach der von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 3. Dezember 2009 eine Erbringung der vertraglich geschuldeten bzw. der ihr durch Ausübung des Direktionsrechts zugewiesenen Tätigkeit als Helferin entgegenstehen sollen. Mithin ist gemäß dem Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum leistungsfähig war.

52

b) Entgegen der Annahme der Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, von sich aus ihre Arbeitsleistung tatsächlich vor Ort persönlich anzubieten, sondern konnte eine Arbeitsaufforderung von Seiten der Beklagten abwarten.

53

Daran ändert auch das Schreiben der Beklagten vom 19. November 2009 nichts. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 19. November 2009 gehalten war, ihre wiedergewonnene Leistungsfähigkeit anzuzeigen. Denn die Klägerin hat jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 7. Dezember 2009 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nach Maßgabe der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 3. Dezember 2009 wieder arbeitsfähig ist, und die Beklagte ausdrücklich aufgefordert, dies bei der Einsatzplanung zu berücksichtigen. Danach hätte die Beklagte der Klägerin durch Zuweisung entsprechender Einsätze als Helferin die Arbeitsmöglichkeit wieder eröffnen können und müssen.

54

Zwar hat die Beklagte durch ihr anwaltliches Schreiben vom 19. November 2009 erklärt, dass sie die Entscheidung bezüglich der Unwirksamkeit der Kündigungen akzeptiere. Damit ist aber nicht der Grund für den nach § 296 Satz 1 BGB eingetretenen Annahmeverzug beseitigt worden. Der Annahmeverzug ist nicht durch die Kündigungen, sondern dadurch begründet worden, dass die Beklagte der Klägerin keine Arbeit mehr zugewiesen hat. Eine erneute Zuweisung der Arbeit war auch deshalb erforderlich, weil die Klägerin an dem ihr zuvor zugewiesenen Arbeitsplatz bei der Firma St. aufgrund des weggefallenen Auftrages dieses Kunden ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit als Helferin nicht mehr erbringen konnte. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 19. November 2009 lässt sich eine Aufforderung zum Arbeitsantritt an einen bestimmten Ort zu einem festgelegten Zeitpunkt nicht entnehmen. Der Aufforderung, sich nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit zu melden, ist die Klägerin unabhängig von der Frage, ob sie hierzu überhaupt verpflichtet war, jedenfalls durch ihr anwaltliches Schreiben vom 7. Dezember 2009 nachgekommen.

55

Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt (7. Dezember 2009) aufgrund des im Kündigungsschutzprozess ergangenen Urteils bereits rechtskräftig festgestanden hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die beiden ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst ist. Der Kläger eines Kündigungsschutzverfahrens ist nicht verpflichtet, nach Abschluss des Verfahrens seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, ihn zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufzufordern und die ihm obliegende Mitwirkungshandlung vorzunehmen, d.h. dem Arbeitnehmer Arbeit zuzuweisen (BAG 19. September 1991 - 2 AZR 619/90 - [juris], zu B I 1 d der Gründe; BAG 18. Januar 2000 - 9 AZR 932/98 - NZA 2000, 1157, zu I 1 der Gründe; KR-Spilger Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften 8. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24 a).

56

c) Der Annahmeverzug der Beklagten ist auch nicht aufgrund ihres Schreibens vom 1. September 2010 beendet worden.

57

Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigung mit der Annahme der Dienste in Verzug gekommen, so muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Zuweisung der Arbeit nachholen (BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - NZA 1999, 925, zu II 3 der Gründe). Aus dem Schreiben der Beklagten vom 1. September 2010 geht nicht hervor, wann und wo die Klägerin ihre Arbeit hätte wieder aufnehmen sollen. Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Zweifeln an dessen Leistungsfähigkeit bzw. zur Klärung vorhandener Leistungseinschränkungen und deren Vereinbarkeit mit bestimmten Tätigkeiten zunächst vor einer Arbeitszuweisung zu einem persönlichen Gespräch im Verleiherbetrieb mit der Folge auffordern kann, dass bei Nichterscheinen des Arbeitnehmers zum festgelegten Gesprächstermin der Annahmeverzug endet. Eine solche Ausübung des Direktionsrechtes geht aus dem Schreiben der Beklagten vom 1. September 2010 nicht hervor. Die bloße Aufforderung, sich unverzüglich mit der Geschäftsführerin der Beklagten in Verbindung zu setzen und einen Termin "zwecks Zuweisung einer Arbeit" zu verabreden, lässt nicht erkennen, an welchem Tag die Klägerin wo zu welchem Gespräch zur Besprechung welcher Punkte erscheinen soll. Die Beklagte verkennt, dass es nicht Sache der Klägerin ist, Gesprächstermine zur Zuweisung einer Arbeit zu vereinbaren, sondern sie selbst als Arbeitgeberin in Ausübung des ihr zustehenden Direktionsrechts Arbeit zuzuweisen hat bzw. ggf. einen hierfür zunächst für notwendig erachteten Gesprächstermin konkret festzulegen hat. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin an ihrem bisherigen Arbeitsort bei der Firma St. ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit als Helferin nicht mehr erbringen kann, musste die Beklagte der Klägerin mitteilen, an welchem Einsatzort sie zu welchem Zeitpunkt ihre Arbeit als Helferin wieder aufnehmen soll (vgl. LAG Köln 13. August 2007 - 2 Sa 527/07 - [juris]). Falls hierzu zunächst zur Klärung bestimmter Einsatzmöglichkeiten im Hinblick auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin eine Vorbesprechung im Büro der Beklagten erforderlich gewesen sein sollte, hätte die Beklagte dies der Klägerin jedenfalls unter konkreter Festlegung eines bestimmten Gesprächstermins mitteilen müssen. Daran fehlt es.

58

3. Der von der Klägerin unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsverdiensts von 1.250,00 EUR brutto zutreffend errechnete Annahmeverzugslohn ist auch der Höhe nach begründet. Die nach den vorgelegten Bescheiden erhaltenen Sozialleistungen hat die Klägerin im Hinblick auf den gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 115 Abs. 1 SGB X ebenfalls zutreffend im Klageantrag von der Klageforderung in Abzug gebracht.

59

Nach § 615 Satz 1 BGB behält der Gläubiger den ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Für die Höhe des Anspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte er vertragsgemäß gearbeitet. Dabei sind alle Entgeltbestandteile zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Zuschläge, soweit diese Teil der vereinbarten Vergütung sind und Lohncharakter haben. Auf die tariflichen Nachtzuschläge, die als Zeitzuschläge Entgeltcharakter haben, trifft dies zu (BAG 18. September 2002 - 1 AZR 668/01 - AP BGB § 615 Nr. 99, zu I 3 der Gründe). Bei denen nach § 4.2 MTV IGZ zu zahlenden Nachtzuschlägen handelt es sich um Leistungen, die zur vereinbarten Vergütung gehören. Das Arbeitsgericht hat unter zutreffender Einbeziehung der Nachtzuschläge anhand der vorgelegten Lohnabrechnungen zu Recht angenommen, dass danach davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin im Falle ihrer tatsächlichen Weiterbeschäftigung im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls den von ihr geltend gemachten Bruttomonatsverdienst von durchschnittlich 1.250,00 EUR erzielt hätte. Diese Feststellung hat die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung nicht mehr konkret angegriffen und insbesondere nicht nach § 138 Abs. 2 ZPO erwidert, aufgrund welcher Umstände die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum im Falle ihrer Weiterbeschäftigung die zuvor gezahlten Nachtzuschläge nicht mehr erzielt hätte. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist unter Rückgriff auf die vorgelegten Lohnabrechnungen die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die Klägerin jedenfalls den von ihr geltend gemachten Durchschnittsverdienst von 1.250,00 EUR brutto pro Monat im Falle ihrer Weiterbeschäftigung auch im streitgegenständlichen Zeitraum erzielt hätte.

60

4. Die Klageforderung ist auch nicht verfallen.

61

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten finden die tarifvertraglichen Ausschlussfristen nach der Vertragsgestaltung der Parteien keine Anwendung.

62

Nach § 1 des Arbeitsvertrages gilt das in § 2 des Arbeitsvertrages genannte Tarifwerk "soweit nicht anders vereinbart". Die Parteien haben in § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrages eine eigenständige Regelung der Ausschlussfristen getroffen, die von der tariflich geregelten zweistufigen Ausschlussfrist abweicht. In § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ist eine einstufige Ausschlussfrist vereinbart, die als eigenständige und abschließende Regelung der Ausschlussfrist (gemäß der Überschrift) einem Rückgriff auf die abweichende tarifliche Regelung der Ausschlussfristen entgegensteht. Es handelt sich nicht nur um eine lediglich deklaratorische Wiedergabe der im bezeichneten Tarifvertrag enthaltenen Ausschlussfristen. Vielmehr sieht § 10 des bezeichneten Manteltarifvertrages eine zweistufige Ausschlussfrist vor, während im Arbeitsvertrag der Parteien nur eine einstufige Ausschlussfrist vereinbart ist.

63

Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass sich aus § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages nichts anderes ergibt, weil diese Regelung in Widerspruch zu dem in § 1 festgelegten Vertragsgegenstand steht, wonach das Tarifwerk nur insoweit gilt, als nichts anderes vereinbart ist; ergänzend wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

64

b) Die in § 15 Abs. 1 des (Formular-)Arbeitsvertrags enthaltene Regelung der Ausschlussfrist unterliegt als eigenständige Regelung der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die vereinbarte einstufige Ausschlussfrist von einem Monat ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - NZA 2006, 149) nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, mit der Folge, dass diese Ausschlussklausel - bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrag im Übrigen - ersatzlos wegfällt und an ihre Stelle allein die gesetzlichen Verjährungsregeln (§§ 195 ff. BGB) treten (§ 306 Abs. 1 und 2 BGB)

II.

65

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 247 BGB.

66

Gemäß § 5 Abs. 7 des Arbeitsvertrags ist die Vergütung jeweils zum 20. des Folgemonats zur Zahlung fällig, so dass Verzugszinsen jeweils ab dem 21. des Folgemonats geschuldet sind. Die erhaltenen Sozialleistungen hat die Klägerin aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 115 Abs. 1 SGB X zutreffend von der Hauptforderung in Abzug gebracht und die Zinsen nur aus dem jeweiligen Differenzbetrag geltend gemacht.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

68

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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