Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 371/15
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.07.2015, Az.: 2 Ca 234/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Schmerzensgeld und auf Schadensersatz wegen Mobbing zustehen.
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Der Kläger war vom 15.12.2013 befristet bis zum 14.12.2014 bei der Beklagten in der von ihr betriebenen "M. Werkstatt" als Gruppenleiter beschäftigt. Ab dem 04.11.2014 war der Kläger durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Nach Ablauf der Befristung wurde das Arbeitsverhältnis nicht verlängert. Mit Schreiben vom 26.01.2015 hat sich der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte an die Beklagte gewandt und den Vorwurf des Mobbings erhoben. Am 17.02.2015 ist die hier streitgegenständliche Klage beim Arbeitsgericht eingegangen.
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Der Kläger hat vorgetragen,
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er sei nicht als Gruppenleiter beschäftigt worden und habe lediglich Verpackungen und Kabelbinder kontrollieren müssen. Weiterhin habe er den anderen Beschäftigten Pflege- und Toilettenhilfe leisten müssen und die Kollegen hätten ihn deutlich spüren lassen, dass er nicht erwünscht sei. Dies folge insgesamt und insbesondere aus seinem Mobbingtagebuch für den Zeitraum vom 16.01.2014 bis zum 04.11.2014.
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Der Kläger hat beantragt:
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1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;
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2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern, mithin 8.245,59 EUR, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2015 zu zahlen;
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3. die Beklagte trägt die aufgrund des Mobbings angefallenen Behandlungskosten des Klägers, die die Krankenkasse nicht erstattet, mithin mindestens 2.000,-- EUR
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ihr Mobbingvorwürfe zu machen seien, bestünden nicht.
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Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat die Klage darauf hin durch Urteil vom 14.07.2015 - 2 Ca 234/15 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 98 - 100 d. A. Bezug genommen.
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Gegen das ihm am 20.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 20.08.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 18.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, er sei weder in seine neue Arbeit eingearbeitet worden, so wie das zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses üblich und notwendig sei, noch seien ihm die Aufgaben zugewiesen worden, für die er laut Arbeitsvertrag eingestellt worden sei. Seine Qualifikation sei von der Beklagten nie in Abrede gestellt worden, gleichwohl seien ihm durchgängig viel zu geringwertige Tätigkeiten zugewiesen worden. So habe er z. B. über mehrere Wochen hinweg nur Kabelbinder kontrolliert, Materialkisten befüllt, Material eingeschweißt und sei mit der Pflege der dort betreuten Bewohner betraut worden, insbesondere bei Toilettengängen. All diese Aufgaben gehörten nicht zu den Aufgaben eines Gruppenleiters. Die Berufsausbildung des Klägers umfasse in erster Linie die Verbesserung der Aus- und Fortbildungsbedingungen behinderter Menschen zwecks Integration in den Arbeitsmarkt. Zur Erreichung dieses Ziels sei es unabdingbar, mit den Mitarbeitern in ständiger Kommunikation zu bleiben, bzw. Einzelgespräche zu führen, diese in Berichten zu dokumentieren und die erforderlichen Maßnahmen beim Arbeitgeber anzuregen. Der Kläger habe statt dessen nicht nur nicht die Gelegenheit erhalten, seiner eigentlichen Arbeitsaufgaben nachzugehen, sondern er sei der einzige Mitarbeiter des Unternehmens gewesen, der lange Zeit über keinen eigenen Schreibtisch, geschweige denn einen Computer oder Intranet- sowie Internetzugang verfügt habe. Allein die permanente Anweisung geringwertiger Tätigkeiten sei als Mobbinghandlung anzusehen. Vorliegend sei eher ein Dauerzustand gegeben gewesen, denn ein einmaliges Versehen. Denn die Arbeitsanweisungen zu den zuvor genannten Tätigkeiten seien systematisch vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an bis zum 04.11.2014 in abwechselnder Reihenfolge erfolgt.
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Zur weiteren Darstellung des schriftsätzlichen Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.09.2015 (Bl. 128 - 133 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.07.2015, Aktenzeichen 2 Ca 234/15 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, mit der Maßgabe, dass der Klageantrag Ziffer 3 hinsichtlich der Behandlungskosten zurückgenommen wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, bereits die klägerseits gestellten Anträge seien nicht nachvollziehbar. So sei nicht erkennbar, welcher Schaden dem Kläger entstanden sei. Ausführungen erhalte die Klageschrift zwar zu einem Schmerzensgeld. Warum dies geschuldet sei, sei aber nicht erkennbar. Im Übrigen habe der Kläger einen "Mobbingvorwurf" nicht schlüssig dargelegt. Im Wesentlichen beschränke er sich darauf, fortwährend zu behaupten, er sei "gemobbt" worden. Etwas anderes folge auch nicht aus dem sogenannten "Mobbing"-Tagebuch, denn dort seien lediglich Angaben zu 35 Tagen, das seien etwas mehr als 10 Prozent der Kalendertage des Arbeitsverhältnisses enthalten, im Übrigen handele es sich wohl um ein nachträglich konstruiertes "Tagebuch", denn drei Einträge beträfen - unstreitig - Tage, an denen der Kläger im Betrieb der Beklagten gar nicht anwesend gewesen sei. Die Einträge zum 12.05.2014 kämen zudem - unstreitig - auf den Seiten 8 und 9 doppelt mit unterschiedlichem Text vor. Im Übrigen seien die Ausführungen des Klägers insgesamt aus sich heraus nicht verständlich. Die in Form eines Besinnungsaufsatzes gefassten Aufzeichnungen ließen sich weder konkret einordnen noch bewerten.
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Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.11.2015 (Bl. 163 - 186 d. A.) Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
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Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 30.11.2015.
Entscheidungsgründe
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I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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II. Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten nicht zustehen.
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Die tatsächlichen Voraussetzungen entsprechender Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG lassen sich nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers auch im Ansatz nicht feststellen.
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Insoweit gilt Folgendes:
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Gem. § 823 Abs. I BGB hat der Einzelne, also auch der Arbeitnehmer, gegenüber jedermann das Recht auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit. Zwar ist dieses Recht nicht mit dem Persönlichkeitsgrundrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG identisch; es entfaltet aber vielfach eine gleichartige Wirkung. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28. 10.2010 - 8AZR 546/09. NZA-RR 2011.378; s. Jansen/Hartmann NJW 2012. 1540: Straining).
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Es handelt sich in erster Linie um ein Abwehrrecht gegenüber rechtswidrigen Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre, das Rechtsgrundlage für Unterlassungspflichten des Arbeitgebers sein kann (vgl. Wiese ZfA 1971.297 f.; s. LAG SchlH 23. 1.2008 - 3 Sa 305/07, EzA-SD 8/2008 S.8 LS).
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Inhaltlich bezieht sich der Schutz auf die Achtung der Menschenwürde des Arbeitnehmers (Persönlichkeitssphäre) und auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Freiheitssphäre).
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Der Arbeitgeber ist insgesamt verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern {Thür., LAG 10.4. 2001 NZA-RR 2001,347). Der Arbeitgeber hat danach z. B. die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetzte. Mitarbeiter oder Dritte, auf die er Einfluss hat, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (LAG RhPfl. 7.9.2012 NZA-RR 2013, 192 LS); vgl.Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kapitel 3 Rdnr. 2856 ff.).
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Zu berücksichtigen ist insoweit insbes., dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, als rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht oder als Gesundheitsverletzung zu gelten, und es daher gilt, sog. folgenloses oder sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, d. h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen (LAG RhPf 7.9.2012 NZA-RR 2013, 192 LS). Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen i. d. R. hingenommen werden, und zwar auch dann, wenn sie sich nachteilig auf die betroffene Person auswirken können. Nur ausnahmsweise überwiegen bei wahren Aussagen die Persönlichkeitsbelange. Im Fall von Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre trifft das nur auf Fälle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht zu, wenn etwa eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist. Zur Sozialsphäre zählt insbes. das berufliche Wirken des Einzelnen (LAG RhPfl. 7.9.2012 NZA-RR 2013, 192 LS).
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Insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ist auch in diesem Zusammenhang jedoch nicht schrankenlos. Es wird durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis zu diesen gebracht werden. Dies gilt insbes., wenn beiderseits verfassungsrechtlich geschätzte Positionen in Betracht kommen, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) oder das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Es bedarf einer Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern. in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, und zwar unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Voraussetzung jeder Abwägung ist dabei, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst wird (LAG RhPfl. 7.9. 2012 NZA RR 2013, 192 LS).
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Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht umfasst der Begriff »Mobbing« eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz zwischen Arbeitnehmern oder zwischen ihnen und den Vorgesetzten, bei der jemand systematisch und oft über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel oder dem Ergebnis des Ausstoßes aus der Gemeinschaft direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Die zahlreichen in Betracht kommenden Handlungen können darin bestehen, dass der Betroffene tätlich angegriffen oder auch nur geringschätzig behandelt, von der Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird. Für den Arbeitgeber besteht die Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, das Opfer derartiger Belästigungen und Attacken zu schützen und allgemein für ein ausgeglichenes Betriebsklima zu sorgen (LAG RhPf 19. 2. 2004 NZA-RR 2004,232; s. Sasse BB 2008. 1450 ff. Jansen/Hartmann NJW 2012, 1540ff. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß a.a.O., Kap. 3 Rn. 2889 ff.).).
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Bei dem Begriff Mobbing handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand (LAG Bln. 15 7 2004 - 16 Sa 2280/03. NZA-RR 2005, 13; LAG RhPfl. 7.9. 2012 NZA-RR 2013, 192 LS); Mobbing ist weder ein Rechtsbegriff noch eine Anspruchsgrundlage (BAG 16. 5. 2007 EzA §611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6) und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbstständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen (BAG 28. 10. 2010-8 AZR 546/09, NZA-RR 2011,378; LAG RhPfl. 7.9.2012 NZA-RR 2013,192 LS). Die rechtliche Einordnung der unter diesen Begriff zusammenzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich ausschließlich danach, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift erfüllen, aus der sich die gewünschte Rechtsfolge herleiten lässt (vgl. LAG Bln.1.11.2002 NZA-RR 2003,232; LAG Bln. 6. 3.2003 LAGE Art. 2GG Persönlichkeitsrecht Nr. 8).
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Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss also jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1BGB, ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs.2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen. Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen. Jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zu Grunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Letzteres ist insbes. dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Abs. 3 AGG erfolgten Definition des Begriffs »Belästigung«, die eine Benachteiligung i.S.d. § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grds. nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 28. 10. 2010 - 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011, 378;s. Jansen/Hartmann NJW 2012.1540ff.).
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Die juristische Bedeutung der durch den Begriff Mobbing gekennzeichneten Sachverhalte besteht so gesehen darin, der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei Isolierter Betrachtung der einzelnen Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenem Umfang erfüllen können. Ob ein Fall von Mobbing vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Denn nicht jede Meinungsverschiedenheit oder Auseinandersetzung zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen kann den Begriff »Mobbing« erfüllen, weil es dem Zusammenarbeiten mit anderen Menschen Immanent ist, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des Ziels sind, den Anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber Dritten oder sich selbst zu verletzen (LAG SchlH 19.3.2002 NZA-RR 2002,457; LAG Hamm 25. 6. 2002 NZA-RR 2003, 8; LAG Nds. 9. 3. 2009 - 9 Sa 378/08, AuR 2009,435 LS; s. Jansen/Hartmann NJW 2012, 1540 ff.).
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Mobbing kann folglich nur angenommen werden, wenn systematische und zielgerichtete Anfeindungen gegen den Arbeitnehmer vorliegen (s. BAG 28.10.2010- 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011,378). Daran fehlt es, wenn es in der Entwicklung einer im Wesentlichen psychisch bedingten Konfliktsituation zu einer Eskalation kommt, auf die der Arbeitgeber mit einem - im Einzelfall - nicht mehr sozial-adäquaten Exzess reagiert, z. B. einer unberechtigten Suspendierung von der Arbeitsleistung und nachfolgenden rechtswidrigen Versetzung (LAG Thüringen 10.6.2004 ZTR 2004,596). Diese wechselseitige Betroffenheit berechtigter Vertragsinteressen der Parteien des Arbeitsverhältnisses wird völlig verkannt, wenn zur »Mobbingbekämpfung... ein auf das Prinzip der >Nulltoleranz< gegründeter und als verhaltensstrukturelles Steuerungsmittel wirksamer Mobbingrechtsschutz gefordert« wird (unzutr. daher LAG Thüringen 28. 6. 2005 AuR 2006,31; vgl. Hohmann NZA 2006, 530 IT.).
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Arbeitsrechtlich erfasst der Begriff Mobbing mithin allerdings nur fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich {BAG 28.10.2010 -8AZR 546/09, NZA-RR 2011,378; 16. 5. 2007 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; LAG Thüringen 10.4. 2001 NZA-RR 2001, 347; 10. 6. 2004 ZTR 2004,596; LAG Hamm 25.6. 2002 NZA-RR 2003, 8; LAG Bln. 6. 3.2003 LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Der Begriff lässt sich auch als eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen beschreiben, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Es ist einerseits erforderlich, dass sich das Verhalten gegen eine oder mehrere bestimmte Personen richtet und andererseits, dass das Verhalten systematisch erfolgt. Es muss sich folglich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen (LAG SchlH 19. 3. 2002 NZA-RR 2002,457; Benecke NZA-RR 2003,225 ff.). Handelt es sich bei den vom Arbeitnehmer für das Vorliegen von Mobbing vorgetragenen Handlungen des Arbeitgebers überwiegend um die Auseinandersetzung um unterschiedliche Rechtsansichten, z. B. über den Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers oder Rechte anlässlich der Ausübung des Betriebsratsamtes, ergibt sich aus der Menge der Auseinandersetzungen allein noch keine verwerfliche Motivation des Arbeitgebers. Vielmehr handelt es sich bei derartigen rechtlichen Auseinandersetzungen um im Arbeitsleben normale Konflikte, die unter Zuhilfenahme der Arbeitsgerichte geklärt werden. Es entspricht insoweit einer typischen arbeitsrechtlichen Konfliktsituation, dass ein engagierter Betriebsratsvorsitzender weit mehr im Angriffsfeld des Arbeitgebers steht, als ein Arbeitskollege ohne Funktion, ohne dass diese Angriffssituation automatisch als systematische Anfeindung einzuordnen ist. Selbst wenn Sachstreitigkeiten schließlich vom Arbeitgeber aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur und seines Rollenverständnisses in unangemessener, teils intoleranter Form ausgetragen werden, ergibt sich aus der Art und Weise der Konfliktführung noch nicht per se eine verwerfliche Motivation des Arbeitgebers, die automatisch als Mobbing einzuordnen ist (UG ScMH 1.4. 2004 NZA-RR 2005, 15). Gleiches gilt bei kritischen Äußerungen des Arbeitgebers über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und das Androhen von Sanktionen bei Fehlleistungen (s. dazu LAG Nhg. 5.9. 2006 - 6Sa 537/04 - EzA-SD 25/06 S. 8LS); insoweit kann es an der für das Mobbing typischen, verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, kritisiert oder schlecht beurteilt wird (BAG 16. 5. 2007 EzA §611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; s.a. LAG Hamm 11.2.2008 NZA-RR 2009,7). Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten (§ 278 BGB), die der vermeintlich gemobbte Arbeitnehmer provoziert hat. sind nicht in die Prüfung eines Mobbingverhaltens einzubeziehen; an der erforderlichen Systematik kann es auch dann fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen (BAG 16. 5. 2007 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6-NZA 2007, 1154; s.a. LAG Hamm 11.2. 2008 NZA-RR 2009, 7). Auch eine gesundheitliche Prädisposition eines Opfers von Mobbing kann gegen die Ursächlichkeit des Mobbing-Verhaltens für eine Erkrankung sprechen (Sachs. LAG 17. 2.2005 AuR 2006, 131 LS).
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Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Nach § 241 Abs. 2BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbes. auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG 28.10.2010 - 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011, 378).
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Ansprüche auf Schadensersatz (und Schmerzensgeld) wegen Arbeitsunfähigkeit, die der Arbeitnehmer auf Mobbing zurückfuhrt, können folglich nur begründet sein, wenn der Arbeitnehmer zumindest Pflichtwidrigkeiten des Arbeitgebers oder ihm nach §§ 278, 831 BGB zurechenbarer Arbeitskollegen belegen kann (vgl. ArbG Dresden 1.7. 2003 5Ca 5954/02, AuR 2004, 76 LS: Anspruch in erheblicher Höhe; a.A. Sächs. LAG 17. 2. 2005 -2 Sa 751/03, EzA-SD 12/05. S. 12 LS). Ein Arbeitnehmer ist also für das Vorliegen von Mobbinghandlungen, aus denen er Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüche herleitet, darlegungs- und beweispflichtig (BAG 14.11.2013 EzA §611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 16 = NZA 2014,564). Fehlerhafte Weisungen des/der Vorgesetzten, wie die Arbeitsleistung zu erbringen ist, stellen keine Pflichtwidrigkeiten dar. Der Arbeitgeber ist auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer gehalten, die sachliche Richtigkeit der Weisungen des Vorgesetzten zu überprüfen. Nimmt der Arbeitnehmer sich die fehlerhafte Weisung so zu Herzen, dass er davon arbeitsunfähig wird, bestehen keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber (LAG Nbg. 2. 7. 2002 NZA-RR 2003, 121). Behauptet folglich eine Arbeitnehmerin, sie sei durch fortgesetzte Herabsetzungen und Schikanen ihres Arbeitgebers seelisch krank geworden, muss sie im Prozess um Schadensersatz und Schmerzensgeld die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret darlegen und beweisen, das in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen jedenfalls einerseits rechtswidrige und schuldhafte Überschreitungen des Direktionsrechts gewesen sind und andererseits zudem der Handelnde damit zu rechnen hatte, dass sein Verhalten eine Erkrankung der Arbeitnehmerin verursachen könnte (LAG Bln. 15.7.2004 NZA-RR 2005, 13; Sachs. LAG 17. 2.2005 - 2Sa 751/03, EzA-SD 12/05, S. 12 LS; s. Federhoff-Rink FA 2005, 330 ff.).
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Bei dem festzustellenden Verschulden des Arbeitgebers ist auch zu beachten, dass der Arbeitnehmer grds. die Möglichkeit hat, sich gegen unrechtmäßige Arbeitsanweisungen tatsächlich und rechtlich zur Wehr zu setzen. Es ist deshalb auch zu prüfen, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern. Das gebietet letztlich auch die Schadensminderungspflicht (LAG SchlH 28.3.2006 NZA-RR 2006,402).
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Voraussetzung für alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sind Handlungen, die der Arbeitnehmer bei Bestreiten des Arbeitgebers konkret darlegen und beweisen muss (BAG 16. 5. 2007 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; 14.11.2013 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 16 = NZA 2014. 564; LAG SchlH 15. 10. 2008 - 3 Sa 196/08 - EzA-SD 4/2009 S. 12 LS), dadurch kausal verursachte Verletzungen der Rechtsgüter des Arbeitnehmers (BAG 16. 5.2007 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 NZA 2007, 1154), ein zurechenbarer Schaden und ein Verschulden des Arbeitgebers, der insbes. bei psychischen Gesundheitsverletzungen des Arbeitnehmers diese voraussehen können muss (LAG Bln. 1.11.2002 LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 6).
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In einem Prozess auf Schmerzensgeld wegen »Mobbing« gegen den direkten Vorgesetzten und den Arbeitgeber trägt der Arbeitnehmer bspw. die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtsgutsverletzung und den eingetretenen Schaden. Der Arbeitnehmer muss die klagebegründenden Tatsachen bzgl. aller anspruchsbegründender Tatsachen so vortragen, dass es der Beklagten möglich ist, zu erkennen, auf welche konkreten - nach Zeit und Ort identifizierbaren - Tatsachen sich die Anspruchsstellung bezieht (ArbG München 25.9. 2001 NZA-RR 2002. 123).
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Die Beweisführung kann u. U. den Regeln des prima-facie-Beweises folgen, wenn es sich um einen typischen Geschehensablauf handelt. Ein solcher liegt nicht vor. wenn für einen Zeitraum von 3 Jahren neun Vorfälle behauptet werden, weil damit nicht schlüssig der Tatbestand der dauernden Rechtsgutsverletzung, der »fortgesetzten aufeinander aufbauenden und ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweisen von Kollegen oder Vorgesetzten« dargelegt ist (LAG Brem. 17. 10.2002 LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 5). Auch insbes. pauschaler und wertender Vortrag mit Worten wie z. B. »gängeln«, »beschimpft«, oder »verbalen Übergriffen, Beleidigungen und massiven Drohungen« ist nicht ausreichend (LAG SchlH 15.10. 2008 - 3Sa 196/08. EzA-SD 4/2009 S. 12 LS).
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Befindet sich der Arbeitnehmer zudem bereits im Stadium der Arbeitsunfähigkeit, so bedarf es besonderer Darlegungen dafür, dass weitere behauptete Pflichtwidrigkeiten des Arbeitgebers oder des Vorgesetzten kausal für das Weiterbestehen der (psychischen und psychosomatischen) Erkrankungen des Arbeitnehmers (als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch) gegeben sind (LAG Nbg. 2. 7.2002 LAGE Art. 2GG Persönlichkeitsrecht Nr. 4).
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Eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei von Amts wegen nach § 448 ZPO setzt voraus, dass für die zu beweisenden Tatsachen aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BAG 14.11.2013 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 16 = NZA 2014,564). Lehnt das Berufungsgericht eine Parteivernehmung gem. § 448 ZPO deshalb ab, weil es die gewisse Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache verneint, so müssen seine diesbezüglichen Feststellungen in einer § 286 ZPO genügenden Weise getroffen sein (BAG 14.11.2013 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 16 = NZA 2014, 564).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht ersichtlich sind.
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Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das vom Kläger vorgelegte sogenannte "Mobbing-Tagebuch" schon deshalb nicht wirklich als authentische Erkenntnisquelle vorliegend herangezogen werden kann, weil es offensichtlich im Nachhinein - retrospektiv - zu Prozesszwecken gefertigt worden ist, also keine authentische Darstellung des täglichen Arbeitsgeschehens enthält. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass Tage aufgeführt sind, an denen der Kläger - unstreitig - gar nicht am Arbeitsplatz anwesend war und zum anderen daraus, dass z. B. ein Arbeitstag mit unterschiedlichen Eintragungen doppelt enthalten ist. Des Weiteren ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Eintragungen sich lediglich auf einen Prozentsatz von knapp über 10 Prozent der fraglichen Tage beziehen, so dass sich auch deshalb der Aussagewert sehr stark in Grenzen hält. Hinzukommt, dass die Eintragungen als solche kaum ein nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes Tatsachensubstrat aufweisen, vielmehr handelt es sich durchgängig um Bewertungen, Werturteile, Einschätzungen, die sich auf die subjektive Befindlichkeit des Klägers beziehen, der Kammer aber - ebenso wenig wie der Beklagten - die Möglichkeit geben, sich inhaltlich im Hinblick auf die zuvor dargestellten maßgeblichen Kriterien - z. B. eine entsprechende Überempfindlichkeit des Klägers - überhaupt auseinander zu setzen. Letztlich fehlt auch auf der Grundlage dieses ungenügenden tatsächlichen Substrats eine nachvollziehbare Darlegung des Klägers, warum die zuvor als wesentlich dargestellten Grenzen durch das Verhalten maßgeblicher Mitarbeiter der Beklagten überschritten worden sein sollen. Insoweit hätte es, davon ist das Arbeitsgericht bereits im erstinstanzlichen Rechtszug zutreffend ausgegangen, substantiierten tatsächlichen Vorbringens des Klägers nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bedurft, das überhaupt erst einem entsprechend substantiiertem Erwidern der Beklagten zugänglich gewesen wäre. Daran fehlt es vollständig. Insoweit wird vom Kläger auch nichts Unmögliches verlangt, denn eine entsprechende Darlegungslast sehen §§ 138, 139 ZPO auch in verfassungskonformer Auslegung dann vor, wenn insoweit nichts Unmögliches verlangt wird (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, 33 zu § 23 Abs. 1 KSchG). Unmögliches wird vom Kläger insofern schon deshalb nicht verlangt, weil er selbst - Prinzip der Sachnähe - an all den Vorfällen, auf die er sich meint beziehen zu sollen, unmittelbar persönlich beteiligt war. Inhaltlich substantiierter und wahrheitsgemäßer Tatsachenvortrag ist ihm also keinesfalls unmöglich.
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Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
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Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten; gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht insgesamt lediglich deutlich, dass der Kläger - wenn auch aus seiner Sicht heraus verständlich - mit der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer letztlich folgt, nicht einverstanden ist. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.
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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
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Referenzen
- § 23 Abs. 1 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 139 Materielle Prozessleitung 1x
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- BGB § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen 1x
- 8 AZR 546/09 4x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 2x
- 9 Sa 378/08 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte 2x
- AGG § 1 Ziel des Gesetzes 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- BGB § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung 1x
- 16 Sa 2280/03 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 1x
- BGB § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag 7x
- AGG § 3 Begriffsbestimmungen 1x
- 3 Sa 196/08 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung 1x
- 3 Sa 305/07 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 823 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- 2 Ca 234/15 3x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren 1x
- § 23 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- 2 Sa 751/03 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 448 Vernehmung von Amts wegen 2x