Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 387/20

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau - vom 19. November 2020, Az. 5 Ca 834/19, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung und Zahlungsansprüche.

2

Der 1965 geborene Kläger (geschieden, zwei Kinder) war seit dem 01.05.2019 bei der Beklagten, die an mehreren Standorten Einrichtungs- und Küchenhäuser betreibt, als "Leiter Küchenhaus" beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt wesentlich mehr als zehn Arbeitnehmer. Im schriftlichen Arbeitsvertrag mit Datum vom 02.04.2019 haben die Parteien ua. folgendes vereinbart:

3

5. Vergütung         

Der Mitarbeiter erhält für seine Leistungen:

5.1. Ein monatliches Fixum in Höhe von € 2.500,- (in Worten: …) brutto.

5.2. Für die Betreuung der Ausbildungsakademie eine monatliche Prämie in Höhe von € 500,- (in Worten: …) brutto.

5.3. Eine Hausumsatzprovision von 3,0 ‰ aus dem Monatsumsatz des ihm  unterstellten Hauses.

5.4 Ein monatliches Bruttoabsicherungsgehalt in Höhe von 5000,- Euro (in Worten: …) gilt als vereinbart.

5.5. Jahresprämie ab 2020 bei Erreichen der Küchenhaus-Umsatz-Planzahlen:

 € 2.500,00 (in Worten: …) brutto (2019 anteilig). Ist das Arbeitsverhältnis gekündigt (…) entfällt die Prämie. …

5.6. Jahresprämie ab 2020 bei Erreichen der Küchenhaus-Deckungs-

Beitrags-Planzahl: € 2.500,00 (in Worten: …) brutto (2019 anteilig). Ist das Arbeitsverhältnis gekündigt (…) entfällt die Prämie.

…       

8. Vertragsdauer und Kündigungsfristen           

8.1. Die Probezeit beträgt 3 Monate und kann aus wichtigen Gründen verlängert werden. Innerhalb der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen.

8.2 Die Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung von 3 Monaten zum Monatsende gilt hiermit als vereinbart. …“

4

Nach Ablauf der dreimonatigen Probezeit zahlte die Beklagte dem Kläger ab August 2019 eine monatliche Zulage iHv € 500,00 brutto. In einem Schreiben vom 15.07.2019 heißt es hierzu:

5

„… wie im persönlichen Gespräch vereinbart, werden wir Ihnen ab 01.08.2019 eine monatliche Zulage in Höhe von € 500,00 brutto abrechnen.

6

Wir freuen uns auf eine weitere Zusammenarbeit und grüßen Sie freundlich.“

7

Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung, dessen geldwerter Vorteil mit € 381,00 (1%) sowie € 22,80 (Whg/Arbeit) berechnet wurde. Sie übernahm für den Kläger, der mit Hauptwohnsitz in A-Stadt wohnt, in den ersten drei Monaten die Kosten für eine Unterkunft in L.. Die Beklagte rechnete auszugsweise wie folgt ab:

8

Monat 2019/2020

Fixum €

Prämie Akademie €

Umsatzprovision €

Ausgleich Garantie €

Zulage €

Kfz € 

Summe €

Mai     

2.500,00

500,00

1.542,25

457,75

x       

x       

5.000,00

Juni   

2.500,00

500,00

1.527,68

472,32

x       

x       

5.000,00

Juli   

2.500,00

500,00

1.658,23

341,77

x       

x       

5.000,00

Aug.   

2.500,00

500,00

1.555,67

444,33

500,00

402,80

5.902,80

Sept. 

2.500,00

500,00

1.533,35

466,65

500,00

402,80

5.902,80

Okt.   

2.500,00

500,00

1.671,76

328,24

500,00

402,80

5.902,80

Nov.   

2.500,00

500,00

1.588,04

411,96

500,00

402,80

5.902,80

Dez.   

2.500,00

500,00

1.461,51

638,49

500,00

402,80

5.902,80

Jan.   

2.500,00

500,00

1.551,01

448,99

500,00

402,80

5.902,80

9

Außerdem gewährte sie dem Kläger im Juni 2019 ein Urlaubsgeld iHv € 333,33 brutto, im September und Oktober eine Vergütung „VSO“ iHv je € 87,50 brutto. Mit Neuberechnung aus Juni 2020 zahlte sie ihm noch weitere € 451,01 brutto.

10

Mit Schreiben vom 23.10.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.01.2020. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2019 Klage. Er machte geltend, die Kündigung sei zur Unzeit erklärt worden; er habe sich ab 01.08.2019 auf eigene Kosten eine Zweitwohnung in L. gemietet. Es sei sitten- und treuwidrig, dass die Beklagte nach Ablauf der bestandenen Probezeit das Arbeitsverhältnis kündige. Sie habe nicht einmal angedeutet, dass sie mit seinen Leistungen oder seinem Verhalten nicht zufrieden sei, sondern die Probezeit ablaufen lassen und ihm darüber hinaus eine Zulage gewährt. Außerdem macht er - zuletzt noch - Zahlungsansprüche iHv. € 40.988,50 brutto geltend. Ihm stehe zusätzlich zu der gezahlten Umsatzprovision von Mai bis Juli 2019 eine Vergütung von € 8.000,00 brutto (€ 2.500,00 Fixum + € 5.000,00 Bruttoabsicherungsgehalt + € 500,00 Prämie Ausbildungsakademie) und von August 2019 bis Januar 2020 eine Vergütung von € 8.500,00 brutto (+ € 500,00 Zulage) zu. Im Einzelnen:

11

Monat 2019/2020

Anspruch €

hierauf gezahlt €

plus gezahlt €

Klageforderung €

Mai     

8.000,00

3.000,00

457,75

4.542,25

Juni   

8.000,00

3.000,00

472,32

4.527,68

Juli   

8.000,00

3.000,00

341,77

4.658,23

Aug.   

8.500,00

3.500,00

444,33

4.555,67

Sept. 

8.500,00

3.500,00

466,65

4.533,35

Okt.   

8.500,00

3.500,00

328,24

4.671,76

Nov.   

8.500,00

3.500,00

411,96

4.588,04

Dez.   

8.500,00

3.500,00

638,49

4.361,51

Jan.   

8.500,00

3.500,00

448,99

4.550,01

12

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

13

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 23.10.2019 nicht aufgelöst worden ist,

14

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm € 40.988,50 brutto nebst Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

15

€ 4.542,25 ab dem 01.06.2019, € 4.527,68 ab dem 01.07.2019, € 4.658,23 ab dem 01.08.2019, € 4.555,67 ab dem 01.09.2019, € 4.533,35 ab dem 01.10.2019, € 4.671,76 ab dem 01.11.2019, € 4.588,04 ab dem 01.12.2019, € 4.361,51 ab dem 01.01.2020, € 4.550,01 ab dem 01.02.2020 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 19.11.2020 Bezug genommen.

19

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der allgemeine Kündigungsschutz setze erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit ein, § 1 Abs. 1 KSchG. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.10.2019 sei weder sitten- noch treuwidrig. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte das „Bruttoabsicherungsgehalt“ von € 5.000,00 zusätzlich zahle. In Ziff. 5.4 des Arbeitsvertrags sei eine "Bruttoabsicherung" für die Monate vereinbart worden, in denen der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Fixums zuzüglich der Provision unter dieser Summe liegen sollte. Dem Kläger sei damit eine Mindestvergütung von € 5.000,00 zugesichert werden. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 19.11.2020 Bezug genommen.

20

Gegen das am 04.12.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 22.12.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 04.03.2021 verlängerten Frist mit am 03.03.2021 eingegangenem Schriftsatz begründet.

21

Er macht geltend, die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben. Die vereinbarte Probezeit von drei Monaten sei bei Kündigungszugang bereits abgelaufen gewesen. Die Beklagte habe ihm mit Schreiben vom 15.07.2019 eine monatliche Zulage iHv € 500,00 ab August 2019 gewährt. Die Kündigung sei zur Unzeit erfolgt. Die Beklagte habe mit dem Zulage-Schreiben vom 15.07.2019 bei ihm den Eindruck hervorgerufen, dass das Arbeitsverhältnis längeren Bestand haben werde. Er habe deshalb ab dem 01.08.2019 eine Zweitwohnung am Sitz der Beklagten mit entsprechenden Folgekosten gemietet. Die Kündigung sei auch sittenwidrig. Die Beklagte habe gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Sie habe während des gesamten Bestandes des Arbeitsverhältnisses nicht einmal angedeutet, dass sie mit seinen Leistungen oder seinem Verhalten nicht zufrieden sei. Sie habe im Gegenteil nach zweieinhalb Monaten seine Leistungen sogar noch honoriert und die verkürzte Probezeit von drei Monaten ablaufen lassen. Soweit die Beklagte erstinstanzlich einen angeblich eingetretenen Vertrauensverlust dargestellt habe, habe er hierauf substantiiert erwidert. Er habe unter Protest gegen die Beweislast Beweis dafür angetreten, dass ein derartiger Vertrauensverlust weder artikuliert noch durch Tatsachen gerechtfertigt sei.

22

Auch bezüglich der Vergütung habe sich das Arbeitsgericht nicht mit seinem Sachvortrag auseinandergesetzt. Die Regelung in Ziff. 5.4 des Arbeitsvertrags sehe keine Anrechnung des Bruttoabsicherungsgehalts vor. Das Arbeitsgericht habe die hierzu ergangene Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (25.01.2010 - 5 Sa 639/09) nicht berücksichtigt. Der Arbeitsvertrag und die Aufteilung der Beträge in Ziff. 5 sowie die Formulierungen „Fixum“ und „Bruttoabsicherung“ seien von der Beklagten vorgegeben worden. Sie enthielten Widersprüche, die zu Lasten des Verwenders gingen. Im ersten Vertragsentwurf sei die Fassung der Ziff. 5.4 nicht enthalten gewesen, dh. keine Vereinbarung über € 5.000,00. Dieser Betrag sei erst nachträglich von der Beklagten in den Vertragstext aufgenommen worden, weil er nicht bereit gewesen sei, die Arbeit zu den im Vertragsentwurf genannten Konditionen anzutreten. Auf die Formulierung habe er keinerlei Einfluss gehabt. Er habe im Bewerbungsschreiben angegeben, dass sein Jahresgehalt bei € 65.000,00 liegen sollte, zusätzlich stelle er sich ein „Leistungspaket abhängig vom Ertrag“ und einen Dienstwagen vor. Nach den Einkommensbelegen habe er für neun Monate € 34.011,50 erhalten, dividiert durch 9 errechne sich ein Monatsbetrag von € 3.779,05. Nach dem Vortrag der Beklagten habe er Provisionen iHv € 13.990,00 für neun Monate erhalten. Es errechne sich ein Monatsbetrag von € 1.554,54; die Addition der beiden Beträge ergebe € 5.333,49. Davon seien allerdings € 500,00 für die Betreuung der Ausbildungsakademie sowie die Zulage ab August 2019 abzuziehen; mithin habe er nur ein Durchschnittsgehalt von € 4.333,49 erhalten. Dies sei weit weniger als gefordert, nämlich mindestens ein Grundgehalt von € 5.416,67 plus eines Pakets aus Leistungszulagen. Selbst wenn man der Ansicht des Arbeitsgerichts folgen wollte, dass die Vergütung aus Ziff. 5.1 und Ziff. 5.3 auf die Vergütung aus Ziff. 5.4 anzurechnen sei, bliebe letztlich noch ein offener Vergütungsanspruch von € 4.500,00 brutto (9 Mon. x € 500,00), den er hilfsweise geltend mache. Seitens der Beklagten sei niemals die Rede davon gewesen, dass die in Ziff. 5.2 vereinbarte Prämie von € 500,00 für die Betreuung der Ausbildungsakademie auf das Fixum und das Bruttoabsicherungsgehalt anzurechnen sei. Die Vergütung für diese zusätzliche Leistung, die mit seiner „eigentlichen“ Arbeit nichts zu tun gehabt habe, dürfe nicht angerechnet werden.

23

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

24

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau - vom 19.11.2020, Az. 5 Ca 834/19, abzuändern und

25

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 23.10.2019 nicht aufgelöst worden ist,

26

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm € 40.988,50 brutto nebst Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

27

€ 4.542,25 ab dem 01.06.2019, € 4.527,68 ab dem 01.07.2019, € 4.658,23 ab dem 01.08.2019, € 4.555,67 ab dem 01.09.2019, € 4.533,35 ab dem 01.10.2019, € 4.671,76 ab dem 01.11.2019, € 4.588,04 ab dem 01.12.2019, € 4.361,51 ab dem 01.01.2020, € 4.550,01 ab dem 01.02.2020 zu zahlen,

28

3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihm € 4.500,00 brutto nebst Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

29

€ 500,00 ab dem 01.06.2019, € 500,00 ab dem 01.07.2019,

30

€ 500,00 ab dem 01.08.2019, € 500,00 ab dem 01.09.2019,

31

€ 500,00 ab dem 01.10.2019, € 500,00 ab dem 01.11.2019,

32

€ 500,00 ab dem 01.12.2019, € 500,00 ab dem 01.01.2020,

33

€ 500,00 ab dem 01.02.2020 zu zahlen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO und erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

39

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.10.2019 ist wirksam. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von € 40.988,50 brutto oder hilfsweise € 4.500,00 brutto. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung. Die Berufungsangriffe des Klägers bleiben erfolglos.

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1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung der Beklagten vom 23.10.2019 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der im Arbeitsvertrag vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31.01.2020 aufgelöst hat. Die Kündigung ist weder sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) oder maßregelnd (§ 612a BGB) noch treuwidrig (§ 242 BGB).

41

a) Bei Zugang der Kündigung war die Wartezeit von sechs Monaten iSv. § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt.

42

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG bedarf eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der sozialen Rechtfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Sinn und Zweck dieser „Wartezeit“ ist es, den Parteien des Arbeitsverhältnisses für eine gewisse Zeit die Prüfung zu ermöglichen, ob sie sich auf Dauer binden wollen (vgl. zB BAG 20.02.2014 - 2 AZR 859/11 - Rn. 18 mwN).

43

Das zwischen den Parteien ab 01.05.2019 begründete Arbeitsverhältnis bestand im Kündigungszeitpunkt am 23.10.2019 noch keine sechs Monate. Die Beklagte konnte daher das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der in Ziff. 8.2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten zum 31.01.2020 kündigen, ohne dass es zur Wirksamkeit der Kündigung eines Kündigungsgrundes iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte. Der Arbeitgeber kann aus Motiven kündigen, die weder auf personen-, verhaltens- noch betriebsbedingten Erwägungen beruhen, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen (zB §§ 138, 242 BGB) unwirksam ist (vgl. BAG 21.04.2016 - 8 AZR 402/14 - Rn. 29 mwN).

44

Entgegen der Ansicht der Berufung ist es unerheblich, dass die in Ziff. 8.1. des Arbeitsvertrags vereinbarte Probezeit von drei Monaten im Kündigungszeitpunkt abgelaufen war. Der Kläger verkennt grundlegend, dass die Vereinbarung einer Probezeit nur den Zweck hat, während dieser Zeit mit verkürzter Frist (vgl. § 622 Abs. 3 BGB) kündigen zu können. Der allgemeine Kündigungsschutz greift gleichwohl erst nach sechs Monaten ein. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen. Der Kläger konnte nach Ablauf der dreimonatigen Probezeit nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte der sechsmonatigen Wartezeit nicht kündigen wird. Allein der Umstand, dass die Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit ausgesprochen worden ist, ist kein Fall einer Kündigung zur Unzeit (vgl. BAG 16.09.2004 - 2 AZR 447/03 - Rn. 40 mwN). Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit.

45

b) Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten vom 23.10.2019 nicht wegen Verstoßes gegen §§ 242, 138 BGB oder §§ 612a, 134 BGB nichtig ist. Die Kündigung ist entgegen der Ansicht des Klägers weder sittenwidrig, maßregelnd noch treuwidrig.

46

aa) Während der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG ist der Arbeitnehmer lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. In dieser Zeit ist das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dadurch beschränkt, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss. Umgekehrt hat der Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, prüfen zu können, ob der neue Mitarbeiter seinen Vorstellungen entspricht. In der Wartezeit erfolgt daher grundsätzlich nur eine Missbrauchskontrolle. Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben verstößt eine Kündigung in der Wartezeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich, wenn für sie ein irgendwie einleuchtender Grund besteht (vgl. BAG 22.04.2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 41 mwN). Ansonsten würde in diesen Fällen über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt und damit die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt werden, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb und Unternehmen während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen.

47

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB.

48

Der Kläger konnte - wie bereits ausgeführt - nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der dreimonatigen Probezeit in der zweiten Hälfte der Wartezeit nicht kündigen wird. Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte dem Kläger ab August 2019 noch eine Zulage von € 500,00 brutto gewährte und im Begleitschreiben vom 15.07.2019 ausführte, dass sie sich „auf eine weitere Zusammenarbeit freue“. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil zwischen den Parteien „die Chemie“ nicht gestimmt habe. Der Kläger habe nach dem Eindruck der Beklagten Probleme in der Personalführung gehabt und die Küchenakademie nicht im gewünschten Umfang entwickelt. Im Ergebnis sei der Kläger mit der Leitung des Küchenhauses schlichtweg überfordert gewesen.

49

Entgegen der Ansicht der Berufung musste das Arbeitsgericht keinen Beweis darüber erheben, ob der subjektive Eindruck der Beklagten über Leistung und Führung des Klägers zutrifft. In der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es auf einen Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht an. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Die Beklagte hat lediglich von ihren gesetzlichen Rechten Gebrauch gemacht, die Eignung des Klägers in der sechsmonatigen Wartezeit zu prüfen. Nach der subjektiven Einschätzung der Beklagten entsprach die Leistung und Führung des Klägers nicht ihren Anforderungen.

50

cc) Die Kündigung ist auch nicht, wie die Berufung meint, unwirksam, weil sie zur Unzeit erfolgt sei. Im Regelfall führt allein ein den Arbeitnehmer besonders belastender Zeitpunkt der Arbeitgeberkündigung (die „Unzeit“) nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, die Annahme einer Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB setzt vielmehr weitere Umstände voraus (vgl. BAG 05.04.2001 - 2 AZR 185/00 - Rn. 14 ff). Der Umstand, dass der Kläger im Vertrauen auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 01.08.2019 eine Zweitwohnung in Landau angemietet hat, reicht nicht aus, um die Kündigung als treuwidrig anzusehen. Der Kläger konnte mangels Kündigungsschutzes nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte in den ersten sechs Monaten keine Wartezeitkündigung erklärt. Im Übrigen führt die unzeitige Kündigung selbst in den gesetzlich geregelten Fällen (§§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2; 723 Abs. 2 BGB), stets nur zur Schadensersatzpflicht des Kündigenden, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der Kündigung. Schadensersatzansprüche hat der Kläger, der nach dem Vortrag der Beklagten zum 01.08.2019 nicht nach L. umgezogen sein, sondern ein möbliertes Zimmer gemietet haben soll, nicht geltend gemacht.

51

dd) Die Kündigung ist nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, § 138 BGB. Der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit kann nur in besonders krassen Fällen erhoben werden. § 138 BGB verlangt die Einhaltung des “ethischen Minimums”. Sittenwidrig ist eine Kündigung, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (vgl. BAG 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 - Rn. 47 mwN). Es gelten insoweit schärfere Anforderungen als bei der Prüfung der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB. Der vorliegende Sachverhalt ist - wie oben ausgeführt - schon nicht geeignet, eine Treuwidrigkeit der Kündigung zu begründen; er reicht erst recht nicht für die Annahme aus, die Kündigung der Beklagten sei sittenwidrig.

52

ee) Die Kündigung ist nicht nach §§ 612a, 134 BGB unwirksam. Nach der Norm des § 612a BGB, die einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit betrifft, darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als “Maßnahmen” iSd. § 612a BGB kommen auch Kündigungen in Betracht (vgl. BAG 23.04.2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 12 mwN). Der Kläger hat schon keinen Sachverhalt vorgetragen, der eine Maßregelung indiziert.

53

c) Da die Beklagte die Kündigung vom 23.10.2019 unter Einhaltung der im Arbeitsvertrag vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist ausgesprochen hat, hat diese das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.01.2020 wirksam beendet.

54

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 611a Abs. 2 BGB keinen Anspruch auf Zahlung weiterer € 40.998,50 brutto (Hauptantrag). Dies hat das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt. Der Arbeitsvertrag mit Datum vom 02.04.2019 enthält keine Vereinbarung, dass die Beklagten dem Kläger das in Ziff. 5.4 vereinbarte „Bruttoabsicherungsgehalt“ von € 5.000,00 monatlich zusätzlich zu sonstigen Vergütungsbestandteilen schuldet. Das ergibt die Auslegung.

55

a) Der Arbeitsvertrag enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. etwa BAG 03.12.2019 - 9 AZR 44/19 - Rn. 15 mwN).

56

b) Die Auslegung der Vergütungsregelungen in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags nach diesen Grundsätzen ergibt, dass der Kläger das in Ziff. 5.4 geregelte „Bruttoabsicherungsgehalt“ von € 5.000,00 nicht zusätzlich zu den sonstigen Vergütungsbestandteilen beanspruchen kann, die in Ziff. 5.1 (Fixum) 5.2 (Prämie) und 5.3 (Umsatzprovision) geregelt sind. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend angenommen.

57

Aus dem Wortlaut, aber auch aus Sinn und Zweck der Regelung, wird dem Kläger ein Bruttomonatseinkommen von € 5.000,00 als Mindestverdienst garantiert, selbst wenn es ihm nicht gelingen sollte, monatliche Umsatzprovisionen von wenigstens € 2.000,00 zu erzielen. Mit dem Begriff „Absicherung“ wird eine „Gewähr“, „Sicherheit“, „eine verbindliche Zusage“ beschrieben. Mit einer „Absicherung“ wird dem anspruchsberechtigten Personenkreis verbindlich zugesagt, dass das Monatseinkommen nicht unter einen bestimmten Betrag sinkt, selbst wenn die Erfolgsvergütung (hier die Umsatzprovision nach Ziff. 5.3) dahinter zurückbleibt. Der Arbeitnehmer kann dann darauf vertrauen, dass ihm jeden Monat beständig der Absicherungsbetrag zufließt und entsprechend disponieren. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei dem Bruttoabsicherungsgehalt von € 5.000,00 nicht um ein weiteres „Fixum“, das zusätzlich und unabhängig von den erwirtschafteten Provisionen (Ziff. 5.3) und den festen Entgeltbestandteilen (Fixum nach Ziff. 5.1, Prämie nach Ziff. 5.2) zu bezahlen ist.

58

c) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Vergütungsabrede in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags auch nicht zu Lasten des Verwenders, also der Beklagten, auszulegen. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen trotz der Ausschöpfung anerkannter Auslegungsmethoden „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen (st. Rspr., zB BAG 20.03.2019 - 7 AZR 98/17 - Rn. 22 mwN). Angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses ist für die Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB im Streitfall kein Raum.

59

d) Aus der von der Berufung herangezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.01.2010 (5 Sa 639/09) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die zugrunde liegenden Fallgestaltungen sind nicht vergleichbar. Zum einen sind die getroffenen Vergütungsabreden unterschiedlich. Zum anderen wollte der dortige Arbeitgeber - anders als hier - das vereinbarte Garantiegehalt nicht zahlen.

60

e) Die von der Berufung angestellten Berechnungen sind sachlich falsch. Ausweislich der vorgelegten Gehaltsabrechnungen sind dem Kläger im Jahr 2019 insgesamt € 45.022,33 brutto und im Jahr 2020 weitere € 6.353,81 brutto; mithin in neun Monaten € 51.376,14 brutto, zugeflossen. Der Kläger hat somit ein monatliches Durchschnittseinkommen von € 5.708,46 brutto erzielt. Zusätzlich zahlte die Beklagte für die ersten drei Monate die Kosten der Unterkunft. Das von der Berufung aufgestellte Zahlenwerk berücksichtigt einen Teil des dem Kläger zugeflossenen Arbeitsentgelts nicht. Soweit die Berufung darauf hinweist, dass der Kläger vorvertraglich ein Jahresgehalt von € 65.000,00 „plus eines Pakets aus Leistungszulagen“ gefordert habe, kommt es darauf nicht an. Unabhängig davon, dass der Kläger seine Vorstellungen, die er im Schreiben vom 05.04.2019 (nach Übersendung des ersten Vertragsentwurfs) präzisiert hat, ausweislich des finalen Arbeitsvertrags nicht eins-zu-eins durchsetzen konnte, kann er aus seinen ursprünglichen Gehaltsvorstellungen keinen Zahlungsanspruch ableiten. Im Übrigen konnte der Kläger sein Leistungsversprechen nicht einlösen. Die Beklagte hat jeden Monat einen als „Ausgleich Garantie“ bezeichneten Aufstockungsbetrag gezahlt, weil die Umsatzprovision unter € 2.000,00 zurückblieb. Der Kläger hat den Bruttoabsicherungsbetrag in keinem Monat ins Verdienen gebracht.

61

3. Auch der zweitinstanzlich gestellte Hilfsantrag ist unbegründet. Der Kläger hat aus dem Arbeitsvertrag keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer € 4.500,00 brutto (9 Mon. x € 500,00).

62

Die Beklagte schuldet dem Kläger die in Ziff. 5.2 vereinbarte Prämie für die Betreuung der Ausbildungsakademie nicht zusätzlich zum in Ziff. 5.4 vereinbarten Bruttoabsicherungsgehalt. Auch dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags nach den oben dargestellten Grundsätzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen. Die Ansicht der Berufung, die Prämie für diese „zusätzliche Leistung“, die mit der „eigentlichen Arbeit“ des Klägers nichts zu tun gehabt habe, dürfe nicht angerechnet werden, findet im Vertragswortlaut keine Stütze. Nachdem sich der Kläger verpflichtet hat, die Ausbildungsakademie (für Küchenverkäufer und -monteure) zu betreuen, handelt es sich um seine vertraglich geschuldete Arbeit.

III.

63

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

64

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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