Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 285/17

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.03.2017, Az.: 1 Ca 1153/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen den US-Stationierungsstreitkräften und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Kündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

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Die vierzig Jahre alte, geschiedene Klägerin ist einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Sie ist seit 2014 bei den US-Stationierungsstreitkräften als Sachbearbeiterin im Transportwesen in L. (L. R. Medical Center) gegen eine monatliche Bruttogrundvergütung von 2.891,20 Euro beschäftigt.

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Die US-Stationierungsstreitkräfte haben das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit einem der Klägerin am 28.09.2016 zugegangenen Schreiben ohne Datum, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 4 bis 6 d. A. Bezug genommen wird, außerordentlich zum 30.09.2016 gekündigt. Als Kündigungsgrund wird in diesem Schreiben angegeben, dass die Klägerin Dienstfahrzeuge unerlaubt privat genutzt und in diesem Zusammenhang auch falsche Eintragungen in das Fahrtenbuch gemacht habe.

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Die Klägerin hat vorgetragen,
die Kündigung sei mangels des Vorliegens eines wichtigen Grundes sowie wegen der Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam. Herr R., einer ihrer Vorgesetzten, habe ihr am 31.05.2016 ihr Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY ausgehändigt mit der Bemerkung, dass auf das Fahrzeug "Meilen drauf müssten", weil es seit drei bis vier Wochen nicht bewegt worden sei und stehen würde. Die Klägerin habe Herrn R. in diesem Zusammenhang mehrfach gefragt, ob dies überhaupt erlaubt sei und ob ihr für die private Nutzung des Fahrzeugs ein prozentualer Anteil von ihrem Gehalt abgezogen werde. Herr R. habe ihr gegenüber daraufhin ausgeführt, die Genehmigung liege vor und von ihrem Gehalt werde nichts abgezogen werden, denn sie müsse immer einsatzbereit sein. Sie solle auf die Karte tanken und im Fahrtenbuch nicht ihren Heimatort eintragen, sondern Orte aus der "Vendors-List", einer Liste verschiedener Werkstätten, anstatt der tatsächlich durchgeführten Heimfahrten angeben. Sie solle auch nicht direkt vor ihrem Haus parken, sondern um die Ecke, was er selbst auch so praktiziere. Bei diesem Gespräch mit dem Zeugen R. sei auch der Zeuge H., ihr Lebensgefährte, anwesend gewesen. Dieser könne bestätigen, dass das der Klägerin vorgeworfene Verhalten letztlich "angeordnet" gewesen sei. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist sei nicht gewahrt, denn die von der Beklagten als kündigungsrelevant angesehenen Tatsachen seien spätestens bei Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen des Herrn R. und des Herrn I.. am 25.08.2016 bekannt gewesen. Es sei deshalb unerklärlich, dass die Klägerin erst am 19.09.2016 zum Sachverhalt angehört und die Kündigung sodann erst am 28.09.2016 ausgesprochen worden sei.

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Die Klägerin hat beantragt,

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festzustellen, dass das zwischen ihr und den US-Streitkräften bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben ohne Datum, der Klägerin zugegangen am 28.09.2016, zum 30.09.2016 ausgesprochene außerordentliche Kündigung geendet hat.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte hat vorgetragen,
sie verfüge derzeit über keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wann der Kündigungsberechtigte von dem Kündigungssachverhalt erfahren habe. Das zivile Personalbüro sei am 12.09.2016 informiert worden. Man gehe davon aus, dass der Zeitpunkt, ab dem die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch der fristlosen Kündigung zu laufen begonnen habe, das Datum der Anhörung der Klägerin, nämlich der 19.09.2016 gewesen sei.

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Die außerordentliche Kündigung sei schließlich aus den im Kündigungsschreiben genannten Gründen gerechtfertigt. Es treffe nicht zu, dass der Zeuge R. gestattet habe, Dienstfahrzeuge für private Zwecke zu nutzen.

11

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R, und H.. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 25.01.2017 (Bl. 87, 88 d. A.) und hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 15.03.2017 (Bl. 112-118 d. A.) verwiesen.

12

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 15.03.2017 - 1 Ca 1153/16 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die mit Schreiben vom 28.09.2016 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

13

Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 122-128 d. A. Bezug genommen.

14

Gegen das ihr am 10.05.2017 zugestellt Urteil hat die Beklagte durch am 09.06.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 10.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin mit Schriftsatz vom 21.06.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 10.08.2017 einschließlich verlängert worden war.

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Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt insbesondere hervor,
am 20.07.2016 habe der Criminal Investigation Command mit Sitz in W. (CID) vom nicht kündigungsberechtigten Office-Supervisor des Fuhrparks Transportation Motorpool (TMP) der D. Kaserne der US-Stationierungsstreitkräfte, Herrn K., Mitteilung über den bestehenden Verdacht der unberechtigten Privatnutzung von Dienstfahrzeugen der US-Army durch die Klägerin erlangt.

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Der CID sei die Militärstrafverfolgungsbehörde der US-Army, der eigenständig Fakten möglicher Kriminaldelikte innerhalb der US-Army ermittele. Nach erfolgter Prüfung habe der Criminal Investigator, Herr W., am 05.08.2016 seinen zusammenfassenden Bericht verfasst. Am 08.08.2016 seien in der Dienststelle vor Ort die weiteren Ermittlungen übernommen worden. Schließlich seien am 12.09.2016 im Rahmen interner Ermittlungen der Dienststelle auch die Aufzeichnungen der Überwachungskamera der Kaserne überprüft worden. Nach erfolgter Durchführung der Ermittlungen seien die Ermittlungsergebnisse dem Personalbüro der US-Stationierungsstreitkräfte am 12.09.2016 vermittelt worden. Danach habe der Verdacht bestanden, dass die Klägerin die Dienstfahrzeuge der US-Armee mit dem amtlichen Kennzeichen XY und ABC zu ihrem Vorteil privat genutzt habe. Am 19.09.2016 sei die Klägerin angehört worden. Sie habe keinen Sachverhalt zu ihrer Verteidigung ausgeführt.

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Vor diesem Hintergrund sei die außerordentliche, jedenfalls aber die umgedeutete ordentliche Kündigung rechtswirksam. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Denn erst mit der Anhörung der Klägerin sei der Sachverhalt endgültig aufgeklärt gewesen. Ein an sich geeigneter wichtiger Grund liege vor. Die gegenteilige Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht sei fehlerhaft. Ein Eigeninteresse des Zeugen R., sich nicht selbst zu belasten, könne nicht anerkannt werden. Denn es setze voraus, dass er der Klägerin tatsächlich die von ihm bestrittene Erlaubnis zur Privatnutzung erteilt habe. Dass der Zeuge einzelne Fragen nicht richtig verstanden habe, überrasche nicht, weil er als US-Amerikaner der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Dagegen habe es sich bei der Aussage des Zeugen H. um eine sehr glatte Bekundung gehandelt. Dies stelle ein Indiz für die Unwahrheit der Angaben dar. Auch seien insoweit Widersprüche festzumachen. berücksichtigt werden müsse zudem, dass der Zeuge H. der Lebensgefährte der Klägerin sei. Zudem hätten sowohl Herr I. als auch der Zeuge R.z in einem Sworn Statement, dass es der Klägerin nicht gestattet gewesen sei, das Fahrzeug nach Hause zu fahren.

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Insgesamt stünden der Rechtswirksamkeit der außerordentlichen bzw. im Wege der Umdeutung ermittelten ordentlichen Kündigung weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen, noch eine abschließend durchzuführende Interessenabwägung.

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Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 10.08.2017 (Bl. 174-185 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 17.10.2017 (Bl. 223 d. A.) nebst Anlage (Bl. 224 d. A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt:

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Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15. März 2017 - 1 Ca 1153/16 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

24

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Zweiwochenfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden. Warum am 12.09.2016 noch Ermittlungen innerhalb der Dienststelle hätten stattfinden müssen, nachdem die Ermittlungen nach dem Sachvortrag der Beklagten ohnehin vollständig vom CID durchgeführt würden, sei nicht nachvollziehbar. Die erforderliche vollständige Kenntnis der kündigungsrelevanten Tatsachen sei bereits am 21.07.2016 gegeben gewesen. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass die Person der Klägerin mit der Angelegenheit in Verbindung zu bringen sei. Auch seit Abfassung der Sworn Statements der Herren R. und I. am 25.08.2016 seien weitere Ermittlungsmaßnahmen seitens der Beklagten nicht durchgeführt worden, sodass es auch insoweit als schuldhafte Verzögerung anzusehen sei, wenn die Klägerin sodann erst am 19.09.2016 angehört worden sei.

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Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage des Herrn H. bestünden nicht. Dass der Zeuge R. und I. in einem Sworn Statement bestätigt hätten, dass es der Klägerin nicht erlaubt gewesen sei, das Fahrzeug nach Hause zu fahren, sei unerheblich. Insoweit handele es sich um bloßen Parteivortrag. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass bei Vorliegen von Ungereimtheiten die streitgegenständliche Kündigung jedenfalls unverhältnismäßig sei.

26

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.09.2017 (Bl. 203-218 d. A.) nebst Anlage (Bl. 219 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 20.10.2017 (Bl. 228/229 d. A.) Bezug genommen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

28

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 23.10.2017.

Entscheidungsgründe

I.

29

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

30

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

31

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den US-Stationierungsstreitkräften nicht beendet hat.

32

Die außerordentliche Kündigung der US-Stationierungsstreitkräfte ist rechtsunwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB nicht gegeben sind. Insoweit ist zunächst mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass bereits die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden ist.

33

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 26.09.2013 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 3 = NZA 2014, 529; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, DLW/Dörner Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 4 Rdnr. 1086 ff.).

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Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheidung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

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Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

36

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

37

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

38

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 - 2 AZR 25/07 , JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

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Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

40

Die Kündigungsberechtigte, die bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie allerdings überschritten werden (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Im Regelfall darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch zu dem Ermittlungsbericht einer Detektei befragen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Ist die Frist bereits angelaufen, kann sie gleichwohl gehemmt werden (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69). Denn zur Erlangung dieser Kenntnis kann der Kündigungsberechtigte zunächst Ermittlungen anstellen, insbesondere den Betroffenen anhören (BAG 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1, 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3). Da das Ziel der gesetzlichen Regelung auch darin besteht, eine hektische Eile bei der Kündigung und insbesondere eine vorschnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Sachverhalt und die Beweismittel zu überprüfen und sich angesichts der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe auch einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen zu verschaffen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; s. a. LAG BW 28.01.2015 - 13 TaBV 6/14, LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 5).

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Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich waren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 127 ff.); die Ermittlungen sind zudem unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, andernfalls ist die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber weiß nunmehr, dass - aus seiner Sicht - ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er dann entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 25/07 JurionsRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IC Nr. 3; LAG RhPf 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Eine Hemmung tritt z. B. dann nicht ein, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass die Ermittlungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt dann zudem auch nicht dazu, dass er rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft (LAG Köln 12.08.2008 - 9 Sa 480/08, ZTR 2009, 225 LS).

42

Es spielt andererseits insoweit keine Rolle, ob die zunächst nicht aussichtlos erscheinenden Ermittlungsmaßnamen tatsächlich etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis letztlich überflüssig waren (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Kein Anlass für Ermittlungen besteht andererseits dann nicht (mehr), wenn der Sachverhalt geklärt oder vom Arbeitnehmer sogar zugestanden worden ist (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Allerdings ist die Ausschlussfrist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die notwendig erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile aus tatsächlich durchführt (BAG 31.03.1993 EzA § 626 Ausschlussfrist Nr. 5; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Ein Zeitraum von über zwei Monaten ist insoweit regelmäßig zu lang, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (LAG Nds. 16.09.2005 LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1a). Hat der Kündigungsberechtigte dagegen dennoch weitere Ermittlungen durchgeführt, muss er darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen - zumindest aus damaliger Sicht - zur Klärung von Zweifeln angestellt worden sind; der Vortrag des Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12.000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt insoweit ausnahmsweise bereits aufgrund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

43

Der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB entfällt nicht nachträglich, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur infrage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Das ist nicht der Fall, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015).

44

Auch die sachdienliche Anhörung des Arbeitnehmers hemmt den Fristablauf, möglicherweise ist auch eine Mehrfachanhörung erforderlich. Denn die Anhörung ist zwar - de lege lata - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Tatkündigung (BAG 10.04.2014 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2015, 162; s. Rdn. 1515), sie gehört aber regelmäßig zu den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, entlastende Umstände vorzutragen (LAG Hamm 07.06.2005 LAG Report 2005, 384 LS; LAG Sachsen 23.04.2007 - 3 Sa 301/06, FA 2007, 358 LS; LAG SchlH 06.05.2015 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 55 = NZA-RR 2015, 526). Um den Schutz des Kündigungsgegners durch die Ausschlusswirkung nicht mittels einer Hinauszögerung der Anhörung umgehen zu können, muss sie innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3), berechnet ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 130). Allerdings kann die Frist bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3 = NZA 2006, 2011).

45

Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung des Berechtigten, das ist jeder, der zur Kündigung des konkreten Arbeitnehmers befugt ist (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grds. die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (BAG 18.06.2015 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2016, 287; s. a. LAG Saarland 04.05.2016 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 64 = NZA-RR 2016, 473: Cheftrainer Profifußball). Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstands als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte (Hess. LAG 04.04.2003 NZA 2004, 1160).

46

Grundsätzlich reicht die Kenntnis dritter Personen ohne Entlassungsbefugnis für den Beginn der Ausschlussfrist nicht aus (BAG 28.10.1971 AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

47

Hat der Dritte im Betrieb allerdings eine Stellung, die nach den Umständen des Einzelfalles erwarten lässt, dass er den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichtet, so ist trotz unterlassener oder verzögerter Unterrichtung dem Kündigungsberechtigten die Kenntnis nach Treu und Glauben zuzurechnen, wenn die Information des Arbeitgebers durch eine mangelhafte Organisation des Betriebes verhindert wurde, obwohl eine andere Organisation sachgemäß gewesen wäre und dem Arbeitgeber zumutbar war (BAG 05.05.1977 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 57; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 131 f.).

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Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes (BAG 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23):

49

Nur der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Regelung zur Kündigung berechtigt. Zu den Kündigungsberechtigten gehören aber auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkt für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter zum einen in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Zum anderen muss die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruhen, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen - ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel - müssen kumulativ vorliegen.

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Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt:

51

"Eine außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, erfolgen. Diese Frist ist seitens der US-Stationierungsstreitkräfte nicht gewahrt worden. Die für die Einhaltung dieser Frist darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts erklärt, es habe nicht geklärt werden können, wann der Kündigungsberechtigte Kenntnis von dem Abschlussbericht der amerikanischen Kriminalpolizei (CID) erhalten habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten begann die zweiwöchige Frist zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht erst am 19.09.2016, dem Datum der Anhörung der Klägerin. Wenn der Kündigungsberechtigte vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben will, sich zu dem Kündigungssachverhalt zu äußern, muss dies zügig nach Abschluss der internen Ermittlungen geschehen. Das Verstreichen von mehr als drei Wochen kann ohne nachvollziehbaren Grund in diesem Zusammenhang nicht mehr als zur zügigen Aufklärung des Sachverhalts erforderlich angesehen werden."

52

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug.

53

Darüber hinaus sind auch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

54

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts (DLW/Dörner), 14. Auflage 2018, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

55

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

56

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

57

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

58

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

59

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

60

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

61

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

62

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

63

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

64

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

65

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

66

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

67

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

68

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

69

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

70

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

71

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

72

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

73

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

74

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

75

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

76

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

77

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

78

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

79

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

80

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

81

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

82

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

83

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

84

Zwar sind Vermögensdelikte jedenfalls in einem von den US-Stationierungsstreitkräften vorliegend behaupteten Ausmaß ohne weiteres geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand in diesem Sinne darzustellen. Mit dem Arbeitsgericht ist aber aufgrund der Besonderheiten des vorliegend zu entscheidenden Einzelfalles aufgrund der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass sich die Klägerin wegen der Äußerung des Zeugen R. bei Übergabe des Dienstfahrzeuges für berechtigt hielt, das Fahrzeug auch für den Weg von und nach Hause zu benutzen, nachdem ihr der Zeuge R. erklärt hatte, dies sei genehmigt, sie müsse immer einsatzbereit sein. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend in der streitgegenständlichen Entscheidung (S. 5 ff. = Bl. 125 ff. d. A.) ausgeführt:

85

"Zwar hat der Zeuge R. bei seiner Vernehmung als Zeuge bestritten, der Klägerin gestattet zu haben, das Dienstfahrzeug für private Zwecke zu nutzen. Die Kammer hält die Aussage des Zeugen R. jedoch nicht für glaubhaft. Der Zeuge R. hatte offensichtlich ein erhebliches eigenes Interesse daran, sich durch seine Aussage nicht selbst zu belasten und "seine Hände in Unschuld zu waschen", indem er immer wieder betonte, er habe der Klägerin immer gesagt, dass sie "nur von Base zu Base", aber nicht nach Hause fahren dürfe. Gegen die Richtigkeit dieser Aussage spricht zum einen, dass sie im Übrigen recht wage geblieben ist und dass der Zeuge konkrete Fragen öfter nur ausweichend beantwortete und behauptete, er habe die Frage nicht richtig verstanden. Nicht glaubhaft ist auch die Aussage des Zeugen R., ihm sei nicht aufgefallen, dass die Eintragungen der Klägerin im Fahrtenbuch (Dispatch) unzutreffend waren, obwohl er für die Überprüfung als Dispatcher zuständig war. Auch seine Behauptung, er habe die Klägerin nur ein einziges Mal zusammen mit dem Zeugen H. gesehen, musste er später revidieren. Das gesamte Verhalten des Zeugen während seiner Vernehmung verstärkte den Eindruck der Kammer, dass der Zeuge R. nicht die Wahrheit gesagt hat.

86

Die Aussage des Zeugen H., der die Darstellung der Klägerin im Wesentlichen bestätigte, war demgegenüber deutlich überzeugender. Der Zeuge erwähnte viele Einzelheiten und konnte sich offenbar auch noch an Details sehr genau erinnern. Gegen den Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen R. spricht im Übrigen auch, dass sich unstreitig nicht die Klägerin um den Erhalt eines Dienstfahrzeuges bemüht hatte, sondern dass ihr das Dienstfahrzeug von dem Zeugen R. geradezu aufgedrängt wurde. Laut Aussage des Zeugen H. wurde der Zeuge R. bei Übergabe des Dienstfahrzeuges an die Klägerin auch darüber informiert, dass die Klägerin mit dem Zeugen H. eine Fahrgemeinschaft hatte und dass sie deshalb das Fahrzeug auch in A-Stadt, dem Wohnort der Klägerin und ihres Lebensgefährten, des Zeugen H., abstellen müssten, wogegen der Zeuge R. nichts einzuwenden gehabt habe. Der Zeuge R. habe dies damit gerechtfertigt, dass die Klägerin das Fahrzeug brauche, um mobil zu sein und um dann auch gegebenenfalls direkt von zu Hause aus nach W. oder X fahren zu können. Lediglich am Wochenende, so der Zeuge H., habe das Dienstfahrzeug laut Herrn R. in der Kaserne sein sollen, weshalb die Klägerin und der Zeuge H. dann auch nur von montags bis freitags mit dem Dienstfahrzeug nach Hause und zur Arbeit gefahren seien. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Zeuge H. als Lebensgefährte der Klägerin ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, spricht doch viel dafür, dass seine detailreiche Aussage der Wahrheit entspricht. Der Zeuge H. konnte sich auch noch daran erinnern, dass der Zeuge R. eine - wie es der Zeuge H. verstanden hatte - "Wendlisliste" erwähnte die die Klägerin bei den Eintragungen in das Fahrtenbuch benutzen sollte. Wenn es sich hierbei um eine mit der Klägerin und ihrem Anwalt abgesprochene Aussage gehandelt hätte, wie dies offenbar die Nachfrage des Beklagtenvertreters nahelegen sollte, so hätte der Zeuge vermutlich den zutreffenden Begriff "Vendors-List" benutzt, anstatt die Laute so, wie er sie verstanden hatte, wiederzugeben.

87

Für die Glaubwürdigkeit der Darstellung der Klägerin und der Aussage des Zeugen H. spricht auch der Umstand, dass die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Aufgaben bis zur Zuweisung eines bestimmten Dienstfahrzeuges auch ohne dieses bestimmte Fahrzeug offenbar problemlos erledigen konnte. Erst das von dem Zeugen H. bestätigte Argument, die Klägerin brauche das Fahrzeug, um gegebenenfalls auch direkt von zu Hause aus mobil zu sein um Standorte in W. oder X anfahren zu können, machte die dauerhafte Zuteilung eines Dienstfahrzeuges an die Klägerin einigermaßen plausibel, dies aber auch nur dann, wenn der Zeuge R. der Klägerin gegenüber vorgab, sie dürfe das Fahrzeug während der Woche mit nach Hause nehmen.

88

Wenn der für die Zuteilung der Fahrzeuge zuständige Zeuge R. der Klägerin gegenüber - wie von dem Zeugen H. bestätigt - behauptete, sie könne das Fahrzeug mit nach Hause nehmen, solle es nur nicht direkt an ihrer Wohnung abstellen, dies sei von den Vorgesetzten genehmigt, wäre auch eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin unverhältnismäßig und daher unwirksam. Zwar hätten bei der Klägerin angesichts der Ungereimtheiten, dass sie laut Herrn R. im Fahrtenbuch ihren Heimatort nicht erwähnen, sondern Ziele aus der Vendors-List eintragen solle und dass sie das Dienstfahrzeug nicht direkt vor ihrer Wohnung abstellen sollte, Zweifel aufkommen müssen, ob der Zeuge R. wirklich befugt war, ihr die Erlaubnis zu erteilen, das Fahrzeug auch für den Weg von und zur Arbeit zu benutzen. Die Nachlässigkeit der Klägerin, sich nicht diesbezüglich bei einem Vorgesetzten rückzuversichern, belastet das Arbeitsverhältnis nach Auffassung der Kammer jedoch nicht so schwer, dass eine Kündigung gerechtfertigt wäre. Ein verständig denkender Arbeitgeber hätte sich in diesem Fall zunächst mit einer Abmahnung begnügt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin sich eine entsprechende Warnung nicht zur Lehre hätte gereichen lassen und sie sich auch künftig nicht vertragstreu verhalten hätte."

89

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und nimmt darauf ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

90

Die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung ist auch als außerordentliche Verdachtskündigung rechtsunwirksam.

91

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG z. B. (04.06.1964 AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 21002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 05.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13) kann auch der auf objektive - unstreitige oder bewiesene - Tatsachen gründende dringende Verdacht einer Straftat mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder eines sonstigen erheblichen Fehlverhaltens, einer schwerwiegenden Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 24.05.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11 = NZA 2013, 137) ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand sein (s. Lunck NJW 2010, 2753 ff.). Auch insoweit ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB; Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).

92

Eine Verdachtskündigung setzt danach voraus (s. BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; LAG RhPf 08.07.2009 - 8 Sa 203/09, AuR 2010, 176 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1551 ff. = S. 1712 ff.), dass

93

- die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw. eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird;
- eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist;
- zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht und
- eine umfassende Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers einerseits an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem des Arbeitnehmers an der Fortsetzung (einstweiligen Fortsetzung des Arbeitnehmers) andererseits überwiegt.

94

Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind vorliegend mit dem Arbeitsgericht zu verneinen. Denn vorliegend fehlt es am dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung, der sich entweder aus den Umständen oder aus objektiven Tatsachen ergeben muss.

95

Der Verdacht einer Straftat ist nämlich nur dann ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand, wenn er zum einen objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet ist - subjektive Wertungen des Arbeitgebers reichen nicht aus - und sich aus Umständen ergibt, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können; er muss also dringend sein; es muss bei kritischer Prüfung eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade des gekündigten Arbeitnehmers bestehen (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 13.03.2008 EzA § 626 BGBN 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; LAG SchlH 25.02.2004 NZA-RR 2005, 132; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009,104 LS). Aus der Darlegung des Arbeitgebers muss sich ein dringender Verdacht auf eine in ihren Einzelheiten gekennzeichnete Straftat oder vergleichbare Pflichtwidrigkeit i.S. eines konkreten Handlungsablaufs schlüssig ergeben; sind die insoweit vorgetragenen Tatsachen nicht unstreitig, muss Beweis erhoben werden (LAG Bln-Bra. 16.12.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10).

96

Ob der Verdacht, einen Bagatelldiebstahl begangen zu haben, insoweit ausreicht, ist fraglich (dagegen LAG Köln 14.09.2007 - 11 Sa 259/07, AuR 2007, 444 LS). Allein aus dem Umstand, dass die dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Handlung nicht mit letzter Sicherheit erwiesen ist, kann demzufolge nicht gefolgert werden, auch die Verdachtskündigung sei nicht gerechtfertigt. Insgesamt muss aber nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend sein. Vielmehr muss ihm auch ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers - strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4). Nach ArbG Bln. (28.09.2010 - 1 Ca 5421/10, BB 2011, 382) reicht insoweit allerdings der dringende Verdacht aus, ein Kassierer habe manuell Pfandbons im Wert von 6,06 EUR erstellt, ohne dass dem ein tatsächlicher Kassiervorgang gegenübergestanden hätte und den Gegenwert an sich genommen, so dass die Kasse beim Kassenabschluss keinen Plussaldo aufwies.

97

Der Verdacht muss zudem dringend sein, d. h. es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat (BAG 30.04.1987 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 06.09.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 29: stark oder dringend; 13.03.2008 EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6: starke Verdachtsmomente; LAG Hamm 22.09.2004 LAGE § 1 Verdachtskündigung Nr. 1; a. A. LAG Köln 10.08.1999 ARST 2000, 161: so knapp unter der Schwelle der Gewissheit, dass nachhaltigen Zweifeln Schweigen geboten ist; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009, 104 LS u. 13.08.2009 - 7 Sa 1256/07, AuR 2009, 369 LS: nur geringfügiges Zurückbleiben hinter der Gewissheit der Tatbegehrung; LAG SchlH 25.02.2003 - 3 Sa 491/03, NZA-RR 2005, 132: große Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende Verdachtsmomente; LAG Nds. 08.06.2004 NZA-RR 2005, 24: starke Verdachtsmomente).

98

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist vorliegend im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts auch ein dringender Tatverdacht gegen die Klägerin nicht gegeben. Insoweit wird deshalb Bezug genommen auf die Ausführungen zur Tatkündigung.

99

Auch eine gegebenenfalls bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 140 BGB im Wege der Umdeutung ermittelte ordentliche Arbeitgeberkündigung ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Tat- als auch der Verdachtskündigung rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG.

100

Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607;s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).

101

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, DLW/Dörner, 14. Aufl. 2018, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn

102

- ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;
- dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;
- (i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;
- danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und
- eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

103

Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).

104

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, wie bereits dargelegt, regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist , sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

105

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

106

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht zutreffend verneint.

107

Beruht nämlich die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, so ist zunächst einmal grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Vor dem Arbeitgeber ist, nachdem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz deshalb, wie dargelegt, grundsätzlich zu fordern, dass er ein zu beanstandendes Verhalten zunächst einmal zum Anlass für eine Abmahnung nimmt. Soweit die Beklagte insoweit die ordentliche Kündigung auf die falschen Angaben der Klägerin z. B. in den geführten Fahrtenbüchern stützt, fehlte es aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles, wie dargelegt, bereits in einem zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesenen entsprechenden schuldhaften Fehlverhalten. Insgesamt bestehen keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, dass davon ausgegangen werden könnte, dass die Klägerin einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre. Erst mit der Androhung von Folgen für das Arbeitsverhältnis wäre der Klägerin gegebenenfalls der Ernst der Situation klar geworden. Eine Abmahnung war aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles auch nicht etwa entbehrlich, weil es sich um eine so schwere Pflichtverletzung gehandelt hat, deshalb ist deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit auch offensichtlich ausgeschlossen. Insofern wäre es Sache der US-Stationierungsstreitkräfte als Arbeitgeber gewesen, zunächst für eindeutige Verhältnisse im Hinblick auf die wechselseitige Pflichtenlage im Arbeitsverhältnis unter Einbeziehung der Vorgesetzten der Klägerin zu schaffen.

108

Folglich kam auch eine ordentliche Tatkündigung nicht in Betracht.

109

Nichts anderes gilt letztlich für eine hilfsweise im Wege der Umdeutung ermittelte ordentliche Verdachtskündigung.

110

Zwar ist grundsätzlich nicht ersichtlich, warum es dem Arbeitgeber aus Rechtsgründen nicht gestattet sein soll, dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Verdachtskündigung insoweit entgegenzukommen, als trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 626 BGB nur eine ordentliche Kündigung erklärt wird (vgl. BAG 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; BAG 21.11.2013 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 5). Allerdings kommt eine Verdachtskündigung aber als ordentliche Kündigung - schon wegen der in besonderem Maße bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger betroffen wird - nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits durch den Verdacht so gravierend beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies setzt voraus, dass nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend ist. Vielmehr muss ihm ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers - strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher auch im Falle einer ordentlichen Kündigung regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann, hierauf also grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung gestützt werden könnte (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4; BAG 21.11.2013 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 5; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Beck/Hoß, DLW/Dörner, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Auflage 2018, Kap. 4 Rn. 1547 ff).

111

Diese Voraussetzungen sind vorliegend aus den bereits im Einzelnen genannten Gründen nicht gegeben. Denn es handelt sich letztlich weder um einen dringenden Tatverdacht noch um den Tatverdacht einer erheblichen Pflichtverletzung.

112

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit dem vom Arbeitsgericht letztlich gefundenen Entscheidungsergebnis, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist.

113

Soweit die Beklagte (S. 2, 3 d. Berufungsbegründungsschrift = Bl. 175, 176 d. A.) auf Einzelheiten der Sachverhaltsermittlung hinweist, ist im Hinblick auf den gesetzlichen Zweck der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf hinzuweisen, dass, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier im von der Kammer zu entscheidenden konkreten Einzelfall die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen im gebotenen zeitlichen Rahmen durchgeführt worden sind. Es steht den US-Stationierungsstreitkräften zwar frei, unter Zuhilfenahme externer Stellen Ermittlungen durchzuführen. Warum aber bei einer Ausgangserkenntnis vom 20.07.2016 am 08.08.2016, zu einem Zeitpunkt, zu dem die gesetzliche Frist bereits abgelaufen war, von der Dienststelle vor Ort weiterer Ermittlungen durchgeführt werden mussten um sodann am 12.09.2016, also mehr als einen Monat später, zu einer Überprüfung der Aufzeichnungen der Überwachungskamera der Kaserne im Rahmen interner Ermittlungen der Dienststelle zu führen, erschließt sich nicht. Insgesamt vermag die Kammer nicht davon auszugehen, dass der Arbeitgeber vorliegend die Ermittlungsmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile angestellt hat.

114

Soweit die Beklagte im Übrigen die Richtigkeit der Beweiswürdigung (S. 6 ff. der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 179 ff. d. A.) rügt, folgt die Kammer dem ausdrücklich nicht. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin substantiiert "Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe" vorgetragen hat, mit der Folge, dass die Beklagte diese nicht nur substantiiert zu bestreiten hatte, sondern ihr auch letztlich die Beweislast für deren Nichtvorliegen oblag. Dem ist die Beklagte aus dem vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführten Gründen nicht nachgekommen. Zwar bestehen Zweifel am Vorbringen der Klägerin, weil für die Kammer nicht recht ersichtlich ist, welchen Vorteil die Zeugen R. oder auch sein Vorgesetzter, Herr I., von ihrer von der Klägerin behaupteten Vorgehensweise vorliegend im Einzelfall gehabt haben könnten. Derartige Zweifel genügen aber im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht, um die volle Überzeugung der Kammer vom Gegenteil des Vorbringens der Klägerin zu begründen. Das gilt auch für den Hinweis der Beklagten, die Aussage des Zeugen H. habe "glatt" gewirkt, einstudiert und abgestimmt. Denn dieser Zeuge ist zwar der Lebensgefährte der Klägerin, der mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Dies schließt es aber keineswegs aus, ohne Hinzutreten weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte, seine Zeugenaussage für wahrheitsgemäß erfolgt zu halten. Dass sowohl Herr I. als auch Herr R. in einem Sworn Statement bestätigt haben, dass es der Klägerin nicht gestattet war, das Fahrzeug nach Hause zu fahren, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn diese Herren hatten als Mitarbeiter der US-Stationierungsstreitkräfte alle Veranlassung dazu, ein entsprechendes eigenes vertragswidriges Verhalten in Abrede zu stellen.

115

Nach alledem ist die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden.

116

Folglich war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

117

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

118

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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