Urteil vom Landgericht Essen - 10 S 313/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.07.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Essen (12 C 4/13) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
GRÜNDE
2A.
3Die Klägerin verlangt Erstattung von Zahlungen, die sie im Zeitraum vom 17.10.2009 bis zum 31.08.2011 auf Grund einseitig vorgenommener Gaspreiserhöhungen der Beklagten an diese erbracht hat. Grundlage sind die Jahresrechnungen der Beklagten vom 29.10.2010 und 13.09.2011.
4Seit dem 12.09.1996 bezieht die Klägerin von der Beklagten Gas für die Verbrauchsstelle C-Str. … in … F zu den Bedingungen des Sonderabkommens Tarif T. Der anfängliche Arbeitspreis betrug umgerechnet 0,023 €/kWh. In Ziffer 4. des Sonderabkommens behielt sich die Beklagte einseitig eine Änderung der Preise vor. Die Laufzeit war zunächst zwei Jahre. Der Vertrag verlängerte sich sodann um jeweils ein Jahr, wenn er nicht mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des jeweiligen Vertragsjahrs gekündigt wurde.
5Im hier streitgegenständlichen Zeitraum erfolgten Preisanpassungen sowohl als Preiserhöhungen als auch als Preissenkungen, denen die Klägerin zunächst mit Schreiben vom 07.01.2005 und 28.10.2006, zuletzt mit Anwaltsschreiben vom 05.11.2010 widersprach.
6Auf Grund einer Sammelklage von 166 Kunden der Beklagten, zu denen die Klägerin nicht gehörte, erklärte der BGH mit Urteil vom 13.01.2010 –VIII ZR 81/08- (NJW-RR 2010, 1202 ff.) die von der Beklagten seinerzeit vorgenommenen Erhöhungen der Arbeitspreise für Erdgas zum 01.10.2004, 01.04.2005, 01.01.2006 und 01.010.2006 für unwirksam, weil er die Preisänderungsklausel in Ziffer 4. der Bedingungen des Sonderabkommens, worauf sich die Erhöhungen stützten, in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen (LG Essen und OLG Hamm) gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB für unwirksam erachtete.
7In einem Vorrechtsstreits gleichen Rubrums, der vor dem Amtsgericht F1 zu dem Aktenzeichen … verhandelt wurde, hatte die Klägerin Rückforderungsansprüche für den Zeitraum 18.10.2005 bis 15.10.2010 geltend gemacht, die in der Differenz des Arbeitspreises Stand 30.09.2004 in Höhe von 0,035 €/kWh und den an die Beklagte tatsächlich bezahlten Arbeitspreisen bestand. Dort hatte das Amtsgericht die Beklagte durch am 13.07.2011 verkündetes Urteil zur Rückzahlung von 1.247,98 € nebst Zinsen verurteilt, die weitergehende Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist durch Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Berufung (… LG F2) rechtskräftig.
8Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin für den Zeitraum vom 17.10.2009 bis 15.10.2010 die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten anfänglichen Arbeitspreis von 0,023 €/KWh und dem im Vorrechtsstreit zugrunde gelegten Arbeitspreis von 0,035 €/kWh (Grundlage Rechnung vom 29.10.2010) sowie für den Zeitraum vom 16.10.2010 bis 31.08.2011 die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten anfänglichen Arbeitspreis von 0,023 €/KWh und die an die Beklagte tatsächlich gezahlten Arbeitspreise (Grundlage Rechnung vom 13.09.2011) geltend gemacht.
9Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Beklagte hätte auf Grund ihres Widerspruchs vom 07.01.2005 den Vertrag zum 11.09.2005 kündigen können und müssen. Deshalb sei ab dem 12.09.2005 lediglich der anfänglich vereinbarte Arbeitspreis maßgeblich. Dass für den Zeitraum vom 17.10.2009 bis 15.10.2010 bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliege, hindere sie nicht an Nachforderungen, weil die hier verlangte Differenz nicht von der Rechtskraft des Urteils vom 13.07.2011 (… AG F1) erfasst werde.
10Die Klägerin hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 806,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 sowie den nicht anrechenbaren Teil vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat sich auf die Rechtskraft des Urteils vom 13.07.2011 (… AG F1) berufen, soweit Nachforderungen für den Zeitraum 17.10.2009 bis 15.10.2010 geltend gemacht worden sind und die Klage insoweit für unzulässig gehalten. Im Übrigen sei eine Rückforderung in allen Teilen nur auf der Grundlage des BGH-Urteils vom 14.03.2012 –VIII ZR 113/11- zu berechnen.
15Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptanspruch in vollem Umfang stattgegeben.
16Es hat die Klage, auch soweit es um Ansprüche aus dem Zeitraum 17.10.2009 bis 15.10.2010 geht, die bereits Gegenstand des Vorrechtsstreits … AG F1 waren, für zulässig erachtet. Es habe sich bei dem Vorrechtsstreit um eine offene Teilklage gehandelt, so dass die Rechtskraft des Urteils vom 13.07.2011 lediglich den seinerzeit eingeklagten Betrag erfasst habe. Dies gelte auch für den Fall einer verdeckten Teilklage.
17Zur Begründung des Anspruchs hat sich das Amtsgericht auf die einschlägige Rechtsprechung der Kammer zum selben Problemkreis bezogen (z.B. Urteil vom 03.01.2013 -…-; Urteil vom 21.03.2012 -…-).
18Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die zunächst der Ansicht ist, es handele sich – wenn überhaupt – um eine verdeckte Teilklage, bei der ein Vorbehalt der Nachforderung angebracht gewesen sei.
19Im Übrigen könne sich die Klägerin nicht auf den anfänglichen Arbeitspreis berufen, da ihr dies durch die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 14.03.2012 –VIII ZR 113/11-) verwehrt sei. Außerdem begegne eine Kündigung kartellrechtlichen Bedenken. Abschließend regt die Beklagte die Zulassung der Revision an.
20Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den vorgetragenen Inhalt des Schriftsatzes vom 25.09.2013 nebst Anlagen (Bl. 114 ff. GA) Bezug genommen.
21Die Beklagte beantragt,
22unter teilweiser Abänderung des am 16.07.2013 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Essen (12 C 4/13), die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie verurteilt worden ist, einen über 38,26 € hinausgehenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2013 an die Klägerin zu zahlen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
26Die Akte … Amtsgericht F1 = … Landgericht F2 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27B.
28I.
29Die gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthafte und gemäß §§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
30Die Klage ist zulässig, auch soweit der Zeitraum vom 17.10.2009 bis 15.10.2010, der von der Rechnung vom 29.10.2010 erfasst wird und Gegenstand des Rechtsstreits … AG F1 war, betroffen ist.
31Die jede neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Anspruch ausschließende materielle Rechtskraft eines Urteils reicht nach § 322 Abs. 1 ZPO nur soweit, wie über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Hat ein Kläger im vorangegangenen Prozess nur einen Teilanspruch geltend gemacht, so erfasst die Rechtskraft des Urteils nur diesen Teil des Anspruchs und erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten restlichen Anspruch (BGH Urteil v. 09.04.1997 –IV ZR 113/96- [NJW 1997, 1990 f.] m.w.N.).
32Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Klägerin – wie hier – im Vorprozess eine sogenannte verdeckte Teilklage verfolgt hat, ohne sich weitergehende Ansprüche vorzubehalten. Eines förmlichen Vorbehalts bedarf es weder aus prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen. Grundsätzlich braucht ein Kläger, der einen bezifferten Anspruch geltend macht, nicht zu erklären, er behalte sich die darüber hinausgehenden Ansprüche vor. Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich daher nicht auf den nicht eingeklagten Rest eines teilbaren Anspruchs oder auf andere Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt, selbst wenn sich das Urteil darüber auslässt (BGH a.a.O. m.w.N.). Denn es gilt der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, der sich aus dem Antrag und dem sich von den Parteien vorgetragenen Lebenssachverhalt ableitet (Zöller-Vollkommer, ZPO 30. Auflage (2014), Einl. Rdn. 83 m.w.N.).
33Im vorliegenden Fall kann daher offen bleiben, ob es sich – wie das Amtsgericht meint – um eine offene Teilklage oder – wozu die Kammer neigt – um eine sogenannte verdeckte Teilklage handelt. In jedem Fall handelt es sich um eine Teilklage, so dass der nicht geltend gemachte Teil des Anspruchs von der Rechtskraft des Urteils vom 13.07.2011 (… AG F1) nicht umfasst wird.
34Die Klage ist im ausgeurteilten Umfang des angefochtenen Urteils begründet.
35- 36
1. Insoweit ergibt sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB, der nach dem grundlegenden Urteil des BGH vom 14.03.2012 –VIII ZR 113/11- (NJW 2012, 1865 ff.) im vorliegenden Rechtsstreit zum Grund des Anspruchs außer Streit steht.
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2. Streit besteht über die Berechnungsweise des Erstattungsanspruchs, namentlich darüber, ob und wann der anfängliche Arbeitspreis Grundlage der Abrechnung sein kann. Die Besonderheit des vorliegenden Falls, ebenso wie in den durch die Kammer bereits rechtskräftig entschiedenen Fällen (Urteil vom 03.01.2013 -…-; Urteil vom 21.03.2013 -…-; Urteil vom 09.01.2014 -…-), besteht nämlich darin, dass die Klägerin Rückzahlungsansprüche für einen Zeitraum geltend macht, der jenseits der Kündigungsfrist liegt, zu der die Beklagte wegen des Widerspruchs der Klägerin den Vertrag nach Ansicht der Kammer hätte kündigen können und müssen.
Zu den bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften zählen zwar auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung, die aber nur dann in Betracht kommen, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGH NJW 2009, 2662 ff.; NJW-RR 2010, 1202 ff.; NJW 2011, 50 ff. jeweils m.w.N.).
39Da der Beklagten nach dem Inhalt ihrer zum Vertragsgegenstand gemachten AGB das Recht zugestanden habe – so der BGH in seinem Urteil vom 13.01.2010 (NJW-RR 2010, 1202 ff.) -, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 2 Jahren und sodann zum Ablauf der um je ein Jahr verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen, führe der Umstand, dass sie für diese Zeiträume an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibe, nicht ohne weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis.
40In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich im vorliegenden Fall schon deshalb keine das Vertragsgefüge einseitig zu Gunsten der Klägerin erfolgte Verschiebung feststellen, weil diese mit Schreiben vom 07.01.2005 erstmals den von der Beklagten verlangten Gaspreisen widersprochen hat. Denn der Beklagten hätte es freigestanden, diesen Widerspruch zum Anlass zu nehmen, um von dem ihr vertraglich zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
41Zwar hat der BGH sodann mit am 14.7.2010 –VIII ZR 246/08– und am 9.2.2011 -VIII ZR 295/09- verkündeten Urteilen offen gelassen, ob eine von der im Urteil vom 13.1.2010 vertretenen Ansicht abweichende Beurteilung dann geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgers erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der vom Unternehmer zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich, so der BGH, die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurückliegenden Zeiträume nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen habe in einem solchen Fall zunächst noch kein Anlass bestanden, eine Kündigung des Vertrags in Erwägung zu ziehen.
42In Fortsetzung dieser Rechtsprechung hat der BGH mit Urteil vom 14.3.2012 –VIII ZR 113/11– ausgeführt, dass eine infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 307 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke in einem Energieversorgungsvertrag mit einem Sonderkunden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen ist, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen , die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
43Die so aufgestellten Grundsätze sind nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Denn die Klägerin fordert nicht wie die Beteiligten der zuvor zitierten Entscheidungen des BGH vom 14.7.2010, 9.2.2011 und 14.3.2012 nach erstmaliger Widerspruchseinlegung für vergangene Zeiträume Erstattung von Überzahlungen, sondern für die dem Widerspruch nachfolgende Zeit.
44Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte daher nur solange Vertrauensschutz und kann die zuletzt vor dem Stichtag 07.01.2002 (3 Jahre vor Widerspruch) berechneten Preise verlangen, wie sie keinen Anlass hatte, auf Grund des Widerspruchs des Einzelkunden eine Kündigung in Betracht zu ziehen. Nach Ansicht der Kammer kommt es nicht allein darauf an, ob die Beklagte eine Kündigung in Erwägung gezogen hat. Maßgeblich ist, wann die Beklagte kündigen konnte, nachdem sie auf Grund des Widerspruchs des Kunden dazu hätte Anlass sehen können.
45Im vorliegenden Fall sehen die Versorgungsbedingungen eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende jedes Vertragsjahres vor. Der genaue Vertragsbeginn ist der 12.09.1996. Der anfängliche Arbeitspreis betrug umgerechnet 0,023 €/kWh. Die Beklagte hätte zeitnah nach Zugang des Widerspruchs Anfang Januar 2005 mit Wirkung zum 11.09.2005 kündigen können und müssen. Beginnend mit dem 12.09.2005 schuldete die Klägerin daher lediglich den anfänglich vereinbarten Arbeitspreis von 0,023 €/kWh, bis zum 11.09.2005 (einschließlich) den Preis, der als höchster Preis in der letzten Rechnung vor dem Stichtag (07.01.2002) berechnet worden ist.
46Dem steht die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH (NJW 2009, 2662 ff.) nicht entgegen. Die dort angestellten Erwägungen zur Unzumutbarkeit eines eingeräumten Kündigungsrechts betrafen die Sicht der Kunden, die sich einem monopolartig aufgestellten lokalen Energieversorger gegenüber sahen, bei dem es keine Alternative zur Versorgung mit Energie durch einen anderen Versorger gab.
47Diese Erwägungen sind jedoch auf die Sicht der Versorgerseite nicht übertragbar, da das Versorgungsunternehmen dem Kunden mit anderen Möglichkeiten gegenüber tritt, nämlich der Möglichkeit, durch Kündigung des Versorgungsvertrages den Kunden in einen anderen von dem Versorgungsunternehmen angebotenen Tarif, notfalls den Grundversorgungstarif, zu befördern.
48Ihrer Pflicht zur zeitnahen Ausübung ihres Kündigungsrechts kann sich die Beklagte, die diesbezüglich auf Mitteilungen sowohl des Bundeskartellamts als auch der Landeskartellbehörde NRW Bezug nimmt, auch nicht mit dem Hinweis darauf entziehen, ihr sei eine Kündigung aus kartellrechtlicher Sicht nicht zumutbar, da zweifelhaft sei, ob eine solche Kündigung kartellrechtlich durchsetzbar sei.
49Wie der BGH zuletzt in seinem Urteil vom 14.03.2012 -VIII ZR 93/11- noch einmal bestätigt hat, betrifft der insoweit von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt nicht diejenigen Fälle, in denen der Versorger Anlass hat, eine Beendigung des mit einem (Norm-)Sonderkunden bestehenden Versorgungsvertrages deshalb in Erwägung zu ziehen, weil die Wirksamkeit des in Anspruch genommenen Preisänderungsrechts Zweifeln unterliegt. Insoweit schließt sich die Kammer den Erwägungen des BGH an.
50Daran gemessen ist die Abrechnung der Klägerin – wie vom Amtsgericht insoweit bestätigt – richtig und nicht zu beanstanden.
51Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
52II.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
54Die Kammer lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung folgender Frage zu:
55Welcher Arbeitspreis und ab wann ist zugrunde zu legen, wenn der Kunde Rückzahlungen zu viel gezahlten Entgelts für die Gaslieferung auf Grund von Sonderabkommen für Zeiträume verlangt, die jenseits des ersten Widerspruchs des Kunden liegen?
56Die Kammer misst der formulierten Frage grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage deshalb, weil – soweit für die Kammer ersichtlich – noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, die sich mit dieser Fragestellung ausdrücklich befasst oder hätte befassen müssen.
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