Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 257/12

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.03.2012 - 2 Ca 1339/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.729,36 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über den Zeitpunkt des Beginns der Zahlung der betrieblichen Rente aufgrund festgestellter Erwerbsminderungsrente durch die Beklagte an den Kläger.

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Der Kläger war bis 2006 bei der C. AG in C-Stadt beschäftigt. Die Beklagte ist eine selbständige Versorgungseinrichtung der C..

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§§ 12, 14 der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten folgende Regelungen:

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"§ 12 Allgemeines

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(2) Der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente entsteht:

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1. bei ordentlichen Mitgliedern ab dem in dem Bescheid eines deutschen gesetzlichen Rentenversicherungsträgers bzw. einem amts- oder werksärztlichen Gutachten festgestellten Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung,
2. in allen übrigen Fällen mit dem Kalendermonat, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingeht.

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§ 14 Erwerbsminderungsrente

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Erwerbsminderungsrente erhält ein Mitglied, wenn es voraussichtlich für die Dauer von mindestens einem Jahr erwerbsgemindert sein wird.

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(3) Die Erwerbsminderung ist durch Vorlage des Rentenbescheides der gesetzlichen Rentenversicherung oder eines deutschen amtsärztlichen Gutachtens nachzuweisen. Der Nachweis kann auch durch Vorlage einer werksärztlichen Bescheinigung nach den Richtlinien des werksärztlichen Dienstes des Trägerunternehmens erbracht werden."

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Die Beklagte hat dem Kläger bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.03.2006 eine Auskunft erteilt über die Höhe der entstandenen unverfallbaren Anwartschaftschaft auf betriebliche Altersversorgung. Dabei wurde er darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Erwerbsminderungsrente spätestens einen Monat nach dem Tag einzureichen ist, an dem die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Es wurde dem Kläger in diesem Schreiben auch empfohlen, zugleich mit dem Antrag auf Gewährung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Pensionskasse einen formlosen Antrag unter Angabe der Personalnummer zu stellen.

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Der Kläger beantragte in 2009 bei der Deutschen Rentenversicherung die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 22.11.2010 wurde sie ihm rückwirkend ab dem 28.10.2009 bewilligt. Am 23.11.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung der betrieblichen Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zahlt daraufhin seit dem 01.11.2010 eine monatliche Rente von 310,78 EUR an den Kläger.

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Der Kläger hat vorgetragen,
ihm sei es nicht möglich gewesen, zu Beginn der vollen Erwerbsminderung einen Rentenantrag bei der Beklagten zu stellen, weil er - unstreitig - erst im November/Dezember 2010 den rückwirkenden Bescheid der Deutschen Rentenversicherung erhalten habe und er nach § 14 der allgemeinen Versicherungsbedingungen die Berufsunfähigkeit durch Vorlage des Bescheides habe nachweisen müssen. Im Übrigen sei ihm wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu der C. AG konkret das Vorliegen der Rentenzahlungsvoraussetzungen nicht bewusst gewesen. Die Unterscheidung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zwischen dem Beginn der Rentenzahlung bei "ordentlichen Mitgliedern" ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung und "sonstigen Mitgliedern" ab dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Rentenzahlung bei der Beklagten stelle zudem einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Aufgrund einer psychischen Erkrankung sei ein Verschulden seinerseits bezüglich der verspäteten Antragstellung nicht gegeben. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben müsse deshalb vorliegend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit und nicht auf seine Antragstellung bei der Beklagten abgestellt werden.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.729,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 310,78 € seit dem 01.11.2009, 01.12.2009, 01.01.2010, 01.02.2010, 01.03.2010, 01.04.2010, 01.05.2010, 01.06.2010, 01.07.2010, 01.08.2010, 01.09.2010, 01.10.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen,
dem Kläger sei es durchaus möglich gewesen, im Oktober 2009 einen Rentenantrag bei der Beklagte zu stellen. Denn die Vorlage des Rentenbescheides betreffe nach § 14 Abs. 3 der AV-Bedingungen lediglich den Nachweis der Erwerbsminderung. Der Antrag selbst könne formlos ohne jeglichen Nachweis gestellt werden. Der Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlung sei im Übrigen verschuldensunabhängig.

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Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 06.03.2012 - 2 Ca 1339/11 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 67 bis 73 d. A. Bezug genommen.

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Gegen das ihm am 08.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 05.06.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 05.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

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Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Empfehlung der Beklagten in ihrem Anschreiben vom 02.03.2006 setze zumindest voraus, dass ein Fall der Erwerbsminderung vorliege. Diese Tatsache habe sich jedoch erst mit Abschluss des Verfahrens gegen die Deutsche Rentenversicherung im November 2010 ergeben. Im Übrigen seien die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unklar. Zudem verstoße die Beklagte gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Vorliegend sei eine willkürliche Differenzierung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern gegeben. Im Übrigen sei die Ablehnung der rückwirkenden Zahlung treuwidrig im Sinne des § 242 BGB.

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Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.07.2012 (Bl. 100 bis 103 d. A.) sowie die Schriftsätze vom 23.08.2012 (Bl. 116, 117 d. A.) nebst Anlage (Bl. 118 d. A.), vom 21.09.2012 (Bl. 138 bis 140 d. A.) und vom 04.10.2012 (Bl. 141 bis 144 d. A.) Bezug ge-nommen.

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Der Kläger beantragt,

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auf die Berufung des Klägers und Berufungsklägers wird das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein, Aktenzeichen 2 Ca 1339/11, aufgehoben und nach den zuletzt gestellten An-trägen des Klägers entschieden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, eine willkürliche Differenzierung sei vorliegend nicht gegeben. Denn der Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe darin, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis - bei ordentlichen Mitgliedern - zum Trägerunternehmen bzw. deren Gruppengesellschaft der Arbeitgeber regelmäßig die näheren Lebensumstände des Arbeitnehmers, insbesondere dessen Arbeitsunfähigkeit kenne und damit auch die Umstände, die zu einer Erwerbsminderung führten. Aufgrund der Einbindung der Beklagten in das Versorgungssystem des Arbeitgebers seien die diesem vorliegenden Informationen auch bei der Beklagten verfügbar.

27

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 26.07.2012 (Bl. 104 bis 111 d. A.) nebst Anlage (Bl. 112 d. A.) sowie die Schriftsätze vom 11.09.2012 (Bl. 130 bis 137 d. A.) und vom 05.10.2012 (Bl. 145 bis 149 d. A.) Bezug genommen.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

29

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 29.10.2012.

Entscheidungsgründe

I.

30

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

31

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage voll umfänglich unbegründet ist; die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

32

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rentenzahlung gegenüber der Beklagten bereits seit dem 01.11.2009 und damit auf Nachzahlung des streitgegenständlichen Betrages zu.

33

Nach § 12 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten entsteht der Anspruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters der C. auf Zahlung der Erwerbsminderungsrente gegenüber der Beklagten erst mit dem Monat, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingeht. Das war vorliegend im November 2010 der Fall, so dass die Beklagte auch erst ab diesem Monat betriebliche Erwerbsminderungsrente an den Kläger zahlt. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt nicht aus der Vorlagepflicht des Rentenbescheids nach § 14 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, dass die Beklagte rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Erwerbsminderung die Rente zahlen muss. Denn diese Norm betrifft, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, nur den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen, macht aber nicht die rechtzeitige Antragstellung unmöglich. Die Beklagte hat folglich in ihrem Anschreiben vom 02.03.2006 nach dem Ausscheiden des Klägers bei der C. völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Fall der Erwerbsminderung empfohlen wird, gleichzeitig zu dem Antrag bei der gesetzlichen Rentenversicherung einen formlosen Antrag bei der Beklagten zu stellen. Damit ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise der arbeitgeberseitigen Fürsorge- bzw. Rücksichtnahmepflicht (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) nachgekommen.

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Der Klageanspruch kann mit dem Arbeitsgericht auch nicht auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden, weil dieser durch § 12 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht verletzt ist. Deshalb kann letztlich dahinstehen, ob der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegend, wofür seine unternehmensweite Anwendbarkeit spricht (BAG 17.11.1998, EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 79; 19.06.2001, EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 23, 03.12.2008, EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 19) überhaupt anwendbar ist.

35

Der von Art. 3 Abs. 1, 2,3 GG, die nicht unmittelbar anwendbar sind zu unterscheidende Gleichbehandlungsgrundsatz ist Bestandteil des Privatrechts und enthält ein betriebs-, nicht aber konzernbezogenes Benachteiligungsverbot auf dem Gebiet der freiwilligen Sozialleistungen des Arbeitgebers (z. B. Gratifikationen, Sonderzuwendungen), aber auch sonst im Bereich der Vergütung trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbaren generalisierenden Prinzip erbringt (s. BAG 11.10.2006 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 11; LAG Köln 13.09.2006 LAGE § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 3). Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln (BAG 31.08.2005 EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 39, 03.12.2008 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 19). Er wird inhaltlich vom Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG und vom Benachteiligungsverbot des Art 3 Arbs. 3 GG geprägt (BAG 09.09.1981 EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 26; vgl. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrechts, 10. Auflage 2012, Kap. 1 Rz. 429 ff.).

36

Die dogmatische Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist umstritten: z. T. wird er aus der Treue- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet, die gewissen Gesetzmäßigkeiten und Bräuchen normative Kraft zuerkennt, bzw. als ein allgemeiner Rechtsgedanke verstanden der seine gesetzliche Ausgestaltung z. B. in § 75 BetrVG, § 67 BPersVG gefunden hat (vgl. Neuß DB 1984 Beil. Nr. 5, S. 5).

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Für die Gewährung von freiwilligen Leistungen bedeutet dies, dass der Arbeitgeber keine Voraussetzungen aufstellen darf, unter denen er vergleichbare Arbeitnehmer des Betriebes aus sachfremden oder willkürlichen Motiven ausschließt oder schlechter behandelt (BAG 18.09.2007 EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 15). So wird der Zweck einer Sonderzahlung z. B. durch ihre tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen bestimmt; an den so bestimmten Zwecken ist die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu messen (BAG 01.04.2009 - 10 AZR 353/08 - EzA - SD 13/2009 S. 7 LS). Offen gelassen hat das BAG (13.08.2008 EzA § 14 TzBfG Nr. 52), ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines Arbeitsvertrages sein kann; einen daraus ableitbaren Anspruch auf Verlängerung eines rechtswirksam sachgrundlos befristeten Vertrages hat es jedenfalls verneint. Auch hat ein Arbeitnehmer i. d. R. nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages und die Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitgeber mit anderen Arbeitnehmern die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses individuell vereinbart und ihnen eine Abfindung zahlt, die in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist (BAG 17.12.2009 EzA § 623 BGB 2002 Nr. 10); gleiches gilt, wenn die Abfindungshöhe in einem vom Arbeitgeber aufgestellten Regelungsplan festgelegt ist (BAG 25.02.2010 EzA § 10 AGG Nr. 3).

38

Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift ein, wenn der Arbeitgeber nach einer von ihm selbst geschaffenen Ordnung verfährt (BAG 19.11.2002 EzA § 1 BetrAVG Nr. 84; 14.03.2007 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 12, 15.07.2008 - 3 AZR 61/07 NZA 2009, 1409), wenn er nach bestimmten generalisierenden Prinzipien Leistungen gewährt (BAG 25.05.2004 EzA § 1 b BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 1; 01.12.2004, 11.10.2006, 03.12.2008 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 5, 11, 19, 01.04.2009 - 10 AZR 353/08 - EzA-SD 13/2009 S. 7 LS), z. B. Voraussetzungen für die Teilnahme an einer internen Fortbildungsmaßnahme aufstellt (LAG München 20.04.2004 NZA-RR 2005, 466) oder auch Lohnerhöhungen vornimmt, ohne zu ihnen verpflichtet zu sein (BAG 11.09.1985 EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 43).

39

Tatbestandliche Voraussetzung der Anwendung ist eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers (BAG 21.09.2011, 5 AZR 520/10 EzA-SD 26/2011 S. 6 = NZA 2012, 31). Tut er nichts, liegt eine solche grds. nicht vor (BAG 24.01.2006 EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 28). Auch bei bloßem Normvollzug greift der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ein (BAG 18.06.2008, EzA § 620 BGB 2002 Altersgrenze Nr. 7, 18.11.2009 EzA § 1 TVG Nr. 50), also dann, wenn der Arbeitgeber ausschließlich normative oder vertragliche Verpflichtungen erfüllt (BAG 21.09.2011 a. a. O.). Das gilt auch beim Vollzug einer nur vermeintlich wirksamen oder vom Arbeitgeber missverstandenen Norm (BAG 23.01.2008 EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 24, 18.11.2009 a. a. O.). Gleiches gilt für die Begrenzung des Normvollzuges auf die Normunterworfenen (BAG 15.04.2008 EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 1, 18.11.2009 a. a. O.). Kein vermeintlicher Normvollzug in diesem Sinne liegt aber dann vor, wenn der Arbeitgeber tarifliche Regelungen, bei denen er selbst davon ausgeht, dass sie nach ihrem Anwendungsbereich auf mit ihm bestehende Arbeitsverhältnisse nicht einschlägig sind und auch keine tarifvertragliche Lücke vorliegt, die von Rechts wegen deren Anwendung gebietet, gleichwohl auf diese Arbeitsverhältnisse anwendet (BAG 06.07.2011, 4 AZR 596/09 EzA-SD 24/2011 S. 7 Ls = NZA 2011, 1427).

40

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, abstrakte Regelungen für Gehaltserhöhungen aufzustellen. Er kann individuelle Gesichtspunkte, z. B. die Gehaltsdifferenzen zu anderen vergleichbaren Mitarbeitern berücksichtigen (BAG 15.11.1994 EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 61). Auch führt es nicht zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wenn der Arbeitgeber bei der Anwendung einer Versorgungsordnung einen regelwidrigen Fehler begeht (BAG 19.11.2002 EzA § 1 BetrAVG Nr. 84).

41

Bei freiwilligen Leistungen ist der Arbeitgeber zwar grundsätzlich frei, den Personenkreis abzugrenzen, dem er die Leistungen zukommen lassen will (BAG 14.08.2007 EzA § 611 a BGB 2002 Nr 5). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber aber, in einer bestimmten Ordnung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern sachfremd zu differenzieren. Die Gruppen der Begünstigten und Nichtbegünstigten müssen nach sachgerechten Kriterien gebildet werden. Einzelne Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe dürfen nicht willkürlich schlechter gestellt werden (BAG 25.05.2001 EzA § 1 b BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 1; s. u. Rn. 442 ff.); zu beachten ist insoweit, dass die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung nur am Zweck der freiwilligen Leistung gemessen werden kann (BAG 14.08.2007 a. a. O. EzA § 611 a BGB 2002 Nr. 5). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch dann verletzt, wenn eine Maßnahme des Arbeitgebers gegen die RL 2000/78/EG oder gegen § 611 a BGB (bis 17.08.2006) verstößt (BAG 14.04.2006 NZA 2006, 1217; 14.08.2007 a. a. O.) Der Arbeitgeber verletzt z. B. regelmäßig das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts, wenn er bei Auswahlentscheidungen, die ohne inhaltliche Änderung des Aufgabengebiets eine Besserstellung einzelner Arbeitnehmer bewirken, das Geschlecht des ausgeschlossenen Arbeitnehmers zu dessen Lasten berücksichtigt (BAG 14.08.2007 a. a. O.). Andererseits ist es dem Arbeitgeber aber nicht verwehrt, z. B. der Gruppe der Angestellten ein höheres Weihnachtsgeld zu zahlen, wenn sachliche Kriterien die Besserstellung gegenüber der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer rechtfertigen (BAG 12.10.2005 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 8). Bestimmt der Arbeitgeber durch die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen bestimmte Zwecke einer Sonderzahlung, so kann er nicht eine dieser Voraussetzungen, mit der er den Empfängerkreis begrenzen will, zum "Hauptzweck" deklarieren, um damit die Herausnahme einer Arbeitnehmergruppe sachlich zu rechtfertigen, wenn einerseits die benachteiligte Gruppe die übrigen Ziele auch erreichen kann und andererseits die begünstigte Gruppe, deren Nachteile vorgeblich ausschließlich ausgeglichen werden sollen, diesen Ausgleich nur erhalten, wenn sie alle festgelegten Voraussetzungen erfüllen (BAG 01.04.2009 - 10 AZR 353/08 - NZA 2009, 1409).

42

Die Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Gründe der von ihm vorgenommenen Differenzierung dem Arbeitnehmer - vorprozessual - mitgeteilt hat. Eine materiell-rechtliche oder prozessuale Präklusion des Arbeitgebers mit Differenzierungsgründen tritt nicht ein. Ob der Arbeitgeber einen "nachgeschobenen" Differenzierungsgrund nur "vorschiebt" ist keine Frage der Präklusion, sondern der Tatsachenfeststellung (BAG 23.2.2011 EzA S 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 24). Da der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Ausnahme von der Vertragsfreiheit darstellt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Verletzung zwar vom Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen. Allerdings darf insoweit von einer Prozesspartei nichts Unmögliches verlangt werden; was sie nicht wissen kann, kann sie auch nicht vortragen müssen. Steht eine Gruppenbildung fest, hat folglich der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offen zu legen oder so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Der von einer Gehaltserhöhung ausgenommene Arbeitnehmer hat gegenüber seinem Arbeitgeber einen ggf. im Wege der Stufenklage durchsetzbaren Auskunftsanspruch über die für eine Gehaltserhöhung verwendeten Regeln (BAG 27.07.2010 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 23).Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber generell bestreitet, andere Arbeitnehmer besser als den Kläger behandelt zu haben, gehört es zu einer hinreichend substantiierten Darlegung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, dass der Kläger zumindest einen Fall von Besserstellung konkret bezeichnet(LAG Köln 22.01.1999 NZA-RR 2000, 379). Steht fest, dass ein Arbeitgeber Arbeitnehmer mit ähnlicher Tätigkeit unterschiedlich entlohnt, dann hat er darzulegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört(BAG 29.9.2004 EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 4). Zumindest dann, wenn die Differenzierungsgründe des Arbeitgebers und der mit der Zahlung eines höheren Weihnachtsgeldes an Angestellte im Gegensatz zu den gewerblichen Arbeitern verfolgte Zweck nicht ohne weiteres erkennbar sind, hat der Arbeitgeber die Gründe für die unterschiedliche Behandlung so substantiiert darzulegen, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprach (BAG 12.10.2005 EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat dann im Anschluss daran darzulegen, dass er die vom Arbeitgeber vorgegebenen Voraussetzungen für die Leistung erfüllt (BAG 29.9.2004 a.a.O.).

43

Allerdings kann eine Vermutung dafür sprechen, dass in regelmäßigen Gehaltserhöhungen ein Grundbetrag zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs enthalten ist, dessen Höhe im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) ermittelt werden kann(BAG 11.9.1985 EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 43).

44

Der Arbeitnehmer kann die Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung verlangen. Erbringt der Arbeitgeber z.B. freiwillige Leistungen nach einem generalisierenden Prinzip durch Abschluss von Änderungsverträgen, kann ein nicht berücksichtigter Arbeitnehmer auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf Abschluss des vorenthaltenen Änderungsvertrages haben (BAG 14.08.2007 EzA § 611a BGB 2002 Nr. 5; s.a.BAG 05.08.2009 EzA §612a BGB 2002 Nr. 9). Der Arbeitgeber ist auch dann gebunden, wenn er freiwillig mit über 5 % seiner Belegschaft Altersteilzeitvereinbarungen trifft. Bestimmt er einen in der Zukunft liegenden Stichtag, von dem an er weitere Altersteilzeitanträge ablehnen will, hat er dafür zu sorgen, dass der Stichtag den berechtigten Arbeitnehmern bekannt wird. Erfährt ein berechtigter Arbeitnehmer erst nach dem Stichtag von der Befristung, ist sein Ausschluss von der Leistungsgewährung sachlich nicht gerechtfertigt. Er hat dann Anspruch auf die vorenthaltene Leistung, den Abschluss des Altersteilzeitvertrages (BAG 15.4.2008 EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr.27).

45

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eine schematische Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer oder der aktiven oder bereits in den Ruhestand versetzten Arbeitnehmer gebietet. Verboten ist lediglich eine willkürliche Differenzierung, also eine unsachliche oder auf sachfremden Gründen berufende Gruppenbildung; bei freiwilligen Leistungen sind nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz deren Voraussetzungen so abzugrenzen, dass nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen bleibt (BAG 25.05.2004, EzA § 1 b BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 1; 15.02.2005, EzA § 612 a BGB Nr. 2002 Nr. 2; 02.08.2006, EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 3).

46

Das Arbeitsgericht hat den sachlichen Grund für die vorliegend objektiv gegebene Ungleichbehandlung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften darin gesehen, dass der Arbeitgeber bei ordentlichen Mitgliedern, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis zu der C. stehen, von der Erkrankung der Arbeitnehmer und deren voraussichtlicher Dauer, insbesondere aber von ihrem Ausscheiden zum Beispiel durch Eintritt einer Erwerbsminderung Kenntnis erlangt. Diese Kenntnis erhält auch die Beklagte, weil bei Ende der Entgeltfortzahlung die Pflicht zur Beitragszahlung an die Beklagte ruht. Insoweit stehen längerfristig erkrankte Arbeitnehmer den Ausgeschiedenen gerade nicht gleich. Zwar handelt es sich insoweit nicht um einen zwingenden Grund zur Ungleichbehandlung; der Umstand, dass die dargestellte Vorgehensweise so normiert ist, bedeutet aber keine willkürliche Schlechterstellung des Klägers. Denn entscheidend zu berücksichtigen ist vorliegend, dass der Kläger durch sein eigenes Verhalten, nämlich die Übersendung eines schriftlichen Antrags an die Beklagte, es ausschließlich selbst in der Hand hat, den Beginn der Zahlungspflicht zu bestimmen. Ihm wird also aufgrund seiner außerordentlichen Mitgliedschaft nicht per sé und von ihm nicht mehr beeinflussbar eine Anspruchsminderung zugemutet.

47

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass es keine Pflicht des Arbeitgebers gibt, einen Vorteil, den eine Versorgungszusage für den Fall des Ausscheidens mit Eintritt der Versorgungsfälle "Erreichen des 65. Lebensjahres", "Arbeitsunfähigkeit" und "vorgezogene Inanspruchnahme einer Betriebsrente" getroffen hat, auch bei einem vorzeitigen Ausscheiden zu gewähren. Das BAG (23.01.2001, EzA § 6 BetrAVG Nr. 24; bestätigt durch BAG 07.09.2004, 3 AZR 524/03 und 19.04.2011, 3 AZR 318/09) ist insoweit davon ausgegangen, dass eine Begünstigung bestimmter, besonders lange Zeit betriebstreuer Arbeitnehmer, die die Betriebsrente nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch nehmen, nachdem sie bis dahin betriebstreu geblieben sind, regelmäßig personalwirtschaftliche Gründe hat. Diese rechtfertigen die Ungleichbehandlung. Ein Arbeitgeber ist durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz danach nicht gezwungen, die Begünstigung, die er Arbeitnehmern gewährt, die bis zum vorgezogenen Ruhestand betriebstreu geblieben sind, auch den Arbeitnehmern einzuräumen, die vorzeitig ausgeschieden sind und später vorgezogene Betriebsrente in Anspruch nehmen.

48

Folglich liegt nach Maßgabe dieser Grundsätze vorliegend erst Recht kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Denn dem Kläger wird, wie dargelegt, lediglich eine Obliegenheit im eigenen Interesse auferlegt, nämlich die Mitteilung der Antragstellung, um mit den ordentlichen Mitgliedern in jeder Hinsicht gleichgestellt zu werden. Er hat es damit allein in der Hand, die Ungleichbehandlung zu vermeiden bzw. abzuwenden. Wenn er dem vorliegend aus Gründen, die sich der Kammer nicht erschließen, nicht nachgekommen ist, vermag dies nicht zu einer Rechtsverletzung zu führen.

49

Die Ablehnung der rückwirkenden Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente durch die Beklagte ist letztlich auch nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB. Denn die Beklagte hat sich erkennbar nicht treuwidrig verhalten; sie hat vielmehr bereits im Schreiben aus dem Jahr 2006 eine gleichzeitige Antragstellung mit dem Rentenantrag beim gesetzlichen Rententräger empfohlen, da anderenfalls eine rückwirkende Zahlung ausgeschlossen ist. Sie ist damit folglich, wie bereits dargelegt, gerade eingehend ihrer gesetzlichen Rücksichtnahmepflicht (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) nachgekommen.

50

Soweit der Kläger des Weiteren vorgetragen hat, die Empfehlung der Beklagten setze zumindest voraus, dass ein Fall der Erwerbsminderung vorliege, so ist für die Kammer nicht erkennbar, welche Unklarheiten und Schlussfolgerungen sich zugunsten des Klägers daraus ergeben sollen. Aufgrund des notwendigen Feststellungsverfahrens ist zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Arbeitnehmer zwar regelmäßig nicht zweifelsfrei feststellbar, ob, ab wann und wie lange die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente gegeben sind. Gerade deshalb erfolgt die Zahlung aber rückwirkend bei ordentlichen Mitgliedern auf den Zeitpunkt der Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger; eine Gleichbehandlung insoweit hätte der Kläger durch einfaches Mitteilungs- bzw. Antragsschreiben mühelos erreichen können. Warum die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten insoweit unklar sind, erschließt sich der Kammer nicht. Noch weniger ist nachvollziehbar, warum das Schreiben der Beklagten vom 02.03.2006 an den Kläger für den juristischen Laien nicht zu verstehen sein soll. Denn etwas anderes als die Empfehlung einer Antragstellung aus verständlichen Gründen enthält es im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht.

51

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

53

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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