Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (9. Zivilsenat) - 9 UF 119/20

Tenor

1. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 05.02.2020 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen des Amtes für Soziales und Wohnung der Stadt ...[Z] rückständigen Unterhalt für den Zeitraum von Januar 2015 bis einschließlich Dezember 2017 in Höhe eines Betrages von 5.329,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB

aus 2.400,75 Euro seit dem 19.08.2016,

aus weiteren 226,09 € seit 01.09.2016

aus weiteren 226,09 € seit 01.10.2016

aus weiteren 226,09 € seit 01.11.2016

aus weiteren 260,48 € seit 01.12.2016

aus weiteren 260,48 € seit 01.01.2017

aus weiteren 182,09 € seit 01.02.2017

aus weiteren 260,48 € seit 01.03.2017

aus weiteren 78,55 € seit 01.04.2017

aus weiteren 169,54 € seit 01.05.2017

aus weiteren 181,48 € seit 01.06.2017

aus weiteren 130,75 € seit 01.07.2017

aus weiteren 140,16 € seit 01.08.2017

aus weiteren 149,57 € seit 01.09.2017

aus weiteren 168,40 € seit 01.10.2017

aus weiteren 181,48 € seit 01.11.2017 und

aus weiteren 86,82 € seit 01.12.2017

zu zahlen.

Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

2. Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen jeweils der Antragsgegner zu 9/10 und die Antragstellerin zu 1/10.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.133,56 Euro festgesetzt.

Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts auf 6.477,21 Euro festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin macht im Rahmen eines Stufenantrages, welcher am 19.08.2016 rechtshängig geworden ist, Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht gegenüber dem Antragsgegner geltend. Dieser ist der Sohn der am [...] geborenen J. S., die an einer schizoaffektiven Psychose leidet und einen Schwerbehindertengrad von derzeit 80 % aufweist. Aufgrund ihrer Erkrankung steht sie unter Betreuung. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von rund 1.000 Euro.

2

Die Antragstellerin erbringt an die Mutter des Antragsgegners seit 01.03.2013 Sozialhilfeleistungen der ambulanten Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel und Leistungen nach dem 3. und 5. bis 9. Kapitel des SGB XII. Mit Schreiben vom 11.07.2013, welches dem Antragsgegner am 16.07.2013 zugestellt wurde, informierte sie diesen über den erfolgten Anspruchsübergang. Gleichfalls forderte sie ihn zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse auf.

3

Die Mutter des Antragsgegners hat drei weitere Kinder, von denen die Tochter M. und der Sohn A. insgesamt nicht leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt sind, während die weitere Tochter S. jedenfalls in den Monaten Oktober 2015 bis Juli 2016 teilweise leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt war.

4

Der Antragsgegner verfügt über Erwerbseinkünfte, die sich unstreitig im Jahr 2015 auf 2.757,06 Euro beliefen und im Januar 2016 eine Erhöhung auf 2.967,47 Euro und im Juni 2016 auf 3.021,96 Euro erfahren haben. Daneben bezog er Einkünfte in Zusammenhang mit einem sogenannten Steuerkredit von unstreitig 24,83 Euro und ab Januar 2016 in Höhe von 25 Euro. Abzusetzen sind berufsbedingte Fahrtkosten in Zusammenhang mit einer Wegstrecke zur Arbeitsstelle von 50,7 km im Januar und Februar 2015, von 34,2 km bis Mai 2016 und von 54 km ab Juni 2016, sowie Kindesunterhaltszahlungen von monatlich jedenfalls 250 Euro, seit Mai zwischenzeitlich unstreitig in Höhe von 408 Euro. Schließlich leistete er Zahlungen auf einen bestehenden Kredit in Höhe von anfangs 200 Euro und von Januar 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von 68,78 Euro sowie Beiträge für eine zusätzliche Altersvorsorge in Höhe von monatlich 56 Euro.

5

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
der Antragsgegner sei bereits nicht wirksam anwaltlich vertreten. Denn seine Vertreterin nehme auch die Interessen von dessen Schwester wahr, sodass ein Interessenkonflikt bestünde, § 43a BRAO. Dies führe zur Nichtigkeit der Prozessvollmacht und zur Unwirksamkeit ihrer Prozesshandlungen, § 134 BGB.

6

Die Antragstellerin habe zu Recht und mit bestandskräftigem Verwaltungsakt Sozialleistungen an die Mutter des Antragsgegners erbracht. Deren Einkünfte hätten die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII unterschritten. Der Übergang der Unterhaltsansprüche auf die Antragstellerin hinge im Übrigen nicht von der Rechtmäßigkeit der gewährten Sozialleistungen ab.

7

Diese würden auch einen unterhaltsrechtlichen Bedarf decken. Sie hätten dazu gedient, den eigenen Haushalt der Bedürftigen aufrechtzuerhalten und ihre stationäre Pflege und Betreuung zu verhindern.

8

Seit Januar 2017 würden die Pflegeleistungen im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgedeckt, die unterhaltsrechtlich nicht mehr relevant seien. Abzustellen sei ab diesem Zeitpunkt lediglich auf die erbrachten Eingliederungshilfen. Die Hilfeempfängerin sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Vermögen von anfangs 2.155,79 Euro zu verbrauchen. Selbst im Falle eines Verbrauchs wäre dieses im November 2013 aufgezehrt gewesen.

9

Hinsichtlich des geltend gemachten Bedarfs der Hilfeempfängerin wird auf die Aufstellungen der Antragstellerin, Bl. 315 ff., 420, 615, 619 ff., 1025 d.A., Bezug genommen. Im einzelnen hat sie vorgetragen,
anfangs habe ein erhöhter Wohnbedarf von 550 Euro statt wie in der Düsseldorfer Tabelle vorgesehen von 380 Euro bestanden, sodass ein ungedeckter Mehrbedarf von 170 Euro bestanden habe. Dieser sei bis Dezember 2016 zu berücksichtigen. Ab 2017 betrage die Miete lediglich 350 Euro und sei damit vom Tabellenbetrag umfasst.

10

Zusätzliche Bedarfs- und Pflegeleistungen seien im Rahmen der Eingliederungshilfe in Höhe von monatlich zwischen 230 Euro und 775,57 Euro geleistet worden. Die Eingliederungshilfen seien in Form einer psychosozialen Betreuung von bis zu 2 Wochenstunden, daneben in Form einer ambulanten Eingliederungshilfe mit 1,5 Wochenstunden bewilligt worden.

11

Der Anspruch der Antragstellerin scheide nicht gemäß einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aus. Es fehle insoweit an einer Regelungslücke. Außerdem sei der Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII zu beachten.

12

Der Antragsgegner hat erstinstanzlich vorgetragen,
die Antragstellerin habe bereits keine Leistungen zu Deckung eines unterhaltsrechtlichen Bedarfs an seine Mutter erbracht. Der Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII erfasse nur solche Leistungen, die auch im Rahmen des Unterhaltsanspruchs geschuldet wären. Da eine Pflegeheimunterbringung seiner Mutter nicht bestehe, richte sich die Höhe ihres Bedarfes nach dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum und betrage 880 Euro. Mit ihrem Renteneinkommen sei seine Mutter in der Lage, diesen unterhaltsrechtlichen Bedarf zu decken.

13

Eine Überleitung von Unterhaltsansprüchen scheide überdies in analoger Anwendung der Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aus. Denn dieser erfasse nur Leistungen, die im Falle der rechtzeitigen Leistungserbringung dazu geführt hätten, dass die Hilfegewährung nicht erforderlich geworden wäre. Das Einkommen der Mutter des Antragsgegners erreiche jedoch nicht die Einkommensgrenze von 1.358 Euro gemäß § 85 SGB XII. Die Mutter des Antragsgegners wäre auch im Falle erfolgter Unterhaltszahlungen des Antragsgegners nicht verpflichtet gewesen, ihr Einkommen einzusetzen, solange diese Einkommensgrenze nicht überschritten sei. Dann könne aber auch ein Unterhaltsanspruch nicht auf den Sozialleistungsträger übergehen.

14

Ein unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf in Zusammenhang mit der Lebensführung seiner Mutter habe nicht bestanden. Vielmehr sei seine Mutter von dem Antragsgegner und seiner Schwester begleitet worden. Unterstützende Maßnahmen seien von der Betreuerin zu erbringen, im Übrigen handele es sich um Pflege- oder Krankenvorsorgeleistungen.

15

Jedenfalls sei ein Forderungsübergang nach § 94 Abs. 3 SGB XII ausgeschlossen, da eine unbillige Härte vorliege.

16

Gemäß Beweisbeschluss vom 18.06.2019, Bl. 756 d.A., hat das Amtsgericht Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 26.09.2019, Bl. 833 d.A., Bezug genommen.

17

Das Amtsgericht - Familiengericht - Trier hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 05.02.2020 verpflichtet, an die Antragstellerin 2.929,74 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

18

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Darlegungslast bzgl. des unterhaltsrechtlichen Bedarfs genüge der Sozialleistungsträger bereits dann, wenn er darlege, dass die Mehrkosten sozialhilferechtlich anerkannt worden seien. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung habe nicht zu erfolgen. Diesen Anforderungen genüge die Antragstellerin, welche die einzelnen Sozialleistungen unter Vorlage von Bescheiden aufgeführt habe. Die vernommenen Zeugen hätten bestätigt, dass die geltend gemachten und der Mutter des Antragsgegners gewährten Sozialleistungen genau geprüft und entsprechend ihrem bestehenden Bedarf genehmigt worden seien.

19

§ 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII sei gemäß der Entscheidung des Senats in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Auskunftsantrages der Antragstellerin nicht analog anwendbar. Die gewährten Sozialleistungen seien erforderlich gewesen. Letztlich sei auf diese Weise eine wesentlich teurere stationäre Unterbringung der Mutter des Antragsgegners verhindert worden. Die gewährten Sozialleistungen bezifferten sich nach der zutreffenden Berechnung der Antragstellerin auf 5.859,48 Euro. Dieser Anspruch sei jedoch um 50 % zu vermindern, da eine unbillige Härte nach § 94 Abs. 3 SGB XII gegeben sei. Denn der Elternunterhalt sei deutlich schwächer ausgestaltet als andere Unterhaltstatbestände. Bereits aus einem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sei die Absicht der Regierungsparteien erkennbar geworden, einen Übergang der Unterhaltspflicht erst bei Einkünften ab 100.000 Euro anzunehmen. Dieser politische Wille habe seit 01.01.2020 im Gesetz seinen Niederschlag gefunden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner neben dem vorliegenden Elternunterhalt auch Unterhalt für sein minderjähriges Kind erbringe. Schließlich sei der Antragsgegner, der lediglich Einkünfte erziele, die nur geringfügig über den Selbstbehaltsgrenzen lägen, der einzige von 4 Kindern, welcher überhaupt über einen längeren Zeitraum leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt sei. Insgesamt sei es angemessen, die Unterhaltsforderung hälftig zu reduzieren.

20

Gegen den am 05.02.2020 jeweils zugestellten Beschluss haben die Antragstellerin am 18.02.2020 und der Antragsgegner am 05.03.2020 Beschwerde eingelegt, mit der sie jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgen.

21

Die Antragstellerin trägt ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag vor,
Verwirkungsgründe nach § 94 Abs. 3 SGB XII seien nicht gegeben. Soweit das Amtsgericht zur Begründung auf einen Koalitionsertrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD abstelle, datiere dieser aus dem Jahr 2018 und könne daher auf den vorliegenden Fall keine Auswirkungen haben. Das Gesetz hierzu sei erst im Jahr 2020 in Kraft getreten. Eine rückwirkende Änderung der Rechtslage sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Andernfalls würde der Antragsgegner, welcher durch die unterbliebene Auskunft das Verfahren verzögert habe, bevorzugt.

22

Die Antragstellerin beantragt,

23

unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 05.02.2020 den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin zu Händen des Amtes für Soziales und Wohnen der Stadt ...[Z] rückständigen Unterhalt für den Zeitraum von Januar 2015 bis einschließlich Dezember 2017 in Höhe von 5.859,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

24

Der Antragsgegner beantragt,

25

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

26

Er beantragt im Rahmen der von ihm eingelegten Beschwerde,

27

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 05.02.2020 aufzuheben und den Antrag abzuweisen.

28

Die Antragstellerin beantragt,

29

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

30

Der Antragsgegner trägt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen vor,
es bestehe kein unterhaltsrechtlicher Bedarf seiner Mutter. Alleine der Umstand, dass Sozialleistungen bewilligt und gezahlt worden seien, könne einen solchen jedenfalls nicht begründen. Es bestehe keine Kongruenz zwischen sozialrechtlichem und unterhaltsrechtlichem Bedarf. Die psychologische Betreuung der Mutter des Antragsgegners sei eine medizinische Leistung, die von der Krankenkasse und ggf. der Pflegeversicherung zu zahlen sei. Die Leistung einer Eingliederungshilfe von monatlich bis zu 700 Euro sei nicht verhältnismäßig. Eingliederungshilfe habe im Übrigen keine Lohnersatzfunktion, sondern stelle eine Leistung zur Teilhabe für behinderte Menschen dar. Es handele sich daher nicht um einen unterhaltsrechtlichen Bedarf.

31

Jedenfalls stehe einem Forderungsübergang eine grobe Unbilligkeit nach § 94 Abs. 3 SGB XII entgegen. Dies führe entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zu einem vollständigen Entfall des Forderungsübergangs.

32

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den umfangreichen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

33

Die statthaften (§ 58 Abs. 1 FamFG), der gesetzlichen Form (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG) und Frist (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG) gemäß eingelegten sowie form- und fristgerecht begründeten (§ 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FamFG) - Beschwerden sind auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners seiner anwaltlichen Vertreterin nicht die Postulationsfähigkeit. Es kann hierbei offen bleiben, ob die Antragsgegnervertreterin mit der gleichzeitigen anwaltlichen Beratung der Schwester des Antragsgegners widerstreitende Interessen im Sinne des § 43a BRAO vertreten hat. In jedem Fall würde ein solcher Verstoß nicht die Unwirksamkeit ihrer Verfahrenshandlungen berühren. Denn Prozesshandlungen, die der Rechtsanwalt trotz Tätigkeitsverbot vorgenommen hat, bleiben wirksam, da das Interesse der Rechtsordnung an deren Rechtsbeständigkeit vorrangig ist. Wirksam bleibt auch die dem Rechtsanwalt erteilte Prozessvollmacht, auf die sich die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrages nach dem Abstraktionsprinzip nicht erstreckt (BGH IX ZR 60/08, AnwBl. 2009; Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 16. Teil. 1. Abschnitt. Kapitel 14. Vorbemerkung Rn. 99, beck-online).

34

Die Beschwerde der Antragstellerin ist überwiegend begründet, während die Beschwerde des Antragsgegners lediglich hinsichtlich des Zinsanspruchs einen geringfügigen Erfolg hat.

35

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung von Elternunterhalt aus übergegangenem Recht in tenorierter Höhe aus §§ 1601, 1603, 1610 Abs. 1 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII.

36

Die Antragstellerin leistete der Mutter des Antragsgegners unstreitig Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe, sodass gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Unterhaltsansprüche der Bedürftigen bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Dass die Bewilligung der Sozialleistungen unrechtmäßig erfolgt ist, ist weder erkennbar noch wird dies von dem Antragsgegner eingewandt. Vielmehr beschränkt sich der Antragsgegner darauf, einzuwenden, die Sozialleistungen würden jedenfalls teilweise keinen unterhaltsrechtlichen Bedarf abdecken, sodass Unterhaltsansprüche nicht bestünden. Es kann daher offen bleiben, ob ein Forderungsübergang lediglich bei rechtmäßiger Sozialhilfebewilligung anzunehmen ist (vgl. hierzu BeckOK SozR/Adams, 56. Ed. 1.3.2020, SGB XII § 94 Rn. 1 m.w.N.).

37

Einem gesetzlichen Übergang steht nicht die Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII entgegen. Diese Vorschrift befasst sich mit der Überleitung von Ansprüchen des Bedürftigen gegenüber Dritten, d. h. nicht unterhaltspflichtigen Personen. Der Übergang dieses Anspruchs darf hierbei nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 SGB XII Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre, § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII.

38

Der Senat verbleibt bei seiner bereits in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Entscheidung vom 19.07.2017 - 9 UF 131/17 -, welche die Auskunftsstufe zum Gegenstand hatte, vertretenen Rechtsauffassung, dass eine Analogie der Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht in Betracht kommt. Insoweit hat der Senat wie folgt ausgeführt:

39

Der in § 94 SGB geregelte gesetzliche Forderungsübergang wird nicht durch die in § 85 SGB XII festgelegten Einkommensgrenzen begrenzt; eine analoge Anwendung des § 93 SGB XII kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.

40

§ 85 Abs. 1 SGB XII sieht vor, dass eine um Hilfen nach dem fünften bis neunten Kapitel nachfragende Person ihr Einkommen nicht einsetzen muss, mithin Anspruch auf die vorgenannten Hilfen hat, wenn ihr Einkommen die in der vorgenannten Vorschrift geregelten Beträge nicht überschreitet. Diese zugunsten einer hilfebedürftigen Person getroffene Regelung soll gewährleisten, dass demjenigen, der auf Hilfen zur Pflege oder Eingliederungshilfen (Hilfen nach dem fünften bis neunten Kapitel) angewiesen ist, in jedem Fall ein Lebensstandard oberhalb der Bedürftigkeit für Hilfen zum Lebensunterhalt (§ 19 Abs. 1 SGB XII) gesichert wird (vgl. Gutzler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SBG XII, 2. Aufl. 2014, § 85 Rdn. 16). Die in den erhöhten Einkommensgrenzen liegende "Priviligierung" des Hilfeempfängers bei Leistungen, die nicht den Lebensunterhalt sichern, ist auch zu beachten, wenn es um die Überleitung von Ansprüchen geht, die der leistungsberechtigten Person gegen Dritte zustehen, die also nicht Unterhaltsansprüche betreffen. Insoweit regelt § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, dass der Sozialhilfeträge solche Ansprüche nur überleiten darf, wenn bei rechtzeitiger Zahlung des Dritten an die bedürftige Person keine Hilfen nach dem fünften bis neunten Kapitel hätten erbracht werden müssen. Die Vorschrift über die Überleitung von Ansprüchen nach § 93 SGB XII stellt darauf ab, dass eine Kausalität zwischen der Nichterfüllung des Anspruchs durch einen Dritten und der Leistungsverpflichtung des Trägers der Sozialhilfe bestehen muss (vgl. Weber in BeckOK SozR, SGB XII, § 93 Rdn. 21 ff, beck-online).

41

Eine entsprechende Regelung findet sich nicht in § 94 SGB XII über den gesetzlichen Forderungsübergang, der sich automatisch mit Erbringung der Sozialhilfeleistungen vollzieht, soweit ein Unterhaltsanspruch besteht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die ausdrücklich in § 93 SGB XII als Voraussetzung für eine Überleitung aufgenommene Kausalität zwischen rechtzeitiger Leistung des Dritten und Gewährung von Hilfen nach den fünften bis neunten Kapitel auch für den gesetzlichen Forderungsübergang von Unterhaltsansprüchen wollte und eine vergleichbare Aufnahme im Gesetzestext lediglich „vergessen“ hat. Der Gesetzgeber hat für die Ansprüche einer leistungsberechtigten Person gegenüber Dritten oder gegenüber einem ihr Unterhaltsverpflichteten unterschiedliche Regelungen für die Überleitung solcher Ansprüche oder den gesetzlichen Forderungsübergang getroffen. Auch wenn dies im Einzelfall zu einer Ungleichbehandlung führen mag, beruht dies darauf, dass für unterschiedliche Sachverhalte voneinander abweichende gesetzliche Voraussetzungen geschaffen wurden. Eine planwidrige Regelungslücke oder Wertungslücke in § 94 SGB XII, die durch analoge Heranziehung eines in § 93 SGB XII geregelten Grundsatzes geschlossen werden müsste, besteht nicht. Der Gesetzgeber hat den gesetzlichen Forderungsübergang bei der Neuregelung in § 94 SGB XII bewusst abweichend von der früheren Regelung in § 91 Abs. 2 BSHG nicht mehr davon abhängig gemacht, dass die für den Leistungsberechtigten geltenden Einkommensgrenzen auch für den Unterhaltsverpflichteten gelten, dieser mithin an den besonderen Einkommens- und Vermögensgrenzen des Berechtigten partizipiert. Die hierin liegende Werteentscheidung mit einer im Einzelfall möglichen Schlechterstellung des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Unterhaltsberechtigten und im Vergleich zur früheren gesetzlichen Regelung ist hinzunehmen (vgl. Armbruster in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 94, Rdn. 163 und 174). Der Senat folgt nicht der vom Amtsgericht und teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, dass der gesetzliche Forderungsübergang im Rahmen einer erweiterten Kausalitätsprüfung abzulehnen ist, wenn die Nichterfüllung von Unterhaltspflichten nicht für die Sozialhilfegewährung ursächlich ist (vgl. Armbruster, aaO, Rdn. 120).

42

Es besteht auch ein Unterhaltsanspruch der Mutter des Antragsgegners, welcher für den Zeitraum der Jahre 2015 bis 2017 mit insgesamt 5.329,30 Euro zu beziffern ist. In dieser Höhe wurden auch Sozialleistungen von der Antragstellerin erbracht, sodass die gegen den Antragsgegner gerichteten Unterhaltsansprüche seiner Mutter auf die Antragstellerin als Sozialträger übergegangen sind.

43

Insbesondere ist die Mutter des Antragsgegners in dem genannten Zeitraum unterhaltsrechtlich bedürftig, weil ihr bestehender Bedarf durch ihre eigenen Renteneinkünfte nicht gedeckt war. Ein Bedürftiger ist danach unterhaltsberechtigt, wenn er sich nicht selbst unterhalten kann, § 1602 Abs. 1 BGB. Der Sozialhilfeträger, der aus übergegangenem Recht Unterhaltsleistungen von dem Kind des Bedürftigen fordert, trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf der Eltern gemäß § 1610 Abs. 1 BGB (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 2 Kindes-, Eltern- und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 971, beck-online).

44

Der Bedarf umfasst zunächst ein Existenzminimum, welches mit monatlich 880 Euro anzunehmen ist. Als angemessener Unterhalt müssen auch bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen diejenigen Mittel angesehen werden, durch die das Existenzminimum der Eltern sichergestellt werden kann und die demgemäß als Untergrenze des Bedarfs zu bewerten sind (ebenso Eschenbruch Der Unterhaltsprozeß 3. Aufl. Rdn. 2004 f.; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 11 ff.; Heiß/Born/Hußmann Unterhaltsrecht 13. Kap. Rdn. 22; Luthin/Seidel Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 5050 f.; Scholz/Stein/Erdrich Praxishandbuch Familienrecht Teil J Rdn. 24; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 9 Rdn. 635; Diederichsen FF 1999 Sonderheft S. 13 f.; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1212, 1213). Insofern kann zur Ermittlung des so bemessenen Bedarfs auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen, am sozialhilferechtlichen Existenzminimum ausgerichteten Eigenbedarfssätze eines unterhaltsberechtigten Ehegatten zurückgegriffen und derjenige Betrag als Bedarf angesetzt werden, welcher der jeweiligen Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Elternteils entspricht (BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 – XII ZR 67/00 –, Rn. 10, juris). Dieser bemisst sich für den vorliegenden Zeitraum der Jahre 2015 bis 2017 mit 880 Euro.

45

Für die Zeit bis einschließlich Dezember 2016 ist dieser Betrag um einen anteiligen Wohnbedarf von 170 Euro zu erhöhen. Denn die Wohnkosten der Mutter des Antragsgegners betrugen unstreitig 550 Euro, während in dem vorgenannten Tabellenbetrag lediglich anteilige Wohnkosten von 380 Euro in Ansatz gebracht sind. Die Höhe der Wohnkosten ist unstreitig und daher der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen. Auch ist die Erforderlichkeit der erhöhten Wohnkosten gegeben und wird von dem Antragsgegner bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Es handelte sich um die von der Bedürftigen tatsächlich genutzte Wohnung, die damit ihren tatsächlichen Wohnbedarf darstellt. Die Mietkosten übersteigen den im Rahmen des Existenzminimums berücksichtigten Betrag nur geringfügig. Auch im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Bedürftigen ist ein Wohnbedarf in Höhe der bisherigen Kosten von insgesamt 550 Euro als erforderlich zu berücksichtigen, von denen lediglich 380 Euro im Rahmen der pauschalierten Bedarfsermittlung berücksichtigt sind. Der später erfolgte Umzug in eine günstigere Wohnung ändert daran nichts, weil er aufgrund der psychischen Erkrankung der Bedürftigen eingehender Vorbereitung bedurfte.

46

Bis Dezember 2016 erhöht sich damit der Bedarf auf 880 Euro + 170 Euro = 1.050 Euro.

47

Ab Januar 2017 entfällt diese Bedarfsposition, da die Mietkosten der Bedürftigen aufgrund einer Beendigung des Wohnverhältnisses und des Bezuges einer anderen Wohnung lediglich 350 Euro erreichen, sodass die Wohnkosten von dem pauschalierten Betrag von 880 Euro umfasst sind.

48

Darüber hinaus besteht bei der Mutter des Antragsgegners ein unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf, der sich aus der Erforderlichkeit einer psychosozialen Betreuung und der Vornahme von tatsächlichen Betreuungs- und Pflegeleistungen ergibt. Der unterhaltsrechtlich anzuerkennende Betrag entspricht der Höhe der von der Antragstellerin erbrachten Sozialleistungen.

49

Zwar ist nicht jede Gewährung sozialhilferechtlicher Leistungen mit einem unterhaltsrechtlich bestehenden Bedarf gleichzusetzen. Die Unterhaltsbedürftigkeit bestimmt sich vielmehr alleine nach den Vorschriften des BGB. Ein Bedürftiger ist danach unterhaltsberechtigt, wenn er sich nicht selbst unterhalten kann, § 1602 Abs. 1 BGB. Dafür genügt es zunächst darzulegen, dass die Kosten sozialhilferechtlich anerkannt sind (§ 27b SGB XII), solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nicht der angemessenen Lebensstellung des Elternteils entsprechen. Das unterhaltspflichtige Kind hat, soweit es die Notwendigkeit der Kosten bestreitet, substantiiert vorzutragen, dass es sich bei den gewährten Leistungen nicht um den Lebensbedarf seines Elternteils handelt (vgl. Wendl/Dose UnterhaltsR, § 2 Kindes-, Eltern- und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 971, beck-online; BGH, Urteil vom 21. November 2012 – XII ZR 150/10 –, Rn. 21, juris).

50

Danach handelt es sich - auch unter Berücksichtigung der Angaben der vernommenen Zeugen B. und G. - bei den von der Antragstellerin vorgetragenen Pflege- und Eingliederungshilfeleistungen um solche zur Deckung eines unterhaltsrechtlichen Lebensbedarfes der Mutter des Antragsgegners.

51

Die Leistungen hinsichtlich der Höhe für den hier maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2015 bis 2017 wurden von der Antragstellerin tabellarisch aufgelistet. Hinsichtlich der Einzelheiten und der Höhe der Hilfsleistungen wird auf Bl. 379, 625 d.A. Bezug genommen. Hierbei wurden sowohl Pflegeleistungen als auch Eingliederungshilfen erbracht, letzte teilweise in Zusammenhang mit einem betreuten Wohnen der Bedürftigen. Die Antragstellerin legte für den gesamten Zeitraum sozialhilferechtliche Bewilligungsbescheide vor und legte dar, dass der Bedürftigen Pflegeleistungen erbracht worden seien, weil sie aufgrund ihrer bestehenden Erkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Lebensbedarf selbst zu sichern. So habe sie ihre Medikamente nicht verlässlich eingenommen und eine ausreichende Hygiene nicht sichergestellt. Auch eine ausreichende Ernährung habe die Bedürftige selbständige nicht mehr gewährleisten können. Insgesamt sei es daher erforderlich gewesen, der Mutter des Antragsgegners Hilfe in verschiedener Weise zur Seite zu stellen, um ihre ausreichende Versorgung sicherzustellen. Andernfalls sei eine stationäre Unterbringung der Bedürftigen in einem Pflegeheim erforderlich gewesen, welche deutlich höhere Kosten verursacht hätte.

52

Der Antragsgegner ist diesen substantiierten Ausführungen bereits nicht ausreichend entgegengetreten. Vielmehr beschränkt er sich immer wieder darauf, vorzutragen, dass die Hilfeleistungen unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen seien und dass diese von anderen Institutionen kostenfrei hätten erbracht werden können. Dies ist indes nicht zutreffend. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sind die von der Antragstellerin finanzierten Hilfen in Form der psychosozialen Hilfe nicht von der Betreuerin zu erbringen. Denn die angeordnete rechtliche Betreuung beschränkt sich auf eine gesetzliche Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten (BeckOGK/ Schmidt-Recla, 1.4.2020, BGB § 1896), sodass dem Betreuer nicht die Aufgabe bloß faktischer Hilfe und Fürsorge zugewiesen ist, sondern ausschließlich die Sorge um rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten (MüKoBGB/Schneider, 8. Aufl. 2020 Rn. 1, BGB § 1896 Rn. 1). Die hier streitgegenständliche psychosoziale Hilfe stellt demgegenüber eine tatsächliche Unterstützung der Bedürftigen dar, die andernfalls nicht in der Lage wäre, die Dinge des täglichen Lebens zu erledigen. Überdies diente die Unterstützung im vorliegenden Fall der - auch psychologischen - Begleitung des infolge der Beendigung des Wohnverhältnisses erforderlich gewordenen Umzugs in eine neue Wohnung.

53

Gleichfalls handelt es sich nicht um Pflege- oder Krankenleistungen, die von der Pflegeversicherung hätten getragen werden können. Unstreitig ist bei der Betroffenen ein Pflegegrad nicht festgestellt. Auch besteht keine Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Denn es handelt sich gerade nicht um eine therapeutische Begleitung, welche der Behandlung der bestehenden Krankheit der Mutter des Antragsgegners dient, sondern um eine solche, um sie in Alltagsangelegenheiten zu unterstützen und ihr einen Verbleib in ihrer genutzten Wohnung zu ermöglichen.

54

Schließlich handelt es sich entgegen der Ansicht des Antragsgegners bei den hier gegenständlichen Leistungen nicht um solche der bloßen Teilhabe. Vielmehr dienen sie der Aufrechterhaltung der Lebens- und Wohnsituation der Mutter des Antragsgegners und stellen damit unmittelbar einen Bedarf auch im unterhaltsrechtlichen Sinne dar.

55

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Mutter des Antragsgegners jedenfalls in dem vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum ohne die gewährten Hilfeleistungen nicht in ihrer Wohnung hätte verbleiben können, da in diesem Fall eine Verwahrlosung und Unterversorgung sowohl mit Lebensmitteln als auch mit Medikamenten gedroht hätte. Stattdessen wäre ohne die Hilfen unstreitig eine stationäre Unterbringung in einer Pflege- und Betreuungseinrichtung erforderlich gewesen. Auch dies belegt, dass es sich um die Befriedigung eines Lebensbedarfs der Bedürftigen handelt, welcher ohne Weiteres auch als unterhaltsrechtlicher Bedarf einzuordnen ist.

56

Die vernommenen Zeugen B. und G. haben im Übrigen überzeugend dargelegt, dass vor Bewilligung der Sozialleistungen eine umfangreiche Prüfung erfolgt sei, welche sowohl die tatsächliche Erforderlichkeit der beantragten Leistungen als auch deren Wirtschaftlichkeit umfasst habe. Nach den Angaben des Zeugen B. seien die Hilfen erforderlich gewesen, um eine stationäre Unterbringung der Bedürftigen zu vermeiden. Diese habe anfangs neben den Leistungen in Zusammenhang mit dem betreuten Wohnen weitere Eingliederungshilfen erhalten. Die Sozialleistungen seien in dem Umfang bewilligt und ausgezahlt worden, wie sie in dem vorliegenden Verfahren beziffert und geltend gemacht worden seien.

57

Der Umstand, dass die Sozialleistungen teilweise für einen vergangenen Zeitraum erbracht wurden, steht der Geltendmachung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Die Leistungen wurden jeweils auf der Grundlage eines zuvor gestellten Antrages bewilligt. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich, soweit das Vorliegen eines sozialhilferechtlichen Bedarfs zu beurteilen ist. Die zeitlich nachfolgende Bewilligung der Antragstellerin steht dem nicht entgegen.

58

Insgesamt ist der Antragsgegner dem substantiierten Vortrag der Antragstellerin über die bewilligten Sozialleistungen, welche einen unterhaltsrechtlichen Bedarf zum Gegenstand hatten, nicht ausreichend entgegengetreten. Jedenfalls aber ist aufgrund der umfangreich vorgelegten Unterlagen und der Angaben der vernommenen Zeugen B. und G. belegt, dass die Leistungen in der geltend gemachten Höhe erbracht wurden und dass diese der Befriedigung eines nicht lediglich sozialhilferechtlich, sondern auch unterhaltsrechtlich bestehenden Lebensbedarfs der Mutter des Antragsgegners dienten.

59

Allerdings sind für die Zeit ab Januar 2017 bei der Bestimmung des Bedarfs der Mutter des Antragsgegners lediglich die in der Auflistung Bl. 379 d.A. bezifferten Eingliederungshilfen (EGH), nicht hingegen die Pflegeleistungen zu berücksichtigen, da diese nach dem Vortrag der Antragstellerin (Bl. 316 d.A.) in dem genannten Zeitraum über die Grundsicherung abgedeckt worden und unterhaltsrechtlich nicht geltend zu machen seien, § 43 Abs. 5 SGB XII. Ursache hierfür mag gewesen sein, dass zum 01.01.2017 die Vorschriften der §§ 61 ff. SGB XII eine grundlegende Neuregelung erfahren haben und die Bewilligung von Pflegeleistungen an das Erfordernis der Einordnung des Bedürftigen in eine Pflegestufe gekoppelt wurde (vgl. Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Greiner, 6. Aufl. 2019, SGB XII §§ 61-66a Rn. 3). Da die Mutter des Antragsgegners unstreitig keiner Pflegestufe zugeordnet war, konnten Pflegeleistungen nach §§ 61 ff. SGB XII nicht mehr erbracht werden, sodass diese nunmehr im Rahmen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII gewährt wurden, was unstreitig ist. Diese Leistungen sind jedoch bedarfsdeckend anzurechnen (Ziffer 2.9 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Oberlandesgerichts Koblenz). Soweit daher bei der Mutter des Antragsgegners ein Pflegebedarf bestand, ist dieser für die Zeit ab 01.01.2017 über die gewährten Grundsicherungsleistungen gedeckt, sodass er für die weitere Ermittlung ihres Bedarfs für diesen Zeitraum unberücksichtigt bleiben kann.

60

Die Mutter des Antragsgegners kann für die Zeit bis 31.12.2016 im Übrigen nicht darauf verwiesen werden, dass sie statt der Pflegeleistungen den Bezug von Grundsicherungsleistungen hätte geltend machen können. Lediglich der Bezug von Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII stellt insoweit bedarfsdeckendes Einkommen dar, nicht hingegen die nach den speziellen Vorschriften der Kapitel 5 bis 9 des SGB XII geregelten sonstigen Hilfen. Vielmehr verbleibt es insoweit bei dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII. Werden daher - wie im vorliegenden Fall - Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII bezogen, besteht ein ungedeckter unterhaltsrechtlicher Bedarf des Bedürftigen fort, sodass auch der Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen das Kind bis zur Höhe der sonstigen Hilfen nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergeht (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 8 Unterhalt und Sozialleistungen Rn. 166, beck-online). In der bis 31.12.2019 geltenden Fassung des § 94 Abs. 1 SGB XII kommt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass der Ausschluss des Anspruchsübergangs lediglich in den Fällen des Bezuges von Grundsicherungsleistungen nach dem vierten Kapitel des SGB XII angeordnet ist, nicht hingegen bei dem hier maßgeblichen Kapitel 7 des SGB XII a.F.

61

Auf ihren bestehenden Bedarf ist die von der Bedürftigen bezogene Rente anzurechnen, da sie gehalten ist, ihren Bedarf zunächst aus ihrem Einkommen zu befriedigen. Ihre Rente hat die Bedürftige in unterschiedlicher Höhe zwischen 1.052,52 Euro und 1.115,20 Euro bezogen, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Der Einsatz von Vermögen wird von dem Antragsgegner selbst nicht geltend gemacht, kommt im Übrigen aber auch nicht in Betracht. Zwar ist eine Vermögensverwertung in der Weise vorzunehmen, dass der Bedürftige den Stamm des Vermögens für seinen Unterhalt einzusetzen hat, ehe der bedürftig gewordene Elternteil (bzw. das Sozialamt nach Anspruchsübergang) einen Verwandten auf Unterhalt in Anspruch nehmen kann, § 1602 Abs. 2 BGB. Im vorliegenden Fall verfügt die Bedürftige indes unstreitig nicht über Vermögen, welches das Schonvermögen überschreitet (vgl. MüKoBGB/Langeheine, 8. Aufl. 2020, BGB § 1602 Rn. 84). Überdies wäre im Falle des Einsatzes ihres Vermögens auf die Sozialhilfeleistungen dieses bereits im Abrechnungsjahr 2013 aufgebraucht, sodass hierauf in dem vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum ab 2015 in jedem Fall nicht zurückgegriffen werden kann.

62

Die Bedürftige steht auch nicht im Bezug von Wohngeld. Ihr ist dieses auch nicht fiktiv anzurechnen, da sie nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 WoGG infolge des Bezuges von Sozialleistungen nicht berechtigt ist, Wohngeld zu erhalten.

63

In dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2017 stellt sich der unterhaltsrechtliche Bedarf der Mutter des Antragsgegners, die von ihr bezogene Rente und ihr damit begründeter ungedeckter Bedarf demzufolge insgesamt wie folgt dar:

64
        

Lebens-/Wohnbedarf

Pflegekosten

EGH     

Gesamtbedarf

Rente 

unged. Bedarf

Jan 15

1.050,00 €

126,32 €

342,96 €

1.519,28 €

1.052,52 €

466,76 €

Feb 15

1.050,00 €

106,45 €

459,19 €

1.615,64 €

1.052,52 €

563,12 €

Mrz 15

1.050,00 €

18,33 €

357,25 €

1.425,58 €

1.052,52 €

373,06 €

Apr 15

1.050,00 €

94,74 €

328,67 €

1.473,41 €

1.052,52 €

420,89 €

Mai 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.052,52 €

353,80 €

Jun 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.052,52 €

353,80 €

Jul 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Aug 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Sep 15

1.050,00 €

157,90 €

230,00 €

1.437,90 €

1.074,60 €

363,30 €

Okt 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Nov 15

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Dez 15

1.050,00 €

157,90 €

230,00 €

1.437,90 €

1.074,60 €

363,30 €

Jan 16

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Feb 16

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.074,60 €

331,72 €

Mrz 16

1.050,00 €

157,90 €

230,00 €

1.437,90 €

1.072,20 €

365,70 €

Apr 16

1.050,00 €

113,07 €

230,00 €

1.393,07 €

1.072,20 €

320,87 €

Mai 16

1.050,00 €

0,00 €

230,00 €

1.280,00 €

1.072,20 €

207,80 €

Jun 16

1.050,00 €

0,00 €

230,00 €

1.280,00 €

1.072,20 €

207,80 €

Jul 16

1.050,00 €

126,32 €

230,00 €

1.406,32 €

1.117,70 €

288,62 €

Aug 16

1.050,00 €

94,74 €

853,91 €

1.998,65 €

1.117,20 €

881,45 €

Sep 16

1.050,00 €

94,74 €

467,69 €

1.612,43 €

1.117,20 €

495,23 €

Okt 16

1.050,00 €

126,32 €

527,10 €

1.703,42 €

1.117,20 €

586,22 €

Nov 16

1.050,00 €

94,74 €

333,99 €

1.478,73 €

1.117,20 €

361,53 €

Dez 16

1.050,00 €

126,32 €

378,55 €

1.554,87 €

1.117,20 €

437,67 €

Jan 17

880,00 €

0,00 €

775,57 €

1.655,57 €

1.115,20 €

540,37 €

Feb 17

880,00 €

0,00 €

417,29 €

1.297,29 €

1.115,20 €

182,09 €

Mrz 17

880,00 €

0,00 €

577,30 €

1.457,30 €

1.115,20 €

342,10 €

Apr 17

880,00 €

0,00 €

313,75 €

1.193,75 €

1.115,20 €

78,55 €

Mai 17

880,00 €

0,00 €

404,74 €

1.284,74 €

1.115,20 €

169,54 €

Jun 17

880,00 €

0,00 €

517,69 €

1.397,69 €

1.115,20 €

282,49 €

Jul 17

880,00 €

0,00 €

387,19 €

1.267,19 €

1.136,44 €

130,75 €

Aug 17

880,00 €

0,00 €

396,60 €

1.276,60 €

1.136,44 €

140,16 €

Sep 17

880,00 €

0,00 €

406,01 €

1.286,01 €

1.136,44 €

149,57 €

Okt 17

880,00 €

0,00 €

424,84 €

1.304,84 €

1.136,44 €

168,40 €

Nov 17

880,00 €

0,00 €

478,18 €

1.358,18 €

1.136,44 €

221,74 €

Dez 17

880,00 €

0,00 €

343,26 €

1.223,26 €

1.136,44 €

86,82 €

65

Bis zur Höhe dieses Bedarfs sind bestehende Unterhaltsansprüche der Mutter des Antragsgegners gegen ihren Sohn auf die Antragstellerin als Sozialleistungsträger übergegangen, § 94 Abs. 1 SGB XII.

66

Eine Einschränkung ergibt sich für die Zeit bis 31.12.2015 nicht aus §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung. Bis zu diesem Zeitpunkt unterlag von den bei den Sozialleistungen berücksichtigten Kosten der Unterkunft ein Anteil von 56 % nicht der Rückforderung, sodass auch ein Forderungsübergang in dieser Höhe nicht in Betracht kam. Dies beruht darauf, dass Wohngeld neben der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5, 6 WoGG nicht mehr gewährt wird. Der Sozialhilfeträger hat daher die gesamten angemessenen Wohnkosten sicherzustellen, § 35 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB XII, während in der Zeit bis 31.12.2004 auch im Falle des Bezugs von Sozialleistungen Wohngeld bezogen werden konnte (vgl. Wendl/Dose UnterhaltsR, § 8 Unterhalt und Sozialleistungen Rn. 70, beck-online). Der Bedürftige, der bis 31.12.2004 neben der Sozialhilfe Wohngeld bezog, sollte im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass er jetzt die Wohnkosten als Teil der Sozialhilfe erhält. Dies sollte nach dem Gesetzgeber in der Weise erfolgen, dass in Höhe eines pauschalierten Anteils von 56 % der Wohnkosten (ohne Heizung und Warmwasser), welche dem früheren Bezug von Wohngeld entsprechen sollte, kein Anspruchsübergang stattfinden sollte. In diesem Umfang wurde auch der gesetzliche Forderungsübergang nach § 94 SGB XII eingeschränkt, indem ein Anteil von 56 % der Wohnkosten vom Anspruchsübergang ausgenommen wurde (§§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII a.F.). Daher verblieb der Unterhaltsanspruch insoweit beim Berechtigten (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 8 Unterhalt und Sozialleistungen Rn. 70, beck-online).

67

Diese Einschränkung des Anspruchsübergangs greift indes dann nicht ein, wenn dem Unterhaltsberechtigten ausschließlich Sozialleistungen in Form der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapital des SGB XII gewährt wurden (OLG Karlsruhe LSK 2016, 170265, beck-online). Kann nämlich der Bedürftige seinen Regelbedarf einschließlich der Wohnkosten aus den eigenen Einkünften decken und besteht lediglich ein weitergehender Pflegebedarf, der durch die Pflegeleistungen gedeckt wird, käme eine Anspruchsberechtigung des Bedürftigen für Wohngeld nicht in Betracht. Vielmehr beschränken sich die gewährten Sozialleistungen auf die Pflege, sodass eine teilweise Beschränkung des Forderungsübergangs hinsichtlich der anteiligen Wohnkosten nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

68

So liegt der Fall hier. Die Mutter des Antragsgegners war im Jahr 2015 in der Lage, ihren allgemeinen Lebensbedarf einschließlich der Wohnkosten in Höhe von insgesamt 1.050 Euro über ihre bezogene Rente von 1.052,52 Euro zu decken. Soweit sie darüber hinaus einen Pflegebedarf aufwies, ist dieser von der Beschränkung der Vorschriften der §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII nicht umfasst.

69

Eine Einschränkung des Forderungsübergangs ergibt sich im Übrigen nicht aus § 94 Abs. 1 Satz 3, 2. HS SGB XII in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung. Danach ist ein Übergang von Unterhaltsansprüchen gegenüber Eltern und Kindern auf den Sozialleistungsträger bei Leistungen nach dem Vierten Kapitel, mithin der Vorschriften der §§ 41 ff. SGB XII, ausgeschlossen. Werden hingegen - wie im vorliegenden Fall - sonstige Hilfen nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII, insbesondere Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege, gewährt, greift der Ausschluss des Anspruchsübergangs nur ein, soweit Leistungen der Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII erbracht werden. Im Übrigen geht der Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen das Kind bis zur Höhe der sonstigen Hilfen nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger über (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 8 Unterhalt und Sozialleistungen Rn. 166, beck-online).

70

Im Umfang der bewilligten und gewährten Eingliederungs- und Pflegeleistungen verbleibt es damit auch im vorliegenden Fall bei dem gesetzlichen Forderungsübergang.

71

Allerdings kann der Antragsgegner nicht hinsichtlich der vollständigen Höhe des oben ermittelten Bedarfs seiner Mutter in Anspruch genommen werden. Insoweit ergeben sich Einschränkungen, weil der Antragsgegner zeitweise lediglich eingeschränkt leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt war. Überdies ist zu berücksichtigen, dass seine Schwester S. in der Zeit von Oktober 2015 bis Juli 2016 ebenfalls unstreitig leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt war, sodass der auf den Antragsgegner entfallende Anteil im Verhältnis seines verfügbaren Einkommens zu demjenigen beider Geschwister - jeweils unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 1.800 Euro - zu verteilen ist.

72

Die Einkünfte des Antragsgegners aus Erwerbstätigkeit sind hierbei unstreitig und bemessen sich für den hier streitgegenständlichen Zeitraum zwischen 2.757,06 Euro und 3.021,96 Euro. Hinzuzurechnen ist unstreitig ein Steuerkredit von monatlich 24,83 Euro bis Dezember 2015 und von monatlich 25 Euro ab Januar 2016. Unstreitig sind berufsbedingte Fahrtkosten abzusetzen, die unter Zugrundelegung einer Wegstrecke von 50,7 km im Januar und Februar 2015, von 34,2 km bis Mai 2016 und von 54 km ab Juni 2016 mit Beträgen von 403,50 Euro, 321 Euro (entgegen der Berechnung der Antragstellerin aufgrund eines Rechenfehlers nicht mit 301 Euro) bzw. 420 Euro zu bemessen sind. Hierbei wurde gemäß der Berechnung der Antragstellerin, die von dem Antragsgegner, der auch keine höheren Aufwendungen geltend macht, nicht beanstandet wurde und die daher der Einkommensberechnung zugrunde zu legen ist, für die ersten 30 Entfernungskilometer ein Betrag von 10 Euro/km und für die Folgekilometer jeweils 5 Euro/km angerechnet.

73

Weiterhin leistete der Antragsgegner Kindesunterhalt für sein minderjähriges Kind in Höhe von 250 Euro, der sich ab Mai 2017 auf 408 Euro erhöhte. Auf einen Kredit zahlte er anfangs monatlich 200 Euro und ab Januar 2016 lediglich 68,78 Euro, die bis Dezember 2016 bedient wurden. Als zusätzliche Altersvorsorge erbrachte er monatlich jeweils 56 Euro.

74

Die jeweiligen Zahlbeträge sind zwischenzeitlich unstreitig und damit der Einkommensberechnung zugrunde zu legen.

75

Insgesamt errechnet sich für die jeweils angegebenen Zeiträume folgendes Einkommen des Antragsgegners:

76
        

1 - 2/15

3 - 9/15

10 - 11/15

12/15 

1 - 2/16

3/16   

Einkommen

2.757,06 €

2.757,06 €

2.757,06 €

2.757,06 €

2.967,47 €

2.967,47 €

Steuerkredit

24,83 €

24,83 €

24,83 €

24,83 €

25,00 €

25,00 €

Fahrtkosten

-403,50 €

-321,00 €

-321,00 €

-321,00 €

-321,00 €

-321,00 €

Kindesunterhalt

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

Kredit

-200,00 €

-200,00 €

-200,00 €

-200,00 €

-68,78 €

-68,78 €

zus. AV

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

Resteinkommen

1.872,39 €

1.954,89 €

1.954,89 €

1.954,89 €

2.296,69 €

2.296,69 €

Selbstbehalt

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

Verfügbares Einkommen,

                                                     

1/2 des dem Selbstbehalt

                                                     

übersteigenden Betrages

36,20 €

77,45 €

77,45 €

77,45 €

248,35 €

248,35 €

77
        

4/16   

5/16   

6/16   

7/16   

8 - 9/16

Einkommen

2.967,47 €

2.967,47 €

3.021,96 €

3.021,96 €

3.021,96 €

Steuerkredit

25,00 €

25,00 €

25,00 €

25,00 €

25,00 €

Fahrtkosten

-321,00 €

-321,00 €

-420,00 €

-420,00 €

-420,00 €

Kindesunterhalt

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

Kredit

-68,78 €

-68,78 €

-68,78 €

-68,78 €

-68,78 €

zus. AV

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

Resteinkommen

2.296,69 €

2.296,69 €

2.252,18 €

2.252,18 €

2.252,18 €

Selbstbehalt

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

Verfügbares Einkommen,

                                            

1/2 des dem Selbstbehalt

                                            

übersteigenden Betrages

248,35 €

248,35 €

226,09 €

226,09 €

226,09 €

78
        

10/16 

11/16 

12/16 

1 - 3/17

4/17   

5 - 12/17

Einkommen

3.021,96 €

3.021,96 €

3.021,96 €

3.021,96 €

3.021,96 €

3.021,96 €

Steuerkredit

25,00 €

25,00 €

25,00 €

25,00 €

25,00 €

25,00 €

Fahrtkosten

-420,00 €

-420,00 €

-420,00 €

-420,00 €

-420,00 €

-420,00 €

Kindesunterhalt

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-250,00 €

-408,00 €

Kredit

-68,78 €

-68,78 €

-68,78 €

        

        

        

zus. AV

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

-56,00 €

Resteinkommen

2.252,18 €

2.252,18 €

2.252,18 €

2.320,96 €

2.320,96 €

2.162,96 €

Selbstbehalt

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

1.800,00 €

Verfügbares Einkommen,

                                                     

1/2 des dem Selbstbehalt

                                                     

übersteigenden Betrages

226,09 €

226,09 €

226,09 €

260,48 €

260,48 €

181,48 €

79

Der von dem Antragsgegner geschuldete Elternunterhalt wird zum einen bestimmt durch die Höhe des jeweils monatlich bestehenden Bedarfs der Mutter des Antragsgegners, zum anderen im Rahmen der Leistungsfähigkeit begrenzt durch die Höhe seines verfügbaren Einkommens. Weiterhin ist in dem Zeitraum der Leistungsfähigkeit seiner Schwester W. der Anteil des Antragsgegners jeweils im Verhältnis seiner eigenen - unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 1.800 Euro - verfügbaren Einkünfte zu demjenigen beider Geschwister zu errechnen. Damit ergibt sich insgesamt folgende Berechnung:

80
        

unged. Bedarf Mutter

verfügb.Eink.AG

verfügb.Eink Schw.
Anteil AG

Unterhalt AG

        

Jan 15

466,76 €

36,20 €

        

        

36,20 €

Feb 15

563,12 €

36,20 €

        

        

36,20 €

Mrz 15

373,06 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Apr 15

420,89 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Mai 15

353,80 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Jun 15

353,80 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Jul 15

331,72 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Aug 15

331,72 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Sep 15

363,30 €

77,45 €

        

        

77,45 €

Okt 15

331,72 €

77,45 €

355,22 €

17,90 %

59,38 €

Nov 15

331,72 €

77,45 €

355,22 €

17,90 %

59,38 €

Dez 15

363,30 €

77,45 €

355,22 €

17,90 %

65,03 €

Jan 16

331,72 €

248,35 €

351,89 €

41,38 %

137,25 €

Feb 16

331,72 €

248,35 €

351,89 €

41,38 %

137,25 €

Mrz 16

365,70 €

248,35 €

22,84 €

91,58 %

248,35 €

Apr 16

320,87 €

248,35 €

22,84 €

91,58 %

248,35 €

Mai 16

207,80 €

248,35 €

22,84 €

91,58 %

190,30 €

Jun 16

207,80 €

226,09 €

22,84 €

90,82 %

188,73 €

Jul 16

288,62 €

226,09 €

22,84 €

90,82 %

226,09 €

Aug 16

881,45 €

226,09 €

        

        

226,09 €

Sep 16

495,23 €

226,09 €

        

        

226,09 €

Okt 16

586,22 €

226,09 €

        

        

226,09 €

Nov 16

361,53 €

226,09 €

        

        

226,09 €

Dez 16

437,67 €

260,48 €

        

        

260,48 €

Jan 17

540,37 €

260,48 €

        

        

260,48 €

Feb 17

182,09 €

260,48 €

        

        

182,09 €

Mrz 17

342,10 €

260,48 €

        

        

260,48 €

Apr 17

78,55 €

260,48 €

        

        

78,55 €

Mai 17

169,54 €

181,48 €

        

        

169,54 €

Jun 17

282,49 €

181,48 €

        

        

181,48 €

Jul 17

130,75 €

181,48 €

        

        

130,75 €

Aug 17

140,16 €

181,48 €

        

        

140,16 €

Sep 17

149,57 €

181,48 €

        

        

149,57 €

Okt 17

168,40 €

181,48 €

        

        

168,40 €

Nov 17

221,74 €

181,48 €

        

        

181,48 €

Dez 17

86,82 €

181,48 €

        

        

86,82 €

        

        

        

        

Summe 

5.329,30 €

81

Insgesamt errechnet sich damit für die Zeit von Januar 2015 bis Dezember 2017 ein von dem Antragsgegner geschuldeter Unterhalt in Höhe von 5.329,30 Euro.

82

Der Geltendmachung dieses Unterhaltsanspruches steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin während des erstinstanzlichen Verfahrens ihren Antrag zwischenzeitlich von anfangs 7.267,54 Euro auf 7.672,18 Euro erhöhte, um ihn schließlich auf einen Zahlungsbetrag von 5.859,48 Euro zu vermindern. Insbesondere steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2012 – XII ZB 229/11 – nicht entgegen. Danach braucht der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der konkret geltend gemachten Höhe zu rechnen, sofern der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch nach Auskunftserteilung beziffert hat, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch gegebenenfalls im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen (BGH, Beschluss vom 07. November 2012 – XII ZB 229/11 –, Rn. 42, juris). Im vorliegenden Fall macht die Antragstellerin mit ihrem zuletzt gestellten Antrag einen geringeren Unterhalt geltend als anfangs gefordert, sodass es eines Schutzes des Antragsgegners vor einer nachträglichen Erhöhung der Unterhaltsforderung nicht bedarf.

83

Gleichfalls sind unterhaltsrechtliche Verwirkungsgründe weder erkennbar noch werden diese von dem hierfür darlegungspflichtigen Antragsgegner geltend gemacht.

84

Dieser Unterhaltsanspruch ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII zu kürzen. Danach gehen Unterhaltsansprüche nicht auf den Sozialträger über, soweit der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Frage, was eine unbillige Härte ist, beurteilt sich im Unterschied zum Unterhaltsrecht nach öffentlich-rechtlichen Kriterien (BGH, Beschluss vom 08. Juli 2015 – XII ZB 56/14 –, BGHZ 206, 177-195, Rn. 32). Entscheidend ist, dass der den Härtegrund rechtfertigende Lebenssachverhalt einen erkennbaren Bezug zum Sozialhilferecht oder einem sonstigen Handeln des Staates und seiner Organe aufweist (Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 94 SGB XII (Stand: 11.02. 2020), Rn. 225). Eine unbillige Härte wird regelmäßig nur dann vorhanden sein, wenn mit der Heranziehung des Unterhaltspflichtigen soziale Belange vernachlässigt werden (BVerwG 12.7.1979 – 5 C 35/78 15.9.2010 – XII ZR 148/09; s. auch Münder, LPK-SGB XII, § 94 Rn. 46). Diese Einschränkung folgt daraus, dass familiären Belangen bereits durch die zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften Rechnung getragen wird (Grube/Wahrendorf/Giere, 6. Aufl. 2018, SGB XII § 94 Rn. 42). Dazu gehören Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige vor Eintreten der Sozialhilfe über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus den Hilfeempfänger betreut und gepflegt hat (BGH 23.7.2003 – XII ZR 339/00, FamRZ 2004, 2010; OLG Köln 18.11. 1999 – 14 UF 55/99, NJW 2000, 1201; Schellhorn, Schellhorn/Hohm/Scheider, § 94 Rn. 103 f.; Münder, LPK-SGB XII, § 94 Rn. 47; Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 94 SGB XII (Stand: 11.02.2020), Rn. 231) oder dass auf die Belange und Beziehungen der Familie Rücksicht genommen werden muss. Als sozialer Belang kommt auch in Betracht, dass die Höhe des Heranziehungsbetrages in keinem Verhältnis zu einer heraufbeschworenen nachhaltigen Störung des Familienfriedens steht (BVerwG 12. Juli 1979 – 5 C 35/78, Rn. 20, BVerwGE 58, 209, 216; vgl. insgesamt Grube/Wahrendorf/Giere, 6. Aufl. 2018, SGB XII § 94 Rn. 42 m.w.N.). Maßgebend sind stets die Umstände des Einzelfalles (Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 94 SGB XII (Stand: 11.02.2020), Rn. 227).

85

Eine unbillige Härte kann demgegenüber nicht damit begründet werden, dass der Unterhaltsschuldner schon viele Jahre Elternunterhalt zahlt. Dies ist letztlich Folge der hierzu bestehenden rechtlichen Verpflichtung und kann nicht im Umkehrschluss zu einer Unbilligkeit weiterer Zahlungen führen. Eine zeitliche Befristung der Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt sieht der Gesetzgeber nicht vor (Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 94 SGB XII (Stand: 11.02.2020), Rn. 230; OLG Karlsruhe v. 31.07.2014 - 16 UF 129/13 - juris Rn. 135).

86

Nach § 94 Absatz 3 Satz 2 SGB XII hat der Träger der Sozialhilfe die Einschränkung des Überganges aufgrund einer unbilligen Härte nur zu berücksichtigen, wenn er von deren Voraussetzungen durch vorgelegte Nachweise oder auf andere Weise Kenntnis erlangt. Diese gesetzliche Anordnung wirkt als eigenständige prozessuale Darlegungs- und Beweislastregel, die das Zivilgericht zu beachten hat (Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 94 SGB XII (Stand: 11.02.2020), Rn. 241).

87

Nach diesen Grundsätzen kommt eine Reduzierung des Übergangs von Unterhaltsansprüchen auf die Antragstellerin als Sozialträger nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Antragsgegner über einen längeren Zeitraum auf Elternunterhalt in Anspruch genommen wurde, während die drei Geschwister überwiegend nicht oder lediglich zeitweise leistungsfähig waren, hindert den Übergang jedenfalls nicht. Diese Sachlage ist Folge der unterhaltsrechtlichen Vorschriften und der jeweiligen Selbstbehalte, die zur Begründung einer Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen gewahrt sein müssen. Auch der Antragsgegner kommt in den Genuss der Selbstbehalte, sodass auch bei ihm im vorliegenden Fall eine Leistungsfähigkeit lediglich in einem eingeschränkten Umfang begründet ist. Die verbleibende Zahlungspflicht ist Ausdruck der gesetzgeberischen Wertung, dass ab einem bestimmten verfügbaren Einkommen (Eltern-)Unterhalt zu entrichten ist. Diese Wertung kann nicht durch Anwendung der Billigkeitsklausel nach § 94 Abs. 3 SGB XII und mit der - wenn auch zutreffenden - Annahme unterlaufen werden, dass der Elternunterhalt im Vergleich zu anderen Unterhaltstatbeständen schwach ausgestaltet ist. Die schwächere Ausgestaltung wird gerade durch die höheren Selbstbehalte sowie die weitergehende Berücksichtigung von Altersvorsorgevermögen gewährleistet und ist von dem Ziel getragen, dem unterhaltspflichtigen Kind die Aufrechterhaltung seiner Lebensverhältnisse soweit wie möglich zu erlauben. Für eine darüber hinausgehende Minderung einer Inanspruchnahme aus Elternunterhalt besteht demgegenüber kein Raum.

88

Nach dem Vortrag des Antragsgegners kann auch nicht festgestellt werden, dass dieser seine Mutter über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut und gepflegt hat. Soweit er seiner Mutter Hilfestellung bei ihrem Umzug und bei sonstigen Angelegenheiten des täglichen Lebens erbracht hat, ist dies noch nicht als übermäßige Betreuungsleistung zu werten. Weitergehende Betreuungsleistungen wurden von dem hierfür darlegungspflichtigen Antragsgegner nicht dargetan.

89

Soweit der Antragsgegner neben dem Elternunterhalt auch nicht unerhebliche Kindesunterhaltsleistungen erbringt, steht auch dies dem Forderungsübergang nicht entgegen. Die Unterhaltszahlungen sind bei der Einkommensermittlung berücksichtigt und mindern das für Elternunterhaltszahlungen verfügbare Einkommen des Antragsgegners und damit dessen Leistungsfähigkeit.

90

Schließlich kann entgegen der Ansicht des Amtsgerichts der Umstand, dass sich seit dem Jahr 2018 der politische Wille der Regierungsparteien dahingehend bildete, dass ein gesetzlicher Forderungsübergang von Elternunterhalt im Rahmen der Leistung von Sozialhilfe erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro erfolgen soll, eine Reduzierung des gesetzlichen Forderungsübergangs nicht rechtfertigen. Es handelt sich um politische Entscheidungsprozesse, die ab dem Jahr 2018 erörtert wurden und erst in der ab 01.01.2020 geltenden Gesetzesfassung ihren Niederschlag gefunden haben. Da der Gesetzgeber von einer rückwirkenden Anwendung abgesehen hat, kann nicht ein inhaltsgleiches Ergebnis über das Korrektiv der groben Unbilligkeit erreicht werden. Vielmehr verbleibt es dabei, dass die unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen des Antragsgegners auf der Grundlage der im streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2015 bis 2017 geltenden Vorschriften zu bestimmen sind.

91

Soweit sich der Antragsgegner hinsichtlich der Bewertung einer groben Unbilligkeit auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.07.2015 - XII ZB 56/14 - beruft, lag dieser ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn in dem dort zu entscheidenden Fall konnte das vom Sozialträger auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommene Kind den unterhaltsberechtigten Elternteil nur wegen des Vorhandenseins einkommensstärkerer Geschwister nicht auf die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen verweisen (BGH, Beschluss vom 08. Juli 2015 – XII ZB 56/14 –, BGHZ 206, 177-195, Rn. 32). Demgegenüber folgt die Inanspruchnahme des Antragsgegners und die unterbleibende Inanspruchnahme seiner Geschwister im vorliegenden Fall den Grundsätzen der jeweiligen Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Kinder des bedürftigen Elternteils.

92

Auch verfängt das Argument des Antragsgegners nicht, die Sozialleistungen hätten auch dann an seine Mutter erbracht werden müssen, wenn er tatsächlich Unterhalt geleistet hätte. Soweit der Antragsgegner insoweit auf den Regelungsgehalt der Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII abhebt, soll diese den Bedürftigen privilegieren, indem ihm mit erhöhten Einkommensgrenzen, die im Rahmen der Eingliederungshilfe gelten, ein erhöhtes Einkommen verbleibt. Demgegenüber ist es nicht Ziel der gesetzlichen Regelungen, auch den Unterhaltspflichtigen zu begünstigen, indem er von einer bestehenden Unterhaltslast befreit wird. Vielmehr verbleibt es unter Berücksichtigung des in § 2 SGB XII angeordneten Nachrangs der Sozialleistungen dabei, dass Unterhaltsansprüche grundsätzlich in Höhe der gewährten Sozialleistungen auf den Sozialträger übergehen.

93

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288, 286 BGB. Zu beachten ist insoweit, dass zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens am 19.08.2016 nicht der vollständige Zahlungsrückstand bestand. Denn dieser beinhaltet Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum von September 2016 bis Dezember 2017, die erst in den jeweiligen Folgemonaten entstanden und fällig geworden sind, sodass Zinsen insoweit auch erst mit Beginn des jeweiligen Fälligkeitsmonats geltend gemacht werden können.

94

Insgesamt war wie tenoriert zu entscheiden.

95

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze rechtfertigen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

96

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Abs. 1 FamFG. Im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung wurde das jeweilige Unterliegen der Beteiligten berücksichtigt.

97

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Gemäß § 70 Abs. 2 FamFG ist diese nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (Musielak/Voit/ Ball, 16. Aufl. 2019, ZPO § 543 Rn. 5, 5a).

98

Nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG erfolgt die Zulassung, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Einzelfall Anlass dafür gibt, Grundsätze zur Auslegung einer gesetzlichen Regelung zu bilden oder eine Gesetzeslücke zu füllen (Musielak/Borth/Borth/Grandel, 6. Aufl. 2018, FamFG § 70 Rn. 6).

99

Danach ist eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.

100

Die Rechtsfrage der analogen Anwendung der Vorschrift des § 93 SGB XII ist zwar höchstrichterlich noch nicht entschieden. Alleine der Umstand, dass in der Literatur vereinzelt eine Mindermeinung hierzu vertreten wird, begründet indes nicht die Voraussetzung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage und damit die Erforderlichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 543 ZPO, Rn. 11). Im Übrigen folgt die vorliegend vertretene Meinung der systematischen Auslegung der Vorschriften der §§ 93, 94 SGB XII, nach der sich die Regelungsbereiche der Vorschriften der §§ 93, 94 SGB XII gegenseitig ausschließen, sodass eine Regelungslücke nicht besteht und bereits aus diesem Grund eine Analogie der Vorschrift des § 93 SGB XII nicht in Betracht kommt, und entspricht auch der überwiegend vertretenen Kommentarliteratur (Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/von Koppenfels-Spies, 6. Aufl. 2019, SGB XII § 94 Rn. 2; Grube/Wahrendorf/Giere, 6. Aufl. 2018, SGB XII § 93 Rn. 1; BeckOK SozR/Weber, 56. Ed. 1.3.2020, SGB XII § 93 Rn. 8a; Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, SGB XII § 94 Rn. 1, beck-online; jeweils mit weiteren Nachweisen). Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung schließt sich zwischenzeitlich auch die Antragsgegnervertreterin dieser Rechtsauffassung an.

101

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 40, 51 FamGKG. Hierbei war der bis August 2016 geltend gemachte Unterhalt als Rückstand zu werten, im Übrigen war der Jahreszeitraum von September 2016 bis August 2017 zugrunde zu legen, sodass sich der Unterhalt auf der Grundlage der von der Antragstellerin geltend gemachten Aufstellungen der jeweiligen Unterhaltsforderungen und der von ihr gebildeten Unterhaltsrückstände (Bl. 865 d.A.) insgesamt wie folgt ermittelt:

102

Januar - September 2015

684,55 Euro

Oktober bis Dezember 2015

202,89 Euro

Januar bis Februar 2016

280,90 Euro

März bis Mai 2016

707,65 Euro

Juni 2016

188,74 Euro

Juli 2016

226,10 Euro

August bis Dezember 2016

1.130,50 Euro

Januar bis April 2017

986,31 Euro

Mai bis August 2017 (4 * 181,48 Euro)

725,92 Euro

Summe 

5.133,56 Euro

103

Die Entscheidung hinsichtlich der Festsetzung des Verfahrenswertes für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf §§ 55 Abs. 3, 51 FamGKG. Auch hier ist der für den oben genannten Zeitraum maßgebliche Betrag wie folgt zugrunde zu legen, wobei hinsichtlich der zu berücksichtigenden Teilbeträge auf die Aufstellung der Antragstellerin Bl. 625, 323 d.A. Bezug genommen wird:

104

Januar - September 2015

684,55 Euro

Oktober bis Dezember 2015 

202,89 Euro

Januar bis Februar 2016

280,90 Euro

März bis Mai 2016

707,65 Euro

Juni 2016

188,74 Euro

Juli 2016

270,99 Euro

August bis Dezember 2016

1.755,50 Euro

Januar bis August 2017

2.385,99 Euro

Summe 

6.477,21 Euro

105

Da die maßgeblichen Gebühren aus diesem Verfahrenswert angefallen sind, bedurfte es der Festsetzung eines Verfahrenswertes nach Zeitabschnitten nicht.

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