Urteil vom Landgericht Tübingen - 4 O 360/17

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 18.088,21 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin, ein privater Krankenversicherer, begehrt von der Beklagten, der ... GmbH, aus übergegangenem Recht die Erstattung der Umsatzsteuer für in der Krankenhausapotheke der Beklagten in den Jahren 2012 bis 2017 individuell hergestellte und an die Versicherten der Klägerin verabreichte Zytostatika-Zubereitungen in Höhe von insgesamt 18.088,21 EUR.
Die Beklagte behandelte in dem hier relevanten Zeitraum Versicherte der Klägerin. Den Versicherten wurden jeweils im Rahmen einer bei der Beklagten ambulant durchgeführten Chemotherapie Zytostatika-Zubereitungen verabreicht, die in der dem Klinikum angeschlossenen Apotheke individuell hergestellt wurden.
Die entgeltliche Abgabe von individuell hergestellten Zytostatika zur ambulanten Verabreichung in den Krankenhausräumen wurde bis 2004 von der Finanzverwaltung nicht als umsatzsteuerpflichtig eingestuft, weshalb die Krankenhausträger für solche Leistungen bei privat und gesetzlich krankenversicherten Patienten keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt haben. Dieser Rechtszustand änderte sich durch die Umsatzsteuer-Richtlinie 2005 (UStR 2005, Anlage BLD 9), wonach gemäß deren Abschnitt 100 Abs. 3 Nr. 4 die Abgabe von Medikamenten durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus nicht zu den „eng verbundenen Umsätzen“ i.S.d. § 4 Nr. 16b S.1 UStG a.F. gehöre und daher umsatzsteuerpflichtig sei. Eine entsprechende Regelung sah auch Ziff. 4.14.6. UStAE a.F. vor.
Nachdem die Finanzrechtsprechung (wie das FG Münster, Urteil v. 12.05.2011, Az. 5 K 435/09 - zitiert nach juris) die Medikamentenabgabe durch die Krankenhausapotheken zur ambulanten Versorgung als umsatzsteuerfreie Krankenhausleistung i.S.d. § 4 Nr. 16b UStG a.F. bewertete, legte der BFH die sich aus der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ergebenden europarechtlichen Auslegungsfragen mit Beschluss vom 15.05.2012 dem EuGH zur Entscheidung vor.
Der EuGH entschied mit Urteil vom 13.03.2014 (Az. C-107/13, zitiert nach juris), dass die Lieferung von Gegenständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen zytostatischen Medikamenten, die von innerhalb des Krankenhauses selbständig tätigen Ärzten im Rahmen ambulanter Krebsbehandlungen verschrieben wurden, nicht von der Umsatzsteuer befreit sei, es sei denn, diese Lieferung sei in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.
Mit Urteil vom 24.09.2014 (Az. V R 19/11 - DStR 2014, 2505) entschied der BFH, dass die Verabreichung von Zytostatika, die individuell für den Patienten in der Krankenhausapotheke hergestellt wurden, im Rahmen einer ambulant in dem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Behandlung als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 14 b UStG (entspricht § 4 Nr. 16b UStG a.F.) umsatzsteuerfrei sei.
Mit Schreiben vom 28.09.2016 (Anlage BLD 2) erließ das Bundesfinanzministerium eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses unter Berücksichtigung des vorerwähnten BFH-Urteils und teilte mit, dass die sich aus diesem Schreiben ergebenden Grundsätze in allen offenen Fällen mit einer Übergangsfrist bis zum 31.03.2017 (Abschnitt V, S. 5, Bl. 57 d.A.) anzuwenden seien.
In derartigen Fällen wurden die in der Krankenhausapotheke der Beklagten in den Jahren 2012 bis 2017 hergestellten Zytostatika den Patienten ohne ausdrückliche Ausweisung der Umsatzsteuer (über ein Abrechnungszentrum) in Rechnung gestellt (vgl. Anlage B 5), wobei auf den jeweils zugrunde liegenden Rezepten der Vermerk „Gesamt-Brutto“ angebracht gewesen ist (vgl. BLD 4).
Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag den bei ihr Versicherten die Arzneimittelkosten in voller Höhe erstattet.
10 
Außerdem hat die Beklagte Umsatzsteuer aus den streitgegenständlichen Rechnungen an das Finanzamt abgeführt, gegen die maßgeblichen Umsatzsteuerbescheide Einspruch eingelegt und aus den dazugehörigen Rechnungen ihrer Lieferanten die Vorsteuer gezogen.
11 
Im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig, wie die im Zusammenhang mit der Chemotherapie verordneten, ambulant verabreichten und individuell in der Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika umsatzsteuerrechtlich zu behandeln sind.
12 
Zur Zusammensetzung der Klageforderung verweist die Klägerin auf die vorgelegte tabellarische Aufstellung (Anlage BLD 1). Dort seien sämtliche betroffenen Patienten, Rezepte und die hierauf gezahlten Versicherungsleistungen aufgeführt. Aus der in der Versicherungsleistung enthaltenen Umsatzsteueranteil ergebe sich die Klageforderung:
[...]
13 
Sämtliche Rezepte und Leistungsabrechnungen wurden von der Klägerin im Prozess vorgelegt (Anlagen BLD 16 - BLD 24).
14 
Die Klägerin ist der Auffassung, durch die Beklagte sei Umsatzsteuer zu Unrecht gegenüber den Patienten/Versicherten abgerechnet worden mit der Folge, dass sie aufgrund des Forderungsübergangs nach § 86 VVG i.V.m. § 194 Abs. 2 VVG zur Rückforderung berechtigt sei (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB).
15 
Die Beklagte habe für die ambulant verabreichten Zubereitungen die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gegenüber ihren Patienten in Rechnung gestellt. Tatsächlich seien nach dem vorerwähnten Urteil des BFH vom 24.09.2014 (V R 19/11) die Umsätze aus der Verabreichung von (Zytostatika-)Zubereitungen im Rahmen einer ambulant im Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung umsatzsteuerfrei, das auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei. Im Ergebnis seien deshalb die streitgegenständlichen Rechnungen/Rezepte in Höhe der Umsatzsteuer von 19 % überhöht.
16 
Hilfsweise werde ein Anspruch auf Korrektur der streitgegenständlichen Rechnungen gegenüber der Beklagten verfolgt. Allein die Beklagte sei als rechnungsstellende Unternehmerin zur Korrektur ihrer Rechnungen in der Lage. Aus einer vertraglichen Nebenpflicht ergebe sich eine Verpflichtung, die Rechnungen zu berichtigen, so dass sie die gezahlten Umsatzsteuerbeträge gemäß Art. 37 Abs. 2 AO vom Finanzamt erstattet verlangen könne.
17 
Die Klägerin stellt folgende Anträge:
18 
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 18.088,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
19 
hilfsweise:
20 
Die Beklagte zu verpflichten, die Rechnungen, mit denen die streitgegenständlichen patienten-individuellen Zubereitungen abgerechnet wurden, dergestalt abzuändern, dass diese umsatzsteuerfrei sind.
21 
Die Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Sie macht im Wesentlichen geltend, die Klage sei unschlüssig. Die Klägerin berufe sich auf § 812 Abs. 1 S. 1 erste Variante BGB (Leistungskondiktion), ohne darzustellen, worin der Mangel des rechtlichen Grundes liege. Es habe jeweils eine ambulante Krankenhausbehandlung der von der Klägerin genannten Patienten vorgelegen gemäß § 630a BGB, wobei die Versorgung mit den patientenindividuell hergestellten Arzneimitteln notwendig gewesen sei. Dabei handele es sich um einen Werklieferungsvertrag, der den Rechtsgrund für die Zahlung der Patienten gegenüber der Beklagten bilde. Es sei nicht ersichtlich, warum dieser Rechtsgrund entfallen sei. In dem Vertragsverhältnis gebe es keinerlei Vereinbarungen über den Preis der Arzneimittellieferung und folglich auch nichts zu Umsatzsteuern. Die Behauptung der Klägerin, in den Rechnungen sei Umsatzsteuer enthalten, sei unzutreffend. Für Krankenhausapotheken gebe es im streitgegenständlichen Zeitraum keine Preistaxe (wie für öffentliche Apotheken). Die Arzneimittelpreisverordnung habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gegolten.
24 
Vielmehr sei sie, die Beklagte, in ihrer Preisbildung völlig frei gewesen in den Grenzen des § 138 BGB. Im Übrigen habe sie gegenüber der Finanzverwaltung seit jeher die Auffassung vertreten, dass die besagten Lieferungen umsatzsteuerfrei seien, weshalb in den Rechnungen keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei. Folgerichtig habe die Veröffentlichung des Urteils des BFH v. 24.09.2014 zu keiner Änderung der Preisgestaltung geführt.
25 
Unabhängig davon sei hier von einer Bruttopreisvereinbarung auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liege bei Fehlen von Vereinbarungen über die Tragung der Umsatzsteuer eine Bruttopreisvereinbarung vor. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Versicherten der Klägerin und die Beklagte auf eine Nettopreisvereinbarung geeinigt hätten. Bei einer Bruttopreisvereinbarung könne eine spätere Änderung der steuerlichen Behandlung keine Auswirkungen auf den Verkaufspreis haben. Aus diesem Grund sei ein Anspruch der Klägerin auf Rechnungskorrektur zu verneinen. Diese Auslegungsergebnis entspreche § 1 der Preisangabenverordnung, wonach Verbrauchern Bruttopreise mitzuteilen seien. Damit sei die Beklagten im Rahmen der Preisbestimmung von Gesetzes wegen gehalten gewesen, Bruttopreise festzulegen. Insofern bestehe der rechtliche Grund für die Bezahlung der Rechnungen fort.
26 
Selbst bei einer hypothetischen Nettopreisvereinbarung sei der Vortrag der Klägerin unschlüssig. Denn üblicherweise seien bei Rezepten der onkologischen Behandlung auch Fertigarzneimittel enthalten. Es fehle die Darstellung, ob die umsatzsteuerpflichtigen Anteile (u.a. Fertigarzneimittel, andere Zubereitungen) abgesetzt worden seien.
27 
Weiterhin folge aus dem Grundsatz der strengen Akzessorietät, dass bei einer späteren Änderung der Rechtsgrund überhaupt nur insoweit wegfallen könne, wie die Steuerfestsetzung geändert werde. Wenn sie geändert werde, entstehe entgegen der irrigen Vorstellung der Klägerin nicht ein Erstattungsanspruch in Höhe von 19/119 der Rechnungssummen sondern es werde der wegfallende Vorsteuerabzug für Eingangsleitungen und Investitionen gem. § 15/15a UStG in Abzug gebracht. In Höhe des nicht erstatteten Umsatzsteuerbetrags bestünde damit weiterhin ein Rechtsgrund. Damit stelle das erlangte nur ein Bruchteil des von der Klägerin geltend gemachten Betrags dar, wenn es überhaupt zu einer Erstattung komme. Dieser könne nicht in Form eines Geldanspruches gegenüber der Beklagten bestehen, sondern allenfalls als Anspruch auf Abtretung eines vorgeblichen Erstattungsanspruches. Dies entspreche der vertraglichen Risikoverteilung. Das Risiko des Verfahrens gegenüber der Finanzverwaltung solle der Leistungsempfänger tragen.
28 
Höchst hilfsweise sei ein Bereicherungsanspruch gemäß § 814 BGB wieder entfallen, da die Klägerin im Erstattungszeitpunkt Kenntnis von allen Tatsachen gehabt habe, die nach ihrem Vortrag zum Mangel des Rechtsgrunds geführt hätten. Dadurch dass die Beklagte Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis gestellt habe, sei offenbart worden, dass davon ausgegangen werde, dass die Umsätze von der Umsatzsteuer befreit seien. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 14 Abs.2 Nr. 2 5. 3 UStG. Denn danach sei ein Unternehmer bei der Erbringung von Leistungen, die nach § 4 Nr. 8 bis 28 UStG umsatzsteuerbefreit seien, von der Verpflichtung zur Erstellung einer Rechnung befreit.
29 
Hinsichtlich der Forderungen aus dem Jahr 2011-13 werde die Einrede der Verjährung erhoben.
30 
Weiterhin werde die Erstattungsquote der Klägerin mit Nichtwissen bestritten.
31 
Hinsichtlich des weiteren Parteienvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
32 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage (I.). Auch der Hilfsantrag hat in der Sache keinen Erfolg (II.).
I.
33 
Zum Hauptantrag:
34 
Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB.
1.
35 
Soweit die Klägerin die von ihren Versicherten an die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum entrichteten Zahlungen an ihre Vertragspartner erstattet hat, ist von einem Forderungsübergang und somit von einer Aktivlegitimation der Klägerin auszugehen (§ 86 Abs. 1 VVG).
2.
36 
Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen der Beklagten enthalten keine Angaben gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG, nämlich weder den anzuwendenden Steuersatz noch den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Daraus ist zu schließen, dass die Beklagte den Versicherten der Klägerin keine Umsatzsteuer separat in Rechnung gestellt hat. Aus den Rechnungen ergibt sich auch sonst kein Anhaltspunkt dafür, dass die Patienten der Beklagten über die beurkundeten Summen hinaus weitere Geldleistungen an die Beklagte zu erbringen hatten.
3.
37 
Es liegt somit eine Bruttopreisvereinbarung vor (§§ 133, 157 BGB). Die Zahlung der Umsatzsteueranteile erfolgt daher nicht ohne Rechtsgrund.
a)
38 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt ein vereinbarter Kaufpreis grundsätzlich auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer ab. Die Abgeltung der Aufwendung ist unselbständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ("Bruttopreis": BGH NJW 2001, 2464; BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; 115, 47, 50; BGH WM 2000, 915). Hiervon ist auch bei Angeboten an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer auszugehen (BGH, Urt. v. 4. April 1973, VIII ZR 191/72, WM 1973, 677). Anderes gilt, wenn die Parteien einen "Nettopreis" vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann.
b)
39 
Unter den gegebenen Umständen hat die Beklagte mit ihren Patienten eine Bruttopreisvereinbarung getroffen. Grundsätzlich gilt, dass Beträge ohne besondere Vereinbarung als Bruttopreise anzusehen sind (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2014 - Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679). So liegt der Fall hier (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.2018 - L 11 KR 4621/16, zitiert nach juris). Die abweichende und noch nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Schleswig im Urteil vom 20.12.2017 - Az. 4 U 69/17, Anlage BLD 3 - überzeugt in diesem Punkt nicht.
40 
Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass auf den Rechnungen z.T. "Gesamt Nettoforderung" vermerkt worden ist. Denn wenn von den jeweils in den Rechnungen enthaltenen Positionen "Bruttoforderung" die jeweiligen Skonto-Beträge, die Herstellerrabatte nach §§ 130a, 130 b SGB V und Zuzahlungen in Abzug gebracht werden, ergibt sich die jeweilige Nettoforderung. Der Differenzbetrag zwischen Bruttoforderung und Nettoforderung stellt somit nicht die Umsatzsteuer dar, sondern setzt sich im Wesentlichen aus Rabatten u.a. zusammen.
41 
In der gleichen Weise ist der Vermerk „Gesamt-Brutto“ zu interpretieren, der sich auf den Rezepten befindet.
42 
Dass sich die Beklagte bei ihrer Preisbildung an die Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung angelehnt hat, rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtung. Unstreitig waren die Krankenhausapotheken nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden und daher in ihrer Preisgestaltung frei.
43 
Demzufolge kann nicht aus der Arzneimittelpreisverordnung zweifelsfrei abgeleitet werden, dass eine Nettopreisvereinbarung zugrunde liegt, wofür die Klägerin die Beweislast trägt.
4.
44 
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erst nachträglich festgestellt worden ist, dass auf solche Zubereitungen Umsatzsteuer nicht abzuführen ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass der auf die Beträge anfallende Umsatzsteueranteil zu erstatten ist, kommt vorliegend nicht in Betracht.
45 
Sinn und Zweck einer ergänzenden Vertragsauslegung ist es, Lücken einer rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen; sie knüpft an den im Vertrag enthaltenen Regelungsplan der Parteien an und versteht diesen als Rechtsquelle, aus der Regelungen für offen gebliebene Punkte abgeleitet werden können. Voraussetzung einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung ist dementsprechend zunächst das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, die in der Regel darauf beruht, dass die Parteien an einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt nicht gedacht haben oder dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, § 157 Rn. 2a f.). Grundlage für die dann vorzunehmende Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Parteiwille, es ist mithin darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 7).
46 
Danach lässt sich im vorliegenden Fall schon eine planwidrige Regelungslücke nicht feststellen. Dass vertraglich keine Regelung für den Fall getroffen wurde, dass eine abweichende Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen würde, beruht nicht darauf, dass die Parteien an eine solche Änderung nicht gedacht haben. Vielmehr hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie von jeher angenommen hat, dass die Zytostazika-Zubereitungen umsatzsteuerfrei waren. Unter diesen Umständen bedurfte es einer Verständigung über die Umsatzsteuer überhaupt nicht.
47 
Eine ergänzende Vertragsauslegung - eine planwidrige Regelungslücke unterstellt - würde auch nicht dazu führen, dass die streitgegenständlichen Rechnungsbeträge um die Umsatzsteuer zu reduzieren wären. Eine ergänzende Vertragsauslegung muss sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientieren, mithin die Interessen beider Parteien berücksichtigen. Wollte man der von der Klägerin präferierten Auslegung folgen, hätte dies z.B. auch zur Folge, dass Patienten, hätte sich später ein höherer Umsatzsteuersatz herausgestellt als der von der Beklagten bzw. der Abrechnungsstelle kalkulierte, eine Nachzahlung hätten erbringen müssen. Dies jedoch liegt - wie das Landgericht Dortmund zutreffend im Urteil vom 22.12.2017 - 4 O 189/17, zitiert nach juris - ausgeführt hat, sicherlich nicht im Interesse der Patienten, die zeitnah zur Leistungserbringung über die auf sie im Endergebnis zukommenden Kosten informiert sein wollen. Auch die Klägerin hätte sicherlich kein Interesse daran, nachträglich Nachzahlungen aufgrund höherer Umsatzsteuerfestsetzungen an die jeweiligen Krankenhäuser leisten zu müssen. Der ohne jeden Hinweis auf eine Umsatzsteuer vereinbarte Preis spricht vielmehr dafür, dass eine nachträgliche Änderung bei der Besteuerung auf den Preis ohne Einfluss bleiben soll.
5.
48 
Es fehlt zudem an einem beiderseitigen Irrtum und damit an einer Anspruchsvoraussetzung für eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB (vgl. LG Dortmund, Urt. vom 11.01.2018 - 2 O 451/16, zitiert nach juris).
6.
49 
Unabhängig davon scheidet ein Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Grund aus. Denn die Beklagte schuldet eine - nach Ansicht der Klägerin - fehlerhaft verlangte Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG bis zur Berichtigung der Rechnungen gegenüber dem Finanzamt. Der Rechtsgrund verhält sich bei einer Nettopreisabrede akzessorisch zum Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis (vgl. Krieger/Penner, Das Zytostatikaurteil des Bundesfinanzhofs, SGb 2015, 607 ff. mit Verweis auf BSG, Urteil v. 17.07.2008, Az. B 3 KR 18/07 - MedR 2009, 932; BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154). Zur Begründung kann auf das Urteil der Kammer vom 24.03.2017 verwiesen werden (Az. 4 O 224/16, veröffentlicht in juris).
7.
50 
Für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 241, 280 Abs. 1, 249 BGB fehlt es an einer Pflichtverletzung der Beklagten.
8.
51 
Die Beklagte handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Durch die Rechnungskorrektur würde die Beklagte ohne Weiteres das Recht zum Vorsteuerabzug verlieren, was zu einer Erhöhung der Einkaufskosten führen würde.
9.
52 
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen von § 814 BGB erfüllt sind oder bereits (teilweise) Verjährung eingetreten ist.
II.
53 
Zum Hilfsantrag:
54 
Mangels Anspruchs auf Rückzahlung eines Teils der Rechnungsbeträge ist auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Rechnungskorrektur nicht begründet. Es liegt, wie bereits näher ausgeführt worden ist, eine Bruttopreisvereinbarung vor.
B.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

Gründe

 
A.
32 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage (I.). Auch der Hilfsantrag hat in der Sache keinen Erfolg (II.).
I.
33 
Zum Hauptantrag:
34 
Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 erste Alternative BGB.
1.
35 
Soweit die Klägerin die von ihren Versicherten an die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum entrichteten Zahlungen an ihre Vertragspartner erstattet hat, ist von einem Forderungsübergang und somit von einer Aktivlegitimation der Klägerin auszugehen (§ 86 Abs. 1 VVG).
2.
36 
Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen der Beklagten enthalten keine Angaben gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG, nämlich weder den anzuwendenden Steuersatz noch den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Daraus ist zu schließen, dass die Beklagte den Versicherten der Klägerin keine Umsatzsteuer separat in Rechnung gestellt hat. Aus den Rechnungen ergibt sich auch sonst kein Anhaltspunkt dafür, dass die Patienten der Beklagten über die beurkundeten Summen hinaus weitere Geldleistungen an die Beklagte zu erbringen hatten.
3.
37 
Es liegt somit eine Bruttopreisvereinbarung vor (§§ 133, 157 BGB). Die Zahlung der Umsatzsteueranteile erfolgt daher nicht ohne Rechtsgrund.
a)
38 
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt ein vereinbarter Kaufpreis grundsätzlich auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer ab. Die Abgeltung der Aufwendung ist unselbständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ("Bruttopreis": BGH NJW 2001, 2464; BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; 115, 47, 50; BGH WM 2000, 915). Hiervon ist auch bei Angeboten an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer auszugehen (BGH, Urt. v. 4. April 1973, VIII ZR 191/72, WM 1973, 677). Anderes gilt, wenn die Parteien einen "Nettopreis" vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann.
b)
39 
Unter den gegebenen Umständen hat die Beklagte mit ihren Patienten eine Bruttopreisvereinbarung getroffen. Grundsätzlich gilt, dass Beträge ohne besondere Vereinbarung als Bruttopreise anzusehen sind (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2014 - Az. 19 U 107/13 - MDR 2014, 679). So liegt der Fall hier (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.2018 - L 11 KR 4621/16, zitiert nach juris). Die abweichende und noch nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Schleswig im Urteil vom 20.12.2017 - Az. 4 U 69/17, Anlage BLD 3 - überzeugt in diesem Punkt nicht.
40 
Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass auf den Rechnungen z.T. "Gesamt Nettoforderung" vermerkt worden ist. Denn wenn von den jeweils in den Rechnungen enthaltenen Positionen "Bruttoforderung" die jeweiligen Skonto-Beträge, die Herstellerrabatte nach §§ 130a, 130 b SGB V und Zuzahlungen in Abzug gebracht werden, ergibt sich die jeweilige Nettoforderung. Der Differenzbetrag zwischen Bruttoforderung und Nettoforderung stellt somit nicht die Umsatzsteuer dar, sondern setzt sich im Wesentlichen aus Rabatten u.a. zusammen.
41 
In der gleichen Weise ist der Vermerk „Gesamt-Brutto“ zu interpretieren, der sich auf den Rezepten befindet.
42 
Dass sich die Beklagte bei ihrer Preisbildung an die Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung angelehnt hat, rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtung. Unstreitig waren die Krankenhausapotheken nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden und daher in ihrer Preisgestaltung frei.
43 
Demzufolge kann nicht aus der Arzneimittelpreisverordnung zweifelsfrei abgeleitet werden, dass eine Nettopreisvereinbarung zugrunde liegt, wofür die Klägerin die Beweislast trägt.
4.
44 
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erst nachträglich festgestellt worden ist, dass auf solche Zubereitungen Umsatzsteuer nicht abzuführen ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass der auf die Beträge anfallende Umsatzsteueranteil zu erstatten ist, kommt vorliegend nicht in Betracht.
45 
Sinn und Zweck einer ergänzenden Vertragsauslegung ist es, Lücken einer rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen; sie knüpft an den im Vertrag enthaltenen Regelungsplan der Parteien an und versteht diesen als Rechtsquelle, aus der Regelungen für offen gebliebene Punkte abgeleitet werden können. Voraussetzung einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung ist dementsprechend zunächst das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, die in der Regel darauf beruht, dass die Parteien an einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt nicht gedacht haben oder dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage 2016, § 157 Rn. 2a f.). Grundlage für die dann vorzunehmende Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Parteiwille, es ist mithin darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 7).
46 
Danach lässt sich im vorliegenden Fall schon eine planwidrige Regelungslücke nicht feststellen. Dass vertraglich keine Regelung für den Fall getroffen wurde, dass eine abweichende Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen würde, beruht nicht darauf, dass die Parteien an eine solche Änderung nicht gedacht haben. Vielmehr hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie von jeher angenommen hat, dass die Zytostazika-Zubereitungen umsatzsteuerfrei waren. Unter diesen Umständen bedurfte es einer Verständigung über die Umsatzsteuer überhaupt nicht.
47 
Eine ergänzende Vertragsauslegung - eine planwidrige Regelungslücke unterstellt - würde auch nicht dazu führen, dass die streitgegenständlichen Rechnungsbeträge um die Umsatzsteuer zu reduzieren wären. Eine ergänzende Vertragsauslegung muss sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientieren, mithin die Interessen beider Parteien berücksichtigen. Wollte man der von der Klägerin präferierten Auslegung folgen, hätte dies z.B. auch zur Folge, dass Patienten, hätte sich später ein höherer Umsatzsteuersatz herausgestellt als der von der Beklagten bzw. der Abrechnungsstelle kalkulierte, eine Nachzahlung hätten erbringen müssen. Dies jedoch liegt - wie das Landgericht Dortmund zutreffend im Urteil vom 22.12.2017 - 4 O 189/17, zitiert nach juris - ausgeführt hat, sicherlich nicht im Interesse der Patienten, die zeitnah zur Leistungserbringung über die auf sie im Endergebnis zukommenden Kosten informiert sein wollen. Auch die Klägerin hätte sicherlich kein Interesse daran, nachträglich Nachzahlungen aufgrund höherer Umsatzsteuerfestsetzungen an die jeweiligen Krankenhäuser leisten zu müssen. Der ohne jeden Hinweis auf eine Umsatzsteuer vereinbarte Preis spricht vielmehr dafür, dass eine nachträgliche Änderung bei der Besteuerung auf den Preis ohne Einfluss bleiben soll.
5.
48 
Es fehlt zudem an einem beiderseitigen Irrtum und damit an einer Anspruchsvoraussetzung für eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB (vgl. LG Dortmund, Urt. vom 11.01.2018 - 2 O 451/16, zitiert nach juris).
6.
49 
Unabhängig davon scheidet ein Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Grund aus. Denn die Beklagte schuldet eine - nach Ansicht der Klägerin - fehlerhaft verlangte Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG bis zur Berichtigung der Rechnungen gegenüber dem Finanzamt. Der Rechtsgrund verhält sich bei einer Nettopreisabrede akzessorisch zum Rechtsgrund im Umsatzsteuerschuldverhältnis (vgl. Krieger/Penner, Das Zytostatikaurteil des Bundesfinanzhofs, SGb 2015, 607 ff. mit Verweis auf BSG, Urteil v. 17.07.2008, Az. B 3 KR 18/07 - MedR 2009, 932; BSG, Urteil v. 03.03.2009, Az. B 1 KR 7/08 - NZS 2010, 154). Zur Begründung kann auf das Urteil der Kammer vom 24.03.2017 verwiesen werden (Az. 4 O 224/16, veröffentlicht in juris).
7.
50 
Für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 241, 280 Abs. 1, 249 BGB fehlt es an einer Pflichtverletzung der Beklagten.
8.
51 
Die Beklagte handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Durch die Rechnungskorrektur würde die Beklagte ohne Weiteres das Recht zum Vorsteuerabzug verlieren, was zu einer Erhöhung der Einkaufskosten führen würde.
9.
52 
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen von § 814 BGB erfüllt sind oder bereits (teilweise) Verjährung eingetreten ist.
II.
53 
Zum Hilfsantrag:
54 
Mangels Anspruchs auf Rückzahlung eines Teils der Rechnungsbeträge ist auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Rechnungskorrektur nicht begründet. Es liegt, wie bereits näher ausgeführt worden ist, eine Bruttopreisvereinbarung vor.
B.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

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