Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 18 U 74/20
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 28.04.2020 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 41.606,35 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2011 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen;
die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 79 % und die Beklagte zu 21 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Provisionen aufgrund von Geschäften mit Titandioxid aus chinesischer Produktion mit der Papierfabrik A SE (im Folgenden: A).
4Der Kläger unterhält Kontakte zu leitenden Mitarbeitern deutscher Chemie-, Papier- und Farbenherstellern. Daneben war er Geschäftsführer der B Ltd. (im Folgenden: B) mit Sitz in England, die 2014 gelöscht wurde. Die Beklagte betreibt ein Handelsunternehmen, das Rohstoffe und Produkte aus China nach Europa importiert oder deren Import vermittelt. Im Jahr 2008 kam es zwischen dem Kläger bzw. der B und der Beklagten zu einem Kontakt. Mit Hilfe der Beklagten konnte der Kläger bzw. die B einen Generalmanager für ein chinesisches Unternehmen eines deutschen Druckfarbenherstellers gewinnen. Der Kläger bzw. die B und die Beklagte kamen daraufhin überein, dass der Kläger seine Kontakte in der deutschen Papierindustrie nutze, um für die Beklagte Geschäfte bezüglich des Imports von Rohstoffen aus der Volksrepublik China anzubahnen. Nach Darstellung der Beklagten wollte sie den Abnehmern in Deutschland lediglich die Geschäfte mit in China ansässigen Herstellern auf Provisionsbasis vermitteln, jedoch nicht selbst als Verkäuferin agieren. Von der Provision der Beklagten sollten der Kläger bzw. die B sowie der für die Beklagte tätige Unternehmer C eine Provision erhalten.
5Am 25.02.2009 erhielt der Kläger von der Beklagten Muster über Pigmentfarben (Anl. K1, Bl. 12); das Übersendungsschreiben war gerichtet an die B. Am 06.10.2009 kam es zu einem Treffen des Geschäftsführers der Beklagten mit einem Vertreter der A; dieses Treffen hatte der Kläger vermittelt, der selbst auch daran teilnahm. Der genaue Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig, ebenso wie die weiteren Tätigkeiten des Klägers. Über dieses Gespräch fertigte die Beklagte ein an die A gerichtetes Schreiben, in dem sie die Inhalte des Gesprächs zusammenfasste (Anl. K 21, Bl. 137). Am 10.02.2010 leitete die Beklagte per E-Mail eine zwischen ihr und der A geführte E-Mail-Korrespondenz an den Kläger (unter E-Mail 01) weiter. Darin hatte die A ein „Preisangebot“ für Titandioxid sowie bestimmte Eisenoxide in bestimmten Mengen angefordert (Anl. K 27, Bl. 238). Mit E-Mail vom 04.06.2010, von der Beklagten bestritten, übersandte der Kläger an C (mit der Beklagten in „Cc“) Preise für Eisenoxide der Marke „Bayferrox“ (Anl. K 34, Bl. 352). Am 10.06.2010 leitete C eine E-Mail vom selben Tag zwischen ihm und der A an den Kläger weiter (Anlage K 35, Bl. 353), in der sich die A für die Zusendung eines Angebots bedankt, jedoch mitteilt, dass der „Preis zu hoch“ sei.
6Die Parteien beabsichtigten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, über die Zusammenarbeit einen schriftlichen Vertrag zu schließen, in dem auch Regelungen über die Provisionshöhe enthalten sein sollten. Der Geschäftsführer der Beklagten bat C darum, einen solchen Vertragsentwurf zu erstellen. Mit E-Mail vom 05.08.2010 übersandte C an den Kläger den „ersten Entwurf für eine Provisionsregelung“, die „als Gesprächsgrundlage dienen“ solle. In diesem Entwurf („Zwischen Herrn D E und F GmbH …“) hieß es unter Ziff. 1) u.a.:
7Herr D hat zu verschiedenen leitenden Mitarbeitern von Chemie-, Papier und Farbenherstellern gute Kontakte. Mit Hilfe dieser Kontakte versucht Herr D eine Kundenbeziehung zwischen diesen Firmen und der F GmbH zu vermitteln. Ziel ist es, Rohstoffe/Produkte aus China zu importieren. Für diese Vermittlung soll grundsätzlich Herr D die unter 3) geregelten Provisionsansprüche erhalten. … Diese sind jeweils im Einzelfall abzustimmen und bedürfen einer schriftlichen Vereinbarung.
8Ziff. 2) enthielt u.a. folgende Formulierung:
9Ein Provisionsanspruch kann nur entstehen, wenn der Kontakt nachweislich durch Herrn D vermittelt wurde. Dazu ist es erforderlich, dass seitens Herrn D eine schriftliche Unterlage (s. Anlage) mit den Kontaktdaten eingereicht wird …
10Bereits jetzt wird seitens F anerkannt, dass folgende Firmen seitens Herrn D vermittelt wurden:
11- 12
Firma G, H
…
14Unter Ziff. 3) sah der Entwurf vor, dass der Kläger – wie auch C - im Falle einer Vermittlung durch die Beklagte 12,5 % des Provisionsbetrags erhalten sollte. Im Falle der Lieferung durch die Beklagte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sollte der Kläger 0,65 % des „reinen Rechnungsbetrages für die Produktlieferung ohne Mehrwertsteuer und ohne weitere Kosten …“ erhalten. Beigefügt war ein mit „Vermittlung“ überschriebenes Formular, das folgendermaßen aufgebaut war:
15Folgende Firma (Firmen) haben Interesse, Produkte aus China zu beziehen.
16Firma: ____________________________________________
17Ansprechpartner: ____________________________________________
18Am 08.10.2010 kamen der Geschäftsführer der Beklagten und C - ohne den Kläger – erneut mit Vertretern der A zusammen. Bei diesem Treffen wurde vereinbart, dass die Beklagte selbst als Zwischenhändlerin die A mit Titandioxid beliefern sollte. Nach Darstellung der Beklagten verlangte die A von ihr, dass sie auf ihre Einkaufspreise lediglich einen Aufschlag von 5 % („Provision“) und weitere „5,5 % Zoll“ vornehme, doch sei ihr von der A in Aussicht gestellt worden, die Belieferung nach einer Anfangsphase auf einen direkten Import aus China auf Provisionsbasis umzustellen. An der Verhandlung der später abgeschlossenen verschiedenen Lieferverträge zwischen der Beklagten und der A war der Kläger nicht beteiligt.
19Am 22.01.2011 trafen sich der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten in I, um über die Provision des Klägers zu verhandeln. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils heißt es, der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten seien bei diesem Treffen übereingekommen, dass der Kläger eine Provision „von 15% auf einer Basis von 5%“ erhalten solle. In der Folgezeit setzten die Parteien ihre Verhandlungen bezüglich einer Provisionsvereinbarung fort, wobei C zwischen den Parteien vermittelte. Der Kläger und die Beklagte bzw. der für sie handelnde C tauschten weitere Entwürfe von Provisionsvereinbarungen aus (Anl. K 15 Bl. 90-104), die teilweise durch die Parteien abgeändert wurden. Diese Entwürfe stimmen in Ziff. 1) „Vermittlungstätigkeit“ (dort S. 1-3 und 5) mit dem bereits am 05.08.2010 übersandten Entwurf überein. Hinsichtlich der „Höhe des Anspruchs“ wurde erneut zwischen den Fällen differenziert, in denen die Beklagte ihrerseits Lieferungen vermittelt und in denen der Kläger eine „Provision“ in Höhe von 12,5 % bzw. 15 % der Provision der Beklagten erhalten sollte, und den Fällen, in denen die Beklagte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung liefert. In diesen Fällen sollte sich die Provision auf 0,65% bzw. auf 1 % des „reinen Rechnungsbetrages für die Produktlieferung ohne Mehrwertsteuer und ohne weitere Kosten“ bemessen. Zu einer Unterzeichnung der Provisionsvereinbarungen kam es nicht.
20Am 15.04.2011 übersandte C an den Kläger eine E-Mail, in der er angab, einen mit dem Geschäftsführer der Beklagten abgestimmten Text zu übersenden (Anl. K2, Bl. 13). Dieser hatte folgenden Inhalt:
21„Ich bitte um Verständnis, dass ich den endgültigen Vertrag erst in Ruhe prüfen kann, wenn ich in Deutschland bin. Gerne möchte ich mit ihnen während meines Deutschlandaufenthalts persönlich treffen und dann auch den Provisionsvertrag unterschreiben.
22Davon abgesehen kann ich ihnen aber folgendes zusichern.
231.)
24Die Provision beträgt für Sie für die G-Geschäfte 15 %.
252.)
26Für künftige Geschäftsanbahnungen mit anderen potentiellen Kunden werden wir im Einzelfall die Provision festlegen. Sollten wir keine einvernehmliche Provisionsregelung finden, ich aber trotzdem an den von ihnen avisierten Kunden liefern, bin ich bereit, mich vertraglich zu verpflichten, eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.000.000 € an sie zu zahlen.
273.)
28Die Provisionsvereinbarung G gilt ab Abschluss des Dienstleistungsvertrags bei G (Umstellung von Belieferung über F auf die wie ursprünglich vorgesehen reine Provisionsabwicklung).
29Für die Anfangsphase werden wir sicher beim nächsten Treffen eine Einigung finden.
304.)
31Der Ordnung halber möchte ich gerne noch eine schriftliche Zustimmung seitens Herrn C, dass er mit einer Aufteilung 15 % Herr D und 10 % Herr C einverstanden ist.
32Mit freundlichen Grüßen
33F2“
34Mit E-Mails vom 13.05.2011 (Anlage A 13, Bl. 686) und 17.05.2011 (Anlage K 13, Bl. 85) wandte sich C an den Kläger und drang auf einen Vertragsabschluss. In der E-Mail vom 17.05.2011 erklärte er, dass es „zu allen Punkten des Vertrages zu einem Konsens gekommen“ sei und „ein Dissens nur noch bezüglich der Länge der Laufzeit“ bestehe.
35Am 27.05.2011 und 01.06.2011 übersandte der Kläger zwei Rechnungen an die Beklagte, in denen er für die Geschäfte mit der A jeweils eine Provision von 15 % verlangte (Anl. K8, Bl. 32 und Anl. K9, Bl. 34). Die Beklagte wies die Rechnungen unter dem 07.06.2011 mit der Begründung zurück, es sei keine Provisionsvereinbarung getroffen worden (Anl. K 10, Bl. 35). Auf das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 20.06.2011 (Anl. K11, Bl. 36ff.) ließ die Beklagte die Ansprüche unter dem 21.07.2011 erneut zurückweisen und erklärte „höchst vorsorglich“ die Kündigung bestehender Vertragsverhältnisse (Anl. K 12, Bl. 41). Mit anwaltlichen Schreiben vom 15.09.2011 übermittelte die Beklagte ein Vergleichsangebot an den Kläger, in dem ihm „unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der diesseitigen Rechtsposition“ eine Provision von 9 % „der vereinnahmten Beträge“ aus Direktgeschäften mit Titandioxid NR-950 bzw. 15 % aus „den ihr verbleibenden 4 %“ aus Geschäften mit Titandioxid CR-501 angeboten wurde (Anl. K4, Bl. 18).
36Zwischen der Beklagten und der A kam es erstmalig im Oktober 2010 zu Lieferungen von Titandioxid durch die Beklagte; diese Lieferungen erreichten in 2010 einen Gesamtumfang von 80 t. In 2011 lieferte sie 1.940 t Titandioxid, in 2012 weitere 400 t. Aus diesen Geschäften erzielte die Beklagte Einnahmen/Umsätze mit der A in 2010 in Höhe von 77.564,26 €, in 2011 in Höhe von 5.980.910,61 € und in 2012 in Höhe von 1.645.134,29 €.
37Weiterhin stellte der Kläger den Kontakt der Beklagten zur J GmbH & Co. KG, zur K GmbH, zur L AG und zur M GmbH her.
38Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Beklagten sei bereits durch die mündliche Abrede ein Handelsvertretervertrag zustande gekommen. Der Kläger hat gemeint, eine fehlende Einigung in allen Vertragspunkten stehe dem Zustandekommen eines Handelsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Dies habe die Beklagte auch mit dem Schreiben vom 15.09.2011 anerkannt. Die fehlende Schriftform hindere den Vertragsschluss nicht, da die Parteien ihr keine konstitutive Bedeutung mehr beigemessen hätten, indem sie den Vertrag in Vollzug gesetzt hätten. Auch habe die Beklagte mit der E-Mail vom 15.04.2011 eine Provision für die G-Geschäfte in Höhe von 15 % zugesichert. Selbst wenn kein Provisionsanspruch vereinbart worden sei, habe er jedenfalls Anspruch auf die übliche Vergütung. Diese bemesse sich für Titandioxid auf 100 €/t; bei Lieferungen in den Jahren 2010 und 2011 in einem Gesamtumfang von 2020 t Titandioxid also auf 202.000,00 €.
39Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, er habe der Beklagten die A und die mit ihr abgeschlossenen Geschäfte vermittelt. Er hat insoweit behauptet, dass sich sein Beitrag nicht in der Vermittlung des Erstkontakts erschöpft habe. Bei dem Gespräch mit Vertretern der A am 06.10.2009 habe es sich im Übrigen nicht nur um ein unverbindliches „Kennenlerngespräch“ gehandelt, sondern es sei bereits über geschäftliche Inhalte gesprochen worden. Das ergebe sich auch aus dem Gesprächsbericht, der – unbestritten - im Anschluss an das Gespräch von der Beklagten gefertigt worden sei. Außerdem habe er weitere Aktivitäten in Bezug auf die Vertragsschlüsse entfaltet. Mit E-Mail vom 09.11.2009 habe die A ein Angebot für Titandioxid und Eisenoxid angefordert, woraufhin er auftragsgemäß die entsprechenden Preise bei anderen Lieferanten für Titandioxid ermittelt habe. Diese Preise habe er der Beklagten mit E-Mail vom 04.06.2010 mitgeteilt. Weiter habe er für die Beklagte Sicherheitsdatenblätter redigiert, die von ihr angebotene und verkaufte Produkte betroffen hätten. Er habe sich ferner dafür eingesetzt, dass die weiteren Muster der Beklagten schnellstmöglich im Labor der A getestet worden seien und damit die Verkäufe hätten stattfinden können. Noch am 26.01.2012 habe er mit dem Einkaufsleiter N der A telefoniert, nachdem dieser ihn darum gebeten habe, die Beklagte zur Reduzierung der Preise aufzufordern. Der Kläger hat den Arbeitsaufwand für seine Vermittlungstätigkeit auf 1.113 Stunden bemessen (Anl. K 104, Bl. 726ff.).
40Der Kläger hat im Rahmen seiner am 24.10.2011 eingereichten Stufenklage zunächst beantragt, die Beklagte zur „Provisionsabrechnung“ bzw. Auskunftserteilung über ihre u.a. mit der A abgeschlossenen Geschäfte zu verurteilen. In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2012 hat der Kläger den Auskunftsantrag zurückgenommen.
41Der Kläger hat zuletzt beantragt,
42die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 202.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
43Die Beklagte hat beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Sie hat die Auffassung vertreten, dass es keinen Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien gebe. Es sei schon keine Einigung über alle Punkte, insbesondere nicht über die Provisionshöhe, zustande gekommen. Darüber hinaus sei die zwischen den Parteien vereinbarte Schriftform konstitutiv gewesen. Auch habe sie zu keiner Zeit ein Vertragsverhältnis anerkannt.
46Ohnehin habe der Kläger nur als „Türöffner“ fungieren sollen, der Geschäftskontakte herstellt, aber keine (Einzel-)Geschäfte vermittelt. Allenfalls habe er als Untermakler tätig werden können. Doch gebe es auch kein ihm gegenüber provisionspflichtiges Geschäft. Der vom Kläger allein vermittelte Kontakt zur A stelle keine Vermittlungsleistung im Sinne des Handelsvertreterrechts dar. Solche Vermittlungsleistungen habe der Kläger nicht erbracht, und zwar weder in dem Gespräch am 06.10.2009 noch später. Es komme hinzu, dass der weitere Termin mit der A am 08.10.2010 ohne Zutun des Klägers zustande gekommen sei, nachdem der Kontakt zwischen zur A zuvor abgerissen sei und erst der „neue Einkaufsleiter“ der A O erneut den Kontakt zur Beklagten gesucht habe.
47Die zwischen ihr und der A abgeschlossenen Verträge über Titandioxid seien aber auch deshalb nicht provisionspflichtig, weil der Kläger nur in dem Fall eine Provision habe erhalten sollen, wenn die Beklagte selbst als Vermittlerin der Importgeschäfte tätig geworden wäre. Für den Fall, dass sie selbst als Lieferantin bzw. Importeurin auftrete, habe man keine Vereinbarung getroffen.
48Die Beklagte hat ferner die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, aus § 344 HGB ergebe sich, dass der Kläger für seine Gesellschaft, die B, tätig geworden sei.
49Die Beklagte hat weiter behauptet, die Gewinnmarge für die Belieferung der A mit Titandioxid habe bei lediglich 4-5 % gelegen. Sie habe daher mit den Lieferungen an die A in 2010 und 2011 nur 34.498,53 € (netto) Gewinn mit erwirtschaftet. Die vom Kläger geforderte Provision von 100,00 €/t übersteige diesen Gewinn um ein Vielfaches. Im Übrigen sei die verlangte Provision auch nicht üblich.
50Das Landgericht hat mit Beschluss vom 02.06.2015 u.a. Sachverständigenbeweis über die Höhe der üblichen und angemessenen Vergütung für die Vermittlung eines Geschäftskontakts betreffend die Lieferung bzw. den Ankauf von chemischen Rohstoffen aus der Volksrepublik China, hilfsweise aus dem Ausland, erhoben. Der Sachverständige P ist zu dem abschließenden Ergebnis gelangt, dass die Beweisfragen nicht aufklärbar seien.
51Mit Beweisbeschluss vom 07.09.2018 hat das Landgericht ferner versucht, Beweis zu erheben zu der Frage, ob sich der vom Kläger behauptete Stunden-Aufwand im Rahmen der von ihm erbrachten Vermittlungsleistung anhand der von ihm benannten Medien verifizieren lasse. Für die Erstellung dieser Sachverständigengutachten ist kein geeigneter Sachverständiger gefunden worden.
52Das Landgericht hat der Klage im Umfang von 60.600,00 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwischen den Parteien ein Handelsvertretervertrag zustande gekommen sei und der Kläger der Beklagten die Geschäfte mit der A vermittelt habe. Daher stehe dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Provisionszahlung zu. Da es jedoch keine Vereinbarung bezüglich der Vergütung gebe und eine übliche Vergütung nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen sei, habe der Kläger ein Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315, 316 BGB. Dies habe der Kläger – jedoch unter Überschreitung billigen Ermessens - dahingehend ausgeübt, dass er eine Provision von 100,00 €/t Tonne verlangt habe. Denn eine Provision in Höhe von 202.000,00 € führte dazu, dass der Kläger an dem Gewinn der Beklagten aus den Geschäften mit der A zu 67 % bzw. sogar zu 72 % beteiligt würde, was auch vor dem Hintergrund der erbrachten Vermittlungsleistung und des damit zusammenhängenden Arbeits- und Zeitaufwands unangemessen hoch erscheine. Aus diesem Grund sei das Gericht berufen, die Leistungsbestimmung selbst vorzunehmen. Angemessen sei ein Betrag von 30,00 €/t, der sich zunächst an den von C in der E-Mail vom 13.05.2011 in Aussicht gestellten Provision in Höhe von 40.000,00 € orientiere. Zudem liege die gewählte Provision in einem angemessenen Verhältnis zum erzielten Gewinn. Liege dieser bei 300.200,00 € bzw. 277.437,94 €, entspreche sie einem prozentualen Anteil von 20,2 bzw. 21,8 %. Ferner stehe sie in einem kompatiblen Verhältnis zu dem in Aussicht gestellten Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 1.000.000 €. Es ergebe sich auch keine andere Rechtsfolge, wenn es nicht zu einem Handelsvertretervertrag gekommen sein sollte, denn dann ergäbe sich der Vergütungsanspruch entweder aus § 354 Abs. 1 HGB in Verbindung mit §§ 315, 316 BGB oder aus §§ 675, 611, 612 BGB, 315 Abs. 3 S. 2 BGB. Selbst ohne jegliches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien existiere ein Anspruch in entsprechender Höhe aus Geschäftsführung ohne Auftrag unter analoger Anwendung von § 1835 Abs. 3 BGB.
53Gegen das erstinstanzliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
54Der Kläger meint, die gerichtliche Festsetzung der Provision sei fehlerhaft. Zum einen wäre es dem Landgericht möglich gewesen, einen üblichen Provisionssatz in Höhe von 100 €/t Titandioxid festzustellen. Denn er habe substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, dass ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Q AG eine Provision in dieser Höhe für die Vermittlung von Titandioxid aus China an einen deutschen Abnehmer versprochen und gezahlt worden sei.
55Nehme man jedoch ein Leistungsbestimmungsrecht des Gläubigers an, so habe er dieses ermessensgerecht ausgeübt. Die Festsetzung auf einen Provisionssatz in Höhe von 100 €/t entspreche billigem Ermessen; insoweit verweise er wieder auf die Vereinbarung mit der Q AG; die Geschäfte seien vergleichbar. Ferner habe sein erbrachter Arbeitsaufwand eine solche Provision gerechtfertigt.
56Zudem hätte das Landgericht nicht auf den erzielten Gewinn der Beklagten abstellen dürfen, da es dem Handelsvertretervertrag immanent sei, dass der Unternehmer das wirtschaftliche und rechtliche Risiko trage; der Handelsvertreter erhalte die Provision hingegen im Erfolgsfall. Weiter habe sich das Landgericht zu Unrecht auf das Gutachten des Sachverständigen gestützt, der eine Provision von 60.795,00 € vorgeschlagen habe. Auch das in Aussicht gestellte Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 1.000.000 € stehe zu dem von ihm geforderten Betrag nicht in einem Missverhältnis. Der BGH habe in einem Fall sogar eine Vertragsstrafe für angemessen erachtet, die sich auf das 4,15-fache des Umsatzes belaufen habe.
57Der Kläger trägt hilfsweise vor, das Gericht sei auch nicht dazu berufen gewesen, nach billigem Ermessen den Provisionssatz zu bestimmen, weil die Beklagte, wie er meint, die dazu erforderliche Unbilligkeitseinrede nicht erhoben habe. Das Landgericht habe fehlerhaft die erforderliche Einrede aus dem pauschalen Klageabweisungsantrag hergeleitet.
58Auch habe sich das Gericht nicht an dem von C vorprozessual vorgeschlagenen Betrag in Höhe von 40.000,00 € orientieren dürfen, denn C stehe eindeutig im Lager des Beklagten.
59Schließlich sei das Landgericht auch fehlerhaft davon ausgegangen, dass die am 21.07.2011 erklärte Kündigung wirksam gewesen sei. Es handele sich dabei um eine treuwidrige „Vergeltungskündigung“, die keine Rechtswirkungen entfaltet habe.
60Der Kläger beantragt unter Erhöhung der Nebenforderungen für die Zeit ab dem 29.07.2014,
611. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 28.04.2020, Az. 4 O 515/11, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 141.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 25.11.2011 bis 28.07.2014 zu zahlen;
622. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger auf die erstinstanzlich geltend gemachte Hauptforderung von 202.000,00 € Zinsen in Höhe von insgesamt 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.
633. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
64Die Beklagte beantragt,
651. unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Münster vom 28.04.2020 (Aktenzeichen LG Münster, 4 O 515/11) die Klage abzuweisen;
662. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
67Sie meint, das Landgericht habe zu Unrecht einen Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien angenommen, was auch im Widerspruch zu den vorher erteilten Hinweisbeschlüssen, zuletzt vom 18.02.2018, stehe. Auf eine Änderung seiner Rechtsauffassung habe das Landgericht auch nicht hingewiesen. Der Kläger habe aber auch keine Vermittlungstätigkeit entfaltet, da er nur ein „Kennenlerngespräch“ bei der A, in dem nicht über konkrete Lieferungen oder Preise gesprochen worden sei, ermöglicht habe.
68Es sei auch fehlerhaft, den Kläger als „Gelegenheitsvermittler“ nach § 354 Abs. 1 HGB anzusehen. Denn bei ihm handele es sich nicht um einen Kaufmann. Der Kläger betreibe nur eine Personalvermittlung in der Rechtsform einer Ltd., deren einziges Vertretungsorgan er sei. Damit sei unter Berücksichtigung der Vermutungsregelung des § 344 Abs. 1 HGB davon auszugehen, dass der Kläger als Vertretungsorgan dieser Gesellschaft gehandelt habe und nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Mit diesem Einwand der Beklagten habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
69Das Landgericht habe auch nicht von einem konkludent geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB ausgehen dürfen. Auch ein solcher Vertrag scheitere daran, dass er nicht schriftlich geschlossen worden sei. Denn es seien nur Vereinbarungsentwürfe ausgetauscht worden; eine Einigung auf einen dieser Entwürfe habe nicht stattgefunden. Die Beklagte bekräftigt ihre Auffassung, dass jeglicher Vertrag wegen der nicht beachteten Schriftform unwirksam sei, zumal die Schriftformabrede nicht aufgehoben worden sei.
70Ebenso sei der Hinweis auf einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag fehlerhaft, insbesondere weil das Gericht die Regelung des § 1835 Abs. 3 BGB analog angewendet habe. Dies verbiete sich jedoch hier, da der Kläger nicht in seinem angestammten Beruf als Personalvermittler tätig geworden sei.
71Schließlich sei auch die von der Kammer festgesetzte Höhe der Provision zu beanstanden. Die vom Landgericht herangezogenen Kriterien seien fehlerhaft bewertet worden. Der von dem Kläger vorgetragene Arbeitsaufwand von 1.200 Stunden sei lediglich pauschal erfolgt und überdies auch bestritten worden. Auch habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass sich die Tätigkeit des Klägers auf die einmalige Vermittlung des ersten Geschäftskontaktes beschränkt habe. Schließlich sei es wegen des von der Beklagten zu tragenden wirtschaftlichen Risikos auch unbillig, den Kläger mit über 20 % am Gewinn zu beteiligen.
72Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat den Kläger sowie den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört; auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls wird Bezug genommen.
73B.
74Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet; die ebenfalls zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
75I.
76Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 41.606,35 € aus §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien existierte ein Geschäftsbesorgungsvertrag, aus dem die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Vergütung zu zahlen.
771.
78Die Parteien haben einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1, 611 ff. BGB geschlossen.
79a)
80Zu einem nicht näher dargelegten Zeitpunkt in 2008 oder 2009 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass der Kläger für die Beklagte Kontakte zu deutschen Unternehmen der Papierindustrie herstellen sollte. Die Kontakte sollte die Beklagte nutzen, um ihrerseits Geschäftsabschlüsse zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen über die Lieferung von Rohstoffen zu vermitteln. Von den daraus zu erwartenden Provisionen sollte der Kläger eine „Unterprovision“ erhalten (Urt. S. 2).
81Dieser Sachverhalt ist für das Berufungsgericht gem. §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend, da das Landgericht ihn im Tatbestand als unstreitig dargestellt hat (BGH, Urteil vom 17. 1. 2012 − XI ZR 457/10, NJW-RR 2012, 622, Tz. 18; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Auflage, § 314 Rn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 41. Auflage, § 529 Rn. 1).
82Die Bindungswirkung entfiele allerdings dann, wenn der Tatbestand des Urteils Widersprüche aufwiese (Zöller/Feskorn, a.a.O., Rn. 6). Das lässt sich bezüglich der soeben erwähnten grundsätzlichen Vereinbarung nicht feststellen; es ist diesbezüglich auch kein Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt worden.
83b)
84Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger in Person und nicht die B Vertragspartner geworden. Es liegt insoweit auf Seiten des Klägers kein Vertretergeschäft vor.
85Nach § 164 Abs. 1 BGB setzt ein Vertretergeschäft voraus, dass der Vertreter im Namen des Vertretenen eine Willenserklärung abgegeben hat. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen sollen (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Für die Abgrenzung zwischen Vertreter- und Eigengeschäft gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§ 133, 157 BGB); maßgebend ist danach der Inhalt der Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont, also wie die Gegenpartei das Verhalten des Handelnden verstehen durfte (Palandt/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2021, § 164 Rn. 4; Münchener Kommentar BGB/Schubert, BGB, 9. Aufl. 2021, § 164 Rn. 130).
86Der Grundsatz der Offenkundigkeit gilt auch bei sogenannten unternehmensbezogenen Geschäften. Auch in diesen Fällen muss der Vertragspartner für den Geschäftspartner von vornherein eindeutig erkennbar sein. Nur wenn das Geschäft in dem Sinne unternehmensbezogen ist, dass es mit einem bestimmten Handelsunternehmen abgeschlossen und ersichtlich der Inhaber dieses Unternehmens Vertragspartner werden sollte, wird der tatsächliche Unternehmensinhaber Vertragspartner. Es handelt sich bei diesem Grundsatz nicht um eine Beweis-, sondern um eine Auslegungsregel, die voraussetzt, dass der Handelnde sein Auftreten für ein Unternehmen hinreichend deutlich macht (BGH, Urteil vom 4. 4. 2000 - XI ZR 152/99, NJW 2000, 2984 m.w.N.; Palandt/Ellenberger, a.a.O. § 164 Rn. 2; Münchener Kommentar BGB/Schubert, a.a.O. § 164 Rn. 130-132). Dabei trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Handeln im fremden Namen denjenigen, der ein Vertreterhandeln behauptet (BGH, Urteil vom 4. 4. 2000 - XI ZR 152/99, NJW 2000, 2984 m.w.N), also hier die Beklagte.
87Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass aus dem Verhalten des Klägers ein Handeln für die B hinreichend zum Ausdruck kommt. Allein aus den Umständen, dass der Kläger der Beklagten gegenüber die gleiche Adresse wie die B angegeben hat und die Beklagte zunächst – im Zusammenhang mit der Vermittlung eines Generalmanagers - mit dieser Gesellschaft in Geschäftskontakt getreten ist, ergibt sich kein hinreichender Unternehmensbezug. Denn bei der B handelt(e) es sich um ein Unternehmen im Bereich der Personaldienstleistung, die der Beklagten gegenüber auch nur in diesem Geschäftsbereich gegenüber getreten ist. Die Akquisition von potentiellen Interessenten für Rohstoffe bzw. chemische Produkte aus der Volksrepublik China hat damit erkennbar nichts zu tun. Diese Unterschiedlichkeit der Geschäftsfelder steht daher der Annahme der Beklagten entgegen, der Kläger habe auch bei der Vermittlung von Geschäftspartnern im Rohstoffhandel für dasselbe Unternehmen – die B – gehandelt. Dass der Kläger der Beklagten im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Tätigkeit die Adresse der B dergestalt genannt habe, dass daraus hervorgegangen sei, diese Gesellschaft sei Vertragspartner, ist schon nicht hinlänglich dargelegt worden.
88Dass der Kläger persönlich und nicht als Vertreter der B tätig geworden ist, ergibt sich insbesondere aus den diversen Vertragsentwürfen, in denen die Beklagte bzw. der für sie agierende C stets den Kläger in Person als Vertragspartner aufgeführt hat. Wäre bei der Beklagten der Eindruck entstanden, die Akquise der Unternehmen aus der Papierindustrie stelle ein unternehmensbezogenes Geschäft der B dar, ist anzunehmen, dass dies Berücksichtigung gefunden hätte.
89Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 344 Abs. 1 HGB berufen. Die darin enthaltene Vermutung, dass die von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören, kommt hier im Verhältnis zwischen dem Kläger und der von ihm geführten B nicht zur Anwendung. Denn für Geschäfte eines Gesellschafter-Kaufmanns ist die Vermutung des § 344 HGB gegenstandslos. Die vom Gesellschafter-Kaufmann abgeschlossenen Geschäfte gehören nur dann zum Handelsgewerbe der Gesellschaft, wenn er die Geschäfte für die Handelsgesellschaft abgeschlossen hat, was sich aber allein unter Anwendung der Vorschriften des §§ 164 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB entscheidet (BGH, Urteil vom 05.05.1960, Az. II ZR 128/58; Münchener Kommentar HGB/Maultzsch, 5. Aufl. 2021, § 344 Rn. 2; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 344 Rn. 1).
90c)
91Bei dem geschlossenen Vertrag handelt es sich jedoch nicht um einen Handelsvertretervertrag gemäß § 84 Abs. 1 HGB, sondern um einen auf die Vermittlung der genannten Kontakte gerichteten Dienstvertrag in Gestalt eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 675, 611 ff. BGB). Die Annahme eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses scheidet schon deshalb aus, weil beiderseits erhebliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel standen.
92aa)
93Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB ist jede selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (BGH, Urteil vom 29.04.2004, Az. III ZR 279/03; NJW-RR 2004, 989); auch rechtsgeschäftsähnliche oder tatsächliche Handlungen fallen darunter. Die Herstellung von Geschäftskontakten zwischen der Beklagten und Interessenten an Rohstoffen bzw. Chemikalien aus chinesischer Produktion fällt unter diesen Begriff.
94bb)
95Hingegen sollte der Kläger nicht als Handelsvertreter tätig werden.
96Nach § 84 Abs. 1 S. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Diese Merkmale erfüllt der Kläger nicht.
97(1)
98Der Kläger hat bereits nicht nachgewiesen, gegenüber der Beklagten eine Verpflichtung eingegangen zu sein, für sie ständig tätig zu werden (§ 84 Abs. 1 HGB). Dass er selbst, wie sich aus seiner Anhörung ergab, eine solche Verpflichtung angenommen hat, ist unerheblich. Objektive Anhaltspunkte für die Begründung einer solchen Tätigkeitspflicht bestehen jedenfalls nicht. Der Kläger hätte vielmehr jederzeit seine Tätigkeit für die Beklagte einstellen können, ohne sich damit pflichtwidrig zu verhalten.
99(2)
100Ferner war es nicht Aufgabe des Klägers, Geschäfte abzuschließen oder zu vermitteln.
101Vermittlung im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB ist in erster Linie eine auf den Abschluss von Geschäften gerichtete Tätigkeit, die einen solchen Abschluss vorbereitet und ermöglicht; sie erfordert das Einwirken auf den Dritten (BGH, Urteil vom 19.05.1982, Az. I ZR 68/80, AP HGB § 84 Nr. 4, beck-online). Daher „vermittelt“ der Handelnde nur dann, wenn er mittelbar oder unmittelbar auf den Dritten einwirkt, um einen Geschäftsabschluss herbeizuführen. Jedoch bedarf es der Förderung eines konkreten Geschäftsabschlusses durch den Handelsvertreter (Münchener Kommentar HGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 84 Rn. 73-75). Nicht ausreichend sind hingegen das Schaffen von Geschäftsbeziehungen, die Kontaktpflege und die Kundenbetreuung (Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Auflage 2019, § 84 Rn. 23; Münchener KommentarHGB/Ströbl, a.a.O., § 84 Rn. 75).
102Im vorliegenden Fall beschränkte sich die Aufgabe des Klägers darauf, für die Beklagte Kontakte zu Unternehmen der deutschen Papierindustrie herzustellen. Der Abschluss oder auch nur die Vorbereitung konkreter Geschäftsabschlüsse zwischen diesen Unternehmen und der Beklagten fielen nicht in den von den Parteien für ihn vorgesehenen Tätigkeitsbereich, sondern sollten Angelegenheit der Beklagten bleiben.
103Dies kommt insbesondere in den wechselseitigen Vertragsentwürfen der Parteien zum Ausdruck. Diese sind zwar zeitlich dem Vertragsschluss nachgelagert, doch sind sie gleichwohl bei der Bestimmung des ursprünglich Vereinbarten heranzuziehen. Sie geben bezüglich der Frage, welche Tätigkeiten des Klägers provisionspflichtig sein sollten, Aufschluss über die Erwartungen bzw. Absichten der Vertragsparteien im Zeitpunkt der ursprünglichen Vereinbarung, zumal davon auszugehen ist, dass sämtliche Entwürfe bezüglich dieser Frage auf den anfänglichen Vorstellungen der Parteien basierten, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass C willentlich oder unwillentlich die „Grundkonzeption“ der Parteien verändern wollte. Ausweislich der wechselseitigen Vertragsentwürfe (dort jeweils Ziff. 2)) sowie des ursprünglichen Entwurfs („… versucht Herr D eine Kundenbeziehung … zu vermitteln. … Für diese Vermittlung erlangt Herr D die … Provisionsansprüche.“) sollte die Provisionspflicht nicht von der Vermittlung konkreter Einzelverträge, sondern von der Vermittlung einer Kundenbeziehung abhängen. Dadurch kommt deutlich zum Ausdruck, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht auf der Ebene konkreter Geschäftsabschlüsse abspielen sollte. Diese in den Entwürfen enthaltene Provisionsregelung ist mit der Annahme eines Handelsvertretervertrags nicht zu vereinbaren. Denn für das Handelsvertreterverhältnis ist es prägend, dass die Provisionspflicht an den vermittelten Einzelvertrag anknüpft und nicht an die bloße Schaffung einer Geschäftsbeziehung (BGH, Urteil vom 19.05.1982, Az. I ZR 68/80, AP HGB § 84 Nr. 4, beck-online).
104Der Kläger kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, die von ihm später entfalteten Tätigkeiten seien auf den Abschluss konkreter Verträge gerichtet gewesen, wozu er behauptet, Preise ermittelt und Mitarbeiter der A zur Durchführung von Untersuchungen aufgefordert zu haben. Es kann dahinstehen, ob diese Tätigkeiten auf konkrete Geschäftsabschlüsse zwischen der Beklagten und der A abzielten oder vielmehr lediglich die Rahmenbedingungen einer Geschäftsbeziehung betrafen. Denn jedenfalls wären diese Tätigkeiten des Klägers für die Geschäftsverbindung zwischen den Parteien nicht dergestalt prägend geworden, dass sie das Geschäftsbesorgungsverhältnis in einen Handelsvertretervertrag „verwandelt“ hätten. Dazu hätte die allenfalls punktuelle Hinzuziehung des Klägers zu bestimmten den Abschluss der Geschäfte mit der A fördernden Tätigkeiten nicht genügt.
105(3)
106Mangelt es wie vorliegend an einem Handelsvertreterverhältnis, weil der Handelnde nicht mit der Vermittlung von Geschäften (ständig) betraut ist, so liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Abs. 1, 611 ff. BGB vor (Hopt, a.a.O., § 84 Rn. 23).
107cc)
108Die vertragliche Verbindung zwischen den Parteien ist schließlich nicht als Maklerverhältnis, insbesondere nach §§ 93 ff. HGB, zu qualifizieren, denn auch dafür wäre die Vermittlung oder der Nachweis konkreter Verträge erforderlich. Hier war es jedoch – wie oben dargelegt – nicht die Aufgabe des Klägers, konkrete Verträge zu vermitteln.
109d)
110Dem Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags steht es nicht entgegen, dass die Parteien sich nicht über alle Vertragsbestandteile, insbesondere die Vergütungshöhe, geeinigt haben. Die Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB, nach der im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen ist, solange die Parteien sich nicht über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, ist nicht anwendbar. § 154 Abs. 1 BGB beansprucht keine Geltung, wenn sich die Parteien trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollen und sich die bestehende Vertragslücke ausfüllen lässt. Ein solcher Wille ist in der Regel zu bejahen, wenn die Parteien im beiderseitigen Einvernehmen mit der Durchführung des unvollständigen Vertrages begonnen haben (BGH, Urteil vom 06.12.2001, Az. III ZR 296/00, NJW 2002, 817; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 154 Rn. 2). Hier haben sich die Parteien auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag verständigt, der die Vermittlung von Geschäftskontakten zum Inhalt hatte. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung hat der Kläger damit begonnen, mehrere Geschäftskontakte – unter anderem auch zur A – für die Beklagte herzustellen. Diese Bemühungen hat die Beklagte angenommen, indem sie etwa den gemeinsamen Termin bei der A am 6.10.2009 wahrnahm, wozu es auch auf ihrer Seite zu einem Vollzug des Geschäftsbesorgungsvertrags gekommen ist.
111e)
112Der Vertragsschluss scheitert auch nicht an fehlender Schriftform. Soweit die Parteien zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach ihrer anfänglichen Vereinbarung übereinstimmend eine schriftliche Dokumentation ihres Vertragsverhältnisses wollten, sind sie von einer solchen Formabrede durch die einverständliche (weitere) Durchführung des Vertrages konkludent abgerückt. Aus diesem Grund kommt auch die Vermutungsregelung des § 154 Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung (BGH, Urteil vom 24.02.1983, Az. I ZR 14/81, NJW 1983, 1727). Wie bereits dargelegt, hatten die Parteien bereits damit begonnen, den Vertrag dadurch zu vollziehen, dass der Kläger Kontakte an die Beklagte vermittelte.
113Dem steht auch nicht entgegen, dass die Parteien weiter an ihrem Willen, den Vertrag zu verschriftlichen, festhielten, nachdem der Vertrag in Vollzug gesetzt worden war. Denn durch die Vollziehung des Vertrages auf der einen Seite und dem Festhalten an der beabsichtigten Schriftform auf der anderen Seite kommt hinreichend zum Ausdruck, dass die Schriftform nicht (mehr) als konstitutiv für das Zustandekommen des Vertrags angesehen wurde, sondern lediglich (noch) Beweiszwecken dienen sollte.
1142.
115Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit zu.
116Die Parteien haben sich nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts dahingehend verständigt, dass der Kläger eine „Unterprovision“ erhalten solle, wenn die Beklagte aufgrund eines von ihm akquirierten Geschäftskontakts ihrerseits einen Liefervertrag zwischen dem inländischen Unternehmen und dem Rohstofflieferanten aus China vermittelt.
117Zwar ist es zu einer solchen Form der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und der A nicht gekommen, doch steht dies einer Vergütung im Hinblick auf die Verträge der Beklagten mit der A nicht entgegen. Denn es ist für die Vergütungspflicht nicht erheblich, dass die Beklagte der A gegenüber als „Zwischenlieferant“ fungiert hat. Maßgeblich dafür ist, dass der Kläger eine die Vergütungspflicht auslösende Tätigkeit – die Vermittlung eines Geschäftskontaktes – erbracht hat.
118Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist dahin auszulegen, dass die konkrete Art der Wahrnehmung der vom Kläger akquirierten Geschäftsbeziehungen für die Frage der Entstehung einer Provisionspflicht der Beklagten (also für das „Ob“ einer Provisionspflicht) nicht entscheidend sein sollte. Denn es war für die Frage der Honorierung des Klägers weder für den Kläger noch für die Beklagte von Bedeutung, ob sie aus den vermittelten Geschäftskontakten wirtschaftliche Chancen als bloße Vermittlerin/Handelsmaklerin oder als Zwischenhändlerin realisiert. Diese für die Auslegung maßgebliche Interessenlage hat auch in den Entwürfen Erwähnung gefunden, indem dort (unter Ziff. 3)) stets für beide Fälle eine Provisionspflicht – wenngleich in unterschiedlicher Höhe – bestehen sollte.
1193.
120Der Höhe nach hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 41.606,35 €. Dies ist das Ergebnis ergänzender Vertragsauslegung, nachdem weder eine Vergütungshöhe vereinbart worden ist noch eine übliche Vergütung festgestellt werden konnte.
121a)
122Die Parteien haben sich – unstreitig – nicht auf eine bestimmte Vergütungshöhe für das hier zwischen der Beklagten und der A praktizierte „Geschäftsmodell“ geeinigt.
123aa)
124Zwar haben sich die Parteien ausweislich des unstreitigen Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils am 22.1.2011 auch darauf verständigt, dass der Kläger eine Provision „von 15% auf einer Basis von 5%“, „also eine Unterprovision“, erhalten sollte (Urt. S. 3).
125Es kann dahinstehen, ob dieser Feststellung einer Vereinbarung über die Höhe der Provisionsansprüche überhaupt Bindungswirkung gem. §§ 314, 529 Abs. 1 ZPO zukommt. Zweifel ergeben sich daraus, dass sie mit den folgenden Feststellungen des Landgerichts, wonach die Parteien „in der Folgezeit … ihre Verhandlungen bezüglich einer Provisionsvereinbarung“ fortgesetzt hätten, in einem gewissen Widerspruch steht.
126Denn jedenfalls ist die vom Landgericht festgestellte, „mit einem Reisschnaps besiegelt[e]“ Vereinbarung auf den vorliegenden Fall nicht – direkt - anwendbar. Die Formulierung, dem Kläger solle eine „Provision von 15% auf der Basis von 5%“ zustehen, ist darauf zugeschnitten, dass die Beklagte ihrerseits eine Provision aus dem betreffenden Rohstoffgeschäft in Höhe von 5 % erhält, denn die Angabe „Basis von 5%“ deutet auf eine Provision und nicht auf eine Gewinnmarge als Eigen- bzw. Zwischenhändlerin hin. Doch hatte die Beklagte mit der A keine Handelsmaklervereinbarung bzw. sonstige Verträge über die bloße Vermittlung von Rohstofflieferverträgen geschlossen, sondern sich mit ihr darauf verständigt, selbst als „Zwischenlieferantin“ zu fungieren.
127Auf dieses Geschäftsmodell kann die vom Landgericht festgestellte Vergütungsvereinbarung vom 22.01.2011 nicht ohne weiteres übertragen werden. Denn die zwischen der Beklagten und der A vereinbarten Lieferungen durch die Beklagte auf eigene Rechnung barg für sie höhere wirtschaftliche Risiken und Kosten, als wenn die Beklagte die Lieferverträge zwischen der A und den chinesischen Rohstofflieferanten nur vermittelt hätte.
128bb)
129Auch ergibt sich keine Vereinbarung aus den wechselseitig übersandten Vertragsentwürfen. Abgesehen davon, dass sich die Parteien nicht ausdrücklich auf einen dieser Entwürfe verständigt haben, lässt sich auch nicht feststellen, dass die Parteien für den Fall, dass die Beklagte als (Zwischen-)Händlerin auftritt, dieselbe Vergütung ansetzen wollten, was jedenfalls Voraussetzung für eine konkludente Vereinbarung in diesem Punkt wäre. Zwar hat C im April 2011 einen Vertragsentwurf übersandt, in dem bei einer Lieferung auf Rechnung eine Provision in Höhe von einem Prozent bestimmt war, doch ist eine entsprechende Erklärung der Beklagten nicht zuzurechnen. Denn wie der Kläger in seiner Chronologie selbst ausführt, hat C bei der Übersendung des Vertragsentwurfs erklärt, dass die „Ein-Prozent-Regelung“ nicht mit dem Geschäftsführer der Beklagten abgestimmt sei.
130b)
131Es ist weder eine taxmäßige noch eine übliche Vergütung feststellbar, die nach § 612 Abs. 2 BGB als vereinbart anzusehen wäre.
132Es bestehen weder nach Bundes- oder Landesrecht zugelassene und festgelegte Vergütungssätze.
133Auch gibt es keine übliche Vergütung, wie das Landgericht auch für den Senat bindend festgestellt hat. Die übliche Vergütung bemisst sich nach den für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Berechtigten gezahlten Entgelte (BGH, Urteil vom 24.10.1989, Az. X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349; Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 612 Rn. 8). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Üblichkeit der angeforderten Vergütung der Dienstpflichtige (Dauner-Lieb/Langen/Klappstein, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 612 Rn. 45; Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 612 Rn. 63; Münchner Kommentar BGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 612 Rn. 38).
134aa)
135Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt, dass es keine übliche Vergütung für die Vermittlung eines Geschäftskontaktes betreffend die Lieferung oder den Ankauf von chemischen Rohstoffen aus der Volksrepublik China oder aus dem Ausland gebe. Dabei hat sich das Landgericht maßgeblich auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten des Wirtschaftsprüfers/P vom 14.09.2015 gestützt. In diesem hat der Sachverständige ausgeführt, dass er trotz intensiver Recherchen keine belastbaren Antworten zu den aufgegebenen Beweisfragen habe ermitteln können.
136Auch andere Ermittlungsmöglichkeiten hat das Landgericht ausgeschöpft.
137bb)
138Die tatsächliche Feststellung des Fehlens einer üblichen Vergütung ist für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen begründen solche Zweifel nicht.
139(1)
140Zunächst wendet der Kläger ein, seiner Behauptung einer üblichen Vergütung für die Vermittlung von Titandioxid-Lieferungen in Höhe von 100 €/t sei die Beklagte nicht qualifiziert entgegengetreten. Diese Einwendung greift nicht durch. Denn die Beklagte hat die Tatsachen, auf die der Kläger die Annahme einer üblichen Vergütung stützt, hinreichend bestritten. Der Kläger hat behauptet, er habe durch die Q AG eine Provision in Höhe von 100 €/t erhalten. Außerdem sei ihm durch eine Mitarbeiterin der Q AG, Frau R, eine Provision in Höhe von 200 €/t empfohlen worden. Sowohl den Erhalt der Provision der Höhe nach als auch die Sachkunde der Mitarbeiterin hat die Beklagte jedoch bestritten.
141(2)
142Aber auch die Darlegung des Klägers, er habe durch die Q AG eine Provision in Höhe von 100 €/t erhalten, erschüttert – als wahr unterstellt – weder die Feststellung des Landgerichts noch begründet sie die vom Kläger behauptete Üblichkeit dieser Vergütung.
143Denn eine übliche Vergütung setzt eine feste Übung für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen voraus (vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 612 Rn. 8). Hier trägt der Kläger lediglich eine einzelne Geschäftsbeziehung vor, in der er eine Provision in Höhe von 100 €/t Titandioxid erhalten (haben) will. Alleine daraus lässt sich eine solche „feste Übung“ nicht herleiten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Beklagten beabsichtigt hatte, sowohl der Höhe als auch der Art nach eine andere Provisionsvereinbarung zu schließen. So wollten die Parteien – auch wenn es letztlich nicht zu einer Vereinbarung gekommen ist – die Vergütung mit einem prozentualen Anteil an der Vermittlungsprovision bzw. dem Rechnungsbetrag festsetzen. Jedenfalls ist eine lediglich an der Menge des gelieferten Titanoxids orientierte Provision zwischen den Parteien nicht diskutiert worden.
144Aus den vorgenannten Gründen war auch eine Vernehmung der Zeugin R nicht erforderlich.
145(3)
146Es ergeben sich auch keine Zweifel aus dem Sachverständigengutachten selbst. Denn der Sachverständige hat in seinem Gutachten dargelegt, welche Ermittlungen er angestellt hat, um die Beweisfrage nach einer üblichen Vergütung für die Vermittlung von Geschäftskontakten zu ermitteln. Auch hat er dies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.03.2016 (Bl. 481) nochmals bekräftigt.
147Der Senat hat keine Anhaltspunkte für die Annahme, es gebe einen fachlich besser geeigneten Sachverständigen für die Beurteilung der Beweisfrage. Wie der P in seinem Schreiben vom 19.01.2016 (Bl. 476 der Akte) ausgeführt hat, sei ihm kein Sachverständiger bekannt, der speziell zur Beantwortung der Beweisfrage ausgebildet sei. Dies deckt sich auch mit dem Ergebnis der landgerichtlichen Recherche. Aus welchen Gründen die vom Kläger benannten Personen über bessere Kenntnisse verfügen, ist nicht erkennbar.
148c)
149Fehlt es an einer vereinbarten und auch an einer taxmäßigen oder üblichen Vergütung, so ist für den Dienstvertrag – und damit auch dem hier angenommenen Geschäftsbesorgungsvertrag (Palandt/Weidenkaff, § 612 Rn. 2) – streitig, wie die Vergütung zu bestimmen ist.
150aa)
151Nach einer Auffassung steht dem Dienstverpflichteten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 316, 315 Abs. 1 BGB zu, das er nach billigem Ermessen auszuüben hat; bei Unbilligkeit hat die Bestimmung dann durch Urteil zu erfolgen (Schulze/Schreiber, BGB, 10. Aufl. 2019, § 612 Rn. 3; so auch noch BGH, Urteil vom 24.10.1989, Az. X ZR 58/88, NJW-RR 1990, S. 349).
152bb)
153Nach anderer Auffassung ist bei gegenseitigen Verträgen wie Dienst- und Arbeitsverträgen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Partei nicht gewollt, da die §§ 315 ff. BGB nur Zweifelsregelungen enthalten. Daher soll die Lücke nicht nach §§ 315, 316 BGB, sondern durch (gegebenenfalls ergänzende) Vertragsauslegung durch Festsetzung einer angemessenen Vergütung geschlossen werden (BGH, Urteil vom 13.03.1985, Az. IVa ZR 211/82, NJW 1985, 1895 für § 653 BGB; Staudinger/Richardi/Fischinger, a.a.O., § 612 Rn. 61; OLG Hamm, Urteil vom 18.12.1992, Az. 26 U 141/92, NJW-RR 1993, 693; Baumgärtner in: BeckOK BGB, 53. Edition, Stand 01.02.2020, § 612 Rn. 14; Münchener Kommentar BGB/Müller-Glöge, a.a.O., § 612 Rn. 31).
154Dabei ist nicht abschließend geklärt, ob nur eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne einer Preisbestimmung durch das Gericht in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 13.03.1985, a.a.O.) oder ob zumindest dann noch Raum für eine einseitige Preisbestimmung durch den Dienstverpflichteten besteht, wenn die ergänzende Vertragsauslegung scheitert (so BGH, Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 122/05).
155cc)
156Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an, nach der eine Bestimmung der Vergütung im Wege ergänzender Vertragsauslegung vorzunehmen ist.
157Bei der Regelung des §§ 315, 316 BGB handelt es sich um eine nur im Zweifel eingreifende gesetzlich Auslegungsregel, der gegenüber die Vertragsauslegung den Vorrang hat. Zudem entspricht es in aller Regel nicht dem Interesse der Vertragsparteien und ihren wirklichen oder mutmaßlichen Willensrichtungen, einer Partei eine einseitige Leistungsbestimmung zuzugestehen, die gegebenenfalls die Gegenseite dazu verpflichten würde, den bis zur Grenze der Billigkeit gehenden Betrag zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2019, Az. VIII ZR 7/18; BGH, Urteil vom 13.03.1985, Az. IVa ZR 211/82; BGH, Urteil vom 15.2.1971, Az. VII ZR 122/69).
158Die Frage, ob subsidiär ein Preisbestimmungsrecht nach § 315, 316 BGB noch zur Anwendung kommt, kann offen bleiben. Denn im vorliegenden Fall lässt die ergänzende Vertragsauslegung eine Bestimmung der Vergütungshöhe für das hier gewählte Geschäftsmodell zu.
159d)
160Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist die „angemessene“ Vergütung auf 0,7 % der von der Beklagten aus den Titandioxid-Geschäften mit der A erzielten Einnahmen festzusetzen. Dies führt aufgrund der von der Beklagten dargelegten Einnahmen aus den Jahren 2010 und 2011 in Höhe von 6.058.474,87 € (nach Bereinigung um Kosten des Wareneingangs, Zölle etc.) zu einem Anspruch in Höhe von 41.606,35 €.
161aa)
162Die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung liegen vor, da, wie dargelegt, jedenfalls für von der Beklagten als (Zwischen-)Händlerin eingegangene Geschäfte eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit besteht (BGH, Urteil vom 20.02.2019; a.a.O., Tz. 47f.; Staudinger/Herrler/Roth, BGB (2020), § 157, Rn. 17; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 3).
163Die Annahme einer Regelungslücke hindert es nicht, dass sich die Parteien bewusst waren, sich noch nicht endgültig über die Höhe der Vergütung geeinigt zu haben. Denn eine ergänzende Vertragsauslegung ist auch dann möglich, wenn die Parteien von der fehlenden Regelung bewusst abgesehen haben, weil sie übereinstimmend davon ausgegangen sind, sich später noch zu einigen (BGH, Urteil vom 19.03.1975, Az. VIII ZR 262/73; BeckOK/Wendtland BGB, a.a.O., § 157 Rn. 37; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 3). Dies war hier der Fall, weil die Parteien die Frage der Vergütungshöhe zunächst in der Annahme offengelassen haben, sich später noch über die Vergütungshöhe zu einigen.
164bb)
165Bei der Festsetzung der Vergütungshöhe sind folgende Erwägungen maßgeblich:
166Da kein dispositives Recht herangezogen werden kann, ist der hypothetische Parteiwille die Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts. Es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Zugleich sind mit Treu und Glauben und der Verkehrssitte auch objektive Maßstäbe zu berücksichtigen. Dabei darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht in freie richterliche Rechtsschöpfung ausufern, sondern muss den Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragstreue respektieren. Das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung darf nicht im Widerspruch zum tatsächlichen Parteiwillen oder zum Vertragsinhalt stehen (Staudinger/Herrler/Roth, BGB (2020), a.a.O., Rn. 30f.; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 157 Rn. 7). Die Auslegung muss auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht auf den der Feststellung der Vertragslücke abstellen (BGH, Urteil vom 25.11.2004, Az. I ZR 49/02, NJW-RR 2005, S. 687, 689).
167cc)
168Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze führen die zwischen den Parteien im Gespräch vom 22.01.2011 erwähnte Vergütungsvereinbarung sowie der jeweils in den wechselseitigen Vertragsentwürfen zum Ausdruck kommende Parteiwille für die Fälle der „Lieferung auf eigene Rechnung“ zu der Annahme, die Parteien hätten bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine Vergütung in Form einer an den Einnahmen bzw. Umsätzen orientierte Provision vereinbart.
169(1)
170Die im Gespräch vom 22.01.2011 erwähnte, nach Darstellung des Landgerichts sogar vereinbarte Beteiligung des Klägers in Gestalt einer Provision „von 15 % auf der Basis von 5%“ erfasst zwar nicht das zwischen der Beklagten und der A bezüglich der Titandioxid-Lieferungen praktizierte Geschäftsmodell, doch lässt sich dieser Bemessung des Entgelts der deutliche Wille entnehmen, dass die Grundlage der dem Kläger für die Vermittlung der Geschäftskontakte zustehenden Entgelte die Einnahmen – im Sinne von Umsätzen - der Beklagten sein sollten, die diese aus der Geschäftsbeziehung erwirtschaftet. Auch die wechselseitigen Vertragsentwürfe, in denen eine Regelung enthalten ist, nach der auch im Falle einer Lieferung durch die Beklagte auf eigene Rechnung der Kläger mit einem Anteil von 0,65 % bzw. 1 % „am reinen Rechnungsbetrag“ beteiligt werden sollte, sprechen für eine beiderseitige Vorstellung der Parteien dahingehend, dass sich eine Vergütung des Klägers am Umfang der Geschäfte („Einnahmen“ bzw. Umsatz) bemessen sollte.
171Der Bedeutung dieser Äußerungen der Parteien für die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens steht nicht entgegen, dass sie der ursprünglichen, nicht näher datierbaren Vereinbarung eines Geschäftsbesorgungsvertrags zeitlich nachfolgten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass zwischenzeitlich eine substantielle Veränderung derjenigen Umstände stattgefunden hatte, die für die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens maßgeblich waren.
172(2)
173Nicht dem solchermaßen angedeuteten Parteiwillen entsprach hingegen eine Provision des Klägers, die sich am Gewinn der Beklagten orientierte. Abgesehen davon, dass eine solche Regelung erhebliche praktische Schwierigkeiten im Hinblick auf die Bestimmung des Gewinns aufgeworfen hätte, findet sich kein Anhaltspunkt, dass sie dem Regelungsprogramm der Parteien entsprochen hätte. Denn weder die im Januar 2011 (zumindest) erwogene mündliche Vergütungsvereinbarung noch die wechselseitigen Vertragsentwürfe knüpfen an einen Gewinn der Beklagten als Bemessungsgrundlage an.
174Auch in diesem Zusammenhang kann die Beklagte nicht mit ihrer Einwendung gehört werden, die wechselseitigen Vertragsentwürfe hätten nicht das von ihr mit der A vereinbarte „Geschäftsmodell“ umfasst. Insoweit hat die Beklagte eingewandt, dass sie zwar auf eigene Rechnung habe liefern sollen, doch dass es für sie wirtschaftlich wie ein Provisionsgeschäft gewesen sei, da ihr die A (lediglich) einen 5-prozentigen Aufschlag auf den Rechnungsbetrag gewährt habe. Zwar mag dies zutreffend sein, doch rechtfertigt dies kein Abstellen auf den Gewinn als Bemessungsgrundlage für die Provision. Weder im Gespräch vom 22.01.2011 noch in den Vertragsentwürfen aus April 2011 finden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien die Provision nach dem tatsächlichen Gewinn bemessen wollten. Sowohl das Gespräch vom 22.01.2011 als auch die Vertragsentwürfe sind erst zu Zeitpunkten geführt bzw. übersandt worden, als für die Beklagte bereits das zwischen ihr und der A vereinbarte Geschäftsmodell bekannt war, denn die ersten Lieferungen fanden bereits im Oktober 2010 statt.
175Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sich eine Vergütung des Klägers an dessen tatsächlichen Aufwendungen orientieren sollte. Solche Aufwendungen werden als Anknüpfungspunkt für eine Provisionsregelung nirgends auch nur ansatzweise erwähnt.
176dd)
177Der Höhe nach ist ein Provisionssatz von 0,7 % der Bemessungsgrundlage – den Einnahmen (Umsätzen) der Beklagten aus den Titandioxid-Verkäufen an die A – angemessen. Auch dies ergibt sich sowohl aus der Vergütungsregelung im Januar 2011 als auch aus den wechselseitigen Vertragsentwürfen.
178Den wechselseitigen Vertragsentwürfen lassen sich Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen der Parteien hinsichtlich der Provisionshöhe bei Geschäften, bei denen die Beklagte als Lieferantin fungiert, entnehmen. Einerseits findet sich bereits in dem von C am 06.08.2010 übersandten Vertragsentwurf eine Vergütung von 0,65 % vom „reinen Rechnungsbetrag … ohne MwSt. und ohne weitere Kosten“. Andererseits ergibt sich aus dem Vertragsentwurf vom 15.04.2011 für Eigengeschäfte der Beklagten eine Vergütungsvorstellung des Klägers in Höhe von 1 % des Rechnungsbetrags. Diese beiden Vergütungsvorstellungen bilden nach Ansicht des Senats den Korridor, in der sich eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu bestimmende Vergütungshöhe zu halten hat.
179Innerhalb dieses Bereichs erweist sich unter Abwägung der wechselseitigen Interessen ein Provisionssatz von 0,7 % als angemessen. Dies entspricht dem, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten. Dabei ist insbesondere auch die am 22.01.2011 besprochene Vergütungsregelung für die Fälle, in denen die Beklagte selbst nur als Vermittlerin der Rohstoffgeschäfte aufgetreten wäre, von erheblicher Bedeutung. Denn nach dieser Regelung hätte der Kläger 15 % von einer Provision der Beklagten in Höhe von 5 % - was sich nur auf die Höhe der von der Beklagten vermittelten Umsätze beziehen kann – erhalten. Diese Provision hätte sich damit rechnerisch auf 0,75 % des Umsatzes/Rechnungsbetrags belaufen. Da es jedoch bei der Lieferung durch die Beklagte auf eigene Rechnung typischerweise zu einem höheren wirtschaftlichen Risiko und zu höherem Aufwand als bei der bloßen Vermittlung kommt, hätten sich redliche Parteien bei angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen auf eine Provision verständigt, die zwar unter 0,75 % des jeweiligen Rechnungsbetrags, aber oberhalb der Vergütungsvorstellung der Beklagten in Höhe von 0,65 % des Rechnungsbetrags gelegen hätte. Dies läuft auf die Annahme eines Provisionssatzes von 0,7 % am (Netto-)Rechnungsbetrag bzw. (Netto-)Umsatz hinaus.
180Entgegen der Auffassung des Klägers kam der E-Mail der Beklagten vom 15.04.2011 und der darin unter Ziff. 2.) in Aussicht gestellten Übernahme einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.000.000,00 € keine Bedeutung für die Bemessung der Provisionshöhe im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu. Diese Vertragsstrafenregelung stand von vornherein unter verschiedenen Bedingungen, die nie eingetreten sind. Im Übrigen fehlt es an einem plausiblen Zusammenhang zwischen der Höhe der genannten Vertragsstrafe und der Höhe der Provision für die mit der A abgeschlossenen bzw. noch zu tätigenden Geschäfte.
181ee)
182Entscheidende Bemessungsgrundlage, auf die der Provisionssatz anzuwenden ist, bilden also die von der Beklagten erzielten Einnahmen aus den Lieferungen von Titandioxid an die A im Zeitraum von 2010 bis 2011. Die Einnahmen aus 2012 sind nicht zu berücksichtigen, da der Kläger sein Begehren nur auf die Lieferungen in den Jahren 2010 und 2011 stützt.
183Der Gesamtbetrag dieser Einnahmen beläuft sich nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten im vorgenannten Zeitraum auf insgesamt 6.058.474,87 € (Anl. zum Schriftsatz vom 27.09.2013). Dabei handelt es sich um Netto-Beträge.
184Aus den dem Senat vorliegenden Rechnungen der Beklagten an die A vom 25.05.2011 (Anl. 6 zum Gutachten P) sowie vom 11.03.2011 (Anl. B2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10.12.2013) ergibt sich allerdings, dass in den Netto-Beträgen auch Transport- und Zollkosten sowie Bankgebühren enthalten sind, die nach der hier vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung nicht Bemessungsgrundlage für die dem KIäger zustehenden Provisionen sein sollen, wie sich dies aus sämtlichen gewechselten Vereinbarungsentwürfen ergibt. Aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage zum Schriftsatz vom 27.09.2013 ist zu entnehmen, dass sich die Kosten (erfasst unter den Titeln „Bezugsnebenkosten“ und „Zölle und Einfuhrabgaben“) bei den Lieferungen an die A im hier relevanten Zeitraum von 2010 – 2011 auf insgesamt 114.711,02 € (für 2010: 1.825,00 € und 3.513,49 €; für 2011: 37.447,74 € und 71.924,79 €) belaufen.
185Die Bemessungsgrundlage für die Vergütungsansprüche des Klägers beträgt also (6.058.474,87 € ./. 114.711,02 € =) 5.943.763,85 €; bei Anwendung eines Provisionssatzes von 0,7 % errechnen sich 41.606,35 €.
186ff)
187In zeitlicher Hinsicht kommt es hingegen für die Bestimmung der Vergütung nicht darauf an, ob die vorgenommenen Lieferungen vor oder nach einer Kündigung vereinbart und vorgenommen wurden. Daher kann es im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten erklärte Kündigung rechtmäßig gewesen ist.
188Denn die Parteien haben einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglicher Verpflichtung des Klägers geschlossen. Daher war die Vertragsleistung des Klägers eine geschuldete Tätigkeit, hier also die Herstellung von Geschäftskontakten zwischen der Beklagten und deutschen Unternehmen. Aus diesem Grund stellt die Vergütung die Gegenleistung für die ausgeübte Tätigkeit und nicht für die vermittelten einzelnen Geschäftsabschlüsse dar. Da aber diese Tätigkeit im Zeitpunkt der Kündigung bereits erbracht worden war, hat der Kläger seine vollständige Vergütung aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag verdient, die sich – wie oben dargelegt – an dem von der Beklagten erzielten Umsatz aus der Geschäftsbeziehung bemisst.
189Sähe man hingegen den Fortbestand des Geschäftsbesorgungsvertrags als bedeutsam dafür an, dass der Kläger eine Vergütung aus der bereits akquirierten Geschäftsverbindung erhält, hätte es die Beklagte in der Hand, durch eine frühzeitige Kündigung dem Dienstverpflichteten einen erheblichen Teil seiner Vergütung abzuschneiden, obwohl er seine provisionsauslösende Leistung bereits erbracht hat.
190II.
191Einen Anspruch auf weitere Zahlungen als Gegenleistung für den von ihm erbrachten Arbeitsaufwand nach § 675 Abs. 1, 670 BGB hat der Kläger nicht, da dieser, wie erwähnt, nicht als Grundlage für eine Provision anzusehen ist. Vielmehr ist sein Arbeitsaufwand als durch die umsatzabhängige Vergütung abgegolten anzusehen.
192III.
193Der Zinsanspruch besteht ab dem 25.11.2011 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 a.F., 291 BGB).
1941.
195Der Kläger kann die Verzinsung mit 8 % über dem Basiszinssatz verlangen, da kein Verbraucher an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist (§ 288 Abs. 2 BGB).
196Dem Zinsanspruch (bereits) ab Eintritt der Rechtshängigkeit steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst eine Stufenklage erhoben hat (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 291 Rn. 4).
197Da der Senat kein Gestaltungsurteil trifft, ist die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs auch nicht erst mit dessen rechtskräftiger Feststellung eingetreten.
1982.
199Soweit der Kläger im Rahmen seiner Berufungsbegründung für die Zeit ab dem 29.7.2014 wegen der Neufassung des § 288 Abs. 2 BGB einen höheren Zinssatz verlangt, ist dies gem. § 533 ZPO zulässig. Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg. Denn aufgrund von Art. 229 § 34 EGBGB kann sich der Kläger nicht auf § 288 Abs. 2 in der seit dem 29.7.2014 geltenden Fassung (Verzinsung in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz) berufen. Auch Art. 229 § 34 S. 2 EGBGB ist nicht anwendbar; maßgeblich ist insoweit - wie bereits für Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB festgestellt (BGH, Urt. vom 13.7.2007, Az. V ZR 189/06) -, dass das Schuldverhältnis zwischen den Parteien bereits vor dem 29.7.2014 beendet worden ist.
200IV.
201Es besteht kein Anlass, dem Kläger die beantragte Schriftsatzfrist zur Frage der Üblichkeit der Provision, hilfsweise zur Billigkeit der Leistungsbestimmung zu gewähren. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2021 keinen Hinweis erteilt, auf den eine Schriftsatzfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO einzuräumen gewesen wäre. Auch war das Gericht nicht gehalten, einen Hinweis zur Frage der Üblichkeit der Provision oder der Billigkeit der Leistungsbestimmung zu erteilen, da diese Fragen bereits umfassend in beiden Instanzen erörtert worden sind.
202Sofern in den von den Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen neuer Vortrag enthalten ist, ist dieser nach § 296a S. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, da die Schriftsätze nicht nachgelassen waren. Das betrifft insbesondere die erstmalige und im Widerspruch zu seinen bisherigen Erklärungen (vgl. Klageschrift und Schriftsatz vom 24.02.2012, dort unter Ziff. V. d)) stehende Behauptung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 10.09.2021, er habe keinen der von ihm selbst vorgelegten Vertragsentwürfe (Anl. K3 und Anl. K 15) an die Beklagte übersandt.
203VI.
204Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.
205Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts nicht nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs verlangt und der Senat mit seiner Entscheidung nicht von höchstrichterlichen oder anderen obergerichtlichen Urteilen abweicht, § 543 Abs. 2 ZPO.
206Die Revision ist auch nicht wegen der im Urteil des BGH vom 24.10.1989, Az. X ZR 58/88 vertretenen Auffassung einer vorrangigen Leistungsbestimmung nach §§ 315, 316 BGB (siehe B.I.3.c)aa)) zuzulassen gewesen, da im Hinblick auf das zeitlich später ergangene Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 122/05, nicht ersichtlich ist, dass der X. Senat seine Auffassung aufrechterhalten hat.
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- BGB § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag 2x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
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- BGB § 653 Mäklerlohn 1x
- ZPO § 139 Materielle Prozessleitung 1x
- BGB § 612 Vergütung 2x
- 4 O 515/11 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 3x
- X ZR 58/88 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage 1x
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- BGB § 154 Offener Einigungsmangel; fehlende Beurkundung 3x
- BGB § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung 8x
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- BGB § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters 3x