Urteil vom Landgericht Rostock (1. Zivilkammer) - 1 O 58/10

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 40.000,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 17.09.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlich entstandenen Kosten in Höhe von 1.419,19 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger (48 Jahre) verlangt von der Beklagten (28 Jahre) die Zahlung von 40.000,00 € und vorgerichtliche Kosten von 1.419,19 €.

2

Zur Begründung seines Anspruches beruft er sich auf die Anlage K 1 (Bl. 6 d.A):

3

„G., den 20.08.09
Heute habe ich, H. P., E. S. 40.000,00 € für ihr Abitur gegeben. Die Rückzahlung erfolgt ohne Zinsen sobald es für Frau S. möglich ist."

4

Darunter befinden sich die Unterschriften der Parteien.

5

Unstreitig stammen die Unterschriften sowohl vom Kläger als auch von der Beklagten.

6

Die Parteien haben sich im Juni 2009 kennengelernt. Der Kläger fuhr die Beklagte öfters mit dem PKW herum. Am 03.08.2009 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei der die Beklagte als Beifahrerin des Klägers verletzt wurde.

7

Die Beklagte hatte die Absicht, das Abitur an einer Privatschule zu machen. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09.09.2009 (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.) forderte sie die Beklagte auf, bis zum 16.09.2009 einen Ausbildungsvertrag mit dem Privatgymnasium in T. vorzulegen und den Nachweis der Einzahlung des Schulgeldes in Höhe von 40.000,00 €. Sollte die Frist verstreichen, werde jetzt schon der Darlehensvertrag vom 20.08.2009 wegen arglistiger Täuschung angefochten.

8

Mit Schriftsatz vom 14.12.2009 wurde der Darlehensvertrag von der Prozessbevollmächtigten des Klägers fristlos gekündigt.

9

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte ihn gebeten habe, für das beabsichtigte Abitur an dem Privatgymnasium in T. 40.000,00 € zu geben. Am 20.08.2009 sei der Darlehensvertrag, der von ihm aufgesetzt wurde, von der Beklagten unterschrieben worden. An diesem Tag habe er auch der Beklagten 40.000,00 € übergeben.

10

Der Kläger beantragt,

11

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 40.000,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 17.09.2009 zu zahlen.

12

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlich entstandenen Kosten in Höhe von 1.419,19 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie behauptet, dass sie am 20.08.2009 nicht mit dem Kläger zusammen gewesen sei. Sie habe den Darlehensvertrag nicht unterschrieben. Vielmehr habe sie sich am 20.08.2009 bei F. S.-A. aufgehalten. Der Kläger habe einen Blanko-Zettel mit ihrer Unterschrift an sich genommen.

16

Er habe den Unfall mit verschuldet. Damit sie ihn nicht wegen des Unfalls belaste, habe er die Absicht der Beklagten, das Abitur zu machen, ausgenutzt und wollte sie als Zeugin des Unfalls "mundtot" machen. Es sei am 08.09.2009 zu einer sexuellen Nötigung des Klägers an ihr gekommen.

17

Der Kläger habe gewusst, dass die Beklagte wegen Betruges vom Amtsgericht G. verurteilt wurde.

18

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 40.000,00 € und die vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.419,19 € zu zahlen.

20

1. Den Darlehensvertrag vom 20.08.2009 hat der Kläger wirksam wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) angefochten. Der Darlehensvertrag ist nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Gemäß § 812 Abs. 1 BGB hat die Beklagte die erlangten 40.000,00 € an den Kläger herauszugeben.

21

a) Zwischen den Parteien wurde am 20.08.2009 ein schriftlicher Darlehensvertrag geschlossen (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.). Unstreitig sind beide unter diese Vereinbarung gesetzten Unterschriften des Klägers und der Beklagten echt. Die Behauptung der Beklagten, dass der Kläger ihre Unterschrift nachträglich unter den Darlehensvertrag gesetzt habe, greift nicht durch. Gemäß § 416 ZPO bringt die Privaturkunde den vollen Beweis in formeller Hinsicht, d.h. dafür, dass die darüber enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben wurden.

22

Die Beweiskraft entfällt nicht bei Blanko-Unterschriften (BGH NJW 1986, 3086; BGHZ 40, 65; BGHZ 68,104; BGHZ 113,40).

23

In diesem Fall ist aber der Gegenbeweis zulässig, wobei die Beklagte den Blankett-Missbrauch zu beweisen hat, da sie die Echtheit der Unterschrift zugestanden hat (§ 440 Abs. 2 ZPO; BGH MDR 1988,77).

24

Ein Blankett-Missbrauch durch den Kläger hat die Beklagte nicht dargelegt. Nicht im Ansatz ist klar, wie der Kläger zu der Blankett-Unterschrift gelangt sein soll. In welchem Zusammenhang die Beklagte eine Unterschrift leistete und wie dann der Kläger sich die Unterschrift verschaffte, ist nicht bekannt.

25

Darauf hat das erkennende Gericht im Termin vom 27.01.2010 hingewiesen.

26

Den Beweisantrag der Beklagten, sie wäre am 20.08.2009 gar nicht mit dem Kläger zusammen gewesen, war nicht nachzugehen. Auch wenn es so gewesen sein sollte, ergibt sich daraus kein Blankett-Missbrauch. Feststeht, dass die Beklagte eine Unterschrift geleistet hat und diese sich unter der Vereinbarung vom 20.08.2009 befindet. Auch wenn diese von der Beklagten blanko erfolgte, ist von der Beklagten nicht dargelegt, dass der Kläger sie missbräuchlich einsetzte. Da somit die Echtheit der Unterschrift der Beklagten feststeht, wird gemäß § 440 Abs. 2 ZPO vermutet, dass der über der Unterschrift stehende Text echt ist und dem Willen des Ausstellers entspricht (BGHZ 113,48).

27

Danach haben die Parteien am 20.08.2009 einen Darlehensvertrag über 40.000,00 € geschlossen und der Kläger als Darlehensgeber hat am 20.08.2009 der Beklagten als Darlehensnehmerin 40.000,00 € ausgehändigt.

28

Die Beklagte hat den Gegenbeweis gegen die vermutete Übereinstimmung des Urkundentextes mit dem Willen des Ausstellers nicht geführt. Dazu fehlt jeglicher Vortrag. Darauf hat das Gericht im Termin vom 27.01.2010 mündlich hingewiesen.

29

Somit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte vom Kläger 40.000,00 € erhielt.

30

2. Die Beklagte hat kein Recht, die 40.000,00 € zu behalten, da der Kläger den Darlehensvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB angefochten hat.

31

a) Die Beklagte hat den Kläger getäuscht. Die 40.000,00 € dienten ausschließlich dazu, der Beklagten zu ermöglichen, das Abitur zu machen, so die Vereinbarung vom 20.08.2009. Unstreitig - so auch der Vortrag der Beklagten - wollte sie das Abitur an einer Privatschule erlangen. Der Nachweis, dass sie einen Schulvertrag geschlossen und die 40.000,00 € als Schulgeld eingezahlt hat, hat sie bis zum heutigen Tag nicht geführt, so dass davon auszugehen ist, dass sie von Anfang an gar nicht die Absicht hatte, die 40.000,00 € dafür zu verwenden. Dafür hat sie beim Kläger einen Irrtum erregt.

32

Der Kläger war auch berechtigt, innerhalb von drei Wochen nach Abschluss des Darlehensvertrages die Beklagte aufzufordern, den entsprechenden Nachweis zu führen. Das hat sie bis zum heutigen Tage nicht getan.

33

b) Die Beklagte hat auch arglistig gehandelt. Sie wusste, dass sie das Geld nicht für das Abitur verwenden wollte, denn sonst hätte sie den Nachweis geführt. Ihr war klar, dass der Kläger die 40.000,00 € ihr nur gab, damit sie das Abitur machen konnte, denn sonst wäre dieser Umstand nicht mit in die Vereinbarung aufgenommen worden.

34

c) Die Täuschung der Beklagten war auch ursächlich für die Hingabe der 40.000,00 €. Dem Kläger kam es gerade darauf an, dass die Beklagte mit dem Geld ihr Abitur finanziert.

35

d) Die Anfechtungserklärung vom 09.09.2009 (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.) durfte auch unter einer aufschiebenden Bedingung erklärt werden.

36

Grundsätzlich sind die Gestaltungsrechte - wie die Anfechtung - bedingungsfeindlich, da dem Erklärungsempfänger - hier die Beklagte - keine Ungewissheit und kein Schwebezustand zugemutet werden kann.

37

Vorliegend handelt es sich aber um eine Potestativbedingung (Palandt 69. Aufl. § 158 Rn. 13), zu deren Erfüllung - Nachweis des Schulvertrages und der Einzahlung - ausschließlich die Beklagte in der Lage war.

38

e) Die Anfechtungsfrist von einem Jahr wurde von dem Kläger gewahrt (§ 124 Abs. 1 BGB). Die Beklagte durfte somit die 40.000,00 € nicht mehr behalten.

39

Die Voraussetzungen für § 156 I ZPO liegen nicht vor (nicht nachgelassener Schriftsatz vom 27.01.2010).

40

3. Die Beklagte ist gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB verpflichtet, auch die vorgerichtlichen Kosten des Klägers in Höhe von 1.419,19 € zu erstatten. Sie hat den Kläger in der Absicht getäuscht, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen und hat dadurch das Vermögen des Klägers beschädigt durch die Täuschung, dass sie mit dem Geld das Abitur machen werde.

41

Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auch auf die Rechtsanwaltskosten (Palandt, 69. Aufl., § 249 Rn. 57).

42

4. Die Zahlung der Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1,288 BGB bzw. § 291 BGB.

43

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen