Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 12 U 28/20
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28.01.2020 – 10 O 307/19 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.199,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Volkswagen Touareg V6 TDI mit der Fahrgestellnummer A zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.152 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit einer von ihm behaupteten Betroffenheit seines bei der Beklagten erworbenen Fahrzeugs VW Touareg vom sog. Dieselabgasskandal geltend.
4Am 27.04.2015 bestellte der Kläger bei der Beklagten, die den Auftrag am 19.05.2015 bestätigte, ein Neufahrzeug des Typs VW Touareg 3.0 l V6 zu einem Brutto-Kaufpreis von 55.152,24 EUR.
5In der für das streitgegenständliche Fahrzeug ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 17.08.2015 (Anl. K14, Bl. 336 f. GA) ist unter Ziffer 20. als „Hersteller der Antriebsmaschine“ die Beklagte ausgewiesen.
6Die Beklagte ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, in den sie einen Dieselmotor des Typs EA 897 EVO (EU6) eingebaut hat. Der Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors einschließlich der Motorsteuerungssoftware lag ein sog. Plattformkonzept des VW-Konzerns zugrunde, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien ebenso streitig sind wie der Umstand, wer den Motor einschließlich der Motorsteuerungssoftware im Rahmen dieses Plattformkonzepts entwickelt und hergestellt hat. In dem Fahrzeug werden zwei Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes eingesetzt, nämlich ein SCR-Katalysator, der mit Ad-Blue betrieben wird, und zum anderen die sog. Abgasrückführung.
7Im November 2017 verfasste das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) im Zusammenhang mit Fahrzeugen des Typs VW Touareg 3.0l Diesel EU6 ein Anschreiben an die Beklagte, wonach diese u.a. zwei Strategien im Emissionskontrollsystem verwende, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt würden. Der Nutzung einer Aufheizstrategie (Strategie A) bei der Prüfung Typ 1 gehe die Nutzung einer Strategie „Alternatives Aufheizen“ (Strategie B) während der Vorkonditionierung des Fahrzeugs zum Zwecke der Prüfung Typ 1 voraus. Beide Strategien würden genutzt, um die Überschreitung des NOx- Grenzwertes von 80 mg/km bei der Prüfung Typ 1 sicher zu vermeiden.
8Mit Bescheid aus Dezember 2017 ordnete das KBA sodann nachträgliche Nebenbestimmungen zu dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp VW Touareg 3.0 l Diesel EU6 an. Die Beklagte verwende fünf verschiedene Strategien (Strategien A bis E) im Emissionskontrollsystem der untersuchten Fahrzeuge. Die Aufheizstrategien (Strategie A und B) würden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aktiviert, die alle gleichzeitig vorliegen müssten, was nahezu ausschließlich unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) – dem Fahrzyklus zur Abgasprüfung im Rahmen der Euro-6-Abgasnorm – der Fall sei. Die temperatur- und druckgeführten Größen seien so eng bedatet, dass die Aufheizstrategien nahezu ausschließlich im NEFZ und unter den dort definierten Prüfbedingungen wirkten. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie. In der Zusammenschau ergebe sich das Vorhandensein einer Prüfzykluserkennung zum Zwecke der Erhöhung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Die von der Beklagten applizierten Schaltkriterien seien so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im NEFZ aktiviert bzw. nicht abgeschaltet werde. Beim Einsatz der Aufheizstrategien (Strategie A und B) werde die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80mg/km bei der Prüfung sicher vermieden. Werde die Aufheizstrategie (Strategie A) abgeschaltet, verschlechtere sich das Stickoxidemissionsverhalten. Laut KBA enthält das Motorsteuergerät mit der Strategie A eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Auch soweit die in Rede stehenden Fahrzeuge einen SCR-Katalysator verwendeten, der systembedingt mit Reagens betrieben werden müsse (Strategie E), werde die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert. Gründe für eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen lägen nicht vor. Ferner bestünden bei den Strategien B, C und D seitens des KBA Zweifel hinsichtlich ihrer Zulässigkeit. Da sich die Beklagte bereit erklärt habe, freiwillig auf diese Strategien zu verzichten und diese aus der Software zu entfernen, erfolge hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Strategien vorerst keine abschließende Entscheidung durch das KBA. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den im Termin vom 03.12.2020 in Ablichtung überreichten Bescheid des KBA (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 03.12.2020, Bl. 1276-1281 GA) verwiesen.
9Am 12.01.2018 erließ das KBA alsdann einen Bescheid über die Freigabe der von der Beklagten vorgenommenen Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware für Fahrzeuge des Typs VW Touareg 3,0 l TDI EU6 (vgl. Bl. 822 GA). Am 09.02.2018 veröffentlichte das KBA den verpflichtenden Rückruf u.a. des streitgegenständlichen Fahrzeugs zwecks „Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung“ durch „Umprogrammierung des Motorsteuergerätes“ (Rückrufaktion 23Y3; Anl. K21, Bl. 957 GA). Noch im Februar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, dass aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion (23Y3) an Touareg-EU6-Fahrzeugen mit 3.0-TDI-Motorisierung ein Software-Update notwendig sei. In einem begrenzten Fertigungszeitraum seien Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert würden. Aus diesem Grund sei eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 20 (Bl. 944 f. GA) in Kopie zu den Akten gereichte Schreiben der Beklagten aus Februar 2018 Bezug genommen. Der Kläger ließ dieses Software-Update, an welches das KBA den Fortbestand der Typengenehmigung geknüpft hat, aufspielen.
10Mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 24.06.2019 (Anl. K13, Bl. 782 ff. GA) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 08.07.2019 zur Zahlung von 55.152 EUR Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km auf.
11Der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (30.10.2019) 58.284 km und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (09.09.2021) 75.897 km.
12Die Klageschrift wurde der Beklagten am 14.08.2019 zugestellt.
13Das Landgericht hat mit Urteil vom 28.01.2020 (Bl. 1016 ff. GA), auf das wegen der Einzelheiten der Feststellungen zum erstinstanzlichen Parteivortrag, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, unabhängig vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 sei das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit dem streitgegenständlichen Motor jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gewesen und habe die Beklagte nicht mit entsprechendem Schädigungsvorsatz gehandelt. Unstreitig arbeite das Thermofenster im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand. Es sei zumindest vertretbar, den Einsatz von Thermofenstern, der unstreitig von einer Vielzahl von Herstellern bei Dieselmotoren eingesetzt werde, zum Schutz des Motors bzw. von Bauteilen als notwendig anzusehen. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes, welches zudem in Dieselmotoren weit verbreitet und von den Zulassungsbehörden anerkannt sei, könne nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden. Angesichts der rechtlichen Ungewissheit in Bezug auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung lasse sich auch nicht feststellen, dass Organe der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine solche zu verwenden, oder ob sie nicht im Gegenteil der rechtlichen Überzeugung gewesen seien, in Verfolgung eines erlaubten Interesses zu handeln. Konkrete Umstände, die die Annahme einer zumindest fahrlässigen Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte ernsthaft infrage stellen würden, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Seinen ursprünglichen Vortrag zum Vorliegen weiterer Abschalteinrichtungen habe der Kläger nicht aufrechterhalten. Ungeachtet dessen habe der Kläger jedenfalls nicht daran festgehalten, die Beklagte sei Herstellerin und Entwicklerin des streitgegenständlichen Motortyps gewesen; er habe zuletzt dahingehend argumentiert, die Beklagte habe das Vertrauen des KBA auf die Richtigkeit der Herstellerangaben ausgenutzt. Insofern sei aber schon nicht hinreichend vorgetragen, dass die Beklagte hinsichtlich des von ihr erworbenen Motors überhaupt Kenntnis von etwaigen Abschalteinrichtungen gehabt und dies bewusst gegenüber dem KBA verschwiegen habe. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sei mangels einer vorsätzlichen Täuschung durch die Beklagte nicht gegeben. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. europarechtlichen Vorschriften in Form der Richtlinie 2007/46/EG und der EG-FGV bestehe nicht, weil es sich bei diesen Vorschriften nicht um Schutzgesetze handele. Ansprüche aus Sachmängelhaftung scheiterten bereits am Fehlen einer Fristsetzung zur Nacherfüllung.
14Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er im Wesentlichen seinen Vortrag dazu, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgerüstet sei, wiederholt und vertieft. Eine unzulässige Abschalteinrichtung werde nicht aus Versehen aufwendig und unter hohem Kosteneinsatz entwickelt, sondern gezielt, bewusst und gewollt. Vorstandsmitglieder bzw. die Repräsentanten der Beklagten hätten von den implementierten Abschalteinrichtungen Kenntnis gehabt und gleichwohl entschieden, die Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen. Sämtliche Führungsmitglieder der Beklagten einschließlich des Vorstands und des Aufsichtsrats seien über die Vorkommnisse informiert gewesen. Es stehe fest, dass der Abgasskandal nicht ohne Wissen und Zustimmung des Vorstands möglich gewesen sei. Es sei lebensfremd, dass für die Bestellung der Betrugssoftware und die entsprechende Zahlungsanweisung eine Freigabe nur durch das untere Management erforderlich wäre. Aus deren Organisationsstruktur ergebe sich, dass nur der Vorstand für die grundsätzlichen Entscheidungen der Implementierung von unzulässigen Abschalteinrichtungen verantwortlich gewesen sei. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten B sei in alles involviert gewesen. Das Landgericht habe daher zu Unrecht eine deliktische Haftung der Beklagten verneint, weil sie nicht Herstellerin des Motors sei. Nach der Konzernstruktur sei die Beklagte bzw. seien deren Vorstände jedenfalls verantwortlich für den Einbau des streitgegenständlichen Motors u.a. in den VW Touareg und die Implementierung der unzulässigen Abschaltvorrichtung, die baugleich konzernübergreifend bei 3.0 l TDI-Modellen verschiedener Marken zum Einsatz gelangten. Die Beklagte gieße die Motorenblöcke selbst und habe unter anderem den streitgegenständlichen Motor nicht als solchen der C AG, sondern als ihren Motor ausgegeben. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, er habe an seinem Vortrag zu den weiteren implementierten Abschalteinrichtungen nicht weiter festhalten wollen. Nachdem er den Individualrückruf des KBA vorgelegt habe, wäre es im Rahmen der die Beklagte treffenden sekundären Darlegungslast an ihr gewesen, darzulegen, weshalb der Rückruf durch das KBA erfolgte. Es könne von ihm, der nicht Partei des Verwaltungsverfahrens sei, nicht erwartet werden, dass er zu dem Inhalt des Bescheids näher vorträgt. Zu Unrecht habe das Landgericht zudem die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten und deren Vorsatz verneint. Die Beklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass er ein Fahrzeug erhält, das der Gefahr einer Betriebsuntersagung ausgesetzt sei.
15Nach teilweiser Klagerücknahme wegen der ursprünglich geltend gemachten Deliktszinsen mit Schriftsatz vom 20.11.2020 (Bl. 1195 GA) und einer Änderung des Klageantrags zu 1. in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin, dass eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.373,91 EUR (Bl. 1273 GA) bzw. zuletzt in Höhe von 11.959,63 EUR (Bl. 1468 GA) in Abzug gebracht werden solle, beantragt der Kläger zuletzt,
16unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen, Az. 10 O 307/19, verkündet am 28.01.2020,
171.
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn 55.152 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.959,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2019 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Volkswagen Touareg V6 TDI mit der Fahrgestellnummer A zu zahlen;
192.
20festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 09.07.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet;
213.
22die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2019 zu zahlen;
23hilfsweise
24das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie meint, die Berufung des Klägers sei bereits unzulässig, da die Rechtsmittelbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO entspreche. Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Entgegen der Annahme des Klägers treffe sie keine sekundäre Darlegungslast, da es bereits an schlüssigem Tatsachenvortrag des Klägers dazu fehle, welches Fehlverhalten ihr überhaupt vorgeworfen werde. Jedenfalls könne kein Vorsatz ihrerseits unterstellt werden. Sie sei bereits nicht passivlegitimiert, da sie den Motor weder entwickelt noch hergestellt habe, weshalb es an jeglichem Anknüpfungspunkt für eine Täuschung oder ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten ihrerseits im Zusammenhang mit dem geschlossenen Kaufvertrag fehle. Sie habe den Motor bloß zugekauft. Nicht sie, sondern die C AG verfüge über eine Motorenentwicklung für Sechs- und Achtzylindermotoren. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Motortyps liege die Entwicklungsverantwortung und damit auch die Verantwortung für die konkrete Ausgestaltung in regelkonformer Weise vollumfänglich bei der C AG bzw. habe bei dieser gelegen. Sie habe der C AG diesbezüglich auch keine Vorgaben gemacht bzw. Weisungen erteilt. Ihr habe auch keine umfassende Prüfungspflicht des von der C AG bezogenen Motors oder eine diesbezügliche Erklärungspflicht nach außen oblegen. Vielmehr habe sie nach dem allgemeinen Vertrauensprinzip ohne eine detaillierte Prüfung oder gar ein vollständiges Nachvollziehen des Entwicklungsprozesses auf die Gesetzeskonformität der von der C AG entwickelten Motoren vertrauen dürfen. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass der Kläger an seinem Vortrag zu weiteren Abschalteinrichtungen nicht mehr festgehalten habe, worauf es jedoch nicht ankomme, weil das Landgericht vorsorglich zutreffend ausgeführt habe, dass jedenfalls eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung auch insoweit ausscheide. Eine als besonders verwerflich anzusehende Handlung ihrerseits sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Diese ergebe sich insbesondere nicht alleine aus dem Rückruf des KBA. Auch der Vortrag des Klägers zu einem angeblichen Schädigungsvorsatz sei unzureichend. Gleiches gelte für einen behaupteten Schaden und bezüglich der Kausalität.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
29II.
30Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere hat er sein Rechtsmittel frist- und formgerecht eingelegt und hinreichend begründet.
31Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, die Berufung sei mangels hinreichender Begründung bereits unzulässig. Die Berufungsbegründung des Klägers vom 30.04.2020 lässt ausreichend deutlich erkennen, dass der Kläger u.a. die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Schlüssigkeit seines Vorbringens und zur Verteilung der (sekundären) Darlegungslast, auf der die angegriffene Entscheidung beruht, sowohl im Hinblick auf das sogenannte Thermofenster als auch hinsichtlich weiterer implementierter Abschalteinrichtungen angreift. Was letztere betrifft, habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, er habe an seinem Vortrag nicht weiter festhalten wollen (BB S. 16, Bl. 1089 GA). Schon damit hat er hinreichende Umstände bezeichnet, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben sollen (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Die Angriffe der Berufung sind auch im Übrigen ausreichend konkret auf den Streitfall zugeschnitten. Auf die obige Darstellung im Tatbestand wird Bezug genommen. Dass der Kläger in seiner Berufungsbegründung teilweise Tatsachen und Argumente wiederholt, die er schon erstinstanzlich vorgebracht hat, ist unschädlich. Der Berufungsführer ist nicht gezwungen, in seiner Berufungsbegründung einen neuen Tatsachenvortrag zu halten oder neue rechtliche Erwägungen darzulegen (OLG Köln, Urteil vom 5. Juni 2020 – 19 U 211/19, juris Rn. 24). Eine rein pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen – die unzureichend wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2017 – XII ZB 414/17, MDR 2018, 170-171, juris Rn. 11 mwN; OLG Köln, aaO) – liegt hier nicht vor.
32Die Berufung des Klägers hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg.
331.
34Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus den §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Höhe des Brutto-Kaufpreises (55.152,24 EUR) abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung für erlangte Gebrauchsvorteile (13.952,97 EUR), also in Höhe von 41.199,27 EUR, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs zu.
35Die Beklagte hat dem Kläger durch die Herstellung und das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. Denn das Klagevorbringen – einschließlich der vom Kläger zu den Akten gereichten Unterlagen – enthält hinreichende Anhaltspunkte, die auf eine Kenntnis der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit Prüfstandserkennung im streitgegenständlichen Fahrzeug schließen lassen, so dass die Beklagte insofern eine sekundäre Darlegungslast trifft, der sie nicht nachgekommen ist. Im Einzelnen:
36Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Herstellers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugmotors aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetreten Folgen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 16 ff.; Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798-2804, juris Rn. 33). Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 19). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (BGH, aaO; Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 23, 25). Allerdings kommt ein sittenwidriges Vorgehen auch dann in Betracht, wenn die für den Fahrzeughersteller handelnden Personen wussten, dass zugelieferte Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 21).
37Dies lässt sich auf den streitgegenständlichen Kauf eines Fahrzeugs des Typs VW Touareg, in den ebenfalls ein mit einer auf eine arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennung versehener Motor eingebaut wurde, übertragen.
38a) Die maßgebliche Schädigungshandlung besteht vorliegend darin, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug hergestellt, dabei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und in den Verkehr gebracht hat.
39aa) Mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, mithin über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen KBA erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
40bb) Vor diesem Hintergrund kann der Käufer eines Kraftfahrzeugs nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs der jedenfalls konkludente Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 25; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 4 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 23 ff.; OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 – 20 U 3219/18, juris Rn. 23 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 14. Januar 2020 – 13 U 40/18, juris Rn. 56).
41cc) Tatsächlich verfügte das streitgegenständliche Fahrzeug indes – entgegen der von Beklagtenseite mit dem Inverkehrbringen des Wagens konkludent zum Ausdruck gebrachten Erklärung – über Eigenschaften, die eine dauerhafte Betriebserlaubnis des Fahrzeugs gefährdeten. Die im Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware enthielt eine sogenannte Aufheiz- bzw. Aufwärmstrategie, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren.
42(1) Entgegen der Annahme des Landgerichts vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Kläger seinen ursprünglichen Vortrag zum Vorliegen weiterer Abschalteinrichtungen nicht aufrechterhalten habe. So hat der Kläger im Rahmen der Replik, dort S. 2 oben (Bl. 861 GA) vorgebracht, das streitgegenständliche Fahrzeug sei „gleich mit mehreren illegalen Abschaltvorrichtungen versehen“. Zwar trifft es zu, dass der Kläger im Folgenden nur noch ausführlich zum Thermofenster vorgetragen und einleitend darauf verwiesen hat, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge „zumindest“ über eine unzulässige Abschaltvorrichtung in Form eines Thermofensters. Auf S. 35 der Replik (Bl. 894 GA) ist indes im Plural von „den implementierten Abschalteinrichtungen“ die Rede, weshalb das nähere Eingehen in der Replik nur auf das Thermofenster nicht dahin verstanden werden kann, der Vortrag in der Klageschrift werde nicht aufrechterhalten. Dies lässt sich auch nicht der Erklärung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019 entnehmen, es werde im Hinblick auf den streitgegenständlichen Motor „im Wesentlichen“ gerügt, dass in diesem ein Thermofenster programmiert sei (Bl. 966R GA). Eine Abkehr des Klägers von seinem Vortrag zu weiteren Abschalteinrichtungen kann hierin nicht gesehen werden.
43(2) Nach den Feststellungen des KBA in dem Bescheid vom 10.07.2018 (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 03.12.2020, Bl. 1276-1281 GA) steht fest, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers das in das Fahrzeug eingebaute Motorsteuergerät eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielt, welche durch Erfassung und Auswertung verschiedener physikalischer Größen so bedatet war, dass eine Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkte. Schon kleine Abweichungen im Fahrprofil und in den Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie. Außerdem stellte das KBA auf Seite 4 des Bescheides fest, dass sich das Stickoxidemissionsverhalten verschlechterte, wenn die Aufheizstrategie abgeschaltet werde. Gründe für eine ausnahmsweise Zulässigkeit lägen nicht vor. Einwendungen gegen diese Feststellungen des KBA hat die Beklagte nicht erhoben. Damit verfügte das streitgegenständliche Fahrzeug zwar nicht über unterschiedliche Modi zur Abgasrückführung wie der Motor EA 189; jedoch steht nach den Feststellungen des KBA fest, dass die Messung der Stickstoffemissionen auf dem Prüfstand durch eine eigens hierfür entwickelte Aufheizstrategie manipuliert wurde. Danach steht fest, dass Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben waren, die auf den Prüfstand zugeschnitten waren und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte, wohingegen dies im realen Straßenbetrieb nur dann der Fall war, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall eintrat, dass die engen Parameter dort ebenfalls erfüllt waren. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte; vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der eigentliche Sinn der Funktion darin erschöpfte, auf dem Prüfstand niedrige NOx-Werte zu erzielen und dabei vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 U 257/19, juris Rn. 31). Insofern liegt objektiv eine Täuschung des KBA und der Käufer über eine drohende Untersagung der Betriebserlaubnis vor (so jeweils zur Aufheizstrategie auch OLG Köln, Urteil vom 28. Januar 2021 – 18 U 96/19, nv; OLG Hamm, Urteil vom 23. November 2020 – 8 U 43/20, juris Rn. 58; OLG Oldenburg, Urteil vom 16. Oktober 2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 57 ff.; Urteil vom 4. März 2021 – 14 U 185/20, juris Rn. 31 f.; OLG Frankfurt, aaO, Rn. 32 mwN). Vor diesem Hintergrund wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben aus Februar 2018 (Anl. K20, Bl. 944 f. GA) auf die Erforderlichkeit einer Umprogrammierung des Motorsteuergerätes hin und ließ der Kläger das Software-Update, an welches das KBA den Fortbestand der Typengenehmigung geknüpft hat, aufspielen. Ob dem Kläger darin zu folgen ist, dass darüber hinaus noch weitere Abschalteinrichtungen vorlagen, kann dahinstehen.
44b) Durch das Verhalten der Beklagten ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden. Dieser ist im Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 44; OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 – 4 U 219/19, juris Rn. 45 mwN). Der dem Kläger entstandene Schaden ist auch nicht durch das Aufspielen des Software-Updates nachträglich entfallen (so auch BGH, aaO, Rn. 58). Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung des Schadens ist – wie vorstehend aufgezeigt – der Abschluss des Kaufvertrages (so auch OLG Hamm, Urteil vom 14. Januar 2020 – 13 U 40/18, juris Rn. 63; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 43 und Urteil vom 06. November 2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 32), welcher durch das Aufspielen des Updates gerade nicht beseitigt oder rückgängig gemacht wird (so auch OLG Koblenz, Urteil vom 25. Oktober 2019 – 3 U 819/19, juris Rn. 84; OLG Oldenburg, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 5 U 47/19, juris Rn. 35) und auch nicht rückwirkend den ungewollten zu einem gewollten Vertragsschluss werden lässt (vgl. BGH, aaO, Rn. 58 aE).
45c) Die Schädigungshandlung der Beklagten war auch kausal für den Kaufvertragsabschluss und damit für den dem Kläger entstandenen Schaden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Fahrzeugkäufer – wie vom Kläger im Übrigen auch ausdrücklich geltend gemacht – vom Erwerb des Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass das Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohten. Zwar mag die Entscheidung für den Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugmodells von einem ganzen Motivbündel getragen sein. Vorliegend geht es aber um die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs und – soweit diese in Frage steht – um dessen drohende Stilllegung. Vor diesem Hintergrund treten daher weitere Motive für die Wahl des konkreten Modells in den Hintergrund. Denn der in Rede stehende Mangel gefährdet den elementaren Zweck des Autokaufs, nämlich die Fortbewegung auf öffentlichen Straßen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 51 ff.; Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 397/19, WM 2020, 1642-1646, zitiert nach juris Rn. 16).
46d) Das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Einsatz einer Aufheizstrategie mit Prüfstandserkennung im Motorsteuerungssystem ist auch als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB zu bewerten.
47aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., s. nur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, WM 2021, 354-357, juris Rn. 14 sowie Urteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715-1720, juris Rn. 29; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 15; vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164-2166, juris Rn. 8; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250-254, juris Rn. 16 mwN). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, WM 2021, 354-357, juris Rn. 14). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, aaO, sowie Urteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715-1720, juris Rn. 29; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 15; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250-254, juris Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, WM 2021, 354-357, juris Rn. 14; Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 13 mwN).
48bb) Nach diesem Maßstab ist ein (objektiv) sittenwidriges Verhalten vorliegend zu bejahen, welches der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist.
49(1) Wie schon ausgeführt, handelt ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 19; Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 16-27). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 19; Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 25). Als Beweggrund für das Inverkehrbringen von mit einer Manipulationssoftware versehenen Fahrzeugen kommt allein die Erzielung höherer Gewinne durch Einsparung von Kosten in Betracht, denn es erscheint lebensfremd, dass das mit der Verwendung der Manipulationssoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen worden wäre (ebenso BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 22; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. September 2019 – 10 U 11/19, juris Rn. 56 mwN; OLG Hamm, Urteil vom 14. Januar 2020 – 13 U 40/18, juris Rn. 70). Zwar ist ein Handeln aus Gewinnstreben für sich genommen noch nicht als verwerflich anzusehen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel – namentlich die über Jahre hinweg erfolgte systematische Täuschung von Behörden und Käufern – ist das Handeln aber sehr wohl als verwerflich zu beurteilen, auch und gerade in Bezug auf das damit verbundene Ausmaß der Täuschung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 23). Insofern kann der Einsatz der Aufheizstrategie nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass – wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren und zwischenzeitlich auch allgemein bekannt ist – Manipulationssoftware in unterschiedlicher Ausgestaltung serienmäßig in einer großen Anzahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des VW-Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Anzahl getäuschter Käufer.
50(2) Der Senat verkennt nicht, dass der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit jedenfalls voraussetzt, dass die für den Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen; fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, WM 2021, 354-357, juris Rn. 19; Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, juris Rn. 16 mwN). Wie schon ausgeführt, verfügte das streitgegenständliche Fahrzeug zwar nicht über unterschiedliche Modi zur Abgasrückführung wie der Motor EA 189; jedoch steht nach den Feststellungen des KBA fest, dass die Messung der Stickstoffemissionen auf dem Prüfstand durch eine eigens hierfür entwickelte Aufheizstrategie manipuliert wurde. Es waren Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben, die auf den Prüfstand zugeschnitten waren und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte, wohingegen dies im realen Straßenbetrieb nur dann der Fall war, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall eintrat, dass die engen Parameter dort ebenfalls erfüllt waren. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte; vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der eigentliche Sinn der Funktion darin erschöpfte, auf dem Prüfstand niedrige NOx-Werte zu erzielen und dabei vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht. Die im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendete Aufheizstrategie ist nach den Feststellungen des KBA exakt auf den Prüfstand zugeschnitten und dient insofern mittelbar der Erkennung einer Prüfstandssituation. Ihre Verwendung steht wegen des mit ihr verfolgten Zwecks wertungsmäßig einer (echten) Prüfstandserkennung und demzufolge einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber gleich, weshalb sie im Verhältnis zum Kläger als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren ist.
51(3) Es kommt insofern nicht entscheidend darauf an, dass der Senat vor dem Hintergrund des Parteivorbringens und der zu den Akten gereichten Unterlagen davon ausgeht, dass nicht die Beklagte den streitgegenständlichen Motor einschließlich der Steuerungssoftware selbst entwickelt und hergestellt hat, sondern die C AG. Der Kläger hat zuletzt selbst vorgetragen, auf der Grundlage des gemeinsam mit der C AG gefassten Arbeitsplans – wohl zur sog. Plattformstrategie – habe die Beklagte die 3 l-Dieselmotoren entwickelt und die Konzerntochter C angewiesen, diese in ihrem Werk in Ungarn zu produzieren und den Konzerngesellschaften zur Verfügung zu stellen (vgl. Bl. 1344 GA). Dass die Beklagte die Motoren selbst hergestellt habe, behauptet er mithin nicht mehr. Was die Entwicklung der Motoren betrifft, geht aus dem vom Kläger im Termin vom 03.12.2020 vorgelegten KBA-Bescheid (Bl. 1276 ff. GA) hervor, dass das KBA die C AG als Verantwortliche für die Entwicklung und Applikation der Emissionsstrategie der Fahrzeuge mit diesem Motor – 3.0 l Diesel Euro 6 beim VW Touareg – ansieht, die dem KBA insofern auch Informationen zum Sachverhalt zur Verfügung gestellt habe. Dass die Beklagte und nicht die C AG den Motor im Widerspruch hierzu entwickelt habe, hat die Beklagte bestritten. Soweit der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB trägt (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 25), ist er bezüglich der Motorenentwicklung durch die Beklagte beweisfällig geblieben. Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Auch wenn die Beklagte Motor und Steuerungssoftware nicht hergestellt und/oder entwickelt hat bzw. haben sollte, ist jedenfalls davon auszugehen, dass sie die Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, kannte [hierzu im Folgenden unter (5)] und auch mit Schädigungsvorsatz handelte [e)].
52(4) Im Ansatz fehlerhaft ist auch die Auffassung des Klägers, das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten könne mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden (vgl. Schriftsatz vom 31.02.2021, S. 7, Bl. 1343 GA). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-) Gesellschaften hinaus begründen (zum Ganzen BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 23 mwN).
53(5) Es liegen aber hinreichende Anhaltspunkte vor, die den Schluss nahelegen, dass (auch) bei der Beklagten eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Beklagte handelnde Personen an dieser Entscheidung zumindest beteiligt waren [hierzu im Folgenden unter (a)]. Es liegen zudem hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Strategieentscheidung nicht auf untergeordneter Ebene bzw. nicht ohne Kenntnis des Vorstands getroffen und umgesetzt worden sein kann, weshalb die Beklagte hierfür gemäß § 31 BGB einzustehen hat [(b)]. Der hieraus resultierenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen, so dass der klägerische Vortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.
54(a) Der Senat erachtet den Vortrag des Klägers als ausreichend, um bei der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast zu ihrer angeblichen Unkenntnis von der manipulierten Software auszulösen.
55(aa) Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. Die sekundäre Darlegungslast führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (zum Ganzen BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 27).
56(bb) Vorliegend steht der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs und hat als Außenstehender keine Kenntnis darüber, wie es zu der Entwicklung der streitgegenständlichen Software und deren Beauftragung sowie zu der Entscheidung kam, mit der Software ausgestattete Motoren in von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge einzubauen. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen setzt eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, jedenfalls voraus, dass das – unstreitige oder nachgewiesene – Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen (BGH, aaO, Rn. 28; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20, juris Rn. 27). Dies ist hier der Fall. Der Senat verkennt nicht, dass der Umstand, dass die Beklagte die rechtswidrig manipulierten Motoren in ihre Fahrzeuge einbaute, für sich genommen nicht genügt (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 30; so auch BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20, juris Rn. 29). Die Entwicklung der streitgegenständlichen Software und die Entscheidung, mit der Software ausgestattete Motoren in von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge einzubauen, ist jedoch vor dem Hintergrund zu betrachten und zu werten, dass die Beklagte – was insoweit gerichtsbekannt ist und von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird – seit dem Jahre 2009 über Jahre hinweg über eigene Erfahrung mit der Entwicklung und der Verwendung einer Prüfstandserkennungssoftware bei einem Dieselmotor (EA 189) verfügte. So stand in dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof zum Aktenzeichen VI ZR 252/19 fest, dass im Unternehmen der dortigen und hiesigen Beklagten sittenwidrig gehandelt worden war; denn dort war die grundlegende strategische Entscheidung getroffen worden, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter arglistiger Täuschung des KBA und bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber für Millionen Fahrzeuge eine illegale Motorsteuerung zu entwickeln und diese dann in Verkehr zu bringen (so BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, WM 2021, 751-756, juris Rn. 29). Da die Beklagte selbst Dieselmotoren entwickelt und die Frage, wie die gesetzlichen Grenzwerte technisch und wirtschaftlich kostengünstig eingehalten werden können, unter Fahrzeugherstellern ein zentrales Thema waren und sind, erachtet es der Senat insbesondere angesichts ihrer einschlägigen Erfahrungen als naheliegend, dass sich die Beklagte – ihren Vortrag unterstellt, die Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors sei vollumfänglich von der C AG übernommen worden und zu verantworten gewesen – zumindest umfassende Kenntnis darüber verschafft hat, wie der Motor funktioniert, welche Eigenschaften er hat und vor allem wie es gelingt, die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten. Es ist zudem nicht plausibel, dass die im Rahmen des sog. Plattformkonzepts erfolgte Zuweisung u.a. der Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors und Motorsteuergeräts für eine Vielzahl von Fahrzeugen des VW-Konzerns in den Verantwortungsbereich der C AG ohne vorherige Absprachen zur Einhaltung der Abgaswerte erfolgt sein soll. Insofern ist vorliegend hervorzuheben, dass in der als Anlage K14 zur Klageschrift (Bl. 336 f. GA) vorgelegten EG-Übereinstimmungsbescheinigung zum streitgegenständlichen Fahrzeug – insofern in Widerspruch zum Beklagtenvortrag – als „Hersteller der Antriebsmaschine“ die Beklagte angegeben ist. Dies wertet der Senat als Indiz dafür, dass die Beklagte – mag sie den Motor auch tatsächlich nicht selbst hergestellt haben – jedenfalls nach außen hin Verantwortung für den Motor übernommen hat, was ebenfalls den Schluss nahelegt, dass sie sich zuvor umfassenden Einblick in die Funktionsweise und Eigenschaften des Motors und insbesondere die Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte verschafft hat oder ohnehin von vorneherein umfassend in dem Sinne eingebunden war, dass Informationen ausgetauscht wurden.
57(cc) Danach gilt das Vorbringen des Klägers hier als zugestanden, denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Insbesondere genügt das Vorbringen der Beklagten zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung des von ihrer Konzerntochter hergestellten Motors mit der streitgegenständlichen Software zur Motorsteuerung den zu stellenden Anforderungen nicht. Wie die Beklagte einräumt, hat sie nicht lediglich einen bereits vollständig fertiggestellten Motor von der C AG zugekauft; vielmehr sei die Entwicklung und Herstellung im Rahmen eines sog. Plattformkonzepts des VW-Konzerns, dem auch die Beklagte angehört, erfolgt. Die Beklagte hat bis zuletzt nicht dazu vorgetragen, welche Absprachen sie im Rahmen des sog. Plattformkonzepts in Bezug auf die Einhaltung der Abgaswerte mit der C AG getroffen hat und/oder welche Informationen sie im Zuge der Entwicklung und Herstellung des Motors einschließlich der Steuerungssoftware insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der Abgaswerte erfragt bzw. erhalten hat. Sie hat auch keine Umstände vorgetragen noch sind solche ersichtlich, die es nachvollziehbar erscheinen lassen würden, dass die Beklagte sowohl im Rahmen der Entscheidung, die Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen V-TDI-Motors der C AG als Plattformentwicklerin zuzuweisen, als auch in der Folge bis zum Einbau des Motors in die von ihr serienmäßig hergestellten Fahrzeuge keinerlei Einblick in die konkrete Funktionsweise und Eigenschaften des Motors und die Motorsteuerungssoftware, dies insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der Abgaswerte, begehrt bzw. gewonnen haben will. Soweit die Beklagte darauf verweist, die Entwicklungsverantwortung und damit auch die Verantwortung für die technische Ausgestaltung des Aggregats in regelkonformer Weise habe vollumfänglich bei der C AG gelegen, hält der Senat es nicht für plausibel, dass die Beklagte der C AG „von A bis Z“ freie Hand gegeben und auch im Verlauf der Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors und der Steuerungssoftware keinerlei Informationen verlangt bzw. erhalten habe. Es ist jedenfalls im Streitfall nicht nachvollziehbar, dass der Vorstand der Beklagten den Einsatz eines Motors in eigenen Fahrzeugen – zumal im Hochpreissegment – befürwortet, sich aber keine Gedanken darüber gemacht haben will, wie der Motor funktioniert, welche Eigenschaften er hat und wie es gelingt, die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten, weil die Beklagte – wie bereits ausgeführt – selbst über einschlägige Erfahrung mit einem illegal konfigurierten Motorentyp verfügte. Es scheint ausgeschlossen, dass die Beklagte den von der Konzerntochter entwickelten Motor vor diesem Hintergrund ohne eigene Prüfung bzw. Kenntnis der wesentlichen Merkmale "blind" in ihre eigenen Fahrzeuge eingebaut hat. Es widerspricht schon der Lebenserfahrung, dass ein Hersteller von Luxusfahrzeugen in keiner Weise an der Konfiguration des von ihm verwendeten Motorentyps interessiert gewesen sein soll (vgl. Oechsler in ZIP 2021, 929, 932, juris). Angesichts dessen reicht es nicht aus, wenn sich die Beklagte auf das allgemein geltende Vertrauensprinzip beruft. Dies gilt jedenfalls im Streitfall auch aufgrund des bereits aufgezeigten Umstands, dass die Beklagte sich selbst in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung zum streitgegenständlichen Fahrzeug als „Hersteller der Antriebsmaschine“ ausgewiesen und damit nach außen hin Verantwortung für den Motor übernommen hat. Soweit die Beklagte in Bezug auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung zuletzt vorträgt, die „Marke Volkswagen“ habe vor einigen Jahren aus rein organisatorischen Gründen entschieden, in Ziffer 20. nicht mehr die Konzerngesellschaft anzugeben, in deren Werk der Motor tatsächlich gebaut worden ist, sondern nunmehr für sämtliche Motoren einheitlich die Angabe „Volkswagen AG“ – also der Beklagten, nicht etwa der „Marke VW“ oder des „Volkswagen-Konzerns“ – zu verwenden, steht diese Begründung der Erwägung des Senats, dass die Angabe der Beklagten als „Hersteller der Antriebsmaschine“ als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Beklagte nach außen hin Verantwortung für den Motor übernommen hat, nicht entgegen. Dass – wie die Beklagte weiter vorbringt – nicht die Produktionszuordnung, sondern die Entwicklungsverantwortung für einen Motortyp für die Zurechnung etwaiger „regulatorischer Abweichungen“ maßgeblich sei, vermag aus Sicht des Senats nichts daran zu ändern, dass davon auszugehen ist, dass auch die Produktionszuordnung dahin, dass die Beklagte – mag dies seit einiger Zeit auch einheitlich für sämtliche Motoren des Konzerns gelten – als „Hersteller der Antriebsmaschine“ ausgewiesen wird, nicht „blind“ ohne jeden Einblick in die Funktionsweise und Eigenschaften des Motors und insbesondere die Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte erfolgt sein wird. Der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte damit insgesamt nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Es gilt daher als zugestanden, dass die Beklagte Kenntnis von der sittenwidrigen, weil auf Kundenschädigung ausgerichteten Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch die C AG und deren Strategieentscheidung hatte, § 138 Abs. 3 ZPO. Durch den Einbau der manipulierten Motoren in von ihr hergestellte Fahrzeuge hat die Beklagte die Strategieentscheidung der C AG gleichsam als eigene, auf Kundentäuschung abzielende Strategieentscheidung übernommen, diese jedenfalls gebilligt.
58(b) Es liegen zudem hinreichende Anhaltspunkte vor, dass die (übernommene) Strategieentscheidung nicht auf untergeordneter Ebene bzw. nicht ohne Kenntnis des Vorstands (auch) der Beklagten getroffen und umgesetzt worden sein kann, weshalb die Beklagte hierfür gemäß § 31 BGB einzustehen hat. Nach dem gegebenen Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass der Vorstand der Beklagten, jedenfalls aber Mitarbeiter des oberen Managements der Beklagten, nicht nur über umfassende Kenntnisse vom Einsatz der Software zur Motorsteuerung verfügten, sondern das Inverkehrbringen der mit entsprechend ausgerüsteten Motoren versehenen Fahrzeuge in der Vorstellung veranlasst haben, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis weiter veräußert werden würden, obwohl die materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen fehlten und dies für die Käufer wesentlich war.
59(aa) Der grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat bereits erstinstanzlich schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte ihn vorsätzlich getäuscht habe. Vorstandsmitglieder bzw. die Repräsentanten der Beklagten hätten von den implementierten Abschalteinrichtungen Kenntnis gehabt und gleichwohl entschieden, die Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen. Sämtliche Führungsmitglieder der Beklagten einschließlich des Vorstands und des Aufsichtsrats seien über die Vorkommnisse informiert gewesen. Es stehe fest, dass der Abgasskandal nicht ohne Wissen und Zustimmung des Vorstands möglich gewesen sei. Es sei lebensfremd, dass für die Bestellung der Betrugssoftware und die entsprechende Zahlungsanweisung eine Freigabe nur durch das untere Management erforderlich wäre. Aus deren Organisationsstruktur ergebe sich, dass nur der Vorstand für die grundsätzlichen Entscheidungen der Implementierung von unzulässigen Abschalteinrichtungen verantwortlich gewesen sei. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten B sei in alles involviert gewesen.
60(bb) Dieses Klagevorbringen gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, weil die Beklagte der ihr auch insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist.
61Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Hinweis zurückgezogen, dass sie den streitgegenständlichen Motor weder entwickelt noch hergestellt habe. Weder der C-Vorstand noch ihr eigener Vorstand habe bei Vertragsschluss Kenntnis von der vom KBA beanstandeten Software gehabt. Damit genügt das Vorbringen der Beklagten nicht den zu stellenden Anforderungen. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Absprachen zum sog. Plattformkonzept. Wie oben ausgeführt, fehlt konkreter Vortrag der Beklagten zu den beteiligten Personen und zum Inhalt der Absprachen hinsichtlich der Entwicklung der Motoren, insbesondere zur Einhaltung der Abgaswerte. Soweit nach den obigen Ausführungen davon auszugehen ist, dass die Beklagte Kenntnis von der sittenwidrigen, weil auf Kundenschädigung ausgerichteten Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Prüfstandserkennung durch die C AG und deren Strategieentscheidung hatte, hätte es der Beklagten oblegen, konkret dazu vorzutragen, dass und wie einzelne, nicht von § 31 BGB erfasste Mitarbeiter unter Ausschluss ihres Vorstandes über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg die mit der Manipulationssoftware ausgestatteten Motoren pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden konnten und weshalb sie dies hätten tun sollen. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass im Unternehmen der Beklagten mindestens ein handelnder Repräsentant an der Entscheidung über die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung beteiligt war. Dies folgt schon aus der Tragweite der Entscheidung, die Motoren in Kenntnis der Manipulationssoftware in ihre Fahrzeuge einzubauen, aber auch aus den gesamten Umständen. Die Beklagte hat den betroffenen Motor serienmäßig in ihre hochpreisigen Fahrzeuge eingebaut. Es handelte sich auch insoweit um eine strategische Entscheidung mit weitreichender Bedeutung für die Beklagte. Der bloße Verweis darauf, nicht Entwicklerin und Herstellerin des Motors zu sein, ist unzureichend. Es fehlt nicht nur erforderlicher konkreter Vortrag zu den internen Abläufen im Zusammenhang mit Beauftragung, Bezahlung, Empfang, Kontrolle und Verwendung der mit der Manipulationssoftware ausgestatteten Motoren, sondern auch jeglicher Vortrag zu dem Ergebnis diesbezüglicher interner Ermittlungen. Allein der Hinweis der Beklagten, sie sei zu einer Überprüfung nicht verpflichtet gewesen, besagt nichts über die tatsächlich durchgeführten Kontrollen. Hiervon ausgehend bestehen durchgreifend konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, der Vorstand, zumindest aber ein Repräsentant der Beklagten habe Kenntnis von der Softwaremanipulation gehabt.
62e) Die im vorstehenden Sinne verantwortlichen Personen, die Kenntnis von der sittenwidrigen strategischen Unternehmensentscheidung hatten, handelten auch mit Schädigungsvorsatz.
63aa) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (zum Ganzen BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316-352, juris Rn. 61 mwN).
64bb) Da davon auszugehen ist, dass der Vorstand, zumindest aber ein Repräsentant der Beklagten die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung in Bezug auf die Verwendung der unzulässigen Software in Fahrzeugen der Beklagten jedenfalls kannten und umsetzten, ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand – ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis – ein damit belastetes Fahrzeug erwerben (vgl. BGH, aaO, Rn. 63). Dass sie dabei darauf vertraut haben mögen, das sittenwidrige Handeln werde nicht aufgedeckt werden, schließt den Vorsatz nicht aus, weil der Schaden im ungewollten Vertragsschluss, nicht dagegen in einer etwaigen Betriebsuntersagung liegt (BGH, aaO).
65f) Rechtsfolge der nach alledem bestehenden Deliktshaftung der Beklagten ist, dass sie gemäß den §§ 249 ff. BGB dem Kläger den aus der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigungshandlung entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Dementsprechend kann der Kläger die Erstattung des gezahlten Brutto-Kaufpreises in Höhe von 55.152,24 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des betroffenen Fahrzeugs verlangen. Hierbei muss er sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs Wertersatz für die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Denn die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB (BGH, aaO, Rn. 66 ff.; Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19, WM 2020, 1607-1609, juris Rn. 11). Der Wertersatz beläuft sich vorliegend auf einen Betrag von 13.952,97 EUR.
66Für die konkrete Berechnung der in Abzug zu bringenden Nutzungsentschädigung geht der Senat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19, WM 2020, 1607-1609, juris Rn. 12; Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 80) gemäß § 287 ZPO von folgender Formel aus:
67Bruttokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb)
68erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt
69Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des betroffenen Fahrzeugs schätzt der Senat auf 300.000 km (§ 287 ZPO). Dabei hat der Senat sowohl das streitgegenständliche Fahrzeugmodell (VW Touareg) in Verbindung mit der konkret verbauten Motorgröße (3.0 l TDI) als auch den Umstand gewürdigt und berücksichtigt, dass die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Fahrzeugs von verschiedenen Faktoren abhängt und nicht allein von der Haltbarkeit seines Motors bestimmt wird.
70Nach alledem beläuft sich der vom Kaufpreis (55.152,24 EUR) abzuziehende Nutzungsersatz angesichts des Kilometerstands, den das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufs (0 km) und der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (75.897 km) aufwies, auf einen Betrag von 13.952,97 EUR:
7155.152,24 EUR x 75.897 km
72300.000 km
73Danach errechnet sich ein geschuldeter Schadensersatz in Höhe von 41.199,27 EUR.
742.
75Dem Kläger steht gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2019 zu. Zeitlich früher einsetzende Zinsen aus Verzug gemäß den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB kann er nicht beanspruchen. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus dem anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 24.06.2019 (Anl. K13, Bl. 782 ff. GA). Denn dieses stellt keine für eine Inverzugsetzung der Beklagten geeignete Mahnung dar, weil der Kläger eine deutlich übersetzte Forderung zu beanspruchen gedachte (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 286 Rn. 20 mwN). Im Rahmen der Darstellung der Rechtsfolgen des Schadensersatzanspruchs vertrat der Kläger die Auffassung, die in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung sei auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 500.000 km zu berechnen. Die Differenz zwischen dem vom Kläger geforderten und ihm tatsächlich zustehenden Nutzungsersatz belief sich seinerzeit auf rund 3.700 EUR. Darüber hinaus beanspruchte der Kläger die Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 EUR, die ihm – wie noch ausgeführt wird (siehe unten Ziffer 4.) – tatsächlich dem Grunde nach nicht zustehen. Damit wurde bereits vorgerichtlich die Zahlung eines deutlich höheren Betrages verlangt, als hätte beansprucht werden können (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, WM 2020, 1078-1089, juris Rn. 85 f.). Es liegen auch keine besonderen Gründe vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien den sofortigen Verzugseintritt ohne Mahnung rechtfertigen würden, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 397/19, WM 2020, 1642-1646, juris Rn. 27).
763.
77Dem Kläger steht zudem ein Anspruch auf Feststellung zu, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
78a) Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 – VII ZR 27/00, BGHZ 149, 289-294, juris Rn. 22 mwN). Hiervon ausgehend besteht jedoch nur ein Feststellungsinteresse in Bezug auf das grundsätzliche Bestehen von Annahmeverzug zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, nicht hingegen – wie vom Kläger begehrt – zum 09.07.2019. Letztlich kann dies aber im Ergebnis dahinstehen, weil der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs zum 09.07.2019 jedenfalls unbegründet ist, weil der Kläger die von ihm zu erbringende Leistung erst im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor dem Senat ordnungsgemäß im Sinne der §§ 294 ff. BGB angeboten hat.
79b) Ob das vorgerichtliche Aufforderungsschreiben vom 24.06.2019 (Anl. K13, Bl. 782 ff. GA) oder der ursprüngliche Klageantrag grundsätzlich geeignet waren, einen Annahmeverzug der Beklagten zu begründen, kann dahinstehen. Denn der Kläger forderte im Rahmen der Berufung bis zur Antragsänderung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 03.12.2020 die Zahlung des vollen Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung. Der Gläubigerverzug endet mit der Erklärung des Schuldners, dass er sein Angebot zurücknimmt (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 293 Rn. 12). Dies war hier in Bezug auf den ursprünglich akzeptierten Nutzungsersatz der Fall. Die Forderung des vollen Kaufpreises stellte jedenfalls – was sich aus der obigen Berechnung ergibt – eine erhebliche Zuvielforderung dar, die es billigerweise ausschließt, der Beklagten die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) aufzubürden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2007 – 7 U 169/06, juris Rn. 20 - 21). Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.12.2020 seinen Klageantrag zu 1. wieder dahin abgeändert hat, dass eine Nutzungsentschädigung von 9.373,91 EUR in Abzug gebracht werden solle (Bl. 1273 GA), obschon sich ausgehend von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km – statt der vom Kläger angesetzten 400.000 km (vgl. wie vor) – seinerzeit eine Nutzungsentschädigung 12.498,60 EUR ergab, und er im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung eine Nutzungsentschädigung von 11.959,63 EUR – statt der vom Senat vorstehend errechneten 13.952,97 EUR – in Abzug gebracht hat, stellt sich der Differenzbetrag von 3.124,69 EUR, jedenfalls aber der sich zuletzt ergebende Differenzbetrag von 2.003,10 EUR als eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung des Klägers dar (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. März 2020 – 17 U 122/19, juris Rn. 97; OLG Oldenburg, Urteil vom 16. Oktober 2020 – 11 U 2/20, juris Rn. 125 – jeweils bezüglich einer Zuvielforderung von rund 3.000 EUR), zumal die Differenz jeweils auf der abweichenden Schätzung der Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beruht. Die Beklagte hat insoweit Klageabweisung beantragt, damit das ordnungsgemäße Angebot des Klägers zurückgewiesen und ihren Annahmeverzug begründet.
804.
81Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Denn die Kosten für eine vorgerichtliche Rechtsverfolgung waren nicht erforderlich.
82a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Schädiger nur jene durch das Schadensereignis verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – XI ZR 148/11, juris Rn. 35 und Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05, juris Rn. 5). Ist der Schuldner bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig. Insoweit kommt es allerdings auf die (Gesamt-) Umstände des Einzelfalls an, deren Würdigung dem Tatrichter obliegt (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – XI ZR 148/11, juris Rn. 35).
83b) Vorliegend war bei Abfassung des anwaltlichen Aufforderungsschreibens vom 24.06.2019 aufgrund von Presseberichten allgemein bekannt, dass die Beklagte nicht ohne die Inanspruchnahme von Gerichten bereit ist, Ansprüche von Fahrzeugkäufern, die vom sog. Abgasskandal betroffen sind, zu befriedigen. Eine vorgerichtliche Aufforderung war daher aus Sicht des anwaltlich beratenen Klägers nicht erfolgversprechend. Allein die Erteilung eines Klageauftrags wäre zur Rechtsverfolgung zweckmäßig gewesen. Bei der Erteilung eines Mandats zur gerichtlichen Forderungsdurchsetzung entstehen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 RVG durch eine vorgerichtliche Aufforderung des Schuldners zur Leistung indes keine zusätzlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (BGH, aaO, Rn. 34).
84III.
851.
86Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 92 Abs.1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und errechnet sich unter Berücksichtigung der teilweisen Berufungsrücknahme wegen der vom Kläger zunächst noch geltend gemachten Deliktszinsen in Höhe von 4 % aus einem Betrag von 55.152 EUR für die Zeit vom 28.04.2015 bis zum 08.07.2019 – ergibt einen Betrag von rund 9.200 EUR – auf der Grundlage eines fiktiven Streitwerts (vgl. zur Berechnung OLG Stuttgart, Urteil vom 12.12.2019 – 13 U 13/19, juris Rn. 146). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
872.
88Die Revision war zuzulassen, weil die Sache aufgrund divergierender obergerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der deliktischen Haftung aus §§ 826, 31 BGB in der Konstellation, in der ein am Konzern beteiligter Fahrzeughersteller von einer anderen Konzerngesellschaft entwickelte und gelieferte, rechtswidrig manipulierte Motoren in seine Fahrzeuge einbaute, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO. Zudem nimmt der Senat vor dem Hintergrund einer großen Vielzahl vergleichbarer und ähnlich gelagerter Fälle auch eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO als gegeben an.
893.
90Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
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