Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 552/13

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 18.09.2013, Az.: 7 Ca 237/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung vom 22.01.2013, eine hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 22.01.2013, sowie die Rechtswirksamkeit einer Versetzung vom 15.01.2013.

2

Der 1961 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit Januar 1998 zunächst bei der C. GmbH als Head HR Germany und nach der Integration der C.GmbH in den Konzern der Beklagten im Jahre 2009 als Head HR L. bei der B.L. GmbH beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 17.10.2011 zum 31.10.2011 aufgelöst. Gemäß § 14 dieses Aufhebungsvertrages wurde vereinbart, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis und dem Anlass seiner Beendigung restlos abgegolten sind.

3

Mit Wirkung zum 01.11.2011 ist der Kläger bei der Beklagten als Kaufmann in der Funktion Head of Human Resources, HR Business Partner bei G.in L. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 16.09.2011 wurde der 01.01.1998 als Stichtag für die Betriebszugehörigkeit anerkannt. Der Kläger wird von der Beklagten als Leitender Angestellter geführt. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung lag zuletzt bei 13.000,-- EUR.

4

In einer Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 19.09.2011 haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger einen Dienstwagenverlustausgleich erhält. 11.338,-- EUR soll der Kläger danach mit dem Gehalt im November 2011, 7.558,-- EUR im Mai 2012 und 3.779,-- EUR im Mai 2013 erhalten. Als Voraussetzung der Zahlungen ist festgehalten worden, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Auszahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet.

5

Bei der Beklagten bestehen ein Betriebsrat und ein Sprecherausschuss. Sie beschäftigt regelmäßig mehrere tausend Arbeitnehmer.

6

Mit Schreiben vom 30.05.2012 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung vom 31.03.2013 ausgesprochen. Die Kündigung wurde auf den - vom Kläger voll umfänglich bestrittenen - Vorwurf der Gewährung nicht gesetzlich gerechtfertigter finanzieller Vorteile an Betriebsratsmitglieder im Rahmen des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seiner vorherigen Arbeitgeberin gestützt. Der dagegen vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen - 8 Ca 947/12 - durch Urteil vom 29.11.2012 stattgegeben. Es hat die Beklagte in diesem Zusammenhang unter anderem auch dazu verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiterzubeschäftigen. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 19.08.2013 - 5 Sa 167/13 - zurückgewiesen. Im Anschluss an das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil hat der Kläger den ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruch wiederholt gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

7

Am 10.12.2012 erschien der Kläger um 8.45 Uhr am Werkstor (Pforte X), um seinen Weiterbeschäftigungsanspruch zu realisieren. Nachdem ihm der Zutritt verweigert worden war, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2012, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 192 f. d. A. Bezug genommen wird, zur Aufhebung des Werkverbots und zur Weiterbeschäftigung bis zum 20.12.2012 auf. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.12.2012 daraufhin mitgeteilt, es werde derzeit aktiv nach einem Einsatzort gesucht. Aufgrund der hervorgehobenen Stellung des Klägers sei die Suche jedoch komplex und es sei noch keine Stelle identifiziert worden. Die Beklagte werde sich jedoch melden, sobald eine geeignete Stelle gefunden sei; hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 194 d. A. Bezug genommen,.

8

Mit Schreiben vom 21.12.2012, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 196 d. A. Bezug genommen wird, hat der Kläger eine Frist bis zum 07.01.2013 gesetzt, um die Weiterbeschäftigung umzusetzen. Der Kläger drohte rechtliche Schritte für den Fall der Verfristung an. Am 07.01.2013 fand sich der Kläger sodann um 9.00 Uhr erneut an der Pforte X ein, um die Arbeit anzutreten. Wiederum wurde ihm der Zutritt verweigert. Daraufhin informierte der Kläger am selben Tag den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Herrn B., sowie deren Chief Compliance Officer, Herrn R., per E-Mail über die Weigerung der Beklagten, den Kläger zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 08.01.2013, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 198 d. A. Bezug genommen wird, zeigte die Beklagte an, dass die Suche nach einer Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger im Rahmen der Feiertage schwer umsetzbar sei. Die Beklagte werde sich aber melden, sobald ein geeigneter Arbeitsplatz gefunden worden sei. Mit Schreiben vom 10.01.2013, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 199 d. A. Bezug genommen wird, informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er die Weiterbeschäftigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend machen werde. Ebenfalls mit Schreiben vom 10.01.2013 informierte die Beklagte den Kläger, dass er ab dem 16.01.2013 "vertragsgemäß" im Rahmen einer Prozessbeschäftigung eingesetzt werde.

9

Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

10

"Sehr geehrte Frau N.,

Ihr Mandant hat verlangt, vorläufig weiterbeschäftigt zu werden. Aufgrund der am 29.11.2012 verkündeten Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen (Az: 8 Ca 947/12) sind wir zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gehalten, dem nachzukommen.

Wir werden Ihren Mandanten spätestens ab dem 16.01.2013 vertragsgemäß - im Rahmen einer Prozessbeschäftigung - einsetzen.

Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass diese Weiterbeschäftigung lediglich vorläufigen Charakter hat und automatisch endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf -, sobald und sofern der Rechtsstreit zu Gunsten der B. rechtskräftig entschieden werden sollte.

Mit freundlichen Grüßen"

11

Mit Schreiben vom 15.01.2013, das der Prozessbevollmächtigten des Klägers um 18.07 Uhr übermittelt wurde und das dem Kläger selbst per E-Mail um 18.30 Uhr zuging, wurde er aufgefordert, sich am 16.01.2013 um 11.30 Uhr am Gebäude, einzufinden. Er werde dort von seinem zukünftigen Vorgesetzten Herrn S. erwartet. Die Einzelheiten der zukünftigen Tätigkeit werde man dem Kläger persönlich erläutern.

12

Das Schreiben vom 15.01.2013 hat folgenden Wortlaut:

13

"Sehr geehrte Frau N.,

Ihr Mandant hat verlangt, vorläufig weiterbeschäftigt zu werden. Aufgrund der am 29.11.2012 verkündeten Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen (Az: 8 Ca 947/12) sind wir zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gehalten, dem nachzukommen.

Wir werden Ihren Mandanten ab dem 16.01.2013 vertragsgemäß einsetzen. Bis 31.03.2013 (Ablauf der Kündigungsfrist) erfolgt die Prozessbeschäftigung auf Basis des aktuellen Arbeitsvertrages. Ab dem 01.04.2013 wird Ihr Mandant auf Basis einer Prozessbeschäftigungsvereinbarung tätig werden. Diese werden wir Ihnen in Bälde übermitteln.

Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass diese Weiterbeschäftigung lediglich vorläufigen Charakter hat und automatisch endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf -, sobald und sofern der Rechtsstreit zu Gunsten der B. rechtskräftig entscheiden wird. Wir behalten uns vor, die im Rahmen der Prozessbeschäftigung bezahlte Vergütung zurückzufordern.

Bitte richten Sie Ihrem Mandanten aus, dass er am 16.01.2013 um 11.30 Uhr von seinem Vorgesetzten, Herrn S., im Raum erwartet wird. Die näheren Details der Tätigkeit wird Herr S. Ihrem Mandanten persönlich erläutern.

Mit freundlichen Grüßen"

14

Ob das Werksverbot am 15.01.2013 aufgehoben wurde, wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt.

15

Hinsichtlich der Planstellenbeschreibung in Bezug auf die dem Kläger angebotene Projektleitertätigkeit wird auf Bl. 269 f. d. A. Bezug genommen. Durch schriftliche Mitteilung wurde der Betriebsrat am 15.01.2013 gemäß § 105 BetrVG über die Versetzung informiert. Zugleich wurde ein Antrag auf Zustimmung zur Versetzung gemäß § 99 BetrVG gestellt (vgl. Bl. 273 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 16.01.2013 erklärte der Betriebsrat gegenüber dem Beklagten, die Versetzung zur Kenntnis genommen zu haben. Dem vorsorglichen Antrag auf Zustimmung zur Versetzung hat der Betriebsrat zugestimmt (vgl. Bl. 279 d. A.). Unterschiedlich dargestellt wird von den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung bereits vor 11.30 Uhr vorlag oder aber nicht.

16

Am Abend des 15.01.2013 gegen 21.45 Uhr versuchte die Ehefrau des Klägers, Frau J., Herrn S. telefonisch zu kontaktieren, sprach aber nur mit dessen Ehefrau. Der Inhalt des geführten Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Am 16.01.2013 rief die Ehefrau des Klägers um ca. 9.15 Uhr auf dem Handy von Herr S. an und erkundigte sich nach der zukünftige Aufgabe des Klägers, die Herrn S. ihr daraufhin kurz beschrieb. Welche Äußerungen im Einzelnen insoweit gefallen sind, wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt. Um ca. 9.25 Uhr rief der Kläger auf dem Handy von Herrn S. an. Auch er bat um Auskunft über die zukünftige Tätigkeit. Der weitere Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls hat der Kläger nach einer Erläuterung der Aufgabe durch Herrn S. mitgeteilt, dass er den Termin nicht wahrnehmen werde, da er die angebotene Aufgabe als nicht adäquat erachte. Am 16.01.2013 um ca. 6.20 Uhr teilte der Kläger dem Beklagtenvertreter, Herrn Dr. W., per E-Mail (Bl. 225 d. A.) mit, dass er die angedachte Aufgabe nicht übernehmen werde. Ein weiteres Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers, in dem die Ablehnungsgründe erläutert wurden und hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 108 f. d. A. Bezug genommen wird, ging der Beklagten am 17.01.2013 zu.

17

Das Gesamtverhalten des Klägers wurde seitens der Beklagten als Arbeitsverweigerung eingeordnet. Deshalb wurde der Kläger mit Schreiben vom 16.01.2013 letztmalig zur Arbeitsaufnahme zum 17.01.2013 um 9.00 Uhr aufgefordert. Hinsichtlich der Formulierungen des Schreibens wird auf Bl. 210 f. d. A. Bezug genommen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Mit Schreiben vom 17.01.2013, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 213 f. d. A. Bezug genommen wird, das der Beklagten um 10.33 Uhr zuging, wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die angebotene Tätigkeit aus Sicht des Klägers kein ordnungsgemäßes Weiterbeschäftigungsangebot darstelle. Die Beklagte wurde aufgefordert, das Werksverbot aufzuheben und den Kläger als Head HR GT zu beschäftigen.

18

Mit Schreiben vom 17.01.2013 wurde der Sprecherausschuss der Leitenden Angestellten der Beklagten zur beabsichtigten Kündigung angehört (vgl. Bl. 215 bis 274 d. A.). Vorsorglich wurde der Betriebsrat der Beklagten auch mit Schreiben vom 17.01.2013 zur beabsichtigten Kündigung angehört (vgl. Bl. 248 bis 254 d. A.). Mit Schreiben vom 21.01.2013, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 255 d. A. Bezug genommen wird, informierte der Betriebsrat die Beklagte, dass sich der Kündigungsausschuss des Betriebsrats für unzuständig erklärte und zu der geplanten personellen Maßnahme keine Stellungnahme abgeben werde.

19

Daraufhin hat die Beklagte am 22.01.2013 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Hilfsweise wurde eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 9 Monaten, d. h. zum 31.12.2013, ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben wurde dem Kläger am 22.01.20113 per Boten übermittelt; hinsichtlich des weiteren Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 257 bis 259 d. A. Bezug genommen.

20

Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 04.02.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

21

Der Kläger hat vorgetragen,

22

die für ihn vorgesehene Projektleiterstelle sei nicht adäquat gewesen. Dies habe er bereits aufgrund der ihm vorliegenden und im Rahmen des Telefonats mit Herrn S. vermittelten Erkenntnisse erkennen können, ohne dazu den Gesprächstermin um 11.30 Uhr wahrnehmen zu müssen. Dass er die Stelle nicht für adäquat halte, habe er auch gegenüber der Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig die Bereitschaft zur Aufnahme einer adäquaten und zumutbaren Tätigkeit angezeigt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers insoweit im Einzelnen wird auf seinen Schriftsatz vom 10.07.2013 (Bl. 483 bis 488 d. A.) Bezug genommen.

23

Nach seiner Auffassung habe die Beklagte durch Ausspruch der Kündigung zudem gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoßen. Insoweit wird hinsichtlich der Ausführungen des Klägers im Einzelnen auf seinen Schriftsatz vom 10.07.2013 (Bl. 488 bis 490 d. A.) sowie vom 10.09.2013 (Bl. 604 bis 606 d. A.) Bezug genommen.

24

Die Versetzung sei bereits aus formellen Gründen rechtsunwirksam, weil ihm kein vertragsgemäßes Arbeitsangebot unterbreitet worden sei und die Beklagte bei Ausübung ihres Direktionsrechts billiges Ermessen gemäß § 315 BGB nicht gewahrt habe. Hinsichtlich seines Vorbringens insoweit im Einzelnen wird auf Bl. 491 bis 498 d. A. Bezug genommen. Der Wirksamkeit der Versetzung stehe zudem die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag enthaltenen Versetzungsklausel entgegen. Selbst wenn man die Klausel für wirksam erachte, müsse man gleichwohl von einer Unwirksamkeit der Versetzung ausgehen, weil die Beklagte mit ihm - dem Kläger - vor der Versetzung gerade kein "rechtzeitiges" Gespräch im Sinne dieser Klausel geführt habe. Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers insoweit wird auf Bl. 498 bis 500 d. A. Bezug genommen. Auch habe die Beklagte den Betriebsrat nicht rechtzeitig zur Versetzung angehört. Die gemäß § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Versetzung habe erst nach Ausspruch der Versetzung vorge-legen. Der Betriebsrat sei auch inhaltlich unzutreffend informiert worden. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers insoweit wird auf Bl. 500, 604 d. A. Bezug genommen.

25

Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zur Kündigung sei ebenfalls nicht erfolgt, da der Betriebsrat auch im Rahmen dieses Beteiligungsverfahrens unzutreffend informiert worden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten seines Vorbringens insoweit wird auf Bl. 501 d. A. Bezug genommen.

26

Im Übrigen sei das Vorbringen der Beklagten insgesamt widersprüchlich, da ihm einerseits Arbeitsverweigerung, andererseits die Verweigerung der Teilnahme an einem Personalgespräch vorgeworfen werde. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug insoweit wird auf Bl. 600 bis 603 d. A. Bezug genommen.

27

Der Kläger hat beantragt,

28

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 22.01.2013, zugegangen am 22.01.2013, nicht aufgelöst worden ist,

29

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22.01.2013, zugegangen am 22.01.2013, aufgelöst wird,

30

3. festzustellen, dass die mit Schreiben vom 15.01.2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist.

31

Die Beklagte hat beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Die Beklagte hat vorgetragen,

34

der Kläger habe das ihm unterbreitete Arbeitsangebot zu Unrecht abgelehnt und die Teilnahme am Personalgespräch ohne Rechtsgrund verweigert. Wegen des Vorbringens der Beklagten zu den Telefonaten am Abend des 15.01.2013 und am Morgen des 16.01.2013 wird auf Bl. 51 bis 54 d. A. Bezug genommen.

35

Der Kläger sei mit Wirkung zum 16.01.2013 rechtswirksam auf die Stelle als Projektleiter bei der G. besetzt worden; hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf Bl. 57 d. A. Bezug genommen. Die zugewiesene Tätigkeit entspreche der bisherigen Berufserfahrung, Ausbildung und insbesondere auch den Kenntnissen und Fähigkeiten des Klägers. Die Zuweisung entspreche billigem Ermessen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Head HR Businesspartner sei ihr - der Beklagten - weder möglich noch zumutbar. Dem Kläger fehle für diese Tätigkeit auch die erforderliche Eignung. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf Bl. 57 d. A., 58 bis 65 d. A., 564 bis 572 d. A. sowie Bl. 573 bis 578 d. A. Bezug genommen.

36

Hinsichtlich der Darstellung der Beklagten zur rechtlichen Bewertung des Sachverhalts wird auf Bl. 66 bis 80 d. A., 556 bis 562 d. A. sowie auf Bl. 579 f. d. A. Bezug genommen.

37

Der Werksausweis sei zum Zeitpunkt der avisierten Arbeitsaufnahme bzw. zum geplanten Besprechungszeitpunkt voll funktionsfähig gewesen, so dass der Kläger sowohl Zutritt zum Gebäude X als auch zum Werksgelände erhalten habe. Das mit der Freistellung ausgesprochene Werksverbot sei aufgehoben worden.

38

Bei der Versetzung des Klägers habe sie die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte gewahrt. Sprecherausschuss und Betriebsrat seien ordnungsgemäß beteiligt worden. Wegen des Vorbringens der Beklagten insoweit im Einzelnen wird auf Bl. 57 d. A. und Bl. 572 f. d. A. Bezug genommen.

39

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 18.09.2013 - 7 Ca 237/13 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 22.01.2013, zugegangen am 22.01.2013, nicht aufgelöst wurde, es hat weiterhin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 22.01.2013, zugegangen am 22.01.2013, aufgelöst wurde und schließlich festgestellt, dass die mit Schreiben vom 15.01.2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 622 bis 641 d. A. Bezug genommen.

40

Gegen das ihr am 22.11.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 09.12.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 21.02.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 10.12.2013 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 24.02.2014 einschließlich verlängert worden war.

41

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand sei vorliegend gegeben, zumindest sei die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung rechtswirksam, ebenso wie die streitgegenständliche Versetzung.

42

Zu beachten sei, dass sich der Kläger vorliegend nicht lediglich geweigert habe, eine neue Stelle anzutreten, sondern vielmehr auch, überhaupt in die Gespräche mit der Beklagten über den anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft einzutreten. Dem Kläger sei also vorzuwerfen, dass er sich zu jedem Zeitpunkt generell geweigert habe, an einer wie auch immer gearteten konstruktiven Lösung zur Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten mitzuwirken. Ob die für den Kläger vorgesehenen Projektleiterfunktion diesem rechtmäßig habe zugewiesen werden können, spiele an dieser Stelle keine Rolle. Die Weigerung des Klägers, am 16.01.2013 den Betrieb der Beklagten aufzusuchen, offenbare weit mehr als eine Ablehnung des Klägers hinsichtlich einer nach seiner Auffassung unterwertigen Stellung im Betrieb der Beklagten. Vielmehr habe er aufgrund seiner im Vorfeld eingeholten Informationen ohne nähere Mitteilung der Beklagten für sich ent-schieden, dass er die in Aussicht genommene Stelle für unzumutbar halte und sich dem geplanten Personalgespräch über die neue Ausgestaltung seiner künftigen Tätigkeit sowie in der Folge der Tätigkeit als solcher generell verweigert. Ihm habe es jedenfalls nicht zugestanden, bereits die Teilnahme an dem avisierten Gespräch mit Herrn S. zu verweigern. Damit habe er insgesamt zum Ausdruck gebracht, dass er nicht mehr bereit sei, an einer konstruktiven Fortführung des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken, sondern dass es ihm ausschließlich darum gegangen sei, der Beklagten einseitig die Bedingungen für eine zukünftige Beschäftigung zu diktieren. Insoweit sei der Kläger durch sein Nichterscheinen einer rechtmäßigen Weisung des Arbeitgebers nicht nachgekommen.

43

Ziffer 6 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 16.09.2011 stehe der Rechtswirksamkeit der erteilten Weisung im Übrigen nicht entgegen. Denn die dort enthaltene Bestimmung müsse dahingehend verstanden werden, dass der Kläger entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, an einem von der Beklagten angesetzten Gespräch zur Vorbereitung einer Versetzung teilzunehmen. Insoweit sei insbe-sondere auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt werde. Deshalb habe der Kläger keinesfalls davon ausgehen dürfen, dass er der Aufforderung der Beklagten, sich zu einem Gespräch bei Herrn S. einzufinden, keine Folge leisten zu müssen. Weitergehend sei er sogar verpflichtet gewesen, einer durch Herrn S. im Gespräch am 16.01.2013 zu konkretisierenden Tätigkeit vorläufig nachzukommen, bis auf sein Betreiben ggf. gerichtlich festgestellt worden sei, dass er zur Leistung der ihm abverlangten Tätigkeit nicht verpflichtet sei.

44

Dieses Gesamtverhalten werde von der Beklagten als massiv arbeitsvertragswidrig verstanden und als Arbeitsverweigerung qualifiziert. Es habe sich dadurch nochmals massiv verfestigt, dass sich der Kläger auf die mit Schreiben vom 16.01.2013 letztmalige angemahnte Arbeitsaufnahme am 17.01.2013 nach wie vor nicht bei der Beklagten eingefunden habe. Damit habe er deutlich gemacht, dass er nicht gewillt sei, zu den von der Beklagten vorgesehenen Bedingungen für diese tätig zu werden und dass er darüber hinaus noch nicht einmal bereit sein werde, dies im Rahmen der dafür vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, z. B. mittels einer arbeitsgerichtlichen Feststellungsklage. Stattdessen habe er einseitig ein Tätigwerden auf einer ihm neu zugewiesenen Stelle verweigert und seine Arbeitskraft ausdrücklich nur für die von ihm in der Vergangenheit ausgeübte Stelle angeboten. Damit seien die gesetzlichen Voraussetzungen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung gegeben. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

45

Die von der Beklagten geplante Versetzung sei im Übrigen weder nichtig noch unwirksam gewesen. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte eine Versetzung des Klägers noch gar nicht vorgenommen gehabt habe. Die näheren Umstände der in Aussicht genommenen Tätigkeit hätten erst im Gespräch mit Herrn S. detailliert beschrieben werden sollen. Die für den Kläger vorgesehene Stelle sei insoweit vertragsgerecht gewesen, da mit der bisher ausgeübten Tätigkeit gleichwertig.

46

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 21.02.2014 (Bl. 681 bis 700 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 06.05.2014 (Bl. 748 bis 755 d. A.) Bezug genommen.

47

Die Beklagte beantragt,

48

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 18.09.2013 mit dem Az: 7 Ca 237/13 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

49

Der Kläger beantragt,

50

die Berufung zurückzuweisen.

51

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das Vorbringen der Beklagten sei insgesamt widersprüchlich, so dass vorliegend weder die streitgegenständliche Versetzung, noch die erklärten Kündigungen rechtswirksam seien. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei die Versetzung bereits vor dem 16.01.2013 erfolgt. Die Beklagte selbst gehe in ihren Schreiben davon aus, dass der Kläger von seinem Vorgesetzten, nicht etwa von seinem zukünftigen etwaigen Vorgesetzten empfangen werden solle. Insoweit sei der Kläger nicht zu einem Personalgespräch eingeladen worden, vielmehr sei eine Arbeitsaufforderung erfolgt. Nur so sei auch zu erklären, dass die Beklagte von einer Arbeitsverweigerung ausgehe, die eine vorherige Arbeitsaufforderung voraussetze. Im Übrigen sei zu bezweifeln, ob es eine weitreichende arbeitsvertragliche Verpflichtung dahin gebe, an einer konstruktiven Lösung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Selbst wenn eine solche Pflicht aber bestünde, hätte der Kläger sie nicht verletzt, sondern gerade erfüllt. Denn es sei der Kläger gewesen, der verlangt habe, seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen zu dürfen, nämlich seine Arbeitsleistung zu erbringen. Demgegenüber habe die Beklagte sich zunächst geweigert, den bereits ausgeurteilten und vorläufig vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsanspruch zu erfüllen.

52

Zwar treffe es zu, dass der Kläger am 16.01.2013 noch keine detaillierte Kenntnis von seiner zukünftigen Arbeitsaufgabe gehabt habe. Dessen habe es aber auch gar nicht bedurft, um zu erkennen, dass die angebotene Stelle nicht vertragsgemäß sei. Insofern treffe es zu, dass der Kläger "nicht gewillt sei" zu den von der Beklagten vorgesehenen Bedingungen für diese tätig zu werden. Dazu sei er auch gar nicht verpflichtet, er sei lediglich verpflichtet, zu vertragsgemäßen Bedingungen für sie tätig zu werden.

53

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 23.04.2014 (Bl. 724 bis 735 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 736 bis 739 d. A.) sowie seinen Schriftsatz vom 08.05.2014 (Bl. 760, 761 d. A.) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

55

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 12.05.2014.

Entscheidungsgründe

I.

56

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

57

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

58

Denn das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl die streitgegenständliche fristlose, als auch die vorsorgliche ordentliche Kündigung rechtsunwirksam ist und dass letztlich für die streitgegenständliche Versetzung nichts anderes gilt.

59

Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB für eine fristlose Kündigung sind vorliegend nicht gegeben, weil es bereits an einem an sich zur außerordent-lichen Kündigung geeigneten Umstand fehlt.

60

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 11. Auflage 2014, Kap. 4. Rdnr. 1104 ff.).

61

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

62

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

63

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

64

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

65

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

66

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

67

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

68

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

69

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

70

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

71

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

72

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

73

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a.O . Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

74

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

75

Dabei ist hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits folgendes zu beachten:

76

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann soweit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

77

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und ggf. beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

78

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

79

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

80

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

81

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

82

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

83

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

84

In jedem Fall, also z. B. auch bei einem Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers (BAG 17.05.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 90; 13.12.1984 EzA § 626 n. F. Nr. 94; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; LAG Hamm 02.09.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 28 a; abl. Tschöpe NZA 1985, 588) ist abschließend eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen (BAG 16.12.2004 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 7; 10.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 11; 27.04.2004 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17; LAG Düsseldorf 11.05.2005 NZA-RR 2005, 585), um festzustellen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung - zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht. Denn das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers keine absoluten Kündigungsgründe (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - zumindest vorläufigem - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, S. 6 LS). Die insoweit zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen (BAG 27.04.2006 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17; 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; 09.06.2011 EzA § 626 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Rhpf 26.05.2009 NZA-RR 2010, 134). Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011, 1413).

85

Ein wichtiger Grund zur Kündigung kann insbes. in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen; auch eine schuldhafte erhebliche Verletzung von Nebenpflichten kann aber u.U. eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (s. Schulte-Westenberg NZA-RR 2012, 169 ff), denn gem. § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet (BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbare Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199). Da die ordentliche Kündigung jedoch die übliche und regelmäßig ausreichende Reaktion auf die Verletzung einer Nebenpflicht ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das Gewicht einer solchen Pflichtverletzung durch erschwerende Gründe verstärkt wird (BAG 12.05.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 31). Der konkrete Inhalt der Rücksichtnahmepflicht ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag und seinen spezifischen Anforderungen; einer besonderen Vereinbarung bedarf es insoweit nicht (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).

86

Insoweit kommt zwar bei einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung eine außerordentliche, fristlose Kündigung (§ 626 BGB) in Betracht; es ist dabei aber stets u.a. zu würdigen, ob zu besorgen ist (Prognoseprinzip), der Arbeitnehmer werde auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen.

87

Nach dem ultima-ratio Prinzip schließt es dies aber im Einzelfall nicht aus, dass nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist (BAG 21.11.1996 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; vgl. auch BAG 05.04.2001 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 186; 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; zur Ankündigung einer Arbeitsverweigerung s. LAG Nbg. 16.10.2007 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 12).

88

Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus; er muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, das der Arbeitnehmer eine - rechtmäßige (s. BAG 24.02.2011 EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = NZA 2011, 1087) - Weisung unbeachtet lässt. Voraussetzung ist vielmehr, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Allerdings kann das Moment der Beharrlichkeit auch darin zu sehen sein, dass in einem einmaligen Fall eine Anweisung nicht befolgt wird; dies muss dann aber z.B. durch eine vorgehende erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden (BAG 21.11.1996 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; LAG SchlH 23.11.2004 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 1; LAG RhPf 08.09.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 24; s.a. LAG SchlH 14.08.2007 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 12).

89

Diese Voraussetzungen sind vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben.

90

Die Beklagte hat ihre gegenteilige Annahme darauf gestützt, dass sich der Kläger vorliegend nicht lediglich geweigert habe, eine neue Stelle anzutreten, sondern vielmehr auch, überhaupt in die Gespräche mit der Beklagten über den anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft einzutreten. Ihm sei also vorzuwerfen, dass er sich zu jedem Zeitpunkt generell geweigert habe, an einer wie auch immer gearteten konstruktiven Lösung zur Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten mitzuwirken. Dieses Gesamtverhalten werde von ihr - der Beklagten - als massiv arbeitsvertragswidrig verstanden und als Arbeitsverweigerung qualifiziert.

91

Dem folgt die Kammer ausdrücklich nicht.

92

Denn diese Einschätzung der Sach- und Rechtslage beruht auf einer einseitig verkürzten Wahrnehmung der Gegebenheiten und schließlich der Würdigung der tatsächlichen Geschehnisse zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits im fraglichen Zeitraum.

93

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis nämlich am 30.05.2012 ordentlich zum 31.03.2013 gekündigt. Völlig unabhängig von der Frage der Rechtswirksamkeit dieser Kündigung, die die Kammer rechtskräftig verneint hat, stand dem Kläger schon unbeschadet dieser Kündigung ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung bis zum 31.03.2013 zu, also auch zu dem Zeitpunkt, über den die Parteien vorliegend streiten. Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, aufgrund des Arbeitsvertrages, d. h. im Rahmen der versprochenen Dienste, nicht nur bezahlt, sondern auch tatsächlich beschäftigt zu werden (BAG, Großer Senat, 27.02.1985, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Der Anspruch folgt aus §§ 611, 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Artikel 1 und 2 GG. Der Anspruch besteht bei einer ordentlichen Kündigung jedenfalls auch während der Kündigungsfrist (BAG 26.05.1977, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 2). Er ist nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nur dann ausgeschlossen, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung gar nicht möglich oder jedenfalls nicht zumutbar ist oder das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Diesen Ausnahmetatbestand muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen. Auch die Übertragung der Aufgaben des Gekündigten auf einen anderen Arbeitnehmer schließt den Beschäftigungsanspruch grundsätzlich nicht aus (LAG München 19.08.1992, NZA 1993, 1130).

94

Infolgedessen hat der Kläger nach Zugang der erstinstanzlichen Entscheidung seine Arbeitskraft zweimal zur rechten Zeit, am rechten Ort, und in der rechten Art und Weise am Werkstor der Beklagten angeboten. Aufgrund eines zuvor erteilten Hausverbots wurde ihm allerdings beide Male der Zutritt verweigert; der Beschäftigungsanspruch wurde insoweit von der Beklagten vereitelt. In dieser Situation hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, seinen aus dem unstreitig einstweilig weiterbestehenden Arbeitsverhältnis bestehenden Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gesondert sowohl im Klagewege als auch durch Einstweilige Verfügung geltend zu machen. Davon hat er abgesehen.

95

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgrund der zuvor dargestellten Grundsätze unzumutbar gewesen wäre, bestehen nicht und lassen sich insbesondere nicht dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten im Arbeitsrechtsstreit 8 Ca 947/12 vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen, der sodann vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5 Sa 167/13) fortgesetzt und abgeschlossen wurde, entnehmen.

96

Die Beklagte hat dem Kläger in diesem Verfahren zur Begründung der dort erklärten ordentlichen Kündigung in einer Reihe von Fällen die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern vorgeworfen:

97
Zusage einer monatlichen Funktionszulage an Herrn Sch. vom 04.04.2003
98
Zweifache Höhergruppierung des Betriebsratsmitglieds Sch. im Jahr 2006 ohne sachlichen Grund
99
Vereinbarung von mehreren Side Letters zu den ATZ-Verträgen der Betriebsratsmitglieder Sch. und R. vom 01.12.2009 und vom 03.12.2010, welche Abfindungserhöhungen und Aufwandsentschädigungen enthalten
100
Höhere Altersruhegeldzusagen an die Herren Sch. und R. im Rahmen ihrer ATZ-Verträge vom 01.12.2009 durch Zugrundelegung eines Beschäftigungsgrades von 100 %
101
Prämienzusage an Herrn Sch. vom 14.12.2010
102

Die Kammer hat durch Urteil vom 19.08.2013 - 5 Sa 167/13 - dieses Vorbringen wie folgt kündigungsschutzrechtlich gewürdigt:

103

"Gleichwohl sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nicht erfüllt, weil der Kläger nicht schuldhaft gegen die ihm vertraglich obliegenden Pflichten verstoßen hat.

104

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger - unstreitig - im Rahmen des zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehenden Arbeitsverhältnisses keine Pflichtverletzungen begangen hat; die von der Beklagten vorgetragenen Vorfälle liegen allesamt vor Begründung des Arbeitsverhältnisses mit ihr. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten den insoweit zu berücksichtigenden Pflichtenkreis zeitlich vorverlegt, ergeben sich zwar Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten des Klägers im Hinblick auf §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG nicht unproblematisch ist; für die Annahme schuldhaften Fehlverhaltens des Klägers, das den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung sozial rechtfertigen könnte, genügt dies jedoch nicht.

105

Gemäß § 78 Satz 2 BetrVG dürfen insbesondere Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Verboten ist insoweit jede objektive Begünstigung der Mandatsträger wegen ihrer Amtstätigkeit. Voraussetzung ist ein objektiver kausaler Zusammenhang zwischen der Amtstätigkeit und der benachteiligenden oder begünstigenden Maßnahme. Kausal ist die Amtstätigkeit, wenn die Besser- oder Schlechterstellung entfallen würde, wenn man die Amtstätigkeit hinweg denkt. Der Umstand, dass der Mandatsträger anders behandelt wird als andere Arbeitnehmer, kommt nur als Indiztatsache dafür in Betracht, dass dies wegen der Amtstätigkeit erfolgt ist (vgl. GK - BetrVG/Kreutz, 9. Aufl., § 78 Rdnr. 44). In Betracht kommen Begünstigungen vor allen Dingen in Form von Geldleistungen, Lohn- und Gehaltserhöhungen. Unzulässige Begünstigungen sind auch zusätzliche Sozialplanleistungen von Betriebsratsmitgliedern und die Bezahlung von Betriebsratsmehrarbeit, wenn die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG nicht vorliegen. Bedenklich unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung wie der Benachteiligung ist zudem die Vereinbarung einer Pauschale zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeit (vgl. GK - BetrVG/Kreutz, a.a.O. Rdnr. 65).

106

Vor diesem Hintergrund ist die Zusage einer monatlichen Funktionszulage an Herrn Sch. im Jahre 2003 nicht unproblematisch. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass eine derartige Zusage einer Pauschalierung dann zulässigerweise sinnvoll sein kann, wenn der Einzelnachweis und die Einzelabrechnung jeweils in Anspruch genommener Zeitanteile für die Gremientätigkeit tatsächlich schwierig ist, zur Preisgabe des konkreten Inhalts der wahrgenommenen Tätigkeit führt und durch den Verzicht auf Einzelabrechnung und Nachweis zu einer Zeit- und Kostenersparnis führt. Ob diese Voraussetzungen vorliegend im Einzelnen erfüllt sind/waren, lässt sich nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nicht zuverlässig beurteilen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass ein heimliches Vorgehen des Klägers in diesem Zusammenhang nicht vorliegt, dass die Abrechnung der monatlichen Funktionszulage über Jahre hinweg bei den vormaligen Arbeitgeber des Klägers praktiziert worden ist, ohne dass dies - jedenfalls lässt sich Entsprechendes nicht dem Vorbringen im vorliegenden Rechtsstreit entnehmen - beanstandet oder zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht worden ist. Auch dem Aufhebungsvertrag des Klägers mit seinem vormaligen Arbeitgeber lassen sich Anhaltspunkte dafür nicht entnehmen. Vor diesem Hintergrund kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers in seinem vorherigen Arbeitsverhältnis, die vorliegend zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen wäre, nicht ausgegangen werden, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat. Zudem hat sein vormaliger Arbeitgeber auch offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen, trotz der von der Beklagten angenommenen offensichtlichen Rechtswidrigkeit zumindest den Versuch zu unternehmen, die vermeintliche Begünstigung des Herrn Sch. zu beenden. Das wäre dann, wenn der vormalige Arbeitgeber des Klägers die hier vertretene Auffassung der Beklagten teilen würde, aber ohne weiteres naheliegend und auch im Hinblick auf das Begünstigungsverbot geboten gewesen. Allein dies zeigt - trotz Konzernzugehörigkeit -, dass erhebliche Zweifel an der Würdigung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts durch die Beklagte ohne weiteres angebracht sind.

107

Nichts anderes gilt für die zweifache Höhergruppierung des Betriebsratsmitglieds Sch. im Jahr 2006.

108

Hinsichtlich des Begünstigungsverbots gelten die zuvor dargestellten Grundsätze; gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats zudem nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

109

Für den Anspruch des Betriebsratsmitglieds maßgebend ist das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Durch diesen Vergleichsmaßstab soll die erforderliche hypothetische Betrachtung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 03.06.1980 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 69; 04.02.1998 NZA - RR 1998, 503) objektiviert werden. Damit sollen die Schwierigkeiten vermieden werden, die sich daraus ergeben, dass sich die berufliche Entwicklung eines Betriebsratsmitglieds ohne seine Amtstätigkeit im Allgemeinen schwer abschätzen lässt. Es ist also nicht zu prüfen, welche individuelle berufliche Entwicklung das betreffende Betriebsratsmitglied ohne das Amt mutmaßlich genommen hätte. Deshalb ist sowohl eine möglicherweise ungünstigere als auch eine günstigere berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmers nicht in Betracht zu ziehen. Vergleichbar sind Arbeitnehmer desselben Betriebs, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Amtes eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit wie dieses Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und auch hinsichtlich der Persönlichkeit, Qualifikation und Leistung vergleichbar sind (vgl. BAG 13.11.1987 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 88; 15.01.1992 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 110; vgl. GK - BetrVG/Weber 9. Auflage, § 37 Rdnr 112). Betriebsüblich ist die berufliche Entwicklung, die bei objektiver vergleichbarer Tätigkeit ein vergleichbarer Arbeitnehmer im Regelfall, d.h. bei gleichförmigem Verhalten des Arbeitgebers aufgrund der betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hat. Betriebsüblich sind Beförderungen daher nur, wenn entweder das Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten befördert worden wäre oder wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs entsprechend aufgestiegen wäre (BAG 15.01.1992 a. a. O.).

110

Vor diesem Hintergrund ist die erste Umgruppierung mit der Begründung mit Übernahme der Funktion als freigestellter Betriebsrat zwar höchst bedenklich; die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, das Höhergruppierungen aus Anlass der Freistellung als Betriebsratsmitglieds sowie zur Anpassung an das Entgelt des ebenfalls freigestellten Betriebsratsvorsitzenden mit den gesetzlichen und tariflichen Vorgaben unvereinbar sind. Allerdings hat der Kläger hinsichtlich beider Höhergruppierungen zumindest nachvollziehbar dargestellt, dass es sich insoweit nicht um Höhergruppierungen wegen oder aus Anlass der Freistellung, sondern um Höhergruppierungen, die bereits zuvor hätten erfolgen müssen, handelte. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass sie jeweils mit seinem Vorgesetzen Herrn Dr. D., abgestimmt waren. Berücksichtigt man zudem, wie auch im Zusammenhang mit der Funktionszulage, das die Höhergruppierungen nicht heimlich erfolgt sind, über Jahre hinweg praktiziert und vollzogen wurden durch die monatlichen Entgeltabrechnungen, dass dies offenbar im vormaligen Arbeitsverhältnis des Klägers zu keinem Zeitpunkt beanstandet und auch keinen Niederschlag im Aufhebungsvertrag gefunden hat, so kann von einem schuldhaften Fehlverhalten des Klägers insoweit nicht ausgegangen werden, auch wenn unter Umständen objektiv ein Gesetzesverstoß gegeben sein könnte.

111

Diese Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Side Letters zu den Altersteilzeitverträgen der Betriebsratsmitglieder Sch. und R.; ebenso für die für ein Altersruhegeldzusagen im Rahmen ihrer Altersteilzeitverträge durch Zugrundelegung eines Beschäftigungsgrades von 100 Prozent. Insoweit kommt ergänzend hinzu, dass im Rahmen von Altersteilzeitverträgen es nicht ungewöhnlich ist, dass Arbeitnehmer - und damit auch Betriebsratsmitglieder - den Versuch unternehmen, im konkreten Einzelfall günstigere als die betriebsüblich angebotenen Regelungen zu erzielen. Dass der Kläger insoweit außerhalb seines Entscheidungsspielraumes im Rahmen des damals bestehenden Arbeitsverhältnisses pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben könnte, kann nach dem wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen nicht angenommen werden.

112

Auch insoweit ist - wiederum - ergänzend darauf hinzuweisen, dass der vormalige Arbeitgeber des Klägers offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen hat, trotz Konzernzugehörigkeit die nach Auffassung der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits gegebenen offensichtlichen Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern - weder für die Vergangenheit, noch für die Zukunft - zu beenden.

113

Nichts anderes gilt letztlich für die Prämienzusage an Herrn Sch. vom 14.12.2010. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass Herr Sch. Herrn R. zeitaufwendig vertreten musste und dies zu Mehrarbeit führte; dem hat die Beklagte lediglich entgegen gehalten, dass sich derartiges aus der Zeiterfassung nicht ergebe.

114

Insgesamt hat die Beklagte damit Tatsachen vorgetragen, die das Verhalten des Klägers im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen zum Begünstigungsverbot für Mandatsträger als nicht unproblematisch erscheinen lassen. Allerdings wäre die Beklagte als verständiger Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer deshalb, weil es sich um Vorfälle handelt, die allesamt vor Beginn des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses liegen, gehalten gewesen, im Hinblick auf die weitere Tatsache, dass der Kläger im nunmehr bestehenden Arbeitsverhältnis keinerlei vergleichbare Entscheidungsbefugnisse inne hat (Prognoseprinzip) gehalten gewesen, nach Bekanntwerden dieser Umstände die Tatsachen unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers festzustellen, aufzuklären und deutlich zu machen, worin Abweichungen zum von der Beklagten erwarteten Leistungsverhalten bestehen und dies zum Gegenstand einer Änderung z.B. der Arbeitsplatzbeschreibung zu machen, also deutlich zu machen, was konkret im Einzelnen insoweit zukünftig vom Kläger erwartet wird. Erst wenn dies, ggf. nach einer vorherigen Abmahnung, fehlgeschlagen wäre, wäre eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht gekommen.

115

Auch die Voraussetzungen einer ordentlichen personenbedingten Kündigung sind nicht gegeben.

116

Denn dem Kläger haftet nach dem Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht in persona der Makel an, mit Betriebsratsmitgliedern nicht ohne Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften zum Nachteil seines Arbeitgebers umgehen zu können. Es handelt sich bei den von der Beklagten im Einzelnen vorgetragenen Vorfällen jeweils um Maßnahmen des Klägers, die auf einem willensgesteuerten Verhalten beruhen, also für die Zukunft korrigierbar sind. Im Hinblick auf das Prognoseprinzip wäre die Beklagte daher auch insoweit gehalten gewesen, den zuvor beschriebenen Weg als verständiger Arbeitgeber einzuhalten.

117

Auch die Anwendung der Grundsätze zur Berücksichtigung von außerdienstlichem Verhalten eines Arbeitnehmers führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn zum einen ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass von offensichtlich begangenen Straftaten des Klägers keine Rede sein kann. Warum das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten haben könnte, erschließt sich im Hinblick auf das erst sehr kurzzeitig bestehende Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht; hinzukommt, dass der vormalige vorherige Arbeitgeber des Klägers trotz Zugehörigkeit zum gleichen Konzern offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen hat, dass von der Beklagten inkriminierte Verhalten zu beanstanden und die nach Würdigung der Beklagten gegebenen offensichtlichen Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern zu beenden. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass irgendwelche Straftaten unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begangen worden sind; auch vor diesem Hintergrund kommt weder eine verhaltens- noch eine personenbedingte ordentliche Kündigung in Betracht.

118

Folglich bedurfte es abschließend keiner Entscheidung darüber, inwieweit die Behauptung des Klägers zutrifft, die Kündigung beruhe letztlich nur darauf, dass er sich gerade geweigert habe, an einem bei der Beklagten implementierten System der Betriebsratsbegünstigung mitzuwirken."

119

Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Vor diesem Hintergrund waren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten auch nur die einstweilige Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der von ihr erklärten ordentlichen-rechtsunwirksamen Kündigung unzumutbar gewesen sein könnte, ersichtlich nicht gegeben.

120

Hinzu kommt, dass das Arbeitsgericht Ludwigshafen aufgrund des erstinstanz-lichen Urteils vom 29.11.2012 - 8 Ca 947/12 - nicht nur festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2012, zugegangen am 31.05.2012, nicht zum Ablauf zum 31.03.2013 aufgelöst wird, sondern die Beklagte auch verurteilt hat, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiterzubeschäftigen. Damit stand dem Kläger für die Zeit ab dem 01.04.2013 ein titulierter Weiterbeschäftigungsanspruch zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu, dessen Zwangsvollstreckung er hätte betreiben können.

121

Auch diesem Anspruch hat sich die Beklagte widersetzt. Sie hat dem Kläger den Zutritt zum Werksgelände verwehrt, ihm sodann über Wochen hinweg hinsichtlich des Inhalts der tatsächlichen Beschäftigung "hingehalten", dabei allerdings stets deutlich gemacht, dass sie ihn keineswegs zu unveränderten Arbeitsbedingungen und insbesondere auch nicht auf der arbeitsvertraglichen Grundlage weder bis zum 31.03.2013, noch ab dem 01.04.2013 zumindest einstweilen beschäftigen werde, sondern beabsichtige, dem Kläger eine anderweitige Tätigkeit zuzuweisen. Dabei sollte es sich um eine einstweilige Prozessbeschäftigung handeln; Abstand von der - wie inzwischen rechtskräftig feststeht - unwirksamen Kündigung hat sie zu keinem Zeitpunkt genommen, sondern an dieser rechtsgestaltenden Willenserklärung ausdrücklich festgehalten.

122

Vor diesem Hintergrund war der Kläger nicht verpflichtet, vor Klärung des Inhalts der tatsächlichen Beschäftigung an einem Gespräch auf Veranlassung der Beklagten teilzunehmen. Insoweit handelt es sich aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles lediglich um einen - wenn auch nur verständlichen und naheliegenden - Wunsch der Beklagten, nicht aber um eine arbeitsrechtliche bzw. arbeitsvertragliche Verpflichtung des Klägers. Denn die Beklagte hat, wie dargelegt, die vertragsrechtliche Position des Klägers zum fraglichen Zeitpunkt gerade grundsätzlich in Abrede gestellt, sowohl im Hinblick auf den bis zum 31.03.2013 im Rahmen des unstreitig weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses bestehenden Beschäftigungsanspruch als auf den mit dem 01.04.2013 beginnenden einstweiligen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen. Folglich liegt keine Arbeitsverweigerung vor, und damit erst Recht keine - kündigungsschutzrechtlich relevante und erforderliche - beharrliche Arbeitsverweigerung. Folglich ging auch die von der Beklagten zuletzt vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen erteilte Abmahnung ins Leere. Denn ein rechtswidriges, vertragswidriges Verhalten des Klägers lag dem, wie dargelegt, nicht zugrunde.

123

Hinzu kommt, dass die erteilte Weisung auch aus einem weiteren Grunde rechtswidrig war. Das Arbeitsgericht hat insoweit mit ausführlicher und zutreffender Begründung angenommen, dass das schon daraus folgt, dass die Beklagte die von ihr selbst aufgestellten Regeln für die Übertragung anderer Tätigkeiten nicht eingehalten hat. Deshalb wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 14 bis 18 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 634 bis 638 d. A.) Bezug genommen. Etwas anderes folgt auch nicht aus BAG 23.06.2009 EzA § 106 GewO Nr. 3. Danach kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zwar im Rahmen des Direktionsrechts zum Beispiel auch zur Teilnahme an Gesprächen verpflichten, in denen er Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichteinhaltung beanstanden will. Darum ging es jedoch vorliegend nicht. Vielmehr ging es der Beklagten ersichtlich darum, an dem fraglichen Gespräch dem Kläger mitzuteilen, wie seine zukünftige Beschäftigung aussehen würde. Dies erfolgte aber, wie dargelegt, ohne Berücksichtigung des ihm zum damaligen Zeitpunkt ohnehin unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis und dem insoweit gegebenen Beschäftigungsanspruch, ebenso wie unter Missachtung des bereits ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruchs zu unveränderten Arbeitsbedingungen nach dem 01.04.2013.

124

Etwas anderes erfolgt auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 - EzA § 615 BGB 2002 Nr. 36). Zwar hat der 5. Senat des BAG dort ausgeführt:

125

"Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St. billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20.01.2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18, m.w.N., AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung u.a. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16.12.1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAG 18, 54; 28.07.2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 04.04.2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22: Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils m.w.N; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24.02.2011 - 2 AZR 636/09 Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28)."

126

Zwar kann diese Entscheidung durchaus so verstanden werden, dass damit eine einstweilige Befolgungspflicht bei einseitigen Arbeitgeberweisungen postuliert wird, selbst wenn sich diese in Nachhinein als unbillig erweisen sollte, sofern sie nur nicht aus anderen Gründen unwirksam ist. Vorliegend bestand aber, wie dargelegt, eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Klägers zur Gesprächsteilnahme nicht; die Weisung der Beklagten war folglich "aus anderen Gründen unwirksam" und im Übrigen lediglich zusätzlich auch unbillig, weil sie die rechtliche Position des Klägers zum fraglichen Zeitpunkt vollständig ignorierte. Im Übrigen steht diese Entscheidung nicht im Einklang mit der kündigungsschutzrechtlichen Bewertung vergleichbarer Lebenssachverhalte durch den für den Kündigungsschutz zuständigen zweiten Senat des BAG (vgl. 24.02.2011 - 2 AZR 636/09 - EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 28; s.a. BAG 29.08.2014 - 2 AZR 173/12 -). Denn dort heißt es unter anderem:

127

Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 05.04.2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe m.w.N. BAGE 97, 276)….

128

Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt. Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13.10.2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das Verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15.09.2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO i.V.M. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle (BAG 19,.01.2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25.10.1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).……

129

Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten (entsprach damit nicht billigem Ermessen).…

130

"Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.

131

Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25.02.2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt."

132

Folglich ist nach alledem vorliegend weder eine Vertragspflichtverletzung des Klägers, noch eine beharrliche Arbeitsverweigerung gegeben. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Nichtteilnahme an dem von der Beklagten anberaumten Gespräch, als auch im Hinblick auf das "Gesamtverhalten des Klägers".

133

Auch die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist rechtsunwirksam; sie erweist sich als sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

134

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, weil der Kläger bereits länger als ein halbes Jahr bei der Beklagten beschäftigt ist, die weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

135

Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grds. dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607;s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).

136

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grds. nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2013, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn

137
- ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;
138
- dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;
139
- (i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;
140
- danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und
141
- eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.
142

Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).

143

Da vorliegend bereits eine Vertragspflichtverletzung des Klägers, also ein in der Regel schuldhaftes Abweichen des tatsächlichen vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht gegeben ist, ist die hier streitgegenständliche ordentliche Kündigung als ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt.

144

Auch die streitgegenständliche Versetzung der Beklagten ist rechtsunwirksam.

145

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (S. 14, 15 = Bl. 634, 635 d. A.).

146

Die Unwirksamkeit folgt vorliegend bereits daraus, dass die Beklagte die von ihr selbst aufgestellten Regeln für die Übertragung anderer Tätigkeiten nicht eingehalten hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 15 bis 18 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 635 bis 638 d. A.) Bezug genommen. Hinzu kommt, dass die Beklagte vorliegend die sowohl aus dem Beschäftigungsanspruch im unstreitig noch bestehenden Arbeitsverhältnis als auch aus dem bereits titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit ab dem 01.04.2013 resultierende Rechtsposition des Klägers nicht berücksichtigt hat. Auch dies führt dazu, dass die Maßnahme ebenso rechtswidrig wie unbillig war.

147

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tat-sachenbehauptungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten. Es macht lediglich umfänglich - wenn auch aus Sicht der Beklagten verständlich - deutlich, dass die Beklagte die tatsächliche und rechtliche Würdigung des hier maßgeblichen Lebenssachhalts durch das Arbeitsgericht, der die Kammer jedenfalls im Ergebnis folgt, nicht teilt. Das gilt insbesondere für die Auffassung der Beklagten, das Gesamtverhalten des Klägers sei als Arbeitsverweigerung kündigungsschutzrechtlich zu qualifizieren, eine Wertung, der die Kammer nicht folgt. Nichts anderes folgt aus dem Hinweis auf die Entscheidung des BAG vom 21.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, die, wie dargelegt, keine abweichende Beurteilung zugunsten der Beklagten rechtfertigt. Insgesamt berücksichtigt die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht, dass der Kläger zum einen einen Beschäftigungsanspruch im unstreitig einstweilen weiterbestehenden Arbeitsverhältnis hatte, zum anderen, dass er seine Arbeitskraft mehrfach ordnungsgemäß "am Werkstor" angeboten hatte. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des hier maßgeblichen Einzelfalls konnte er folglich nicht als verpflichtet angesehen werden, an dem von der Be-klagten anberaumten Gespräch teilzunehmen. Eine Vertragspflichtverletzung liegt deshalb ebenso wenig vor, wie eine beharrliche Arbeitsverweigerung.

148

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

149

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

150

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen